Hizbullah-Land - Fast alle sind weg
Von Adrien Jaulmes, Mardschajun
Rauchfahnen erheben sich über den libanesischen Hängen des Dschebel al Scheich, den die Israelis Berg Hermon nennen. In den steinigen Tälern und den Olivenplantagen des Südlibanons, zwischen dem Fluß Litani und der israelischen Grenze, die am Kamm des höchsten Berges der Region entlangführt, grollen die Explosionen der 155-Millimeter-Artilleriegeschosse wie Donner.
Seit dem Anfang der israelischen Offensive gegen die Hizbullah vor neun Tagen ist die von 1978 bis 2000 von der israelischen Armee besetzte Sicherheitszone das hauptsächliche Schlachtfeld in diesem Duell, das von Artillerie und Luftwaffe geführt wird. Die kleinen Straßen, die sich zwischen den Hügeln durchschlängeln, sind verlassen. Die leeren Straßen der schiitischen Dörfer sind mit Siegerkränzen der Hizbullah geschmückt, mit gelben Fahnen, blumengezierten Bildern von „Märtyrern“ und riesigen Fotos von Scheich Hassan Nasrallah.
„Fast alle sind weg“
Am Rand der Straße, die aus Kilya herausführt, treibt ein Bauer seine Ziegen vor sich her, als ob er allein auf der Welt wäre in dieser biblischen Landschaft. „Fast alle sind weg“, sagt Ahmad Hussein Schalubund und stützt sich auf seinen Stab.
Sein Gesicht ist von der Sonne verbrannt. „Ich bleibe hier. Die Bomben fallen sowieso überall im Libanon.“ Die Kämpfer der Hizbullah? „Man sieht praktisch keine. Aber sie haben überall ihre Häuser“, fügt der Bauer hinzu, bevor er mit seinen Tieren auf einem Hang verschwindet.
Israel nimmt auch die letzten Brücken und Straßen ins Visier
Am klaren Himmel hallt der Lärm der israelischen Düsenjäger. Die F-16 jagen nach Lastwagen und kleineren Transportfahrzeugen, die sich noch auf die Straße wagen. Jedes Fahrzeug steht im Verdacht, Waffen oder Kämpfer der Hizbullah zu transportieren. Die Hauptstraßen, die die Gegend durchqueren, wurden systematisch durch präzise Bombardierungen abgeschnitten, im allgemeinen durch einen oder zwei Einschläge, die die Straße an wichtigen Stellen zerstörten.
Auch die letzten Straßen zerstört
Eine der letzten Straßen, die zuletzt noch offen war, zwischen Sohmor und Mardschajun im Litani-Tal, ist am Dienstag durch eine Bombe zerstört worden, die in einer Kurve einen tiefen Krater geschlagen hat. Ein Kleinbus mit Flüchtlingen, die nach Norden fahren, hält an, um eine Gruppe von Frauen abzuladen. Sie umgehen das Hindernis zu Fuß, während der Fahrer durch die Felder fährt, um hinter dem Krater wieder auf die Straße zurückzukehren.
Unaufhörlich beschießen Israelis Stellungen der Hizbullah
„Wir kommen aus Zeleniah“, sagt eines der Mädchen der Familie Abbas unter Tränen. „Wir flüchten Richtung Syrien“, fügt sie mit schreckgeweiteten Augen hinzu. Die Frauen steigen wieder in ihren Kleinbus ein, sie murmeln Gebete, halten den Koran in der Hand und Kinder auf dem Arm.
Am Ortsausgang von Kilya stehen quergestellte, verlassene Panzer der libanesischen Armee mit übergezogenem Kanonenschutz, den Turm nach Süden gerichtet. Anderswo sitzen libanesische Soldaten im Schatten mit ratlosen Gesichtern in der Nähe ihrer verlassenen Kontrollpunkte.
