Erfolgsmodell Kopfprämie - heute Schweiz


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Neuester Beitrag: 20.12.05 07:57
Eröffnet am:19.09.05 19:32von: Dr.UdoBroem.Anzahl Beiträge:17
Neuester Beitrag:20.12.05 07:57von: quantasLeser gesamt:2.392
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42940 Postings, 8626 Tage Dr.UdoBroemmeErfolgsmodell Kopfprämie - heute Schweiz

 
  
    #1
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19.09.05 19:32
BERN

Krankenkassenprämien werden erneut steigen

Die Krankenkassenprämien dürften auf 2006 hin stärker steigen als vor Jahresfrist, da die Gesundheistkosten im laufenden Jahr höher liegen. Diese Einschätzung gab der Verband der Krankenversicherer santésuisse bekannt.

santésuisse schätzt, dass die Gesundheitskosten in der Grundversicherung im laufenden Jahr um 6 bis 8 Prozent gestiegen sind, wie es an einer Medienkonferenz in Bern hiess. Dies werde sich auch bei der Festlegung der Prämien auswirken.

Genaue Zahlen zur Prämiensteigerung wollte santésuisse nicht nennen. Die Prämien für das nächste Jahr werden vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) voraussichtlich Ende Monat bekannt gegeben.

Die Steigerung werde aber sicher höher ausfallen als auf das Jahr 2005 hin, sagte santésuisse-Sprecher Peter Marbet gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Sie werde sich im selben Rahmen wie in den Vorjahren bewegen.

2005 waren die Prämien in der Grundversicherung für Erwachsene ab 26 Jahren um durchschnittlich 3,7 Prozent gestiegen. In den beiden Vorjahren betrug der Anstieg 4,3 und 9,6 Prozent.

Die ständige Steigerung der Gesundheitskosten sei jedoch nicht gottgegeben, sagte santésuisse-Direktor Marc-André Giger vor den Medien. Es gebe durchaus Möglichkeiten, diese einzugrenzen. Dann aber müssten alle Haare lassen. Dazu sei bislang aber niemand bereit gewesen.

Statt an Reserven und Rückstellungen herumzuflicken, sei es politisch klüger, den Ursachen der Kostensteigerung auf den Grund zu gehen. Santésuisse unterstütze deshalb die Absicht des BAG, den Grundleistungskatalog systematisch zu überprüfen, ergänzte Verbandspräsident und SVP-Nationalrat Christoffel Brändli (GR).

Pierre-Marcel Revaz, Vizepräsident von santésuisse, kritisierte zudem die Einheitsprämie für Versicherte ab 19 Jahren. Diese führe dazu, dass die Altersklasse der 20- bis 40-Jährigen einen besonders hohen Solidaritätsbeitrag für die älteren Versicherten leiste.

Massnahmen zur Dämpfung der Medikamentenkosten könnten rasch beschlossen werden, sagte Brändli weiter. santésuisse verlangt vom BAG, weiter Druck auszuüben, um die Preise in Richtung europäisches Niveau zu senken. Die Preise der Arzneien der Spezialitätenlisten müssten periodisch und nicht nur alle sieben Jahre überprüft werden. (sda)

"Grundleistungskatalog systematisch zu überprüfen..." mit anderen Worten immer weniger Leistung für immer höhere Beiträge.


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45711 Postings, 7821 Tage joker67Ja,ja unser immer wieder gerne genanntes

 
  
    #2
19.09.05 19:42
Musterländle;-))

greetz joker  

21799 Postings, 9130 Tage Karlchen_IDoc - liegt aber nicht an der Kopfprämie.

 
  
    #3
19.09.05 19:48
Vielmehr darn, dass die Schweizer Politik ihre Bevölkerung zugunsten der Versicherungsunternehmen plündert. Bei denen ist das nämlich so, dass es in jedem Kanton - Bezirk oder so - einen Monopalanbieter von Versicherungsleistungen gibt. Und die legen ihre Prämien fest - und der Staat guckt drauf. Aber bei regionalen Monopolen kann der Staat soviel draufgucken wie er will - die Monopole werden sich schon nicht unterbieten. Wundert mich schon, dass die Schweizer hier nicht einen Riesenzoff gemacht haben - aber na ja.


Dasselbe gilt auch für andere Versicherungen - etwa für die Elementarschadenversicherung.


Auch da haben die Versicherungen quasi die Lizenz zum Gelddrucken - aber die Schweizer Bürger lassen es geschehen.  

42940 Postings, 8626 Tage Dr.UdoBroemmeParadiesische Zustände

 
  
    #4
19.09.05 19:56
Gesundheit
Trotz Kopfprämie zahlen Schweizer mehr

20. Juli 2004 Die Schweiz kennt seit acht Jahren vom Einkommen unabhängige Kopfpauschalen in der gesetzlichen Krankenversicherung, wie sie in Deutschland die CDU favorisiert und auch der Ökonom Bert Rürup empfiehlt. Eine Kostendämpfung im Gesundheitssystem ist damit bisher nicht gelungen. Die Beiträge steigen weiter an, und immer mehr Haushalte brauchen staatliche Zuschüsse. Das liegt freilich nicht am Prämiensystem, das wegen seiner hohen Eigenbeteiligung Sparanreize bietet, sondern am wachsenden Gesundheitsangebot. Hier sind Reformen bisher mißlungen.

Jeder dritte Haushalt braucht Zuschuß

Die Kopfprämie in der Schweiz liegt höher als jene, die Rürup für jeden deutschen Erwachsenen vorschlägt (169 Euro). Schweizer zahlen 350 Franken (umgerechnet 230 Euro) in Städten, weil hier mehr Gesundheitskosten verursacht werden. In ländlichen Regionen ist die Prämie niedriger. Hinzu kommt jedoch eine hohe Selbstbeteiligung: Sie wurde Anfang 2004 erhöht und beträgt nun, zusammengesetzt aus "Franchise" und maximalem "Selbstbehalt", mindestens 1.000 Franken im Jahr.

Bei zwei Kindern, deren Prämien der Staat nicht zahlt, kommt eine Familie somit auf einen monatlichen Beitrag von rund 800 Franken. Der Arbeitgeber steuert dazu nichts bei. Die Schweizer können durch eine Erhöhung der Selbstbeteiligung auf demnächst bis zu 2.500 Franken jährlich die Kopfprämie je Erwachsenen um etwa ein Drittel verringern, doch diese Eigenleistung können nur finanzstarke Familien aufbringen. Daher braucht inzwischen jeder dritte Haushalt einen staatlichen Zuschuß, um die Basis-Krankenversicherung zahlen zu können.

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21799 Postings, 9130 Tage Karlchen_ISach ich doch - dort plündern die

 
  
    #5
19.09.05 19:59
Versicherungsunternehmen massiv Staat und Bürger - und die nicken das alles ab.  

16374 Postings, 7176 Tage quantasKarlchen Posting 3!!

 
  
    #6
2
19.09.05 21:47

Völliger Mumpitz und falsch was Du da schreibst.

Es gibt keine Monopolisten im Krankenversicherungswesen.
Es steht jedem frei wo Sie/Er sich versichern will.
Da hätte ich jetzt von Dir, schon mehr Objektivität, oder zumindest
mehr an Nachforschung erwartet, bevor Du so einen zum Himmel
stinkenden Mist herauslässt. Schade ich muss Dir die Hosen runterziehen.

Seit dem 1.1.1996 ist die Grundversicherung für alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz obligatorisch. Die Leistungen der Grundversicherung sind durch das Krankenversicherungsgesetz (KVG) genau festgelegt. Sie sind bei allen Krankenkassen gleich. Die Krankenkassen müssen in ihrem Tätigkeitsgebiet jeden Antragssteller, der den Beitritt wünscht, in ihre Grundversicherung aufnehmen (= volle Freizügigkeit). Die Grundversicherung deckt die Risiken "Krankheit" und "Unfall" ab. Wer durch seinen Arbeitgeber bereits gegen Unfall versichert ist, kann die Unfalldeckung kündigen.

