Hat die Schweiz durch Schiebereien den Krieg
Seite 1 von 2 Neuester Beitrag: 14.04.05 09:33 | ||||
Eröffnet am: | 19.12.04 15:21 | von: satyr | Anzahl Beiträge: | 43 |
Neuester Beitrag: | 14.04.05 09:33 | von: AbsoluterNe. | Leser gesamt: | 5.518 |
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unnötig verlängert?
Schweizerische Aussenwirtschaftspolitik 1930–1948:
Strukturen – Verhandlungen – Funktionen
Martin Meier, Stefan Frech, Thomas Gees, Blaise Kropf
Zusammenfassung
Diese Studie untersucht die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik in den dreissiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die hohe wirtschaftliche Verflechtung der schweizerischen Volkswirtschaft mit dem «Dritten Reich» wirft unter anderen die Frage auf, ob die Schweiz nicht eine einseitige Aussenwirtschaftspolitik zugunsten der nationalsozialistischen Kriegspartei verfolgt habe. Auf nationaler Ebene wird deshalb die Rolle der Behörden, Wirtschaftsvertreter, Unterhändler, Diplomaten und Politiker untersucht. Ergänzend wird die Aussenperspektive analysiert, indem das Verhalten der wichtigsten ausländischen Regierungs- und Behördenvertreter in bezug auf die Schweiz in der Periode des Nationalsozialismus, vorab aber während der Kriegsjahre zwischen 1939 und 1945, in die Untersuchung einbezogen wird.
Die «kleine offene Volkswirtschaft» Schweiz war traditionell stark in die europäischen und weltweiten Märkte integriert. Der Mangel an Rohstoffen und der kleine Binnenmarkt förderten die Bereitschaft, Handel über die Landesgrenzen hinaus zu treiben und Kapital zu exportieren. Da die Schweiz mehr Waren importierte als exportierte, resultierte in der Regel ein Handelsbilanzdefizit. Dieses wurde in der Zahlungsbilanz mit Einnahmenüberschüssen aus dem Dienstleistungssektor (Versicherungen, Tourismus) und mit den Erträgen aus Kapitalanlagen im Ausland gedeckt. Die für die schweizerische Volkswirtschaft wichtige Aussenorientierung erlitt in den dreissiger Jahren wegen der weltweiten Wirtschaftskrise starke Rückschläge, welche durch eine auf Deutschland und Osteuropa lastenden Schuldenkrise noch verstärkt wurde. Kaum hatten sich die Waren- und Finanzmärkte nach 1936 wieder einigermassen erholt, verschärften sich die politischen Spannungen: Mussolinis Abessinienfeldzug und Hitlers Machtpolitik gegenüber Österreich und Tschechoslowakei bedrohten die Versailler Friedensordnung. Um den Krisenerscheinungen zu begegnen, setzte sich der Staat unterstützend für die Belange der schweizerischen Exportwirtschaft ein: Damit wurde der Staat in Absprache mit den Wirtschaftsverbänden zu einem wichtigen aussenhandelspolitischen Akteur, indem er in der Folge der Weltwirtschaftskrise und erst recht nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Handels- und Finanzströme aktiv zu beeinflussen suchte. Die Aussenhandelspolitik wurde somit während der Epoche des Nationalsozialismus zu einem Mittel der Aussen- und Sicherheitspolitik.