Christen und Drusen bisher weitgehend verschont
Mardschajun, die Hauptstadt des Südlibanons, ist eine befestigte mittelgroße Stadt, die bis zum Jahr 2000 das Hauptquartier der südlibanesischen Armee beherbergte, einer Miliz, die die israelische Armee unterstützte. Einige Krämerläden haben noch geöffnet. „Mardschajun ist nicht bombardiert worden“, sagt ein Ladenbesitzer, der hinter seiner Registrierkasse sitzt und seinen Namen nicht nennen will: „Schreiben Sie einfach, daß ich George Orwell heiße.“
Doch die schiitischen Städte wie Khiam, Diebbin, Blat, Kfar Kila, Daise, die auch der „Mittlere Sektor“ genannt werden, werden unaufhörlich mit israelischem Feuer belegt. Die christlichen Dörfer und die der Drusen im Südlibanon sind bisher weitgehend verschont worden, und dorthin strömen die Flüchtlinge aus der Gegend.
Schiiten „sind alle Sympathisanten der Hizbullah“
„Etwa 1250 Personen sind zu uns gekommen. Alles Schiiten“, sagt Jacqueline, die Leiterin des Büros der katholischen Hilfsorganisation Caritas in Klaya. Dieses christlich-maronitische Dorf liegt ganz nahe bei Mardschajun an einem Abhang über dem Litani, gegenüber liegen die Ruinen der Kreuzfahrerfestung von Beaufort. „Sie kommen aus den umliegenden Dörfern hierher, weil sie hoffen, daß Klaya nicht beschossen wird“, sagt Jacqueline. „Ein Teil der Flüchtlinge ist in einer Schule untergebracht worden, die anderen wurden von Familien aufgenommen.“
„Im Augenblick ist die Situation für die Flüchtlinge kritisch und für die Dorfbewohner schwierig“, sagt Pater Salmeh Fadi aus der St.-Georgs-Kirche in Klaya. „Wenn das noch ein, zwei Wochen dauert, wird es wirklich hochproblematisch für alle. Die meisten israelischen Angriffe in dieser Region zielen auf Khiam“, berichtet der Priester. Diese größere Stadt mit 30.000 Einwohnern, mehrheitlich Schiiten, beherbergte das israelische Gefängnis im Südlibanon. Es ist nach dem Rückzug der israelischen Armee im Jahr 2000 zum Hauptquartier der Hizbullah geworden.
Die radikale Schiitenmiliz hat die ganze Region zu ihrer Festung gemacht. „Man hatte nicht die Erlaubnis, in die Wälder zu gehen, nicht einmal die Jäger durften das. Die Schiiten sind in den vergangenen sechs Jahren scharenweise in die Region zurückgekehrt. Sie sind alle Sympathisanten der Hizbullah. Sie schikanieren die Christen, spionieren sie aus, sperren sie manchmal ein“, sagt der Priester. „Die libanesische Armee, die in Mardschajun stationiert ist, durfte nie Stellungen in der südlichen Zone entlang der israelischen Grenze beziehen.“
Streit um Scheeba-Farmen
Von Mardschajun aus sieht man auf den Hängen des Dschebel al Scheich/Hermon die Gegend der Scheeba-Farmen. Diese paar Quadratkilometer voller Steine und mit einigen Hütten, die an den Berghang geklebt sind, haben die Israelis bei ihrem Abzug aus dem Libanon im Jahr 2000 nicht geräumt.
Die Hizbullah hat sie als eine Art libanesische „Irredenta“ benutzt, als symbolische Herausforderung, welche die Aufrechterhaltung autonomer Milizen im Namen des „Widerstandes“ erlaubt. Die Scheeba-Farmen legitimieren in ihren Augen die Angriffe gegen Israel und verwandeln den Südlibanon in einen großen Stützpunkt, gespickt mit Raketenwerfern, die nach Galiläa zielen.
Katjuscha-Regen über Israel
Dieses „Hizbullah-Land“ versuchen die Israelis seit acht Tagen zu zerstören, mit 155-Millimeter-Artillerie und Luftangriffen. „Die Israelis kennen den Libanon wahrscheinlich besser als wir“, sagt Pater Salmeh Fadeh spöttisch. „Sie wissen, wer in welchem Haus wohnt, und greifen unaufhörlich an.“
Doch ein wenig später, zwischen dem Donner zweier Geschützsalven, wird die Luft im Zentrum von Mardschajun zerrissen vom Pfeifen dreier Raketen, die über die Stadt hinweg in Richtung Israel fliegen. Aus versteckten Stellungen am gegenüberliegenden Hang des steinigen Litani-Ufers regnen die Katjuschas der Hizbullah weiterhin auf Israel herab.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung
ihre Angriffe auf die israelische Bevölkerung zu beenden.