Die Grundversicherung übernimmt ausschliesslich Leistungen, welche im Wohnkanton des Versicherten erbracht werden. Ausnahme: Benötigt der Versicherte aus medizinisch zwingenden Gründen Leistungen, die im Wohnkanton nicht durchgeführt werden können (komplexe Eingriffe wie Organtransplantationen etc.) oder muss er notfallmässig Leistungen ausserhalb seines Wohnkantons in Anspruch nehmen, so sind diese ebenfalls gedeckt. Dies gilt auch bei vorübergehenden Auslandaufenthalten.

Die Prämien für die Grundversicherung unterscheiden sich nach Wohnort und Alter des Versicherten. Es gibt eine Prämie für

  • Kinder (bis zum vollendeten 18. Altersjahr);
  • und junge Erwachsene (19 bis zum vollendeten 25. Altersjahr).
  • Erwachsene;

Von den aus der Grundversicherung bezahlten Leistungen müssen die Versicherten eine Kostenbeteiligung, die sogenannte Franchise und einen Selbstbehalt von 10% übernehmen.
Hinweis: Von Franchise und Selbstbehalt ausgenommen sind Leistungen bei Mutterschaft (sofern diese ohne Komplikationen abläuft)!

http://www.comparis.ch/krankenkassen/info/glossar.aspx?id=KK_Info_gv

Sollten die Links im Text nicht funzen, ist oben der Link zu Comparis. Ich sage einmal grob, dass ich mit Bestimmtheit rund 50 verschiedene Kassen  auswählen kann. So und nun lasse weiter  Deine Fanatstereien los. 

http://www.krankenversicherung.ch/...amp;startseite=4&kanton=alle Ist auch noch ein interessanter Link.

salute quantas

 

21799 Postings, 9130 Tage Karlchen_INein bilanz - ich habe mich schon

 
  
    #7
19.09.05 21:53
mit eurer Krankenversicherung beschäftigt, weil ich mich darüber gewundert habe, dass trotz hoher Selbstbeteiligung das System bei euch teurer ist als bei uns.

Das kann nur daran liegen, dass ihr kantonale Versicherungsmonopole habt. Habt ihr doch - oder? Kannst etwa ne Krankenversicherung bei einem Abbieter in Geneve abschließen - oder im Tessin. Kannste nicht.  

16374 Postings, 7176 Tage quantasHast Du eben nicht

 
  
    #8
19.09.05 22:09
Die meisten Kassen operieren schweizweit, ausser der kleinen
Firmenkassen, oder allenfalls örtliche Versicherungen.
Es sind nur die Prämien, die unterschiedlich, zB. Ländlich, Städtisch, oder
in der Aglomeration berechnet werden.

Dann zu Docs Prämien. Die Stadt Zürich, hat die höchsten Prämien. Aber auch hier, kann ich die Grundversicherung für ca. 250 Franken haben. Das wären dann einmal 100 Fränkli weniger als die von Doc aufgeführten. Und die Grundversicherung ist gut, sie schliesst praktisch alles ein. Es ist also für eine sehr gute medizinische Versorgung gesorgt.

Ich habe ja in meinem letzten Posting Links reingehängt, da kannst Du selber rechnen lassen und vergleichen.

Gruss quantas



 

16374 Postings, 7176 Tage quantasNoch ein nützlicher Link

 
  
    #9
19.09.05 22:25

Prämien 2006:

http://www.sparziel.ch/

Nur ein Tipp, wegen der geschönten Zahlen in der Grundversicherung von Doc.

Dann besteht bei Kindern kein Selbstbehalt.

Das Kranksein ist teuer und wird immer teurer, dies ist nicht gut,

es muss auch bei uns endlich ein Kostenbremse geben. Die Kopfpauschale bewährt sich sonst aber recht gut.

 

 

16374 Postings, 7176 Tage quantasDie unheilbare Allianz

 
  
    #10
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30.09.05 10:47
Jeden Herbst fühlen wir Schweizer uns schlecht – dann nämlich steigen die Krankenkassenprämien. Aber deswegen gleich losjammern? Wir bezahlen doch nur, was wir vom Gesundheitswesen verlangen und auch bekommen: mehr, mehr, mehr. Erkundungen an der Schmerzgrenze.

Kürzlich, erzählt Dr. med. Andreas Luder aus Interlaken, habe ihn eine sparsame ältere Dame in der Praxis angerufen. Wegen Rückenschmerzen habe sie übers Wochenende in der Apotheke ein rezeptfrei erhältliches Schmerzmittel gekauft. Nun brauche sie ein Rezept für die Krankenkasse. Zwar sei das Medikament billig, drei Franken nur, aber wenn sie zusätzliche Pillen nachbestellen wolle, gehe das eben doch ins Geld. Sie wäre froh, wenn ihr Arzt das Rezept gleich an die Apotheke schicken könnte.

Als der Arzt am Abend joggen ging, steckte er das Couvert, um das Porto zu sparen, eigenhändig in den Briefkasten der Apotheke. Während des Laufens dachte und rechnete er nach, wer alles von diesem kleinen Ereignis profitierte.

Erstens: die ältere Frau. Sie muss die drei Franken nicht selbst bezahlen, sofern ihre Franchise bereits aufgebraucht ist. Zweitens: der Apotheker. Die Abgabe mittels Rezept berechtigt ihn zum Bezug der Patientenpauschale von Fr. 9.20 und der Apothekerpauschale von Fr. 4.30. Drittens: er selbst, Dr. med. Luder. Er darf, muss aber nicht, die Position 00.0110 (telefonische Konsultation durch den Facharzt) oder 00.0140 (ärztliche Leistung in Abwesenheit des Patienten) verrechnen, was Fr. 13.85 bis 17.40 ausmacht, je nach Kanton.

Zum Schluss kostet das Medikament, das eigentlich in jeder Apotheke für drei Franken erhältlich wäre, Fr. 30.35 bis 33.90, je nach Kanton, vollständig bezahlt von der Krankenkasse. «Eine nette Geschichte, nicht wahr?», findet Dr. med. Andreas Luder aus Interlaken.

Eine typische Geschichte. Das System funktioniert tadellos, im Kleinen wie im Grossen multiplizieren sich die Kosten zu einem stolzen Umsatz. Zuoberst steht der Wunsch des Patienten, der Patientin. Er oder sie kriegt, was er oder sie verlangt, gratis. Und alle andern Beteiligten helfen gern und verdienen mit.

Das Gesundheitswesen boomt wie sonst nichts in der Schweiz: Es ist die Wachstumsbranche Nummer eins. So hoch die Preise im internationalen Vergleich auch sind, sowohl bei einfachsten Medikamenten wie bei schwierigsten Operationen, die Nachfrage steigt trotzdem unaufhörlich. Dass parallel dazu die Prämien für die Krankenkasse steigen, wird jeden Herbst laut beklagt, ist aber nicht zu vermeiden; irgendjemand muss die Rechnung ja bezahlen. Also lässt sich das kraftvolle Wachstum auch an den Beträgen ablesen, welche die obligatorische Krankenversicherung übernehmen muss. Letztes Jahr stiegen sie um weitere 6,8 Prozent auf über 19 Milliarden Franken im Jahr. Geht das so weiter, verdoppeln sich die Prämien alle zehn Jahre; das ist Mathematik.

Aber sonst fühlt sich das Volk gut – gut behandelt. Seit das vielkritisierte Krankenversicherungsgesetz (KVG) 1996 in Kraft ist, hat sich der Anteil der Schweizerinnen und Schweizer, die mit dem Gesundheitswesen «zufrieden» sind, signifikant erhöht auf «eine klare Mehrheit von 67 Prozent», wie zwei Tessiner Forscherinnen rund um Professor Gianfranco Domenighetti in einer nationalen Umfrage ermittelt haben. «Die höchste Zufriedenheit wird bei den Personen verzeichnet, welche die Dienste am häufigsten in Anspruch nehmen: betagte Menschen und Chronischkranke.»

