Szenario 1: Keine Einigung – Die USA sind zahlungsunfähig, Staatsbedienstete bekommen kein Gehalt mehr, schwerer Schaden für die Konjunktur. Und Obama wird wiedergewählt. Die Drohung für den Fall, dass sich die Verhandlungen weiter verzögern, war deutlich: Die Ratingagentur Standard & Poor's erklärte, dann läge die Wahrscheinlichkeit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA binnen drei Monaten bei 50 Prozent. Die Ratingagenturen Moody's sowie Fitch drohen Washington ebenfalls mit dem Verlust seiner bisherigen "Triple A"-Bonität, der höchstmöglichen. Auch die chinesische Dagong Global Credit Rating verlangt von Washington eine Einigung auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze sowie Maßnahmen zur Gesundung der Staatsfinanzen. Peking ist der größte Gläubiger der Vereinigten Staaten. US-Notenbank-Chef Ben Bernanke warnte vor dem Kongress, eine Zahlungsunfähigkeit würde sich verheerend auf die angeschlagene Konjunktur und die Weltwirtschaft auswirken. Vergleichbare Fälle gab es in der jüngeren US-Geschichte. Im Jahr 1979 einigte sich Präsident Jimmy Carter zwar in letzter Minute mit dem Kongress auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze (damals bei überschaubaren 830 Milliarden Dollar). Aber Pannen bei der Ausarbeitung sorgten in Tausenden Fällen für verzögerte Auszahlungen von Schatzanweisungen. Klageflut von Anlegern und Erhöhung der Zinsrate Das wiederum führte zu einer Klageflut von Anlegern und zu einer Erhöhung der Zinsrate um einen halben Prozentpunkt – was die Schulden der USA insgesamt um mehrere Milliarden Dollar erhöhte. Im Jahr 1995 kam es zu einem "Government Shutdown", zu einem Ausfall der Zahlungsfähigkeit, als Bill Clinton harten Einsparforderungen der Republikaner im Kongress seine Zustimmung verweigerte. Davon profitierte der demokratische Präsident, der im folgenden Jahr wiedergewählt wurde. Die Wähler gaben den Republikanern die Schuld an der verzögerten Auszahlung von Renten und Sozialleistungen. Dieser Tage erinnerte Mitch McConnell, der gemäßigte Führer der republikanischen Minderheit im Senat, an diesen Fall und warnte seine Partei vor einer "Selbstzerstörung", wenn sie sich jedem Kompromiss verweigere. Diesmal würde mutmaßlich Präsident Barack Obama von einer derartigen Blockade profitieren. Szenario 2: Die Republikaner setzen sich durch – Obama lässt die Steuererleichterungen für Reiche unangetastet, kürzt die Sozialleistungen. Damit brächte er seine Partei gegen sich auf. Um vier Billionen Dollar will Barack Obama die Staatsschulden in der kommenden Dekade reduzieren. Dazu möchte der Präsident nicht nur Ausgaben streichen, sondern auch die von der Regierung George W. Bush verfügten Steuererleichterungen beenden – zumindest für die Gutverdienenden mit Einkommen oberhalb von 250.000 Dollar pro Jahr. Aber das haben die Republikaner Ende vergangenen Jahres blockiert. In einem populistisch eingefärbten Vorschlag forderte der Präsident darum vor wenigen Tagen Steuererhöhungen für "Millionäre, für Hedgefonds-Manager, Besitzer von Firmenjets und Öl- und Gaskonzerne". Doch die Republikaner, getrieben von der Tea Party und Fiskalkonservativen wie der Präsidentschaftskandidatin Michele Bachmann, argumentieren, nicht ein Mangel an Steuereinnahmen, sondern die Sucht zu immer höheren Regierungsausgaben hätten die Vereinigten Staaten in die Schuldenfalle getrieben. Diese Kritik trifft allerdings, zumeist unausgesprochen, den vorigen Präsidenten Bush noch wesentlich stärker als den Amtsinhaber. Sollte sich Obama am Ende dieser Sicht anschließen und bei den ausgeuferten Sozialprogrammen Medicare (vor allem für Ältere) und Medicaid (vor allem für Arme) sowie Social Security massiv kürzen, aber auf zusätzliche Staatseinnahmen verzichten, hätten sich die Republikaner durchgesetzt. Republikaner setzen auf kurzfristige Abmachung Doch dieses Szenario ist unwahrscheinlich. Denn Obama gäbe damit das wichtigste Argument für seine Wahlkampagne im kommenden Jahr aus der Hand, nämlich die sozialen Standards gegen die Kürzungspläne der Republikaner zu verteidigen. Zudem würden die Senatoren und Abgeordneten der demokratischen Partei bei einer solchen Einigung zu Gunsten der Republikaner und unter Verzicht auf jegliche Steuererhöhungen ihrem Präsidenten die Gefolgschaft verweigern. Auch die Republikaner sehen einen solchen Deal nicht als