Israel solle seinerseits Luftangriffe, Blockaden und Bodenoperationen einstellen. Annan wiederholte seinen Vorschlag einer internationalen Truppe, die eine "entscheidende Rolle" in der Region spielen könne.
aus:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,428668,00.html
Die Gefechte in Südlibanon geraten zum Albtraum für Israels Armee. Statt mit Panzern müssen die Soldaten zu Fuß vorrücken – und erleiden gegen die selbstbewusster werdende Hisbollah schwere Verluste.
Nach heftigen Feuergefecht mit der Hisbollah in Südlibanon evakuieren israelische Soldaten einen verletzten KameradenDutzende israelische Armeefahrzeuge rasen dem Schlachtfeld entgegen. Schnell wird klar: Viele Soldaten sind gefallen, mehrere Dutzend Elitekämpfer müssen evakuiert werden. Das Schlachtfeld heißt Bint Dschbeil und liegt nur wenige Autominuten entfernt, direkt hinter dem nächsten grünen Hügel, der von der Straßensperre aus zu sehen ist. Erst am Vortag hatte die israelische Armee erklärt, sie habe die Ortschaft, eine Hisbollah-Hochburg, unter Kontrolle.
Doch die Erfolgsmeldung war offenbar vorschnell. Ob es tatsächlich nur 30 Verletzte sind, wie im Armeesender gemeldet wird, oder ob es auch Tote gegeben hat, darf Major Zwika Golan zunächst nicht sagen. Zuerst müssen die Familien informiert werden. Doch an seinen Sorgenfalten ist abzulesen, dass die Lage ernst ist. "Die Situation dort wird schlimmer", sagt er, "wir haben Bint Dschbeil nicht unter Kontrolle." Erst am Abend wird bekannt gegeben: Es gab acht Tote.
Hisbollah wie Israel setzten am Mittwoch ihre Attacken ungebremst fort. Die Hisbollah-Kämpfer feuerten 119 Katjuscha-Raketen ab: auf die Grenzregion, auf Haifa, Tiberias, Safed und Carmiel. Die gute Nachricht ist, dass dabei nur vier Menschen verletzt wurden. Die schlechte ist: Das Arsenal der Hisbollah soll aus noch weiteren 10.000 aus Iran stammenden Katjuscha-Raketen bestehen.
Israel seinerseits flog am Mittwoch mindestens 47 Luftangriffe auf den Süden Libanons. Und der Gazastreifen erlebte den blutigsten Tag seit Beginn der israelischen Offensive Ende Juni: Mindestens 16 Palästinenser starben, darunter ein kleines Mädchen.
Major Golan will nicht zugeben, dass die stärkste Armee des Nahen Ostens zunehmend Probleme hat, mit den von Iran und Syrien unterstützten Guerillatruppen in Südlibanon fertig zu werden. "Wir wissen sehr gut mit der Hisbollah umzugehen", behauptet er. Doch gegen Kämpfer, die sich hinter der Zivilbevölkerung verstecken, ist es schwer vorzugehen.
Weitaus mehr Zivilisten sind in Bint Dschbeil geblieben als erhofft - obwohl die israelische Armee Flugblätter abgeworfen und die Bevölkerung zum Verlassen ihrer Dörfer und Ortschaften aufgefordert hat. "Sie sind praktisch Gefangene der Hisbollah", klagt Golan. Ob die Bewohner freiwillig blieben oder nicht - ihre Anwesenheit erschwert den Kampf. Zivilisten und Kämpfer sind schwer zu unterscheiden.
Die Hisbollah hat außerdem Tunnel gebaut, die Straßen vermint und Sprengfallen gebaut. Mit Panzern vorzurücken ist deshalb praktisch unmöglich. Israelische Truppen gehen zu Fuß aufs Schlachtfeld - und führen einen Kampf von Haus zu Haus. Ein Albtraum für jede Armee, die Verluste fürchtet.