Der Meinungsforscher Claude Longchamp vom Institut GfS in Bern bestätigt: «Die Bevölkerung urteilt weniger pauschal als die Massenmedien.» Auch die langen Diskussionen unter den Politikerinnen und Politikern ziehen spurlos vorbei; Begriffe wie «Kontrahierungszwang», «Monismus» et cetera verstehen die meisten Leute ohnehin nicht, viel zu kompliziert. Gemäss Meinungsforscher Longchamp hat das Volk grossmehrheitlich nur zwei Wünsche offen: «Qualität» und «Wahlfreiheit».

Aus Täfeli wird Bypass


Just dieses Streben nach Qualität und Wahlfreiheit gelingt. Als Patienten wollen wir das Beste, und wir kriegen immer öfter das Beste. Typisch etwa der Briefwechsel aus der Ringier-Zeitschrift Gesundheit Sprechstunde: «Ich leide unter Angina Pectoris. Soll ich bei Wanderungen vorbeugend Coramin-Täfeli lutschen?», lautete im vollen Wortlaut die Frage eines Lesers. «Nein, bei Angina-Pectoris-Beschwerden ist das nicht sinnvoll», antwortete Susanne Suter, Fachkrankenschwester für Herzinsuffizienz und Intensivpflege am Inselspital Bern, und empfahl nach einigen Ausführungen: «Zudem wäre es angebracht, Ihre Beschwerden mit einer Herzkatheter-Untersuchung abzuklären. Unter Umständen lassen sich die Verengungen mit einer Bal- londilatation wieder öffnen. Vielleicht rät Ihnen der Kardiologe sogar zu einer Bypassoperation.»

So schnell verwandeln sich einfache Fragen in neue Bedürfnisse. Am Ursprung kann ein diffuses Gefühl sein, das Angst auslöst. Eine Angina Pectoris äussert sich, wie die schnelle Abfrage bei Google zeigt, in «Schmerzen in der Herzgegend, meist hinter dem Brustbein, einem Engegefühl im Brustkorb und Atembeklemmungen. Die Beschwerden können auch ausstrahlen und als Magen-, Zahn- oder Armschmerzen missdeutet werden». Also lieber nichts missdeuten – sondern intensiv nachforschen.

Resultat: Die Zahl der Herzkatheter-Untersuchungen hat sich innerhalb von 13 Jahren verachtfacht, wie eine Erhebung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie zeigt. Inzwischen werden jährlich 16500 Herzen mit dem Katheter untersucht. Ein Routineeingriff, aber technisch anspruchsvoll: Fachärzte stechen in der Leistengegend eine Hohlnadel in eine Beinschlagader. Über diesen Zugang schieben sie einen dünnen flexiblen Schlauch (Katheter) bis ins Herz vor, spritzen dort ein Kontrastmittel in die Blutbahn und röntgen dann das Herz. Der Eingriff ist im besten Fall zwanzig Minuten kurz, danach muss der Patient zwei Tage liegen bleiben. Kosten eines einzigen Eingriffs in der allgemeinen Abteilung: 3000 Franken bei einfachen Diagnosen, 4000 Franken bei komplexen Diagnosen.

«Als Fachleute gehen wir davon aus, dass die Versorgung der Bevölkerung besser ist, wenn mehr Koronarografien gemacht werden», verteidigt Professor Bernhard Meier, Leiter der Kardiologie am Universitätsspital Insel in Bern, die heutige Praxis. Als Laie staunt man, wie extrem ungleich diese Eingriffe im Schweizerland verteilt sind. Unter den Einwohnern des Kantons Tessin wird die Herzkatheter-Untersuchung (koronare Arteriografie) 41-mal so häufig angewendet wie unter den Einwohnern des Kantons Obwalden. Das zeigt eine Spezialauswertung der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser, die das Bundesamt für Statistik auf Anfrage der Weltwoche erstellt hat.

Ein Herz, viele Seelen


Konkret: Am unteren Ende liegt Obwalden (0,12 Eingriffe je 1000 Einwohner im Kanton im Jahre 2003), gefolgt von Appenzell Innerrhoden (0,27) und St. Gallen (0,32). Im Mit- telfeld liegen die zwei Universitätskantone Bern (1,96 Eingriffe je 1000 Einwohner) und Zürich (2,74). Am häufigsten werden Herzkatheter-Untersuchungen in drei Kantonen durchgeführt, in denen auch die Krankenkassenprämien auffallend hoch sind: in Basel-Stadt (3,47 Eingriffe je 1000 Einwohner), in der Waadt (4,37) und im Tessin (4,92).

Die Differenzen sind derart krass, dass sie misstrauisch machen: Entweder herrscht in den einen Kantonen eine «Unterversorgung» (Eingriffe wären klar indiziert, werden aber nicht ausgeführt), oder dann kommt es in den andern Kantonen zur «Überversorgung» (Eingriffe werden durchgeführt, obschon diese nicht oder nicht streng indiziert sind). Professor Osmund Bertel, Chefkardiologe am Triemlispital in Zürich, gibt das zu: «Mit beiden Bereichen muss man kontinuierlich kämpfen, um die Qualität zu verbessern – das ist ein offenes Geheimnis.»

«Die Medizin ist unersättlich»


Wir Patienten fürchten uns eher vor der «Unterversorgung» – und freuen uns, wenn der inzwischen verstorbene deutsche Bäderkönig Eduard Zwick, manchmal auch «Steuerflüchtling» genannt, dem Kanton Tessin ein privates Cardiocentro in Lugano spendet. «Das Tessin hat heute die am besten ausgebauten Kapazitäten bezogen auf die Bevölkerungszahl», bestätigt der Berner Chefkardiologe Bernhard Meier. «Kantone wie Obwalden, Appenzell oder Thurgau bieten keine Koronarografien in öffentlichen Spitälern an. Es ist dort nur möglich, die Untersuchung kantonsfremd oder privat durchführen zu lassen. Dies hebt die Hemmschwelle.» Dass der Kanton Bern nur eine bescheidene Quote von Herzkatheter-Eingriffen aufweist, nimmt Professor Meier übrigens nicht als Lob, sondern als Kritik entgegen: «Es zeigt uns, dass wir weiterhin bei Bevölkerung und Grundversorgern aufklärend wirken müssen, um den Anschluss an die schweizerische Spitze nicht zu verpassen.»

So schafft sich das medizinische Angebot seine eigene Nachfrage, scharf kritisiert von der ökonomischen Lehrmeinung. «Ein Mediziner wird nach seinem Selbstverständnis alles medizinisch Mögliche unternehmen oder veranlassen, um einem Patienten zu helfen», sagt Professor Bernd Schips, Leiter der Konjunktur- forschungsstelle (KOF) an der ETH Zürich, und schlussfolgert: «Die Medizin ist strukturell unersättlich.»

Sind tatsächlich die Ärzte schuld, dass ständig aufwendigere Untersuchungen, ständig mehr Operationen veranlasst werden? «Ich denke, dies hat nicht nur mit der Aggressivität der Ärzteschaft zu tun, sondern auch mit den Forderungen der Patienten», antwortet der wohl berühmteste Herzchirurg der Schweiz, Thierry Carrel. Er beobachte dies gerade im Kanton Bern: «Der Bergbauer vom Oberland stellt sicher weniger Ansprüche als der Multimillionär aus Muri BE.» Osmund Bertel vom Zürcher Triemli verweist auf die «Anpreisung an die Konsumenten» durch die Medien, etwa auf die aktuelle Time-Titelgeschichte «Preventing a Heart Attack».

Der typische «Kunde», der sich via Herzkatheter untersuchen lassen will, ist männlich, stressgeplagt, Raucher, Sportmuffel; in seinem Hinterkopf steckt die Angst vor dem Infarkt.