Dass es sich beim untersuchten Zeitraum zwischen 1930 und 1948 um eine – in wirtschaftlicher Hinsicht – ausserordentliche Periode handelt, macht eine quantitative Analyse der weltwirtschaftlichen Verflechtung der Schweiz sichtbar: im Sog der Weltwirtschaftskrise wurden die schweizerischen Exportmöglichkeiten in der ersten Hälfte der dreissiger Jahre stark eingeschränkt (Kapitel 2). Im Jahr 1930 sank der Anteil der Exporte am schweizerischen Nettosozialprodukt erstmals unter 20 Prozent; erst im Jahr 1949 lag er wieder über diesem Wert. (Ein ähnlicher Rückgang ist auch bei den Einfuhren zu verzeichnen, siehe Abbildung 2.) Somit handelt es sich um eine Periode anhaltend gestörter aussenwirtschaftlicher Verhältnisse. Lagen die Gründe für diese Verschlechterung in den dreissiger Jahren noch bei der rückläufigen Nachfrage, so waren es während der vierziger Jahre die kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa, welche weitreichende Auswirkungen auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen hatten. Die Achsenmächte und die Alliierten lieferten sich einen intensiven Wirtschaftskrieg, in den wiederum auch die neutralen Länder einbezogen wurden. Auf die wirtschaftliche Kriegführung der Alliierten (economic warfare) reagierte das nationalsozialistische Deutschland mit dem totalen Krieg – besonders nach dem gescheiterten Feldzug gegen die Sowjetunion. Der damit verbundene Handelskrieg hatte somit weitreichende Auswirkungen auch auf die Gesellschaften in jenen Staaten, welche sich aus dem Krieg herauszuhalten versuchten.
Innerhalb der exportierenden Industriebranchen gab es erhebliche Unterschiede. Insbesondere die Textilindustrie litt unter Krise und Krieg, während die Exportprodukte der Chemie-, der Maschinen-, Uhren- und Instrumentenindustrie im Krieg stark nachgefragt wurden (Abbildung 9). In den Jahren zwischen 1940 und 1943 herrschte in diesen Branchen eine eigentliche Hochkonjunktur. Die Gewährung von Bundeskrediten an Deutschland und Italien im Wert von rund 1,5 Milliarden Franken förderte, wie die UEK-Studie über den gebundenen Zahlungsverkehr (Clearing) detailliert aufzeigt, die Bereitschaft der Unternehmer, verlorengegangene Absatzmärkte in Grossbritannien, den USA und Frankreich mit Mehrausfuhren nach dem «Dritten Reich» und nach Italien zu kompensieren. Der gemeinsame Anteil Deutschlands und Italiens an der schweizerischen Einfuhr betrug vor dem Krieg gut 30%, bei der Ausfuhr gut 20%. In den Jahren 1941 und 1942 betrug die Einfuhr aus diesen Ländern gut 40%, die Ausfuhren gingen sogar zu über 50% in diese Länder (Abbildungen 14, 16, 23 und 24). Diese beiden Jahre waren der Höhepunkt der nationalsozialistischen Machtentfaltung, und in diesen Jahren häuften sich auch die deutschen und italienischen Schulden im Clearing mit der Schweiz an. Nach der Kriegswende bei Stalingrad und dem verstärkten alliierten Druck wurden die Behörden und Unternehmer ab 1943 vorsichtiger, und gemeinsam versuchten sie, die Lieferungen nach Deutschland abzubauen. Vorübergehend erlangten die europäischen Neutralen (Schweden, Spanien, Portugal und die Türkei) eine gewisse Bedeutung (ca. 20% der Ausfuhren zwischen 1940 und 1944), wobei auch hier die Aus- und Zufuhren auf Handelsrestriktionen der kriegführenden Parteien stiessen (alliierte Blockade und deutsche Gegenblockade, siehe Abbildungen 27, 28 und 31).
Die mit Aussenwirtschaftsfragen beauftragte Handelsabteilung versuchte bereits in der Folge der Wirtschaftskrise zusammen mit der Diplomatie und dem Schweizerischen Handels- und Industrieverein (Vorort), über zwischenstaatliche Verhandlungen optimale Zu- und Ausfuhrbedingungen zu erreichen (Kapitel 3.1). Dabei bildete sich eine in der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik gut eingespielte Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Akteuren, welche auf dem Verständigungsweg breit abgestützte Lösungen erarbeitete. Diese bestanden darin, dass die Behörden in die Aussenwirtschaft – vorwiegend aber in den Aussenhandel – intervenieren konnten, allerdings die konkrete Umsetzung dieser Politik weitgehend den privatrechtlich organisierten Verbänden überliessen. Der Verbandsstaat festigte sich demzufolge – auch über den Zweiten Weltkrieg hinaus –, indem ein «liberaler Korporatismus» dazu beitrug, die Grenzen zwischen privatem und staatlichem Sektor zu verwischen (Kapitel 3.3). Nach diesem Modell wurde auch die kriegswirtschaftliche Organisation zur Reallokation knapper Ressourcen in Kriegszeiten aufgebaut, indem zahlreiche Repräsentanten aus der Wirtschaft die neugeschaffenen, aber dem Volkswirtschaftsdepartement unterstellten Kriegswirtschaftsämter leiteten (Kapitel 3.2).