Immerhin, berichtet die Armee, habe auch der Feind gelitten. 200 tote Hisbollah-Kämpfer sollen in Bint Dschbeil liegen. Fünf Leichen habe man nach Israel gebracht - möglicherweise, um sie später auszutauschen.
Die Stimmung ist gedrückt in den idyllischen Bergen Nordisraels mit der klaren Luft und dem stahlblauen Himmel. Die Hisbollah scheint immer selbstbewusster zu werden. "Unsere Kämpfer führen einen Guerillakrieg", sagte ein Hisbollah-Vertreter am Mittwoch in Beirut über die Lage in Bint Dschbeil. "Sie kommen aus dem Untergrund, aus engen Straßen, Häusern und Fenstern." Und Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah sagt siegessicher in einer Fernsehansprache, man werde nun auch Ziele südlich von Haifa anpeilen.
Der Norden ist bereits wie ausgestorben. Die Straße mit der schönen Aussicht, die in den Norden führt, ist fast leer. Die Menschen sind entweder in den Süden geflüchtet oder bleiben zu Hause, um bei Raketenbeschuss schnell in den Schutzräumen zu sein.
Auf den Feldern rund um Avivim verrottet die Erde, nicht von ungefähr: Inmitten von gelben Pflaumen, nur 30 Meter von der kurvigen Straße entfernt, landete am MIttwoch wieder mit einem gewaltigen Knall eine Katjuscha-Rakete der Hisbollah. Für eine paar Augenblicke erzitterte die Erde. Rauch quoll aus dem Boden - wie auch überall ringsum, es war nicht die einzige Rakete.
Aus der FTD vom 27.07.2006
Zudem ist der Verteidiger weiterhin im Vorteil, dass er das Gelände bestens kennt. Ich möchte nicht einer israelischen Einheit, die angreifen müssen, angehören. Die Jungs sind schon zu bedauern. Eine Panzerunterstützung ist unter den gegebenen Ümständen praktisch nicht möglich.
Es ist ein doppelter Preis, denn es muß aus Sicherheitsgründen das zurückgeholt werden, was man bereits einmal mit hohem Blutzoll unter Kontrolle gebracht hatte, aber dann für ein Linsengericht zurückgab. "Land for Peace" hieß das Motto, und von "Roadmaps" war die Rede etc.etc.
MfG
kiiwii
So haben die Angegriffenen wenigsten einen kleinen Vorteil, gegenüber den waffenmäßig überlegenen Angreifern.
Taos
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Aha, wenn die Angegriffenen sich hinter der Zivilbefölkerung verstecken, haben die einen kleinen Vorteil.
Und das findest Du wirklich gut?
jedoch können wir relativ sachlich und
zivilisiert Sachargumente austauschen
und dadurch lernen.
Ich habe hier bei Ariva in all den Jahren
(seit 1999) schon viel gelernt und meinen
Horizont erweitert.
Solch interessante Leute wie z.B. 54reab, Major Tom,
BarCode, kiiwii, quantas, AN, Karlchen, Dr.Udo B.,
gurkenfred, Kalli, bernstein, duschgel usw., usw.
findet man sonst nicht
auf einem einzigen Haufen.
Grüsse
B.
Hisbollah-Miliz
Terroristische Profitmacher
Von Pierre Heumann
Die radikal-islamische Hisbollah-Miliz unterhält im Libanon eines der größten Wirtschaftsimperien mit Beteiligungen an der nationalen Fluggesellschaft, an Finanzinstituten und in der Bauindustrie.
Gleichzeitig verfügt sie weltweit über viele dunkle Kanäle und ergiebige Quellen.
BEIRUT. Mitte Juli lieferte ein Prozess in Detroit den Beweis für die globalen, illegalen Geschäftsbeziehungen der Hisbollah. Zwei Männer - der 51-jährige Imad Majed Hamadeh und der 73-jährige Theodore Schenk - bekannten sich vor Gericht eines doppelten Vergehens schuldig. Sie gaben zu, Geschäfte mit Geldwäscherei, geschmuggelten Zigaretten, gefälschten Viagrapillen oder dem Transport von Diebesgut gemacht zu haben. Außerdem hatten sie sich nach amerikanischem Recht mit der Verwendung der Profite strafbar gemacht: Einen Teil der Einnahmen überwiesen sie nämlich an die Hisbollah im Libanon.