Also ist ihm selbst eine invasive Untersuchung mit dem Herzkatheter willkommen – nicht zuletzt deshalb, weil der Kardiologe sofortige Remedur verspricht: Stösst er mit dem Katheter auf ein verschlossenes Gefäss, kann er sogleich einen kleinen Ballon an der Spitze des Katheters aufblasen und so die Verstopfung zur Seite drängen. Im Fachjargon heisst dieser Eingriff Ballondilatation. In den meisten Fällen setzen die Ärzte anschliessend feine Drahtgeflechte – soge- nannte Stents – in die gerade eröffnete Arterie, damit sie sich nicht wieder verschliesst. All das erfolgt direkt bei einer Herzkatheter-Untersuchung – bei nochmals höheren Kosten, versteht sich. Aber dem steht ein Nutzen gegenüber: Das Risiko eines Herzinfarkts sinkt.

Wo die Galle hochkommt


Um wie viel, darüber streiten sich die Gelehrten. «Sport statt Stents!», rät Spiegel-Autor Jörg Blech, der soeben ein Buch veröffentlicht hat unter dem Titel «Heillose Medizin». Darin schildert er einen Versuch des Herzzentrums der Uni Leipzig. Hundert Patienten seien in zwei Gruppen aufgeteilt worden. Die einen wurden mit Stents behandelt, den andern wurde etwas Sport verschrieben (jeden Tag zwanzig Minuten auf dem Ergometer strampeln). Bilanz nach einem Jahr: Von den Freizeitsportlern seien 88 Prozent ohne Beschwerden geblieben, von den Stents-Patienten 70 Prozent.

Dass etwas Sport gesund ist respektive gesund wäre, so viel wissen wir alle auch. Aber deswegen wollen nur die wenigsten von uns auf eine maximale medizinische Versorgung verzichten. «Würde sich der Kanton Tessin bezüglich Koronarografie dem Kanton Uri angleichen, könnte im Tessin wesentlich Geld gespart werden», gibt der Berner Kardiologe Bernhard Meier zu und fährt seelenruhig fort: «Die Betreuung des wichtigsten Krankheitsbildes der Tessiner Bevölkerung würde allerdings eine massive Qualitätseinbusse erleiden, was von der gut orientierten Bevölkerung nicht akzeptiert würde.»

Anders gesagt: Die grosse Mehrheit will nicht sparen. Das Angebot soll maximal, flächendeckend, zugänglich für alle sozialen Schichten sein. So argumentieren nicht nur Spitzenmediziner, das erfahren auch Politiker. Jene nämlich, die sparen und die «Überversorgung» abbauen wollen, indem sie mal hier und mal dort ein Spital schliessen. Zuletzt sind in sechs verschiedenen Kantonen sechs Sanitätsdirektoren abgewählt worden. Denn da macht die Mehrheit nicht mit. «Gesundheit», referiert der Zürcher Ökonom Peter Zweifel, «ist für uns ein Luxusgut. Wir werden immer älter, und wir möchten immer länger gesund bleiben. Dafür sind die Leute gewillt, mehr Geld auszugeben.»

Also schaukeln sich die Wünsche der Patienten und die Angebote der Mediziner gegenseitig immer höher. Ein weiteres Musterbeispiel: Gallenblasenoperationen. Spiegel-Autor Jörg Blech zitiert international namhafte Mediziner mit «Mannequinchirurgie». Seit rund zehn Jahren sei es Mode geworden, das zum Leben nicht notwendige Organ «prophylaktisch» zu entfernen, «etwa um Koliken auf Geschäftsreisen vorzubeugen». Der Durchbruch kam mit der neuen sogenannten Schlüsselloch-Chirurgie: Mit feinen, kleinen Schnitten wird eine Fernsehkamera in den Bauch eingeführt. Als «Pionierbetrieb» für solche laparoskopische Eingriffe lobt sich das Zürcher Stadtspital Waid, das «bezüglich der Anzahl operierter Fälle europaweit zur Spitzengruppe gehört». Kosten pro Eingriff: rund 5300 Franken.
Auf Anfrage der Weltwoche hat das Bundesamt für Statistik auch die Gallenblasenoperationen näher untersucht. Fazit: Es kommt ebenfalls zu gewaltigen regionalen Unterschieden, auch wenn diese nicht gar so deutlich ausfallen wie bei den Herzkatheter-Untersuchungen. In Appenzell Innerrhoden oder in Schaffhausen gibt es 0,67 respektive 0,73 Eingriffe pro 1000 Einwohner, im Tessin oder im Wallis sind es 2,08 Eingriffe, im Jura 2,16 Eingriffe pro 1000 Einwohner.

Kaufen Sie drei Brote!


Gelegentlich kommt Kritik auf. Albrecht Rychen, Präsident der Krankenkasse Visana, behauptet auf seiner Homepage: «Wir haben herausgefunden, dass Arztfamilien viel weniger operiert werden als die normale Durchschnittsbevölkerung. Das können wir statistisch belegen.» Kürzlich klagte auch der Luzerner Regierungsrat Markus Dürr, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger, «dass in den Spitälern viel Unnötiges gemacht wird», und bezeichnete Gallenoperationen als «Schnickschnack».

Landauf, landab verhallt die gleiche Forderung, seit Jahren schon: «Nicht alles, was in der Medizin machbar ist, muss man auch in jedem Fall tun und bezahlen», sagt Markus Dürr. «Wo es zu viele Ärzte und zu viele Betten gibt, wird mehr als notwendig aufgeschnitten», bestätigt der Briger Hotelier und alt Sanitätsdirektor Peter Bodenmann. Und Visana-Präsident Albrecht Rychen ergänzt: «Es gibt keinen freien Beruf, ausser dem Arzt, der die Nachfrage direkt steuern kann. Schliesslich kann der Bäcker seinen Kunden nicht einreden, dass er drei Brote braucht. Sein Kunde weiss, wann er genug Brote gekauft hat. Der Arzt hingegen kann seinen Patienten bitten, in 14 Tagen nochmals zu einem Besuch zu kommen.»

Während die Politiker über eine Beschränkung des Angebots reden (und nichts tun), informieren wir Patienten uns über die Möglichkeiten, dieses Angebot besser zu nutzen. Ob TV, Radio, Tageszeitung – auf allen Kanälen treten Ratgeber auf. Im Internet kann sich jeder Laie zum Experten weiterbilden. Patienten sind keine ahnungslosen Wesen, die sich von den Ärzten alles aufschwatzen lassen, im Gegenteil. Wir sind informiert – über unsere Rechte, aber auch über alle möglichen und unmöglichen Untersuchungen und Behandlungen, inklusive Gallenblasenoperation oder Herzkatheter-Untersuchungen. Diese Aufklärung wirkt nicht etwa kostensenkend – sondern kostentreibend.

Gut für die Volkswirtschaft


Der Tessiner Professor Gianfranco Domenighetti, Gesundheitsökonom an der Uni Lausanne, hat zum ersten Mal in der Schweiz untersucht, «welche Leistungen die Patienten bei ihren Ärzten erbeten». Seine Studie, die 2002 erschienen ist, wird bis heute kaum zur Kenntnis genommen. Dabei zeigt sie:

- «In 34 Prozent der Konsultationen wurde von den Patienten mindestens ein zusätzlicher Wunsch nach Leistungen ausgesprochen.»

- «In 75 Prozent der Fälle wurden diese Forderungen vom behandelnden Arzt vollständig akzeptiert und in 19 Prozent der Fälle teilweise.»

Der Patient wünscht, und die «Leistungserbringer» – vom Hausarzt zum Spezialisten, vom Apotheker zum Physiotherapeuten, vom Spitalverwalter zum Universitätsprofessor – verdienen mit jeder zusätzlichen Leistung, die sie erbringen, kräftig mit. Die Rechnung wird dann nachträglich von den Prämienzahlern bezahlt. Und sie ist saftig: Domenighetti rechnet die zusätzlichen Wünsche der Patienten auf insgesamt 2,5 Milliarden Franken hoch (für das Jahr 2000); dies entspreche 17 Prozent der totalen Kosten, die von den Krankenkassen getragen werden.

