GERD's IRAK SHOW - der Spaß kann beginnen
EU-GIPFEL IN BRÜSSEL
Schröder erkennt Krieg gegen Irak als letztes Mittel an
Die Staatschefs der EU haben sich auf eine einheitliche Position im Irak-Streit geeinigt. In einer gemeinsamen Erklärung betonen sie die Notwendigkeit für gründlichere Inspektionen, ziehen aber den Krieg ausdrücklich als letztes Mittel ins Kalkül. Kann Bundeskanzler Schröder sein absolutes Nein zur Beteiligung deutscher Soldaten an einem eventuellen Irak-Krieg noch durchhalten?
Brüssel - Schließlich haben sie sich doch noch zusammen gefunden. Nach langem und zeitweise erbittertem Streit haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf eine gemeinsame Erklärung zur Irak-Krise geeinigt. Darin wird erstmals auch ein militärischer Angriff auf den Irak als letztes Mittel eingeschlossen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) äußerte sich am Montagabend in Brüssel erfreut über die Einigung.
Die Erklärung betont die Rolle der Uno und ihrer Waffeninspektoren, die mehr Zeit erhalten sollten, wenn sie dies für nötig erachten. "Gewalt sollte nur als letztes Mittel genutzt werden", heißt es in der am Montagabend in Brüssel vereinbarten Erklärung der Staats- und Regierungschefs.
"Krieg ist nicht unvermeidbar", heißt es in der Erklärung weiter. Allerdings mahnen die Staatschefs den Irak eindringlich zur Kooperation mit den Inspektoren. Die EU erkennt zudem an, dass unter anderem der militärische Aufmarsch in der Golfregion wesentlich dazu beigetragen habe, dass die Waffeninspekteure in den Irak zurückkehren konnten.
"Deutschland musste sich bewegen"
Damit scheinen sich die Franzosen auf ganzer Linie durchgesetzt zu haben. Von ihren radikalen Positionen zurückgehen mussten sowohl die deutschen Total-Verweigerer wie auch die Briten, die den USA fast bedingungslosen Gehorsam geschworen hatten. Dagegen hatte Frankreichs Präsident Chirac stets eine Position bezogen, die Krieg als letztes Mittel zur Lösung des Irak-Konflikts ausdrücklich eingeschlossen hat. Zuletzt am Wochenende hatte Chirac seine Position in einem Interview mit der US-Zeitschrift "Time" dargelegt. Sollte Iraks Diktator Saddam Hussein nicht abrüsten und sich noch strengeren Inspektionen als bisher verweigern, seien alle Optionen offen: "Frankreich ist kein pazifistisches Land."
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) räumte ein, Deutschland habe sich bei der Suche nach dem Kompromiss bewegen müssen. Allerdings seien Formulierungen, dass die Zeit für diplomatische Bemühungen abgelaufen sei, nicht akzeptabel gewesen und daher gestrichen worden. "Immerhin ist ein großes Maß an Gemeinsamkeit hergestellt worden." Deutschland habe Krieg als letztes Mittel niemals ausgeschlossen. Schröder hatte stets erklärt, Deutschland werde keiner Uno-Resolution für einen Angriff auf den Irak zustimmen und auch an einer vom Sicherheitsrat legitimierten Invasion nicht teilnehmen.
Schröder und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) werteten die Erklärung als Bestätigung für den deutschen Kurs der Suche nach einer friedlichen Lösung. Nach Angaben von Diplomaten war strittig gewesen, ob die Erklärung die oft von Briten und den USA genutzte Formulierung enthalten sollte: "Die Zeit läuft schnell ab." Schröder sagte dazu: "Die grundsätzliche Position der Bundesregierung hat sich nicht geändert, auch wenn wir nicht in der Lage waren, Reintext Deutschland in den Text zu bringen."
"Das Wichtigste ist, Stärke zu zeigen"
Die Europäische Union war gespalten zwischen den Ländern wie Deutschland und Frankreich, die mehr Zeit für die Inspektionen befürworten, und Großbritannien und Spanien, die eher die härtere Haltung der USA unterstützen. Zum Auftakt der Sitzung waren noch einmal die unterschiedlichen Positionen zwischen Befürwortern und Gegnern der harten Linie aufeinander geprallt. Der britische Premierminister Tony Blair sagte, die meisten Menschen verstünden, dass Iraks Machthaber Saddam Hussein nicht friedlich entwaffnet werden könne. "Das Wichtigste im Moment ist es, Stärke zu zeigen, nicht Schwäche", sagte Blair. "Das ist die Sprache, die Saddam verstehen wird."
Fischer hatte bereits nach einer Sitzung mit seinen Amtskollegen am Nachmittag Kompromissbereitschaft signalisiert. Auf die Frage, ob Deutschland einen Krieg als letztes Mittel ausschließt, sagt er: "Das ist nicht die Frage. Wir wollen nicht, dass es dazu kommt." Auch Schröder hatte "aufrichtige Bemühungen für einen Konsens" angekündigt.
Derzeit arbeiten die USA und Großbritannien an einer neuen Uno-Resolution, die den Einsatz militärischer Gewalt legitimieren soll. Uno-Generalsekretär Kofi Annan sieht zunächst keine Notwendigkeit für eine zweite Uno-Resolution. "Die Frage einer neuen Resolution stellt sich nicht", sagte Annan nach einem Treffen mit den Gipfelteilnehmern in Brüssel.
«Der Spieler Schröder ist in aller Öffentlichkeit auf internationaler Bühne entlarvt worden»
Diese Kehrtwende müsse er nun der Öffentlichkeit erklären.
SPD: „Die Union sehnt offensichtlich einen Krieg herbei"
Die SPD verschärft die Tonart gegenüber der Opposition wegen deren Haltung zum Irak-Krieg
Berlin - „Die Union sehnt offensichtlich einen Krieg herbei“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, am Mittwoch in Berlin. Auf eine solche „kriegslüsterne Haltung“ ließen Äußerungen von CDU/CSU-Fraktionschefin Angela Merkel und anderen Unionspolitikern schließen.
Laut Schmidt verzichtet die Union entgegen ihren Ankündigungen darauf, das Irak-Thema und die EU-Haltung dazu in dieser Woche erneut im Parlament zur Sprache zu bringen. Ein entsprechender Antrag der Union liege nicht vor, sagte der SPD-Politiker. dpa
NATO verlegt AWACS mit deutscher Besatzung in die Türkei
Brüssel (dpa) - Die NATO verlegt Beobachtungsflugzeuge des Typs AWACS von ihrem Standort Geilenkirchen bei Aachen in die Türkei. Eine entsprechende Anordnung hat der Oberbefehlshaber für Europa, US- General James Jones, gegeben. Das teilte das militärische Hauptquartier der Allianz in Brüssel mit. Die Flugzeuge, zu deren Besatzung auch deutsche Soldaten gehören, werden auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Konya stationiert. Sie sollen ihre Einsätze am Donnerstag nächster Woche beginnen.
"ANTIKRIEGSFRONT"
Lassen Veto-Mächte Deutschland im Stich?
Außenminister Joseph Fischer hat überraschend alle Termine beim Politischen Aschermittwoch abgesagt, um kurzfristig nach Paris zu fliegen. Dort wird er mit seinen Amtskollegen Dominique de Villepin und Igor Iwanow zusammentreffen. Möglicher Grund der Feuerwehr-Diplomatie: Die Antikriegsfront scheint zu bröckeln.