Die Geschäftspartner Hamadeh & Schenk sind nicht die einzigen und schon gar nicht die wichtigsten Sponsoren der Hisbollah. Sie finanziere sich weltweit über kriminelle Aktivitäten, vom Drogenschmuggel bis zum Diamantenhandel, meint Matthew Levitt vom Washington "Institute for Near East Policy". Auf diese Weise kämen Jahr für Jahr allein in den USA zehn bis 30 Millionen Dollar zusammen, schätzen US-Behörden. Hinzu kommen Schwarzgelder aus Lateinamerika, wo die Hisbollah mit der ansässigen arabischen Gemeinschaft gut verknüpft ist, oder die Erlöse von Import-Export-Gesellschaften, die in Indien und Hongkong im Auftrag der Hisbollah aktiv sind. Sie generieren weitere Millionen, die am Ende in die Kasse von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah fließen.
Nasrallah könne sich auf regelmäßige Einnahmen verlassen und kenne keinerlei Geldprobleme, so Levitt. Denn zu den Einkommen aus der Unterwelt kommen jedes Jahr durchschnittlich 100 Millionen Dollar, die aus Teheran überwiesen werden. Hinzu kommen Geschenke von religiösen Führern im Gottesstaat und freiwillige Spenden von hunderttausenden Schiiten. Die unentgeltlichen iranischen Waffenlieferungen sind darin nicht enthalten.
Im Libanon ist die Hisbollah zweitgrößter Arbeitgeber. Sie hält Beteiligungen an der Flughafengesellschaft Beirut, an der libanesischen Airline MEA und an mehreren Finanzinstituten. In den Armenvierteln hat sie Filialen ihrer Nahrungsmittelkette eröffnet und lässt in Schneidereien islamische Kleider nähen, die sie an libanesische Schiitengemeinschaften in den USA, Afrika und Südamerika verkauft. Bedeutende Engagements hält sie auch an der lokalen Bauindustrie und bei Immobilien.
Über das Ausmaß dieser Investments liegen zwar keine verlässlichen Schätzungen vor, auch nicht über die Höhe der damit generierten Einnahmen. Aber sie dürften mehrere Millionen betragen, schätzen Finanzkreise.
Mit diesen Einnahmen hat die Hisbollah im Libanon nicht nur eine paramilitärisch organisierte, gut ausgerüstete Armee, sondern auch ein riesiges Sozialwerk aufgebaut. Von den Sozialleistungen profitieren 250 000 bis 350 000 Libanesen - rund zehn Prozent der Bevölkerung. "Die Regierung hat der Hisbollah das Feld überlassen", so die Hisbollah-Expertin Hala Jaber. So sind an die 14 000 Kinder in Hisbollah-Schulen eingeschrieben, die mehrere Tausend Lehrer beschäftigen. Zum Schulsystem gehören Sommerlager, Ausflüge, Jugendbewegungen und die Durchführung von religiösen oder nationalen Festen.
Neben Schulen und Krankenhäusern hat die Hisbollah Hilfswerke aufgebaut, die die Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten versorgen - zum Beispiel Wasser. Die Kliniken erhalten von Mitarbeitern des Roten Kreuzes das Präsdikat "tadellos geführt". Hisbollah finanziert auch Stiftungen, die sich um Kriegsopfer kümmern. Davon profitieren Verwundete, Witwen, Waisen und Landwirte, deren Felder durch israelische Truppen verwüstet wurden.