Die volkswirtschaftlichen Konsequenzen sind – positiv! In keiner andern Branche sind letzthin so viele neue Stellen geschaffen worden: 50000 neue waren es in den letzten zehn Jahren. Inzwischen arbeitet jeder zehnte Beschäftigte im Gesundheitswesen, insgesamt 460000 Personen, fast vier Fünftel davon Frauen. Auch die dazugehörige Industrie boomt, Roche und Novartis investieren weltweit, aber auch rund um Basel hat die Zahl der von der Pharmaindustrie beschäftigten Personen seit 1990 um 53 Prozent zugenommen auf heute 31 000 Arbeitsplätze; darunter 6000 Forscherinnen und Forscher. Und die vielen kleineren neuen Firmen für Medizinalgüter und Biotechnologie brillieren nicht nur an der Schweizer Börse, sie bieten auch interessante Jobs für Hochqualifizierte.

Es sei darum völlig falsch, wenn das Gesundheitswesen in der Schweiz «nur unter dem Kostenaspekt» betrachtet werde. Das sagt Jochen Hartwig, ein Ökonom der KOF an der ETH Zürich, die eine Studie über die Kostensteigerungen im Schweizer Gesundheitswesen vom US-Pharma-Konzern Merck «bewusst begleiten» liess, wie ein Merck-Vertreter im Vorwort anmerkt. Im Gegenzug legen die KOF-Ökonomen dar, dass Gesundheitsausgaben nicht nur Kosten darstellen, sondern vor allem Nutzen erbringen. «Wenn die Bürger aus eigenem Entschluss mehr für die Gesundheit ausgeben möchten, muss darin nicht zwangsläufig ein Problem gesehen werden», meint Jochen Hartwig. In letzter Zeit sind die Gesundheitsausgaben zwar um fast sechs Prozent jährlich gestiegen, aber auch die Ausgaben für den Auslandtourismus sind um mehr als vier Prozent jährlich gesteigert worden – freiwillig, «ohne dass dies je beklagt worden wäre», und obschon bei Auslandreisen überhaupt keine Wertschöpfung im Inland entstehe, sagt Jochen Hartwig.

Müssen wir gar umdenken? Und die «explodierenden Kosten» beklatschen? In dieses Lob steigender Gesundheitsausgaben würde der Basler Ökonomieprofessor Jürg H. Sommer gern einstimmen – allerdings nur unter einer Voraussetzung: «Wenn jede Person die Leistungen selber bestellen und auch selber bezahlen würde, dann dürften wir uns tatsächlich über eine Wachstumsbranche freuen.» Doch sogleich fügt Sommer alle bekannten Argumente aus den Büros der Ökonomen an: Der «Gesundheitsmarkt» sei eben kein Markt, sondern weitgehend vom Staat reguliert. Das führe zu dem Problem, dass die Leute nicht selbst bezahlen müssen, was sie konsumieren. Man begleiche die Prämie, dann bediene man sich frei aus dem Angebot, egal was es koste. Den Rest zahlt der Staat respektive die anonyme Gemeinschaft. «Wir Ökonomen vermuten, dass die Leute ihren Konsum sofort zurückfahren würden, wenn sie ihn selber bezahlen müssten, und zwar ohne dass sich dies auf ihren Gesundheitszustand negativ auswirken würde», schreibt Sommer in der Basler Zeitung und spricht von einer «grotesken Überversorgung».

Nur: Wer hat schon einen Patienten getroffen, der sich «überversorgt» fühlt? Patienten haben Ansprüche – steigende Ansprüche. Sehr schön zeigt sich das in der «Kaiserschnitt»-Frage. Im Schweizer Durchschnitt werden 29 Prozent aller Babys mit einem Kaiserschnitt zur Welt gebracht, meldete das Bundesamt für Statistik vor ein paar Wochen. Das sei europaweit einer der höchsten Werte überhaupt. Stutzig machen auch hier die regionalen Unterschiede: In Binningen, einem Vorort von Basel, beträgt die Quote 50 Prozent. An der Zürcher Goldküste, in Zollikerberg, Herrliberg, Küsnacht, sind es 40 Prozent. Viel tiefer liegt die Quote in der abgelegenen Surselva oder dem Puschlav: Dort fällt sie unter zehn Prozent. Bei den Kantonen liegt überraschend Uri an der Spitze mit 38 Prozent, gefolgt von den eher wohlhabenden Baselland und Zug mit 37 respektive 35 Prozent. Das untere Extrem bildet Graubünden mit 21 Prozent. Vor allem sticht ins Auge: In öffentlichen Spitälern beträgt die Quote 26, in privaten 40 Prozent.

Der Lifestyle-Schnitt


Der Schmerz ist, anders als bei manchen natürlichen Geburten, nicht unendlich gross. Der Kaiserschnitt lässt sich fix in die Agenda eintragen. Ein Produkt des Lifestyles, das gewisse Spezialärzte fast marktschreierisch feilbieten. Der Zürcher Gynäkologe Dr. med. Michael Singer etwa verbreitet via Internet: «Die beste Geburt ist die natürliche Geburt ohne Dammschnitt, ohne Zange/Saugglocke und ohne Komplikationen. Die zweitbeste Geburt ist der geplante Kaiserschnitt mit 38 bis 381/2 Wochen. Die zweitbeste Variante kann Ihnen der Arzt praktisch garantieren, während die beste Variante von einigen Launen der Natur abhängt, die wir nicht steuern können. Die Schwangere muss sich also zwischen der natürlichen Ungewissheit und der planbaren Gewissheit entscheiden.»

Das Resultat ist immer öfter ein «Wunsch-Kaiserschnitt», auch wenn es dafür aus medizinischer Sicht keinen Anlass gibt. «Die beste Geburt ist und bleibt die natürliche Geburt, und sie läuft in der Mehrzahl der Fälle bei medizinisch korrekter Betreuung auch ohne jegliche Komplikationen ab», stellt Professor Daniel Surbek klar, Chefarzt der Universitäts-Frauenklinik des Inselspitals Bern. Selbst ein Dammschnitt, Dammriss oder eine Saugglockengeburt bringe noch keine unmittelbare Gefahr – weder dem Kind noch der Mutter. Dass schwerere Komplikationen entstehen können, sei klar, rechtfertige jedoch keinen «prophylaktischen» Kaiserschnitt; denn auch dort sind schwerere Kompli- kationen nicht ausgeschlossen.

Der Spitzenmediziner Surbek geht sogar einen Schritt weiter und fordert, dass die natürliche Geburt im Verhältnis zum geplanten Kaiserschnitt «finanziell besser honoriert» werden müsste, um der «teils aufwendigen Betreuung der normalen Geburt gerecht zu werden». Damit gibt er indirekt zu: Die Tatsache, dass ein Kaiserschnitt doppelt so viel kostet wie eine natürliche Geburt, fördert nicht etwa die billigere Lösung – sondern die teurere. Denn die Privatärzte verdienen mit jedem kaiserlichen Schnitt zusätzliches Geld, und selbst die öffentlichen Spitäler generieren zusätzliche Einnahmen.

Abstimmung per Franchise
Den Patienten wiederum sind solche Überlegungen völlig egal. Auch ein «Wunschkaiserschnitt» wird ja ärztlich abgesegnet und damit vollständig von der Krankenkasse bezahlt, inklusive der zusätzlichen drei Tage, die eine mit Kaiserschnitt entbundene Frau im Schnitt länger im Spital bleibt.Damit steht die Frage im Raum: Wie würden Patienten entscheiden, welche die zusätzlichen Kosten selber tragen müssten? – Auf den ersten Blick scheint es, als ob sich immer mehr Schweizerinnen und Schweizer dieser Frage aussetzen wollten. Freiwillig erhöhen sie bei ihrer Krankenkasse die Franchise. Das bringt den Versicherten etwas: Sie senken ihre Prämie. Und das bringt den Krankenkassen etwas: Sie senken ihre Kosten. Denn wer bereit ist, im Jahr die maximale Franchise von 2500 Franken selber zu bezahlen, hat im Schnitt «sechsmal tiefere Kosten als Leute mit der Normalfranchise von 300 Franken», sagt Konstantin Beck, Versicherungsmathematiker bei der Krankenkasse CSS. Ärzte bestätigen: «Leute mit hoher Franchise erkundigen sich nach den Kosten oder fragen sogar, ob dies oder das wirklich nötig sei.»

