Morphosys-Presse-Thread
Seite 1 von 5 Neuester Beitrag: 12.07.13 10:20 | ||||
Eröffnet am: | 19.01.08 12:16 | von: Sarahspatz | Anzahl Beiträge: | 123 |
Neuester Beitrag: | 12.07.13 10:20 | von: Sarahspatz | Leser gesamt: | 63.304 |
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Los gehts morgen mit einem Artikel aus €uro am Sonntag.
Es langweilt mich nur, wenn sich die Leute gar nicht für die Materie interessieren. Das kommt sogar bei Profis vor. Da gibt es Investoren, die nur auf Konferenzen gehen, weil sie es müssen.
Morphosys gehört zusammen mit Qiagen zu den wenigen erfolgreichen Biotech-Storys Deutschlands. Haben Sie als Gründer immer schon an den Erfolg geglaubt?
Ich schon, andere weniger. Doch anfangs waren wir sicher etwas naiv. Ich habe mit meinen Gründungspartnern Christian Schneider und Andreas Plückthun ein zehnseitiges Konzept verfasst und an die damals sechs deutschen Pharmakonzerne versandt. Wir haben sechs Ablehnungen zurückbekommen. Ein Firmenchef hat sich besonders viel Mühe gegeben: In einem handschriftlichen Brief teilte er uns mit, dass unser Konzept nicht die geringste Chance hätte.
Da hat er sich offensichtlich getäuscht. Woher kam die Skepsis?
Damals wurden biologische Moleküle wie Antikörper noch als viel zu komplex angesehen. Aber ehrlicherweise muss man zugeben, dass wir damals nur ein paar Ideen hatten, mehr nicht. Auch heute würde man so kein Geld bekommen.
Später haben Ihnen Beteiligungsgesellschaften Starthilfe gegeben. Anders als Wissenschaftler - wie Sie es damals waren - konzentrieren sich diese aufs Investieren. Gab es da keine zwischenmenschlichen Probleme?
Ich habe mir ein Venture-Capital-Handbuch geschnappt und 50 Beteiligungsgesellschaften angeschrieben. Einige haben angebissen. Sicher gab es harte Verhandlungen. Aber die Zusammenarbeit war nie unangenehm. Das sind alles Profis. Mit dem Börsengang im Jahr 1999 sind die dann nach sieben Jahren auch ausgestiegen.
Wie waren Ihre Erfahrungen mit der Euphorie und dem Absturz des Neuen Marktes?
Es war eine total verrückte Zeit. Ende 1999 diskutierten wir mit dem Aufsichtsrat eine Steigerung des Kurses von 20 auf 40 Euro. Doch schon in den ersten zwei Wochen danach schnellte der Kurs auf mehr als 40 Euro hoch. Und dann ging es weiter und weiter. Für eine Stunde war die Morphosys-Aktie 400 Euro wert. In der ,,3sat-börse" hat uns Bernd Förtsch, mit dem ich nie gesprochen hatte, empfohlen. Kursziel: 1000 Euro. Es war verrückt.
Das Unternehmen war an der Börse plötzlich sehr viel wert. Haben da die Sorgen zugenommen wie die Angst vor einem Kursabsturz?
Sorgen weniger. Eher Verwunderung. Ich hatte nie gedacht, dass unsere Aktien so stark steigen können. Aber es ging so schnell, wir konnten gar nichts machen.
Insbesondere die Anieger, die Morphosys bei 400 Euro pro Aktie kauften, wissen, dass es anschließend genauso schnell wieder nach unten ging.
Ab März schlug die Stimmung um, und es ging in die umgekehrte Richtung. Unsere Aktie verlor von 2000 bis Ende 2002 kontinuierlich an Wert. Der Tiefstand lag bei 4 Euro. Damals hatten wir auch noch einen Patentstreit. Es war absolut unmöglich, an Geld zu kommen. Mitte 2002 mussten wir 30 Mitarbeiter entlassen. Das waren wirklich schwere Zeiten.
Etliche deutsche Anleger haben mit Biotechaktien viel Geld verloren. Ihre Skepsis ist nach wie vor groß. Zu Unrecht?
Die Probleme der deutschen Biotechbranche sind die Misserfolge. Die Rückschläge bei GPC Biotech oder Paion kosteten Anleger Geld. Doch noch immer sehen sie nur die Misserfolge. Sie sagen, Biotech funktioniere nicht. Sobald es ein, zwei weitere Erfolgsgeschichten gibt, wird sich das Denken schnell ändern.