Hamburg - Ein Sprecher der bayerischen Grünen sagte, die drei Außenminister wollten das weitere Vorgehen der drei Staaten abstimmen. Hintergrund der eiligen Terminänderung Fischers dürfte sein, dass Frankreich möglicherweise aus der Achse derjenigen Länder ausschert, die gegen die amerikanische Irak-Politik sind. Diesen Eindruck legt ein Bericht der satirischen französischen Wochenzeitung "Le Canard Enchainé" nahe. Das Blatt zitiert vertrauliche Äußerungen des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, wonach Frankreich die von den USA gewünschte Uno-Resolution für einen Irak-Krieg nicht wie bisher angekündigt blockieren wird. Trotz seines Eintretens gegen einen Krieg habe Chirac ein Veto im Uno-Sicherheitsrat praktisch ausgeschlossen.
Die Wochenzeitung beruft sich auf eine Äußerung Chiracs vom 26. Februar. Im privaten Kreis habe der Staatspräsident gesagt, er halte ein Veto für sinnlos, weil es US-Präsident George W. Bush nicht an einem Angriff hindern werde. "Frankreich tut, was es kann. Aber es ist unmöglich, Bush daran zu hindern, seine Logik des Krieges zu Ende zu bringen", wird Chirac im "Canard" zitiert.
Bei einem Treffen mit konservativen Abgeordneten habe auch Außenminister de Villepin ein Veto für unmöglich erklärt. "Vom Veto Gebrauch zu machen hieße, den Amerikanern in den Rücken zu schießen", zitiert das Blatt den Minister. Sein Ministerium lehnte eine Stellungnahme zu dem Bericht ab.
Aus französischen Diplomatenkreisen verlautete am Dienstag, die Diskussion über die Ausübung des Vetorechts sei verfrüht, weil der Resolutionsentwurf der USA derzeit ohnehin keine Mehrheit im Sicherheitsrat finde. Zehn bis elf der 15 Ratsmitglieder seien gegen den Entwurf.
Russland lässt sich Hintertürchen offen
Auch Russland scheint sich ein Hintertürchen offen zu halten. Kurz vor seinem Treffen mit dem britischen Außenminister Jack Straw in London hatte Russlands Außenminister Igor Iwanow in einem BBC-Interview ein Veto seines Landes gegen eine weitere Resolution erneut nicht ausgeschlossen: "Wenn nötig, kann Russland von diesem Recht Gebrauch machen."
Nach den Gesprächen mit Bush-Gefolgsmann Straw intonierte Iwanow das Thema auf andere Weise. Nun betonte er, die Irak-Frage dürfe nicht zur Spaltung der internationalen Gemeinschaft führen: "Wir haben ein gemeinsames Ziel", sagte Iwanow, es gebe im Moment eine echte Chance für eine politische Lösung.
Iwanow schloss eine Stimmenthaltung Moskaus bei einer Abstimmung über den von den USA, Großbritannien und Spanien vorgelegten Resolutionsentwurf im Weltsicherheitsrat nahezu aus. Dies komme "kaum" in Frage: "Enthaltung ist für uns keine Position. Wir brauchen einen klaren Standpunkt, und wir sind für eine politische Lösung."
Auch China ein Wackelkandidat
Beobachter rechnen damit, dass auch China kein Veto einlegen werde, sollte Russland und Frankreich sich ebenfalls dazu entschließen, auf ihr Vetorecht zu verzichten. Peking werde es nicht riskieren, sich mit seinem größten Handelspartner anzulegen.
In einem Leitartikel der Parteizeitung "Renmin Ribao" vom Mittwoch wird freilich für mehr Zeit für die Waffeninspekteure im Irak geworben. "Verstärkte Inspektionen sind für den Frieden äußerst wichtig", heißt es in dem Blatt, das als Sprachrohr der chinesischen Kommunisten gilt. In dem Beitrag werden zudem mehr Waffenkontrolleure und bessere Ausstattung für diese gefordert, damit die Entwaffnung Iraks auf friedlichem Weg erreicht werden kann.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte am Vortag mit Chinas Präsident Jiang Zemin und dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva telefoniert, um an der Antikriegsallianz zu bauen. China hatte sich bereits zuvor dem deutsch-französisch-russischen Memorandum angeschlossen, das auf die vollständige Umsetzung der Uno-Resolution 1441 abzielt. In der nicht-amerikanischen Lesart bedeutet dies eine Intensivierung der Inspektionen im Irak.
Spanien stimmt für Krieg
Spanien bleibt voll auf Bush-Kurs. Das Parlament in Madrid unterstützt die harte Linie von Regierungschef José María Aznar, der Bush bedingungslos folgen will. Nach einer vierstündigen Debatte über die Irak-Politik stimmten am Dienstagabend offenbar alle 183 Abgeordnete von Aznars Volkspartei für die Politik des Regierungschefs. An der Abstimmung hatten sich 347 der 350 Abgeordneten beteiligt. Aznar selbst nahm an der Debatte nicht teil.
Paris deutet Abkehr von Nein zu Irak-Krieg an
Die USA sehen im Uno-Sicherheitsrat die Unterstützung für ihre neue Irak-Resolution wachsen. Zugleich deutete Frankreich an, auf ein Veto gegen die USA zu verzichten. Bundesaußenminister Joschka Fischer reiste überraschend nach Paris zu einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Frankreich und Russland.
Colin Powell
"Ich bin immer optimistischer, dass wir bei einer Abstimmung Argumente vorlegen können, die die meisten Mitglieder des Sicherheitsrats überzeugen werden, für die Resolution zu stimmen," sagte Außenminister Colin Powell am Dienstag im französischen Fernsehen. Für die Annahme der Resolution müssen mindestens neun der 15 Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für den Vorschlag stimmen. Zudem dürfen die Kritiker einer harten Irak-Politik, Frankreich, China und Russland, nicht von ihrem Veto-Recht Gebrauch machen.
Offiziell haben sich bisher nur Großbritannien, Spanien und Bulgarien an die Seite der USA gestellt. Als unentschlossen gelten Angola, Chile, Guinea, Kamerun, Mexiko und Pakistan. Eine Abstimmung über die neue Irak-Resolution werde es wahrscheinlich nach Vorlage des Blix-Berichts am Freitag geben. Der genaue Termin stünde jedoch noch nicht fest.
Frankreich will USA nicht in den Rücken fallen
Frankreich will die Resolution für einen Irak-Krieg einem Zeitungsbericht zufolge nicht blockieren. Trotz seines Eintretens gegen einen Krieg habe Staatspräsident Jacques Chirac ein Veto im Sicherheitsrat praktisch ausgeschlossen, berichtete die französische Wochenzeitung "Le Canard Enchainé" in ihrer Mittwochsausgabe. Am 26. Februar habe Chirac im privaten Kreis gesagt, er halte ein Veto für sinnlos, weil es US-Präsident George Bush nicht an einem Angriff hindern werde.
"Frankreich tut, was es kann. Aber es ist unmöglich, Bush daran zu hindern, seine Logik des Krieges zu Ende zu bringen", wird Chirac im "Canard" zitiert. Auch Außenminister Dominique de Villepin habe ein Veto bei einem Treffen mit konservativen Abgeordneten für unmöglich erklärt. "Vom Veto Gebrauch zu machen hieße, den Amerikanern in den Rücken zu schießen", zitiert die Wochenzeitung den Außenminister.