Doch grosse Summen werden kaum gespart. Heute beansprucht ein Viertel aller Krankenversicherten null Franken im Jahr. Der nächste Viertel der Versicherten kostet weniger als 500 Franken in einem ganzen Jahr; die Hälfte der Versicherten können gar nichts einsparen, da sie auch kaum etwas verlangen. Auch der dritte Viertel ist aus Sicht einer Krankenkasse gerade noch knapp ein Geschäft. Dann ändern sich die Vorzeichen allmählich, aber richtig dramatisch wird es erst am Ende, bei den letzten paar wenigen Fällen. «Die Dichtefunktion hat extrem viel Masse am Schwanz», sagt der Versicherungsmathematiker Konstantin Beck in seiner Fachsprache. Die teuersten 10 Prozent der Fälle verursachen 60 Prozent der gesamten Kosten, das teuerste Prozent sogar 25 Prozent.

Wie extrem ungleich das Risiko verteilt ist, das wissen nicht nur die Mathematiker, das ahnen wir alle. Ist eine Person gesund, bleibt sie meistens gesund, zumindest eine gewisse Zeit lang. Also schliesst diese Person eine erhöhte Franchise ab – wie bereits mehr als die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer. Damit verabschieden sich die Gesunden teilweise aus der Solidarität, aber nur teilweise. Denn auch die Gesunden mit erhöhter Franchise wissen: Im Notfall können sie zurück. Wird jemand krank, kann er oder sie auf den 1. Januar des nächsten Jahres wieder ins Standardmodell mit einer Franchise von lediglich 300 Franken. Dann ist die Höhe der anfallenden Kosten wieder egal.

Just an diesem Punkt könnte eine echte, marktwirtschaftliche Reform ansetzen. Um die systematisch falschen Anreize im heutigen Gesundheitswesen zu beseitigen, müsste man nur ein kleines Detail ändern: nämlich die gängigen minimalen Franchisen erhöhen, aber spürbar. Werden sie von heute 300 Franken auf 2500 oder gar 5000 Franken heraufgesetzt, ändern sich alle Vorzeichen: Dann zahlen die allermeisten Patienten alle Rechnungen selbst; nur die wirklich Kranken würden von der Allgemeinheit finanziert – nämlich jene, die im Jahr mehr als 2500 oder 5000 Franken Gesundheitskosten verursachen. Gleichzeitig würden die Prämien der Krankenkasse etwas sinken.

Andererseits müssten die einzelnen Haushalte neu budgetieren. Im schlimmsten Fall zahlen sie dann eben 2500 oder 5000 Franken pro Person selber, Jahr für Jahr. Das klingt hart, wäre aber keine Zwei-Klassen-Medizin. Gerade die teuersten Eingriffe im Spital blieben weiterhin «sozialisiert», nur die alltägliche Medizin beim Hausarzt und die billigen Operationen wären «privatisiert». Selbstverständlich könnten die untersten Einkommensschichten gezielt subventioniert werden – damit auch diese sich die neuen, hohen Franchisen leisten könnten.

So sieht ein echtes soziales Marktmodell aus. Nur hat in der ganzen Schweiz kein einziger bürgerlicher Politiker den Mut, dieses zu propagieren: weil es, wie gesagt, etwas brutal klingt.

Geht es um unsere Gesundheit, wollen wir lieber nicht hart zueinander sein, sondern schön solidarisch. Denn wir alle wissen: Der Extremfall kann auch uns treffen. Entdecken wir einen wachsenden Fleck auf der Haut, gehen wir hoffentlich zum Arzt und checken auf Hautkrebs. Alles andere ist lebensgefährlich. «Sparen? – Nein danke», antwortet die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer in allen Befragungen, die bisher durchgeführt wurden. Und damit auch wirklich alle sozialen Schichten von der jetzigen Vollkasko-Versicherung erfasst bleiben, erhalten bereits 33 Prozent der Leute und 41 Prozent der Haushalte eine Prämien- verbilligung vom Staat.

Weil wir es uns wert sind


Ein Team um den Zürcher Ökonomieprofessor Peter Zweifel hat im Herbst 2003 «mittels Marktexperimenten erstmals untersucht, mit welchem Nutzenverlust verschiedene Änderungen des Leistungskatalogs der obligatorischen Krankenversicherung verbunden wären». Die Studie, die unter dem sinnigen Titel «Was leistet unser Gesundheitswesen?» letztes Jahr im Rüegger-Verlag erschienen ist, wurde in den Medien kaum wahrgenommen. Dabei zeigt sie, was kein Politiker offen zu sagen wagt: Wir zahlen immer höhere Prämien, weil uns diese höheren Prämien etwas wert sind. Konkret:

- Auf die freie Wahl sogar der teuersten Ärzte wollen wir zuletzt verzichten. «Eine Selektion der Ärzte nach Kostenkriterien ist mit einem sehr grossen Nutzenverlust von rund hundert Franken pro Person und Monat verbunden.»

- Auf «neue Methoden und neue Medikamente» wollen wir ebenfalls nicht verzichten: Hier würde umgerechnet ein Nutzenverlust von 65 Franken pro Person und Monat anfallen.

- Auf «kleine, lokale Spitäler» wollen wir lieber auch nicht verzichten: Dies ginge mit einem Nutzenverlust von 40 Franken pro Person und Monat einher.

- Auf Originalmedikamente würden wir noch am ehesten verzichten, sofern tatsächlich Generika in gleicher Qualität vorhanden sind: Hier beträgt der Nutzenverlust nur noch fünf Franken pro Person und Monat.

Alles spricht dafür, dass alles so weitergeht wie bisher – und die Prämien weiter steigen. Können sich die Wünsche der Patienten und die Angebote der Mediziner gar bis ins Unendliche hochschaukeln? – Sicher nicht. Kein Baum wächst in den Himmel. Auch die Ausgaben im Gesundheitswesen werden irgendwann eine obere Schmerzgrenze erreichen. Zurzeit geben wir elf Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Gesundheit aus; müsste das Volk über diesen Anteil abstimmen, es würde wohl «Ja» sagen. Dieser Anteil kann noch steigen, sich vielleicht verdoppeln, aber kaum verdreifachen. Sonst gäbe es in der Schweiz nur noch Krankenschwestern, Physiotherapeuten, Psychologinnen, Chirurgen, Apothekerinnen, Biochemiker und Kran- kenkassenverwalter.

Es naht der Punkt, da sich die Medizin in eine «Übermedizin» verwandelt, die Krankheiten behandelt, «welche keine sind», wie der Basler Psychiater Thomas Weber bereits vor zwei Jahren in der Weltwoche mutmasste. «Unsere Vorfahren bauten Kathedralen, wir bauen Kliniken», scherzt der deutsche Psychiater Manfred Lütz. «Wir haben eine neue Religion: die Gesundheitsreligion.» Peter Zweifel, Ökonom an der Universität Zürich, Mitverfasser des einschlägigen Lehrbuchs «Gesundheitsökonomie», macht den berühmten Sisyphus-Vergleich: «Die Erfolge der modernen Medizin erinnern an den Helden der griechischen Sagenwelt, der dazu verdammt war, einen Felsbrocken den Berg hinaufzurollen, wobei ihm der Brocken kurz vor Erreichen des Gipfels jedes Mal entglitt.»