Die Hisbollah engagiert sich seit den achtziger Jahren in den Gebieten, wo die Schiiten in der Mehrheit sind und die Beiruter Regierung versagt - vor allem im Südlibanon, in den südlichen Stadtteilen von Beirut und in der Bekaa-Ebene. Ihr wirtschaftliches und soziales Engagement verschafft ihr Rückhalt in der Bevölkerung.
http://www.handelsblatt.com/news/...t.aspx?_p=200051&_t=ft&_b=1113211
Von Wolfgang Günter Lerch
Iranerinnen demonstrieren in Teheran für ihren Helden |
Er ist heute der weitaus bekannteste unter den radikalen Schiiten des Libanons. Seit vierzehn Jahren führt er schon die Hizbullah („Partei Gottes“), die in den südlichen Teilen der Hauptstadt Beirut, doch auch in Baalbek in der ostlibanesischen Bekaa-Ebene sowie vor allem im Südlibanon so etwas wie einen Staat im Staat bildet - zum Leidwesen vieler Libanesen, die keine Schiiten sind und die Schwäche ihres Staates und seiner Armee beklagen.
Die Hizbullah Scheich Hassan Nasrallahs hat im Süden die Kommandos der Palästinenser ersetzt, die 1982 von Israel aus ebendieser Region vertrieben worden waren. Es war exakt dasselbe Jahr, in dem mit Teheraner Hilfe der Beschluß zum Aufbau der „Partei Gottes“ gefaßt wurde. Radikale Schiiten hatten der bis dahin beherrschenden Schiiten-Organisation „Amal“ von Nabih Berri „Schwäche und Verrat“ vorgeworfen und sich abgespalten.
Theologie-Studium im Irak
Unheilvolle Allianz |
Der Sieg der islamischen Revolution in Iran hatte Ende der siebziger Jahre auch den bis dahin wenig einflußreichen Schiiten des Libanons zu neuem Selbstbewußtsein verholfen. Schon immer eng waren die Beziehungen zwischen dieser muslimischen Konfession, die vornehmlich im Dschebel Amil im Südlibanon wohnt, und den bedeutenden Lehrstätten des Schiitentums im Irak und in Iran. Sie sollten auch für Nasrallahs Karriere eine Rolle spielen.
Der im Jahre 1960 in dem Ort Basurije im Südlibanon als Sohn eines Lebensmittelhändlers geborene Hassan Nasrallah war das älteste von neun Kindern. Schon in jungen Jahren bekam er eine besondere religiöse Erziehung, die er mit ausführlichen theologischen Studien in der Hafenstadt Tyrus fortsetzte. Eine Zeitlang ging er zum Studium der Theologie in den Irak, nach Nadschaf, der wichtigsten Lehrstätte der Schiiten überhaupt, wo er im Schatten der Grabmoschee des Imam Ali Ibn Abi Talib Studien trieb, unter anderem bei dem bekannten Ajatollah Baqir al Sadr.
Keine moralische Skrupel
Die Flagge der Hizbullah weht vor einem Nasrallah-Bild |
Doch schon 1978 mußte Nasrallah den Irak Saddam Husseins verlassen. Generalsekretär der Hizbullah wurde er im Jahre 1992, nachdem sein Vorgänger Abbas al Musawi bei einem Hubschrauberangriff der Israelis getötet worden war.
Scheich Nasrallah gilt seinen Anhängern als überzeugender Redner. Der Märtyrertod, der Gang ins Jenseits, sei wie das Durchschreiten einer Tür in ein anderes Zimmer, in dem ein angenehmes Klima herrsche, sagte er einmal auf die Frage eines westlichen Journalisten. Einer seiner Söhne, Hadi, wurde 1997 Opfer seines „heiligen Krieges“ gegen Israel. Das erfülle ihn mit Stolz, gab Nasrallah anschließend ohne zu zögern kund. Moralische Skrupel darüber, daß er junge Männer zum Selbstmord „auf dem Wege Allahs“ treibt, scheint er nicht zu haben.
Israel bedrohte Nasrallah mit dem Tod |
Seitdem Israel sich im Jahre 2000 unter dem Druck seiner Hizbullah aus der Sicherheitszone zurückzog, ist Nasrallahs Nimbus gewachsen. Mit der jüngsten Entführung zweier israelischer Soldaten, welche die Kriegshandlungen jetzt hervorriefen, will er in Israel einsitzende Araber freipressen. Manche sagen, er habe damit überzogen, die weitreichenden Folgen nicht bedacht. Das kann man auch ganz anders sehen. Daß er auf einer israelischen Liste von zu tötenden Personen steht, kann als sicher gelten.