Bundesaußenminister Joschka Fischer wird sich am Mittwoch in Paris mit Villepin und seinem russischen Amtskollegen Igor Iwanow treffen. Wegen seiner Reise nach Paris sagte Fischer Auftritte auf Veranstaltungen der Grünen zum politischen Aschermittwoch in Biberach und Landshut kurzfristig ab. Von Diplomaten hieß es, auch eine Reise Fischers zur Sitzung des Uno-Sicherheitsrats an diesem Freitag in New York zeichne sich ab.
Rumsfeld: Irak ist Meister der Täuschung
Donald Rumsfeld
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld warf Bagdad erneut Täuschungsmanöver vor. Der BBC sagte Rumsfeld, er glaube nicht, dass Iraks Präsident Saddam Hussein in den letzten Wochen irgendetwas getan habe, um einen Krieg unwahrscheinlicher zu machen. Auf die Frage, ob Irak auch Massenvernichtungswaffen herstellen könne, wenn Inspektoren im Land sind, sagte Rumsfeld: "Aber sicher."
Irak arbeite im Untergrund und sei Meister der Täuschung. "Es gibt für mich keinen Zweifel, dass er Waffen - chemische und biologische Waffen - hat und dass er an Atomwaffen arbeitet." Saddam habe gelernt, in einem Umfeld mit Uno-Waffeninspektoren zurechtzukommen. Rumsfeld sagte weiter, ein Krieg könne immer noch vermieden werden, wenn Saddam sich für eine Zusammenarbeit mit der Uno entscheide oder das Land verlasse oder gestürzt werde.
Annan hofft auf Kompromiss
Uno-Generalsekretär Kofi Annan warnte am Dienstag vor einer Spaltung des Uno-Sicherheitsrates. Er appellierte an die Mitglieder des Sicherheitsrates, in der Frage einer neuen Irak-Resolution einen Kompromiss zu finden. Annan, der am Dienstag zu seinem monatlichen Essen mit den 15 Uno-Sicherheitsratsmitgliedern in New York zusammengekommen war, habe insbesondere die fünf ständigen Ratsmitglieder aufgefordert, eine einheitlich Linie zu finden, sagte ein Uno-Sprecher.
Annan hatte zuvor vor Journalisten die Zerstörung irakischer Raketen als "positive Entwicklung" gewürdigt. Seit Samstag hat Irak 19 der über 100 El-Samud-2-Raketen - wie von der Uno verlangt - unbrauchbar gemacht.
Spaniens Parlament billigt Aznars Politik
Spaniens Regierungschef José Maria Aznar hat im Parlament eine absolute Mehrheit für seine harte Irak-Politik erhalten. Nach einer vierstündigen Debatte über die Irak-Politik stimmten am Dienstag offenbar alle 183 Abgeordnete von Aznars Volkspartei für die Politik des Regierungschefs. An der Abstimmung hatten sich 347 der 350 Abgeordneten beteiligt. Die Sozialistische Partei hatte geheime Abstimmung in der Hoffnung beantragt, dass es unter den 183 Abgeordneten der Regierungspartei Abweichler geben könnte.
Ungeachtet der diplomatischen Bemühungen ordnete US-Verteidigungsminister die Entsendung weiterer 60.000 Soldaten in die Golf-Region an, darunter ihre in Wiesbaden stationierte 1. Panzerdivision. Powell sagte mit Blick auf die mehr als 250.000 Soldaten, die die USA und Großbritannien in der Golfregion für eine Irak-Invasion in Stellung gebracht haben: "Man kann eine Streitmacht wie diese, eine so große, nicht eine lange Zeit nur herumsitzen lassen."
© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustration: AP
Die Friedensolympiade - FDP erwägt Klage gegen Awacs-Einsatz
Die Opposition fordert einen Bundestagsbeschluss für den Einsatz der Awacs-Flugzeuge in der Türkei. Die FDP droht der Bundesregierung mit einer Klage in Karlsruhe.
Die Opposition zweifelt am «defensiven Charakter» des Awacs-Einsatzes über der Türkei. Zum wiederholten Mal forderten FDP und Union am Dienstag, die Nato-Aktion müsse durch einen Bundestagsbeschluss abgesegnet werden. Sonst, so drohte der FDP-Rechtsexperte Jörg van Essen in Berlin, schließe man eine Klage vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe nicht mehr aus.
Sollte die Koalition den Bundestag doch noch mit dem Thema befassen, wollen sich Union und FDP offen halten, ob sie dem Awacs-Einsatz zustimmen werden. «Das hängt ganz von dem Auftrag ab», sagt van Essen. Er glaube zudem nicht, dass die rot-grüne Koalition eine eigene Mehrheit zustande bekommen werde.
Die Opposition argumentiert, die Soldaten müssten sich bei dem Einsatz auf «sicherem verfassungsrechtlichen Boden befinden». Problematisch sei, dass bei dem Einsatz nicht zwischen offensiven und defensiven Aufgaben getrennt werden könne.
Essen geht von offensivem Kampfeinsatz aus
Van Essen sagte, Awacs-Flugzeuge könnten neben der Überwachung des Luftraums einen Luftkrieg auch offensiv lenken. Das habe der Einsatz in Bosnien gezeigt. Damals hatte das Verfassungsgericht geurteilt, für alle offensiven Kampfeinsätze der Bundeswehr sei eine Zustimmung zu Bundestages nötig.
Der Ex-Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Klaus Naumann, äußerte sich ähnlich. Es handele sich um eine «haarspalterische Diskussion», da auf dem Radar nicht unterschieden werden könne, ob anfliegende Flugzeuge Ziele in der Türkei oder im Nord-Irak bombardieren wollten. Die Soldaten der Awacs-Flugzeuge müssten auf jeden Fall dafür sorgen, dass diese Flugzeuge abgefangen würden. (nz)
Spitzen-Grüne kritisieren erneut ihre Partei-Chefin
Streit um Überflugrechte - Redeverbot für Beer
Jörg Michel
BERLIN, 10. März. Grünen-Chefin Angelika Beer ist wegen umstrittener Äußerungen zum Thema US-Überflugrechte erneut parteiintern in die Kritik geraten. Mehrere Spitzen-Grüne kritisierten am Montag die erneute Forderung Beers, im Falle eines US-Alleingangs im Irak über die Nutzung von Basen und Überflugrechten in Deutschland zu sprechen.
"Die erneute öffentliche Debatte zu diesem Thema ist nicht hilfreich", sagte Vizefraktionschef Winfried Nachtwei der Berliner Zeitung. Er bekräftigte, die Haltung der Bundesregierung und der Regierungsparteien habe sich nicht geändert, wonach man den Amerikanern die Überflugrechte nicht werde verweigern können.
Beer hatte in einem Interview auf die Frage nach Nutzungsrechten wörtlich geantwortet: "Das sollte kein Staat allein entscheiden. Es wird über diese Frage eine Diskussion mit anderen Bündnis-Partnern geben müssen, die wie Deutschland der amerikanisch-britischen Kriegsresolution im Sicherheitsrat nicht zustimmen wollen." Ähnliches hatte Beer bereits im vergangenen Jahr gefordert, war dann aber von Außenminister Fischer (Grüne) mit dem Argument zurückgepfiffen worden, der Kanzler habe den Vereinigten Staaten die Nutzung bereits zugesagt. (jöm.)