Vor allem in den Städten wird heute sehr viel untersucht, sehr viel therapiert, sehr viel operiert. Folglich liegen auch die Krankenkassenprämien in Basel-Stadt doppelt so hoch wie in Appenzell Innerrhoden, in Genf doppelt so hoch wie in Nidwalden oder Uri. Und was wird mit dieser teuren Spitzenmedizin letztlich erreicht? Bei der durchschnittlichen Lebenserwartung schwingen Uri und Nidwalden obenaus, wo Männer im Schnitt mehr als drei Jahre älter werden als in Basel-Stadt – und das, obschon die Bewohner der bergigen Zentralschweiz ihre Herzen erst selten mit dem Katheter untersuchen und auch ihre Gallenblasen weniger oft entfernen lassen.

Ein anderes Leiden jedoch trifft die Bergler besonders: Schmerzen am Meniskus. Am meisten Knie arthroskopiert werden in Glarus (8,6 Operationen je 1000 Einwohner), gefolgt von Schwyz (6,7). Am tiefsten ist diese Quote in den eher flachen, eher ländlichen Kantonen Thurgau und Schaffhausen (1,2 respektive 1,7 Eingriffe pro 1000 Einwohner). Muss man angesichts solcher Differenzen gar von einer «Überversorgung» der Urschweiz sprechen? Spiegel-Autor Jörg Blech jedenfalls meint, dass Knie-Arthroskopien etwa so viel bewirken wie eine Scheinoperation (Placebo-Effekt). Wenigstens ist dieser Eingriff nicht allzu teuer: Er kostet selbst in der Schweiz lediglich 1000 Franken pro Operation.

Literatur:
Jörg Blech
Harry Telser
Peter Zweifel, Friedrich Breyer, Mathias Kifmann

 

21799 Postings, 9130 Tage Karlchen_IJa

 
  
    #11
30.09.05 11:00
Das passiert dann, wenn es keine ausreichenden Anreize für einen sparsamen Umgang mit Gesundheitsleistungen gibt. Ist bei uns ja auch nicht viel anders.

Hilft nur eins: Franchisen deutlich erhöhen oder Beitragsrückerstattungen (habe selbst knapp 500 Euro diesen Monat bekommen).  

16374 Postings, 7176 Tage quantasGesundheitsausgaben lohnen sich

 
  
    #12
01.10.05 09:25

Die Lebenserwartung hat im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts um sieben Jahre zugenommen. Die steigenden Gesundheitsausgaben haben sich also durchaus gelohnt, wie an der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik in Bonn dargelegt wurde. Damit die Kosten aber nicht ins Uferlose wachsen, wurde an der Tagung vorgeschlagen, die Grundversicherung auf Akutleistungen zu beschränken.

cei. Bonn, 30. September

Wer an die kräftigen Prämiensteigerungen der Schweizer Krankenkassen denkt, könnte den Eindruck gewinnen, das Gesundheitswesen sei ein «Schwarzes Loch», das immer mehr Mittel verschlinge, ohne einen spürbaren Ertrag abzuwerfen. Der in Magdeburg lehrende Schweizer Ökonom Stefan Felder lenkte deshalb in seinem Exposé an der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik in Bonn den Blick auf die lange Frist, da dadurch Verbesserungen deutlicher zutage treten. Die Lebenserwartung eines Mannes in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrug lediglich 45, die einer Frau 48 Jahre. Zum Ende des Jahrhunderts hatte sich die Lebenserwartung auf 76 Jahre für Männer und 81 Jahre für Frauen erhöht. Der überwiegende Teil dieser Steigerung geht zwar auf eine bessere Hygiene und Ernährung zurück. Doch auch im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts haben deutsche Männer 7,4 und deutsche Frauen 6,5 Lebensjahre hinzugewonnen, betonte Felder. Dieser Anstieg ist vor allem den Erfolgen in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verdanken. Felder kommt denn auch zu dem Schluss, dass selbst in Staaten wie den USA, wo der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP mit 14% international am höchsten ist, die Quote eher zu gering als zu hoch sei.

Versteigerung des «Patientengutes»

Felder führte als Beispiel für den Fortschritt in der Medizin die Behandlung von Frühgeborenen mit einem Körpergewicht um die 1000 Gramm an. Die Lebenserwartung dieser Gruppe hat sich seit 1960 um 32 auf 38 Jahre erhöht. Heutzutage betrügen die Kosten für ein gewonnenes Lebensjahr dieser Babys lediglich noch 6100 $ - eine gute Investition. Allerdings gab Felder auch zu bedenken, dass die Kosten an der Grenze des technischen Fortschritts zum Teil sehr hoch ausfielen. Bei der Behandlung eines Frühgeborenen um 500 Gramm Körpergewicht müssten bis zu 8,5 Mio. $ zur Rettung eines Lebens aufgewendet werden, ein Betrag, den die Gesellschaft in anderen Bereichen nicht auszugeben bereit sei. Das Beispiel der untergewichtigen Frühgeborenen illustriert aber, dass sich eine zunächst teure «Grenzmedizin» über die Jahre zu einer kosteneffizienten Therapie mausern kann.

Wie schnell sollen technische Neuerungen der Allgemeinheit zur Verfügung stehen? Der Philosoph Hartmut Kliemt (Duisburg-Essen) gab in seinem Vortrag Hinweise, in welche Richtung gedacht werden könnte. Zunächst stellte er nüchtern fest, dass es sich bei der Gesundheit um ein «privates Gut» handle: Der Nutzen medizinischer Leistungen oder eines gesundheitsbewussten Lebensstils kommt der Person selbst zugute. Bei privaten Gütern lehnen Volkswirtschafter in der Regel staatliche Eingriffe ab. Allerdings komme auch ein liberales Staatswesen nicht umhin, zumindest die Behandlung von Notfallpatienten sicherzustellen, argumentierte Kliemt. Dies folge allein schon aus einer Rechtsordnung, die den Respekt vor dem Individuum über alle anderen Werte stelle. Dieser Grundsatz verbiete es, so Kliemt, «konkrete Individuen untergehen zu lassen». Für den Philosophen folgt daraus, dass die Solidarität in der Gesundheitsversorgung dann geboten ist, wenn unmittelbar das Leben gefährdet ist. Entsprechend sollte ein Grundleistungskatalog Akutbehandlungen enthalten, während etwa die Präventionsmedizin oder breit angelegte Screening-Verfahren nicht hineingehörten. Hat man einmal einen Katalog definiert, so der provokative Vorschlag Kliemts, könnte man Patienten mit einem bestimmten Profil an denjenigen Anbieter versteigern, der die vordefinierten Leistungen am kostengünstigen bereitstellt.

Für stärkere Privatisierung

Anhand des Beispiels Organspende zeigte Kliemt, dass sich durch eine stärkere «Privatisierung» ethische Konflikte im öffentlichen Gesundheitswesen vermeiden lassen. Früher wurde die Zuteilung eines Organs dem einzelnen Arzt überlassen, womit man ihn mit dieser gravierenden Entscheidung alleine liess. In der Zwischenzeit wurde dieser ethische Konflikt Gremien überantwortet, die über anonyme, «statistische» Leben entscheiden. Bliebe indessen das Privateigentum an Organen über den Tod hinaus vollständig gewahrt, so könnte jeder zu Lebzeiten verfügen, was mit seinen Organen im Todesfall geschehen soll. Er könnte etwa festlegen, seine Organe nur an Leute zu spenden, die im umgekehrten Fall auch dazu bereit gewesen wären.