wahrscheinlich an. Sie setzen nach eigenen Worten inzwischen auf eine kurzfristige Abmachung und nicht mehr auf einen großen überparteilichen Kompromiss, der sich auf die kommenden zehn Jahre beziehen würde. Szenario 3: Großer Kompromiss – Überparteiliche Lösung aus Sparen und höheren Steuern. Am Anfang war die Hoffnung. Dann wurde der Präsident allmählich ungehalten. Seine Töchter Malia und Sasha würden mit ihren Hausaufgaben auch nicht bis zur letzten Minute warten. Dementsprechend sollten nun die Abgeordneten endlich "ihre Arbeit erledigen", forderte Barack Obama vor den Journalisten im Weißen Haus. Die Verhandlungen sind in der Tat verhärtet. Eigentlich wollte Obama spätestens vergangene Woche zum Abschluss der Gespräche kommen. Das hat er nicht geschafft – aber mutmaßlich auch nicht wirklich erwartet. Der Präsident möchte sich in diesem Poker als der konziliante Vermittler präsentieren, der über den Parteien steht und sowohl bei den Einsparungen ernst macht, als auch bei der Erhöhung der Steuereinnahmen. Renditen der Staatspapiere -
Foto: Welt Online Infografik Entwicklung der Rendite
Umfragen geben Obama recht. Eine klare Mehrheit der Amerikaner spricht sich für einen Mix aus Ausgabensenkungen und Einnahmensteigerungen aus. Doch nachdem auch das fünfte Treffen der Unterhändler beider Seiten nicht zum Durchbruch führte, ist die Zuversicht in Washington gesunken, dass es am Ende einen großen, überparteilichen Kompromiss geben werde. Einzelne Vertreter der Republikaner scheinen durchaus verhandlungsbereit. Dazu gehört neben Senator Mitch McConnell auch John Boehner, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses und in der US-Polithierarchie die Nummer3 nach Präsident und Vizepräsident. Bedingungsloses Nein zu jeder Form von Steuererhöhung Doch der konservative Flügel der Partei fordert bislang ein bedingungsloses Nein zu jeder Form von Steuererhöhung. Und die Demokraten wollen Kürzungen bei Sozialprogrammen, bei der Bildung und bei Projekten wie Umweltschutz und der Reduzierung von CO*-Emissionen nur bis zu einem gewissen Grad mittragen. Jeder Erfolg geht mit dem Amtsinhaber nach Hause. Von einem großen Kompromiss würde darum der Präsident stärker profitieren als die Republikaner. Diese Perspektive im Jahr vor dem Kampf um das Weiße Haus ist der Hauptgrund dafür, dass in der verbleibenden Zeit mutmaßlich kein umfangreiches Paket geschnürt werden kann. Immerhin versicherte Obama am Freitag, er erhalte weiterhin positive Signale von beiden Seiten. Szenario 4: Kleiner Kompromiss – Ein juristischer Winkelzug, der das Problem vertagt Der große überparteiliche Kompromiss ist in die Ferne gerückt. Die Demokraten können sich nicht einseitig durchsetzen, und die Republikaner dürfen sich nicht einseitig durchsetzen. Doch ein Scheitern der Gespräche und eine Zahlungsunfähigkeit der USA samt Herabstufung der Kreditwürdigkeit und internationalen Kollateralschäden müssen verhindert werden. Die USA sind schließlich "keine Bananenrepublik", wie ein gereizter Präsident Obama anmerkte. Und auch die Republikaner wollen nicht, dass Staatsbedienstete, Polizisten, Soldaten und Rentner, die plötzlich keine Schecks mehr erhalten würden, im kommenden Jahr bei den Wahlen zeigen, was sie von diesen Machtspielen in der Hauptstadt halten. Juristischer Winkelzug Darum spricht nun viel für einen kleinen Kompromiss in letzter Minute. Er wird derzeit in Washington zwischen führenden Vertretern von Demokraten und Republikanern diskret als "Rückfallplan" sondiert und könnte wie folgt aussehen: Der Kongress würde den Präsidenten mittels eines juristischen Winkelzuges ermächtigen, aus eigener Autorität und ohne Zustimmung der Abgeordneten die Schuldenobergrenze anzuheben. Im Gegenzug müsste die Regierung im selben Umfang Ausgaben in Etats reduzieren, die sie selbst auswählt. Diskussion über eine Summe von zwei Billionen Dollar Diskutiert wird bei diesem Szenario über eine Summe von zwei Billionen Dollar. Technisch würde dies eine Anhebung der Schuldenobergrenze von 14,3 auf 16,3 Billionen Dollar bedeuten. Zugleich würde die Regierung verbindlich erklären, an welchen Stellen sie diese Summe im Haushalt einsparen will. Dem Präsidenten würde eine solche Operation zumindest vorübergehend wieder Handlungsfähigkeit verschaffen. Er trüge aber ganz allein die Verantwortung für schmerzhafte Kürzungen. ... Link |