Text: F.A.Z., 20.07.2006, Nr. 166 / Seite 8Bildmaterial: AP, dpa, picture-alliance/ dpa, REUTERS
Nach Hizbullah-Drohung mit Raketenangriffe auf Ziele südlich Haifas
In Israel gilt erhöhte Alarmbereitschaft, nachdem die Hizbullah mit einer Ausweitung ihrer Raketenangriffe auf Ziele südlich von Haifa gedroht hat. Das Armeeradio berichtete heute, es seien deshalb Raketenabwehrsysteme in zentrale Gebiete Israels verlegt worden. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe ihre Angriffe auf Ziele in Libanon in der Nacht auf heute fortgesetzt.
Freudenschüsse über die Entführung der israelischen Soldaten.
Von Christian Unger
Berlin - Am Morgen, als die israelischen Soldaten entführt und zu Geiseln wurden, feierten Hisbollah-Anhänger auf den Straßen Haret Hreiks im Süden Beiruts und verteilten Bonbons an Kinder. Monika Borgmann-Slim schaute durch ihr Fenster und sah vor ihrer Haustür Kämpfer in Uniform vorbeiziehen, die Freudenschüsse aus ihren Kalaschnikows abfeuerten. Die Hisbollah, so sagt Borgmann-Slim, habe noch eine weitere Geisel in ihrer Gewalt: das libanesische Volk.
Seit 2001 lebt die Journalistin und Filmemacherin in der Hisbollah-Hochburg Haret Hreik. Die 43jährige Deutsche ist mit Lokman Slim verheiratet - einem 44 Jahre alten schiitischen Oppositionspolitiker und Kulturaktivisten. Gemeinsam gründeten sie 2004 das Kulturzentrum Umam - Documentation and Research. Bis vor drei Wochen lief eine Ausstellung über den libanesischen Bürgerkrieg. Nach den ersten Angriffen Israels floh Borgmann-Slim zu Freunden außerhalb Beiruts.
"Haret Hreik ist ein Staat im Staate", sagt sie. Die Hisbollah regiere durch die Angst, die sie verbreite. Ihre Milizen kontrollieren die Straßen, während die libanesische Armee vor den Grenzen des Viertels steht. Mit Panzern und Geschützen - und doch ohne Macht.
Aber nicht alle in dem Viertel sind radikale Schiiten. Die Slims konnten in Haret Hreik bleiben, weil die Familie seit 100 Jahren eine Villa in dem Viertel besitzt. "Die Tradition der Familie gibt uns Autorität", sagt Borgmann-Slim.
Die Bombenangriffe Israels machen sie wütend. "Mit Raketen kriegt Israel die Hisbollah nicht kaputt." Ihr Netz durchgräbt wie Fasern einer Wurzel den aufgewühlten Boden der libanesischen Gesellschaft. Die Hisbollah ist drittgrößter Arbeitgeber im Libanon, verwaltet Krankenhäuser und Schulen. Brot und Milch kaufen die Einwohner Haret Hreiks in den Supermärkten der Hisbollah. Seit den Angriffen Israels auf Zivilisten unterstützen immer mehr Libanesen auch den bewaffneten Kampf der Hisbollah. "Jeder tote Schiit wird zum Märtyrer, jede Bombe gibt dem Hunger zu kämpfen neue Nahrung." Eine "Kultur des Todes" nennt die Deutsche das.
An allen Straßenecken in Haret Hreik hängen gerahmte Fotos von getöteten Hisbollah-Kämpfern. In Zeitschriften propagiert die Partei den Krieg gegen den "zionistischen Feind". Taschenbücher mit bunten Zeichnungen schwören Kinder auf den Haß gegen Israel ein. Haß, den das Ehepaar durch das Kulturzentrum bekämpfen will. Im September sollen wieder Besucher zur Ausstellung kommen. Ob das Haus dann noch steht, weiß Borgmann-Slim nicht. "Der Gedanke, daß der Krieg unsere ganze Arbeit zerstört, macht mich verrückt."
Artikel erschienen am Sa, 29. Juli 2006
http://www.welt.de/data/2006/07/29/978356.html