Mehr Staat heisst nicht mehr Gleichheit

Während Kliemt auf das Subsidiaritätsprinzip setzt, ist der Startpunkt der Gruppe um Andrew Jones (York) die Tradition des staatlichen britischen National Health Service (NHS). Jones und seine Mitstreiter haben untersucht, wie der Zugang zu Gesundheitsleistungen mit dem Einkommen variiert. So ist zu beobachten, dass Angehörige unterer Einkommensschichten in den meisten europäischen Staaten öfter den Arzt aufsuchen als Besserverdienende. Erwartungsgemäss konsultieren dagegen Empfänger höherer Einkommen viel häufiger einen Spezialisten. Doch soll man von dieser «Ungleichheit» auf «Ungerechtigkeit» schliessen? Möglicherweise kommt der Allgemeinarzt einfach seiner Funktion als «Gatekeeper» nach und schickt den Patienten nur in begründeten Fällen zum Spezialisten; Besserverdienende steuern dagegen direkt den Spezialisten an. Falsch liegt zudem, wer annimmt, dass die gemessene Ungleichheit in staatlichen Systemen geringer ist als in mehr marktwirtschaftlich orientierten. Wie Robert Leu (Bern) und Martin Schellhorn (München) darlegten, gibt es bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen in der Schweiz zwischen den Einkommensschichten kaum Unterschiede. Betrachtet man den Gesundheitszustand nach Einkommensklassen, so weist die Schweiz im europäischen Vergleich hinter den Niederlanden die geringste Ungleichheit auf. Dieser Befund sollte denjenigen Kreisen in der Schweiz zu denken geben, die aus Gerechtigkeitsüberlegungen für eine Einheitskasse plädieren.

cei. Warum kooperieren Leute in Situationen, in denen sie sich als «Trittbrettfahrer» verhalten könnten? Diese Frage umtreibt den diesjährigen Träger des Gossen-Preises, Simon Gächter. Mit der Auszeichnung ehrt der Verein für Socialpolitik jedes Jahr einen deutschsprachigen Forscher der jüngeren Garde. Der 40-jährige Gächter hat in «Laborexperimenten» gezeigt, dass Personen freiwillig in ein öffentliches Gut investieren, sofern andere dies auch tun. Zu öffentlichen Gütern zählen etwa der Hochwasser- oder der Umweltschutz. Wie kommt dieses Ergebnis zustande, wo die ökonomische Theorie doch voraussagen würde, dass sich die Leute als Trittbrettfahrer betätigen würden? Gächter und seine Mitautoren konnten in den Experimenten zeigen, dass dahinter die Abneigung vieler Versuchsteilnehmer gegenüber «Ausbeutung» steckt. Diese Probanden sind bereit, Kosten auf sich zu nehmen, um Trittbrettfahrer zu bestrafen. Die Furcht vor Sanktion führt dazu, dass auch diejenigen zum Gemeinwohl beitragen, die sonst nur von den Beiträgen der anderen profitiert hätten. Mit dem Experiment gelang den Forschern somit der Nachweis, dass Kooperation in vielen Fällen durch Selbstregulierung entstehen kann und staatlichen Zwangs nicht bedarf. Der Preisträger hat in seiner Karriere längere Zeit an den Universitäten St. Gallen und Zürich gearbeitet, an letzterer in enger Kooperation mit seinem Mentor Ernst Fehr. Verschmitzt meinte der an der University of Nottingham lehrende Gächter bei der Preisverleihung in Bonn, dass Kooperation auch in der Forschung viel mehr Spass mache, als im stillen Kämmerchen vor sich hin zu brüten.

 
 
 

 http://www.nzz.ch/2005/10/01/wi/articleD6VO4.html

 
 

4 Postings, 7000 Tage AnTiScHwEiZeRWer braucht schon die Schweiz? o. T.

 
  
    #13
01.10.05 10:48

16374 Postings, 7176 Tage quantasPosting 13

 
  
    #14
01.10.05 11:06

Ist das alles was Du sagen willst?

Dann hau ab "Pöbler", dieser Thread ist nicht
der Ort für Deine Pöbeleien!

salute quantas  

21799 Postings, 9130 Tage Karlchen_IQuantas - schon klar.

 
  
    #15
01.10.05 14:53
Wenn die Menschen bereit sind, viel Geld für ihre Gesundheit auszugeben, ist das okay.


Nicht okay ist es aber, wenn Manche versuchen, abzuzocken - und überflüssige Behandlungen oder sonst was verordnen.

Ich streite mich seit zwei Jahren mit nem Arzt rum, der völlig überflüssige Untersuchungen angestellt und sie mir in Rechnung gestellt hat. Das läuft mittlerweile schon über die Ärztekammer.

Und gerade habe ich ne Rechnung des Zahnarztes meiner Tochter bekommen, der Behandlungen in Rechnung stellt, die darauf zurückzuführen sind, dass all seine vorherigen Provisorien nicht gehalten haben. Und dann kommt der auch noch mit dem bis zu 3,5-fachen des normalen Rechnungssatzes.

Wird er von mir nicht kriegen - und von meiner Kasse auch nicht.


Das Problem bei der Krankenversicherung ist neben der geringen Konsumentensouveränität doch, dass alle da einzahlen - und das ohne Kostenbewusstsein. Das System leidet doch unter der Anonymität. Da hilft nur eins: Die Verbraucher müssen sich wehren - und nicht immer nur zahlen und sich dann über höhere Beiträge beschweren.  

42128 Postings, 9260 Tage satyrHab nicht alles gelesen-Sag mir doch einer

 
  
    #16
01.10.05 15:22
wieviel Kopfprämie gibt es für einen Schweizer?
Wo kann man sie abgeben?  

16374 Postings, 7176 Tage quantasDie Schweiz will deutsches System übernehmen

 
  
    #17
20.12.05 07:57

Auf dem Weg zur einheitlichen Krankenkassen-Abrechnung

Entscheid zugunsten deutschen Systems

Ab 2008 sollen die Schweizer Spitäler nach einem einheitlichen System abrechnen. Der mit der Evaluation betraute Verein hat sich für das deutsche diagnosebezogene Fallgruppen-Modell entschieden. Es soll nun auf Schweizer Verhältnisse angepasst werden.  

(ap/rel) Die Schweizer Spitäler sollen ab 2008 die Kosten für den stationären Akutbereich nach einem neuen und einheitlichen System abrechnen. Es nennt sich «Diagnosis Related Groups» oder «Diagnosebezogene Fallgruppen» (DRG) und versteht sich als Patientenklassifikationssystem, mit dem einzelne stationäre Behandlungsfälle anhand bestimmter Kriterien zu Fallgruppen zusammengefasst werden. Das Modell soll den Leistungsvergleich zwischen den Spitälern ermöglichen, Anreize zu mehr Wirtschaftlichkeit geben sowie Daten für die bessere Steuerung von Spitälern liefern.

Zwei gleichwertige Systeme zur Auswahl

Die Schweiz soll dabei auf ein System zurückgreifen, das in Deutschland bereits angewendet wird. Das sogenannte G-DRG (German Diagnosis Related Groups) soll jedoch auf Schweizer Verhältnisse angepasst werden. Dafür haben sich mit knapper Mehrheit die im Verein SwissDRG vertretenene Organisationen ausgesprochen. Dem Verein gehören die Dachverbände der Ärzteschaft (FMH), die Spitäler (H+), der Krankenversicherer (Santésuisse), der Unfall-, Invaliden- und Militärversicherer (MTK) und die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) an.  

Das mit drei gegen zwei Stimmen gewählte System G-DRG ist ein nicht kommerzielles Produkt, das der deutschen Selbstverwaltung (Spitäler und Krankenkassen) gehört. Dieses leistungsorientierte Fallpauschalensystem soll nicht nur in allen Spitälern der Schweiz eingeführt werden, sondern auch für sämtliche obligatorische Sozialversicherungen. Zur Auswahl stand zudem das System IR-DRG, das von der amerikanischen Firma 3M vertrieben wird. Es gilt jedoch als gleichwertig. 

Zusammenarbeit mit deutschem Institut

Die technischen Arbeiten für die Anpassungen an die schweizerischen Verhältnisse werden bis ins Jahr 2007 dauern. Dabei erhält die Schweiz Unterstützung aus Deutschland. Das zuständige Institut der deutschen Selbstverwaltung InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) schliesst dazu mit dem Verein Swiss DRG einen Kooperationsvertrag ab, der nebst den finanziellen Aspekten des Systemerwerbs auch das Leistungspaket der Zusammenarbeit im Detail regelt. Die tarifwirksame Einführung soll stufenweise ab 2008 beginnen.

 
 

 
 

 

 
 

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