Awacs, Patriot, Fuchs & Co - Angst vor Bundestagsabstimmung in der SPD
Kein neuer Bundestagsbeschluss für Awacs-Flüge - Anzeige gegen Schröder
19. März 2003 Die Bundesregierung hält einen neuen Parlamentsbeschluss für den Einsatz deutscher Soldaten in den Awacs-Überwachungsflugzeugen nicht für nötig. Dies gelte auch für die deutschen „Fuchs“-Spürpanzer in Kuweit, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Mittwoch in der Generaldebatte zum Haushalt. In den Awacs-Maschinen stellt die Bundeswehr ein Drittel der Besatzungen.
Schröder lehnte Forderungen der Opposition ab, die Einsätze vor dem Beginn eines Irak-Krieges durch eine Bundestagsentscheidung klären zu lassen. Der Kanzler sagte, die Awacs-Flüge dienten ausschließlich der Überwachung des türkischen Luftraums durch die Nato. Für die Absicherung ihrer geplanten Militäraktionen im Irak stünden den Vereinigten Staaten mehr als 100 eigene Awacs-Maschinen zur Verfügung.
Für die in Kuwait im Rahmen der Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“ stationierten ABC-Abwehrkräfte gebe es bereits ein Bundestagsmandat, sagte Schröder. Auch sie würden sich an einem Einsatz gegen Irak nicht beteiligen.
Verpflichten aus dem Nato-Vertrag
Der Kanzler unterstrich ferner, dass die Bundesregierung den Vereinigten Staaten und Großbritannien auch im Fall eines Angriffs auf den Irak weiterhin die Nutzung ihrer Militärbasen sowie Überflugrechte gestatten würde. Die klare Anti-Kriegs-Position der Regierung ändere nichts daran, dass es sich bei Amerika und Großbritannien um Bündnispartner handele und dass es Verpflichtungen aus dem Nato-Vertrag gebe.
Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte im Nachrichtensender n-tv, er sei nicht der Meinung, dass der Awacs-Einsatz eine „verfassungswidrige Unterstützung“ darstelle. Allerdings machte er Bedenken in Hinblick auf die Überflugrechte geltend.
PDS erstattet Anzeige gegen Schröder
Die PDS hat bei Generalbundesanwalt Kay Nehm Anzeige gegen Schröder erstattet. Der Kanzler habe sich strafbar gemacht, indem er den Vereinigten Staaten Überflugrechte gewähre und deutsche Soldaten an Awacs-Einsätzen beteilige.
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle forderten die Bundesregierung auf, eine klare rechtliche Grundlage für den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Awacs-Aufklärungsflugzeugen zu schaffen. „Wir dürfen Soldaten nicht in Schwierigkeiten bringen, nur um Ihnen, Herr Bundeskanzler, Schwierigkeiten in der Koalition zu ersparen“, sagte Westerwelle. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt meinte im Nachrichtensender Phoenix, Awacs-Einsätze hätten in einem Krieg möglicherweise „Zielführungsfunktionen“.
Merkel hält sich zurück
Die CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Angela Merkel äußerte sich in der Debatte nicht zu diesem Thema. Sie hatte nach einem Gespräch der Partei- und Fraktionschefs bei Schröder am Dienstag betont, die Union würde diese Einsätze mittragen. Allerdings müsse der Bundestag entscheiden, um „Grauzonen“ im Falle eines Krieges zu vermeiden. Der CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz gab sich dagegen mit der Schröder-Erläuterung zufrieden. „Ich halte die Einlassung des Bundeskanzlers für richtig“, sagte er.
Anderer Meinung als der Kanzler ist die SPD-Abgeordnete und Vorsitzende des Innenausschusses, Cornelie Sonntag-Wolgast. Sie sprach sich im Hessischen Rundfunk für einen Bundestagsbeschluss zum Einsatz deutscher Soldaten in den Überwachungsflugzeugen aus.
Weitere Deutsche an den Golf - Verdoppelung der Truppenstärke
Die deutsche ABC-Abwehrtruppe in Kuwait soll mehr als verdoppelt werden. Und zwar von derzeit knapp 100 auf 200 oder 250 Soldaten; dies sei eine Schutzmaßnahme, sagte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) am Mittwoch in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Die noch in Deutschland stationierten ABC-Soldaten der Bundeswehr hätten am Dienstag den Befehl erhalten, sich für den Abmarsch bereitzuhalten. Sie sollen laut Struck Hilfe bei Anschlägen gegen die Zivilbevölkerung oder US-Einheiten leisten. Die Truppe werde im Rahmen des vom Bundestag genehmigten Anti-Terror-Mandats verstärkt.
Struck zeigte sich besorgt über die Situation der Bundeswehreinheiten außerhalb des Nato-Gebietes. Die Gefahrenlage werde sich nach Ausbruch eines Irak-Krieges vor allem in Afghanistan verschärfen. Sie sei ohnehin nie ruhig und stabil gewesen. Nun sei nicht auszuschließen, dass diejenigen Kräfte in Afghanistan, die ohnehin gegen die Stationierung ausländischer Truppen seien, Auftrieb erhielten. Er sei aber auch in Sorge um die deutschen Marinesoldaten am Horn von Afrika. Selbst für die Einheiten auf dem Balkan sei eine Gefahrenzunahme möglich.
Ibuk Struck
Der Mann ist ein Ibuk. Und gerade das wollte er nie sein. Verteidigungsminister Peter Struck ist genau genommen sogar der einzige Ibuk, den Deutschland hat, und das macht die Sache nicht besser. Denn der Ibuk ist der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt der Bundeswehr. Das ist schon zu Friedenszeiten angesichts wachsender Aufgaben und schwindender Mittel keine ganz so angenehme Aufgabe. Nun aber kommen Kriegszeiten. Und so sehr sich die Bundeswehr auch als Friedensarmee versteht und der Bundeskanzler als Friedenskanzler: Trotz des demonstrativen deutschen Neins zum Irak-Krieg sind die Bundesrepublik, ihre Armee und damit ihr oberster Befehlsgeber eng in Kriegsaktivitäten verwickelt.
Denn entgegen aller Friedensrhetorik der rot-grünen Bundesregierung: Deutsche Soldaten in Fuchs-Panzern an der Grenze zum Irak, deutsche Soldaten an Bord der von der Türkei in den Irak spähenden Awacs-Flugzeuge, deutsche Soldaten als Wachtposten für amerikanische Basen in der Bundesrepublik sind ein Vielfaches mehr an Kriegsbeteiligung, als sie beispielsweise die Koalitionäre der Willigen Italien und Spanien leisten. Und Peter Struck ist der Chef, der Ibuk eben.
Bundeswehr: Weitere deutsche Soldaten unterwegs nach Kuwait
110 Soldaten aus dem westfälischen Standort Höxter sind in Marsch gesetzt worden. Sie verstärken die Einheit mit sechs "Fuchs"-Spürpanzern nahe der irakischen Grenze
Berlin - Die Bundeswehr verstärkt ihre ABC-Abwehreinheiten in Kuwait. 110 Soldaten des ABC-Abwehrbataillons aus dem ostwestfälischen Höxter sind am Freitag nach Kuwait verlegt worden. Sie sollten von Köln aus nach Kuwait fliegen. Dies bestätigte ein Sprecher der Luftwaffe.