Ist die Komplexität der Materie ein Problem? BMW oder Daimler müssen ihre Produkte nicht groß erklären.
Das grundsätzliche Problem in Deutschland ist, dass das Verständnis dafür fehlt, was eine Biotechfirma erfolgreich macht.
Das hat nichts mit Gewinnen zu tun, sondern mit Forschung.
Die Forschung ist für den durchschnittlichen Anleger aber schwer zu durchdringen.
Ich denke auch an Profis wie Analysten. Es ist schade, dass viele Analysten unser Geschäft nicht verstehen. Wir sind eben mehr als nur ,,Buy" oder ,,Hold".
Aber über einen Mangel an Kaufempfehlungen können Sie sich nicht beschweren.
Sie müssen uns zum Kauf empfehlen. Wir haben 17 Substanzen in der klinischen Prüfung und davon 15 Partnerprogramme, die uns nichts kosten. Jedes Produkt, das auf den Markt kommt, ist reiner Gewinn. Derzeit sind 30 therapeutische Antikörper auf dem Markt, die insgesamt 30 Mrd. Dollar Umsatz einbringen. Das Zukunftspotenzial ist enorm.
Dennoch sind Rückschlage in der klinischen Entwicklung an der Tagesordnung.
Sicher, aber die Erfolgswahrscheinlichkeit ist bei Antikörpem größer. Bei klinischen Programmen liegt sie bei 25 Prozent.
Investieren Sie selbst in Biotechaktien?
Nein, ich investiere nicht in andere Biotechs, weil ich sehr viele Chefs kenne und offen mit denen reden möchte. Und auf keinen Fall will ich in Insidergeschäfte verwickelt sein.
Haben Sie einen Geheimtipp?
Neuseeländische Weine. Besonders empfehlen kann ich Ihnen Sauvignon Blanc und Pinot Noir.
Und was machen Sie sonst mit all Ihrem Geld?
So viel habe ich nun ja auch wieder nicht. Ich habe keine Autosammlung oder sonstige teure Hobbys. Wie jeder andere habe ich einen Banktypen, der sich um meine Geldanlage kümmert.
Was bedeutet Geld für einen Forscher?
In erster Linie Freiheit.
Für alle? Da gibt es doch Ausnahmen ...
Sicher gibt es die. Als ich in Großbritannien studierte, sind viele meiner Kollegen in die Londoner City gewechselt, weil dort im Bankendistrikt das große Geld lockte. Die Jobs haben dann gar nichts mehr mit Chemie oder Wissenschaft zu tun gehabt. Für mich war Geld nie so wichtig. Dinge wie Beteiligungen oder Optionsprogramme haben mich nicht interessiert.
Ihre Antikörper sollen irgendwann einmal schwere Krankheiten heilen. Ist es für Sie ein Antrieb, Menschen zu helfen?
Diesen Antrieb habe ich nicht so sehr. Ich bin kein Mediziner, sondern eher ein Molekülmensch. Ich bin von Molekülen fasziniert.
Sie haben bis zum Börsengang viel Zeit im Labor verbracht. FehIt Ihnen heute der weiße Kittel?
Nein, eigentlich nicht. Wenn ich jetzt im Labor erscheine, bekommen die Mitarbeiter nur einen Schreck.
Sie waren in Oxford und Harvard und hätten leicht den Weg zum Uniprofessor einschlagen können. Warum haben Sie sich überhaupt selbststandig gemacht?
Ich habe ziemlich schnell festgestellt, dass ich die Sicherheit nicht wollte. Wissenschaftlich hatte ich alles gemacht. Es hat mich nicht mehr interessiert. Ich suchte einfach neue Herausforderungen. Es ist eine meiner schlechten Eigenschaften, schnell gelangweilt zu sein.
Sind Sie ein gefürchteter Chef?
Nein,ganz und gar nicht. Bei Verhandlungen mit meinen Mitarbeitern ziehe ich immer den Kürzeren. Ich habe das Glück, dass wir uns mit einer spannenden Materie auseinandersetzen. Unsere Mitarbeiter werden vom Entdeckungsdrang angetrieben. Es ist einfach, Chef einer solchen Firma zu sein. Bei einem Fließbandhersteller hätte ich es schwer.
Erich Gerbl