Die Aufstockung hatte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) zuvor angekündigt. Mit der Verstärkung wird die Zahl des deutschen ABC-Abwehrkontingentes in Kuwait rund 200 Mann betragen.
Das mit sechs ABC-Spürpanzern „Fuchs“ ausgerüstete Kontingent kann gemäß seinem, vom Bundestag Ende 2001 beschlossenen Mandat eine Größe von bis zu 250 Mann haben. Sie werden im Rahmen der Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“ zur Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Bedrohung in Kuwait eingesetzt.
Das ABC-Abwehrkontingent soll nach Angaben des Ministeriums nicht im Irak-Krieg eingesetzt werden, sondern in Kuwait bleiben.
FDP klagt in Karlsruhe gegen Awacs-Einsatz ohne Bundestagsbeschluss
Die FDP klagt in Karlsruhe gegen den Einsatz deutscher Soldaten in der Türkei: Die Liberalen halten einen Bundestagsbeschluss für nötig.
Die FDP hat in Karlsruhe Beschwerde gegen den Einsatz von Bundeswehr-Soldaten in der Türkei eingelegt. Der Einsatz von Bundeswehr-Soldaten ohne Bundestagsbeschluss sei nicht verfassungskonform, heißt es in der Klage der Liberalen.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt teilte am Freitag mit, der Einsatz der Flugzeuge über der Türkei gehe über einen Routineeinsatz hinaus. Daher müsse der Einsatz vom Bundestag genehmigt werden.
Am Donnerstag hatte es der Bundestag mehrheitlich abgelehnt, über die Einsätze eine Entscheidung zu fällen. Die Bundesregierung argumentiert, für die Einsätze sei kein Bundestagsmandat notwendig – da nur das Nato-Bündnisgebiet verteidigt werde.
AWACS-KLAGE
Angriff auf den Friedenskanzler
Von Severin Weiland
Die Liberalen wollen mit einer Verfassungsklage klären lassen, ob der Einsatz deutscher Soldaten an AWACS-Flügen eines gesonderten Bundestagsbeschlusses bedarf. Eine positive Entscheidung in Karlsruhe könnte den Kanzler in arge Bedrängnis bringen.
Berlin - Fast zwei Stunden lang hatte die FDP-Fraktion am Freitag debattiert. Dann war die Entscheidung gefallen. Die Mehrheit schloss sich den Überlegungen der Führung an, kommende Woche nach Karlsruhe zu ziehen. Dort soll das Verfassungsgericht klären, ob die Beteiligung der deutschen Soldaten an den AWACS-Flügen über der Türkei eines Beschlusses des Bundestages bedarf. Allein die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stimmte gegen ihre FDP-Kollegen.
Rechtssicherheit sei notwendig, begründete anschließend Fraktionschef Wolfgang Gerhardt die Entscheidung der FDP. Auch in schwierigen Zeiten habe man als Parlamentarier darauf zu achten, dass die "konstitutiven Rechte des Parlaments gewahrt bleiben". Am Wochenende wollen die Liberalen an der Klage feilen und diese dann Anfang kommender Woche in Karlsruhe einreichen.
Der Schachzug der Liberalen bringt Gerhard Schröders Koalition in Not. Zum ersten Mal seit Beginn der Irakkrise muss der Kanzler fürchten, dass im Falle einer durch Karlsruhe erzwungenen Abstimmung seine knappe Mehrheit im Bundestag wegbricht. Nur einige Abweichler bei den Grünen und der SPD reichen aus, und die Koalition wäre in einer handfesten Regierungskrise. In einer solchen Situation bliebe dem Kanzler wohl nur der Rücktritt. Schon einmal hatte Schröder seine Fraktionen nur mit der Vertrauensfrage zur Räson gebracht - vor zwei Jahren bei der Abstimmung über den Mazedonieneinsatz der Bundeswehr.
Dem Eindruck, dass die FDP auch das Ziel verfolge, die rot-grüne Koalition in eine gefährliche Lage zu manövrieren, widersprach Gerhardt vehement. Kein Kollege in der Fraktion habe während der Sondersitzung am Freitag auch nur in einem Nebensatz "eine solche Situation erwähnt", meinte er. Der Bundeskanzler, am selben Tag nach der EU-Konferenz in Brüssel zur Klage befragt, nahm die Nachricht nach Außen hin gelassen auf. Die Liberalen hätten ein Recht wahrgenommen, man werde sehen, was "daraus wird".
Die Klage der FDP ist nicht die erste ihrer Art in der Geschichte der Partei. Bereits 1994 hatte die Fraktion zusammen mit der SPD die Beteiligung deutscher Soldaten an AWACS-Einsätze in Karlsruhe klären lassen. Damals ging es um Überwachungsflüge über der Adria. Das Pikante: Die FDP-Fraktion strengte die Klage gegen die von ihr getragene schwarz-gelbe Bundesregierung an. Die Liberalen können also mit gewissen Recht darauf verweisen, dass es ihnen um die Sache geht. Nur mag ihr niemand innerhalb der Rot-Grünen Koalition so recht das hehre Motiv einer rein verfassungsmäßigen Klärung glauben.
Schließlich könnte die Abstimmung inmitten einer möglicherweise aufgeheizten öffentlichen Atmosphäre fallen. Zieht sich der Krieg in die Länge, droht gar eine Verwicklung des Nato-Partners Türkei - etwa durch einen Einmarsch in den Nordirak -, dürfte es für Schröder schwierig werden, seine bisherige Argumentation durchzuhalten. Die lautet: Die deutschen Soldaten sind zum Schutz des Nato-Partners Türkei mit an Bord. Sie unterstünden dem Nato-Kommando und seien strikt vom US-Central-Command getrennt, das den Krieg im Irak koordiniert. In diesen Tagen wird denn auch in Verteidigungskreisen gestreut, am ersten Tag des Krieges sei die Kommunikationcodes der US-Kampflugzeuge geändert worden, so dass sie nicht mehr für die AWACS-Maschinen erfaßbar gewesen seien.
Schröders größter Unsicherheitsfaktor sind die Linken in den Grünen. Hier könnte die AWACS-Beteiligung zum symbolischen Ersatzfeld werden. Noch hält die Koalition - weil auch die vehementesten Kriegsgegner den erfolglosen Einsatz des Kanzlers und seines Außenministers für eine friedliche Lösung honorieren.
Doch wirft bereits die angedrohte FDP-Klage ihre Schatten voraus. Zwar mieden es führende Vertreter der Linken wie Christian Ströbele und Winfried Hermann, die AWACS-Frage in den Mittelpunkt ihrer Kritik zu stellen. Sie meldeten bislang Bedenken an, ob der Krieg völkerrechtsgemäß ist. Am Donnerstag plädierte der Abgeordnete Hermann denn auch lediglich für eine Überprüfung der US-Überflugrechte in Karlsruhe. Noch steht Rot-Grün zusammen. Das zeigte sich auch am Donnerstag im Bundestag. Einen Entschließungsantrag der Liberalen, in dem eine AWACS-Abstimmung verlangt wurde, schmetterte Rot-Grün gegen FDP und CDU/CSU ab.
In die Wartestellung hat sich unterdessen die Union zurückgezogen. Sie nahm ihrerseits Abstand von einer Klage wegen der AWACS-Frage. Da die Union ja dafür sei, die Türkei zu schützen, sei ein Gang nach Karlsruhe der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, meinte Ex-Bundespostminister Wolfgang Bötsch. "Wir sind ja nicht das versammelte Amtsgericht", meinte der CSU-Politiker. Vor allem Vizefraktionschef Wolfgang Schäuble hatte dafür geworben, auf einen Rechtsstreit zu verzichten. Der war jedoch zumindest intern angedacht worden.
Noch vor wenigen Monaten hatte der Justitiar der Fraktion, Ronald Pofalla, ein entsprechendes Papier mit Billigung der Fraktionschefin Angela Merkel verfaßt. Darin waren alle Bedenken aufgelistet worden, die nun die FDP umtreibt. So wird denn auch von manchen Abgeordneten der Union der Ausgang des Klage in Karlsruhe mit Spannung entgegengesehen.
mit ihren vielen Kommissionen vorwirft, dass kann man der CDU und der FDP mit ihren Klagen in Karlsruhe werfen. Zählt man beides hoch, so steht es wohl unentschieden!
brudini
ABC-Einsatz als "humanitäre Hilfe"
Von Eckart Lohse
Am Mittwoch erlebten die nicht einmal neunzig deutschen Soldaten in Kuweit eine grundlegende Veränderung. Nach Monaten des Wartens und der Wartung wurde aus der Einsatzübung erstmals ein Einsatz. Kaum hatte der Krieg gegen den Irak begonnen, waren von irakischem Gebiet Raketen, vermutlich vom Typ "Scud", in Kuweit eingeschlagen. Die deutschen Soldaten wurden alarmiert, legten ihre ABC-Schutzkleidung einschließlich der Masken an und übernahmen die Überprüfung eines Teils desjenigen Gebietes, in dem die Einschläge stattgefunden hatten.
Prüfen sollten die ABC-Spezialisten mit ihren hochtechnisierten Spürpanzern des Typs "Fuchs", ob biologische oder chemische Kampfstoffe infolge des Beschusses freigesetzt worden waren. Das Ergebnis war zur allgemeinen Beruhigung negativ, der Einsatz dauerte nicht besonders lange. Anschließend konnte festgestellt werden, daß nicht nur niemand zu Schaden gekommen sei, sondern - wie es ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Freitag in Berlin sagte - zu keiner Zeit Gefahr für Leben und Gesundheit der Soldaten bestanden habe.
Bekämpfung des internationalen Terrors
Kein Truppenteil der Bundeswehr ist derzeit so nah am Geschehen des Irak-Krieges wie jene neunzig auf die Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Kampfstoffe spezialisierten Soldaten in Kuweit. Sie sind im amerikanischen "Camp Doha" stationiert, inmitten einer über die Monate beständig gewachsenen Zahl amerikanischer Angriffstruppen. Ihr Auftrag ist die Bekämpfung des internationalen Terrors. Weil aber die kleine Zahl amerikanischer und tschechischer Soldaten, die bislang mit den deutschen ABC-Kräften zusammenarbeiteten, wegen des Krieges anderswo eingesetzt werden, erleben die Bundeswehrkräfte unter Führung des Oberstleutnants Oberneyer gleich noch einen Wandel.
Am Freitag starteten vom militärischen Teil des Kölner Flughafens 110 ihrer ebenfalls aus Höxter stammenden Kameraden in einem Airbus der Luftwaffe mit dem Ziel, noch am Abend Kuweit zu erreichen und das deutsche Kontingent aufzustocken. Sie alle sind ABC-Spezialisten. Verteidigungsminister Struck hatte das dieser Tage vor dem Bundestag angekündigt.
Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes sprunghaft gestiegen
Und was tun sie nun dort, diese 200 ABC-Fachleute, entsandt von einer Regierung, die sich mit aller Kraft gegen einen Irak-Krieg, noch mehr aber gegen die Beteiligung an demselben sperrt? Militärisch ist die Frage rasch beantwortet. Im zuständigen Einsatzführungskommando in Potsdam hieß es am Freitag, die Soldaten würden künftig nichts anderes tun als bisher. Das heißt, sie bleiben in hoher Alarmbereitschaft, halten also sich und die empfindlichen sechs Spürpanzer einsatzbereit, sorgen für die eigene Sicherheit, unternehmen gelegentliche Kontrollfahrten und reagieren auf Hinweise. Neu ist allerdings, daß - wie schon gleich nach Kriegsbeginn im Nachbarland Irak deutlich wurde - die Wahrscheinlichkeit eines echten Einsatzes sprunghaft gestiegen ist.
Rechtlich und politisch ist die Frage nach dem Tun der deutschen ABC-Kräfte seit der Nacht zum Donnerstag nicht mehr ganz so leicht zu beantworten, auch wenn die Bundesregierung so tut. Sie beharrte am Freitag darauf, alles, was die nunmehr 200 deutschen ABC-Soldaten in Kuweit täten, geschehe auf der Grundlage des Mandates "Enduring Freedom", das nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 beschlossen worden war. Damit soll klargemacht werden, daß die Bundeswehr sich nicht an einem Irak-Krieg beteiligt, ausschließlich den Terror bekämpft.
ABC-Kräfte handelten keinesfalls im Zusammenhang mit Irak-Krieg
Laut Bundestagsbeschluß sieht der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen von "Enduring Freedom" folgendes vor: "Diese Operation hat zum Ziel, Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangenzunehmen und vor Gericht zu stellen sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzuhalten." Da die Bundesregierung aber konstant die Ansicht vertreten hat, dem Irak sei die Unterstützung des internationalen Terrorismus oder gar ausdrücklich der Terrororganisation Al Qaida nicht nachzuweisen, ein militärisches Vorgehen gegen den Irak sei somit nicht zu rechtfertigen, hat sie stets Wert auf die Feststellung gelegt, die ABC-Kräfte in Kuweit handelten keinesfalls im Zusammenhang mit einem Irak-Krieg.
Nun landen schon in den ersten Kriegstagen Raketen aus dem Irak vor den deutschen Spürpanzern, und prompt begeben deren Besatzungen sich daran, die Folgen des Beschusses zu prüfen. Keine indirekte Kriegsbeteiligung? Die Bundesregierung nutzte am Freitag in Berlin den in dieser Situation einzigen argumentativen Ausweg.
Man wisse nicht, woher die Rakete komme
Im Bundestagsbeschluß vom Herbst 2001 zur Entsendung deutscher Truppen im Rahmen von "Enduring Freedom" heißt der letzte Satz zur Beschreibung des Auftrags: "Der Beitrag schließt auch Leistungen zum Zweck humanitärer Hilfe ein." Als "humanitäre Hilfe" läßt sich auch der jüngste Einsatz der ABC-Truppen nach dem Raketeneinschlag aus dem Irak bezeichnen. So wies die Bundesregierung am Freitag auch ausdrücklich auf den "humanitären Auftrag" der Soldaten hin.
Es sei bei dem Einsatz um den Schutz der kuweitischen Bevölkerung und alliierter Soldaten gegangen, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. Dann fügte er eine Frage hinzu: Ob denn die Bundeswehr, wo sie schon mit ihren Kräften in Kuweit sei, die Hilfe nach einem Angriff verweigern solle mit dem Hinweis, man wisse nicht, woher die Rakete komme.
"[...] Die Klage der FDP ist nicht die erste ihrer Art in der Geschichte der Partei. Bereits 1994 hatte die Fraktion zusammen mit der SPD die Beteiligung deutscher Soldaten an AWACS-Einsätze in Karlsruhe klären lassen. [...]"
o.T.
Bundeswehrverband kritisiert Vorgehen bei AWACS-Problematik
Berlin (dpa) - Der AWACS-Einsatz deutscher Soldaten in der Türkei bleibt umstritten. Nach Ansicht von Bundeswehrverbands-Chef Bernhard Gertz geht der Einsatz eindeutig über rein defensive Aufgaben hinaus.
Er sagte dem DeutschlandRadio Berlin, eine saubere Lösung wäre entweder ein offensives Mandat oder ein sofortiger Abzug der Männer gewesen. Ein Abzug wäre aber ein "Sprengsatz" für die NATO, so Gertz. In Berlin befasst sich heute erneut das Sicherheitskabinett mit der AWACS-Thematik.
AWACS - offensive und defensive Aufgaben nicht zuverlässig abzugrenzen
Der Chef des Bundeswehrverbandes Gertz hält es für möglich, dass das Verfassungsgericht eine Bundestagsabstimmung für den Awacs-Einsatz über der Türkei verlangt.
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, sieht gute Erfolgschancen für den Eilantrag der Liberalen zum Awacs-Einsatz über der Türkei. Er sagte im ARD-«Morgenmagazin», anders als von der Regierung dargestellt, ließen sich bei dem Nato-Einsatz «offensive und defensive Aufgaben nicht zuverlässig abgrenzen».
Gertz vermutet deshalb, dass das Bundesverfassungsgericht dem Eilantrag der FDP stattgeben könnte – dann müsste der Bundestag über den Einsatz abstimmen. Seiner Ansicht befindet sich der Einsatz in einer «Grauzone». Es lasse sich kaum vermeiden, dass die Einheiten auch offensive Aufgaben erfüllten.
Der Bundeswehrverbandschef plädierte zugleich für ein Ende des Awacs-Einsatzes, falls Ankara in Irak einmarschieren sollte. Er sagte, ein einseitiger Abzug wäre zwar «außerordentlich problematisch». Wenn die Türkei aber als Kriegsteilnehmer auftrete, sei fraglich, ob sie wirklich gefährdet sei. (nz)
IRAK-DEBATTE IM BUNDESTAG
Schröder merkelt
Von Markus Deggerich
Als Konsequenz aus der Irak-Krise fordert Bundeskanzler Gerhard Schröder den Ausbau der EU zu einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion. Ganz nebenbei schlägt er damit in seiner Regierungserklärung die Union mit ihren eigenen Waffen.
Berlin - Angela Merkel hatte Grund zum Aufatmen. "Ich habe mich gefreut, dass es zu keiner Aufteilung zwischen Kriegswilligen und Friedenswilligen gekommen ist", sagte sie am Donnerstag in ihrer Erwiderung auf die Regierungserklärung von Gerhard Schröder im Bundestag. Denn genau damit hatte man in der Union gerechnet: Dass der SPD-Vorsitzende die Chance nutzt, den harten Pro-US-Kriegskurs der Parteichefin auszuschlachten und mit der eigenen Friedensliebe zu konterkarieren.
Am Anfang sah auch noch vieles danach aus. Die Bundesregierung habe den Krieg nicht verhindern können, sagt der Kanzler mit betont betrübtem Ton. Aber statt dann der Opposition wie einst vorzuwerfen, sie gehöre ja zur Koalition der Kriegswilligen, folgte ein Satz, den wohl jedes Mitglied der US-Regierung unterzeichnen könnte: "Wir wünschen, dass durch die Überwindung der Diktatur das irakische Volk seine Hoffnung auf ein Leben in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung so rasch wie möglich verwirklichen kann."
Vom Ende her denken
Die Kriegs-Diplomatie ist schon lange beendet. Schröder denkt jetzt wieder vom Ende her und versucht Deutschland rechtzeitig zurück ins internationale Geschäft zu bugsieren. Die Friedensdividende hat er eingefahren, wie Schröder an den Umfragen ablesen kann, jetzt muss er sie vernünftig anlegen. Dafür richtet er den Blick nach vorn auf die Zukunft des Irak und auch die Europas. Nach den harschen Worten gegen die USA Wochen vor dem Krieg und der scharfen Verurteilung des Beginns der Invasion vor zwei Wochen scheint nun die Zeit der verbalen Ab- und europäischen Aufrüstung anzubrechen.
Zwar wurde bisher jeder im Kabinett, wie zum Beispiel Heidemarie Wieczorek- Zeul, vom Kanzler gerüffelt, wenn über Pläne und Verantwortung des Wiederaufbaus spekuliert wurde. Gebetsmühlenartig hatte Schröder bislang immer wieder betont, es sei zu früh, über Einzelheiten des Wiederaufbaus zu reden. Aber offensichtlich nur, weil der Chef selbst als Architekt glänzen wollte. Seine Regierungserklärung nutzte er nun um in vier Punkten bereits Grundzüge einer Nachkriegsordnung für den Irak zu umreißen.
"Die enormen Ölreserven und natürlichen Ressourcen des Landes müssen im Besitz und unter der Kontrolle des irakischen Volkes bleiben und diesem zugute kommen", sagte Schröder. Als weitere Leitlinien forderte er, dass die territoriale Integrität des Landes erhalten bleiben und das irakische Volk über seine Zukunft selbst entscheiden müsse. Zudem müsse für die ganze Krisenregion Nahost ein politischer Stabilisierungsprozess in Gang kommen.
"Jede Krise bietet auch eine Chance", lautete ein etwas abgedroschenes Fazit des Kanzlers. Das gemeinsame Europa habe nun die Aufgabe, seine militärischen Fähigkeiten so weiterzuentwickeln, dass sie der europäischen Verantwortung für Friedenssicherung entsprechen.
Ein feiner Schachzug des Kanzlers. Statt die alten Debatten über US-Unterstützung ja oder nein fortzusetzen, durchkreuzte er Merkels Pläne, die sich am Mittwoch schon angedeutet hatten: die Union nämlich als die einzig verblieben ernstzunehmende außenpolitische Kraft zu etablieren.
Als Merkel dann nach Schröder mit einem Sechs-Punkte-Plan für die deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik ans Rednerpult trat, sah das bereits wie ein Abklatsch aus. Schröder hatte schon gemerkelt.
Die Friedensachse berät
Dreier-Gipfel in St. Petersburg: Russland, Frankreich, Deutschland stimmen ihre Position zum Nachkriegs-Irak ab. Berlin tut sich schwer, den Eindruck neuer Achsen oder alter Fronten zu vermeiden
von Nikolaus Blome
Die Bundesregierung scheint die Kanzlerreise am Freitag nach St. Petersburg mit gemischten Gefühlen zu sehen. Mit gequältem Lächeln wird in Regierungskreisen bestätigt, dass aus einem länger geplanten deutsch-russischen Treffen vor allem auf Druck von Frankreichs Präsident Jacques Chirac ein Dreiergipfel wurde - mit reichlich Raum für internationale Missverständnisse. Offiziell bezeichnete ein Regierungssprecher das Treffen als "nicht langfristig geplantes Format".
In der Vorkriegsauseinandersetzung mit den USA waren Moskau, Paris und Deutschland der harte Kern des Widerstands und hatten ihr Vorgehen im UN-Sicherheitsrat mehrfach bei Dreiertreffen der Außenminister abgestimmt. Diese alten Fronten wolle man keinesfalls neu ziehen, heißt es nun in Regierungskreisen.
Das würde es den Briten erschweren, sich in Washington für eine größere Rolle der UNO im Nachkriegs-Irak einzusetzen. Demonstrativ hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder noch am Dienstag die Äußerungen von US-Präsident George W. Bush und Großbritanniens Premier Tony Blair gelobt. Sie hatten der UNO eine "vitale Rolle" zugebilligt, freilich ohne zu erklären, was das in der Praxis bedeuten werde.
"Das freut mich", sagte Schröder und sah ein hohes Maß an Übereinstimmung mit seinen eigenen Vorstellungen.
Die Opposition dagegen hält die Reise Schröders nach St. Petersburg für "einen weiteren krassen diplomatischen Fehler", so der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger. Mit dem Treffen werde die "Reihe der Provokationen Washingtons vor dem Krieg" nun fortgesetzt. "Die Achsenbildung Paris, Berlin, Moskau geht weiter."
UN-Generalsekretär Kofi Annan wird an dem Treffen in St. Petersburg nicht teilnehmen. Er hat seine Europareise kurzfristig abgesagt, wahrscheinlich wegen der sich überstürzenden Ereignisse in Bagdad. Annan sondiert derzeit offenbar im Sicherheitsrat das Terrain für eine neue UN-Resolution zum Irak, mit der die Rolle der UNO im Nachkriegs-Irak aufgewertet werden könnte.
Darüber wollen auch Schröder, Chirac und Russlands Staatschef Wladimir Putin beraten. Auf humanitäre Hilfe werden sie sich schnell einigen können. Schwieriger dürfte es werden, eine einheitliche Position zur Rolle der UNO zu fixieren - und einen möglichen Beitrag zu einem Militäreinsatz etwa nach dem Modell der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan.
Putin hat sich dazu noch überhaupt nicht geäußert. Präsident Chirac scheint die erklärte Oberhoheit der Vereinten Nationen zur Bedingung für einen eigenen Beitrag machen zu wollen - obwohl die amerikanische Regierung sich darauf erkennbar nicht einlassen wird.
Die Bundesregierung hält sich die Entscheidung bewusst offen, hat aber prinzipielle Bereitschaft selbst zu einer militärischen Wiederaufbau-Unterstützung erkennen lassen. Eine vor kurzem aufkeimende Debatte im rot-grünen Regierungslager über ein Junktim zwischen deutschem Beitrag und neuer UN-Resolution wurde schnell erstickt.
Interessen statt Moral
Nach dem Sieg der USA darf Deutschland nicht weiter schmollend in der Ecke stehen. Nicht Moral, die Formulierung der eigenen Interessen ist jetzt gefragt.
Von Michael Maier
Der rasche Sieg der Amerikaner im Irak wird gelegentlich als Anfang einer neuen Weltordnung bezeichnet. Genau genommen ist er allerdings eine Reaktion. Den Beginn der neuen Weltordnung markierte der 11. September 2001. Bis dahin waren die Amerikaner relativ desinteressiert an der Welt, und es hätte nach ihrem Geschmack auch so bleiben können.
Die gezielten Terrorangriffe mitten ins Herz haben in den USA jedoch eine schon bestehende intellektuelle Strömung verstärkt: Seit längerem vertreten politische Denker die These, dass Amerika eine aktive Außenpolitik betreiben müsse. Seit dem Ende des Kalten Krieges beschäftigt sich Amerika mit seinem Selbstverständnis – was logisch ist, weil die Welt eben aus dem Gleichgewicht des Schreckens geraten ist.
George W. Bush ergänzt diese Entwicklung um die wirtschaftliche Komponente. Für ihn zählt Geld und Macht, die Clique, die ihn umgibt, ist weder nachdenklich noch ideologisch. Wenn Bush von Gott und den Gebeten spricht, so deshalb, weil er weiß: Der amerikanische Präsident braucht eine emotionale Komponente. Und die religiösen pressure groups sind in den USA ein wichtiger Machtfaktor. Wer die Wirtschaft und die Religiösen gut vertritt, kann eigentlich keine großen Fehler machen.
Der Terror vom 11. September 2001 hat diesen Entwicklungen nun eine einheitliche Richtung gegeben. William Kristol, einer der Vordenker der neuen amerikanischen Politik, beschreibt präzise, worum es geht: «Bush hat einen sicheren Instinkt für die Veränderung, die der 11. September gebracht hat – die USA können sich eben nicht einfach zurücklehnen und sich von den Ereignissen der Welt diktieren lassen.»
Also ist die Entwicklung logisch: Afghanistan, Irak, Syrien, Nordkorea, Iran. Zwar bezweifeln alle Experten, dass die Amerikaner schon sehr bald gegen einen weiteren Staat losschlagen könnten; es gebe auch andere Methoden, bedrohliche oder terroristische Regime zu vertreiben.
Tatsächlich hat sich die Position der Amerikaner nach dem Irak-Krieg deutlich verbessert: Diktatoren müssen damit rechen, von der Militärwalze überrollt zu werden. Die amerikanischen Soldaten haben im Zusammenspiel mit der neuesten Technologie hohe Professionalität gezeigt: Ein riesiges, fremdes Land, weit weg von der Heimat, in einer feindseligen Umgebung, wurde niedergeworfen. Die Verluste auf der eigenen Seite bleiben unter hundert.
Dies sind Fakten, die geschaffen wurden. Ob sie einem moralisch ins Konzept passen oder nicht: Ignorieren kann die Realität niemand. Natürlich haben die UN ihre Bedeutung verloren. Aber auch das ist ein Faktum: Die Stärkeren setzen sich durch – das Prinzip allen Lebens gilt unverändert.
Deutschland muss nun schleunigst aus seiner weltpolitischen Ecke kommen. Es ist ja nicht unbedingt nötig, militärisch aufzurüsten – die Bundeswehr ist immer noch eine Elitegarde im globalen Vergleich. Aber Deutschland muss sich entscheiden: Will das Land seine eigenen Interessen aktiv vertreten oder entscheidet es sich für eine splendid isolation? Dass der amerikanische Präsident nicht mehr mit dem deutschen Bundeskanzler spricht, ist ein Alarmsignal. Deutschland darf sich nicht dauerhaft in eine Reihe mit Libyen und Kuba stellen lassen. Dazu ist das Land zu groß, zu reich und zu wichtig.
Die Entscheidung lautet: Wie kann Deutschland aktiv seine kultivierte, humanistische Politik in eine westliche Globalpolitik einbringen? Imperialismus ist ekelhaft – geschenkt! Aber dauerhaft Zuschauen und den Neutralen spielen – das endet entweder in der Marginalisierung oder in dem Wiedererstehen jenes Größenwahns, den man jetzt nicht aufkommen lassen will. Deutschland muss – wie die anderen «Achsenmächte» auch – mit der Niederlage leben, die ihnen der Sieg der Amerikaner beschert hat. Schröder kann das wendig tun oder pragmatisch. Was allerdings nicht geht: Sich selbst beleidigt ins Abseits moderieren. Gerhard Schröder ist gefordert wie noch nie.