Nach Kriegsausbruch strebte das mit seiner Blitzkriegstrategie vorerst erfolgreiche Deutschland eine wirtschaftliche Neuordnung Europas an. Es gab eine Reihe von Konzepten, mit welchen sich Deutschland von der britischen Blockadepolitik wirtschaftspolitisch zu befreien versuchte. In der Schweiz wurden diese in der Regel skeptisch bis ablehnend beurteilt. Die Behörden und Wirtschaftsverbände versuchten vielmehr eine pragmatische Annäherung an die neuen Bedingungen zu erreichen (Kapitel 4.1). Die Vision eines einheitlichen «Europäischen Wirtschaftsraumes» unter der Führung NS-Deutschlands konkretisierte sich am ehesten in der Umsetzung des multilateralen Clearings, an dem auch die Schweiz partizipierte. Die Schweizer Behörden und Wirtschaftsverbände waren sich bewusst, dass dieses von Berlin kontrollierte Zahlungsverkehrssystem machtpolitisch motiviert war. Auch die Alliierten entwickelten wirtschaftliche Nachkriegskonzepte: sie propagierten eine Neuregelung der Weltwirtschaft auf der Basis des Meistbegünstigungsprinzips, des weltweiten Zollabbaus und der Dollarwährung. Dass die Finanzkonferenz der Alliierten vom Sommer 1944 in Bretton Woods ohne die Neutralen stattfand, bestätigte die Schweizer Behörden und Wirtschaftsvertreter in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber einer von den USA dominierten neuen Weltwirtschafts- und Finanzordnung (Kapitel 4.2). Dennoch verfolgten die Behörden ab 1943 nur noch die Nachkriegskonzepte der Alliierten ernsthaft.
Während der Kriegsjahre versuchte man mit zwischenstaatlichen Verhandlungen nach allen Seiten, die wirtschaftliche Verflechtung aufrechtzuerhalten (Kapitel 5). Da die Alliierten nach Kriegsausbruch sofort dazu übergegangen waren, Deutschland mit einer Blockade zu belegen, reagierten die Schweizer Behörden mit einer staatlichen Überwachung der Aus- und Einfuhren. Kurz nachdem mit den Westmächten Frankreich und Grossbritannien im Frühjahr 1940 eine Blockaderegelung gefunden worden war, fiel Frankreich als Vertragspartner dieser Lösung weg (Kapitel 5.1). Die Schweiz war mit der Ausnahme eines winzigen Schlupflochs am Genfersee nun einseitig von den Achsenmächten umringt. Deutschland zog seinerseits ein System der Gegenblockade auf. Damit politisierten sich die Aussenwirtschaftskontakte für die schweizerischen Unternehmen vollends. Insbesondere die Kriegswirtschaftsministerien in Grossbritannien und den USA versuchten über eine Blacklisting-Politik auch schweizerische Unternehmen dazu zu bewegen, keine Waren an die Achsenmächte zu liefern. Die Wirtschaftsverbände und der Bundesrat lehnten solche Einmischungen allerdings ab, und im November 1943 verbot der Bundesrat ausdrücklich schweizerischen Unternehmen, solche Vereinbarungen – sogenannte Undertakings – zu unterzeichnen (Kapitel 5.4).
Die wichtigsten Verhandlungen führten die Schweizer Unterhändler nach der Niederlage Frankreichs mit den Vertretern der deutschen Ministerien. Die beiden Abkommen vom August 1940 (Kapitel 5.2) und Juli 1941 (Kapitel 5.3) waren die Bausteine eines geregelten Verhältnisses, das bis Ende 1942 andauern sollte. Der Bundesrat gewährte 1940 im schweizerisch-deutschen Clearingabkommen eine Kreditlimite von 150 Mio. Franken, welche er 1941 auf 850 Mio. erhöhte. (Auch diese erhöhte Limite wurde später von Deutschland überzogen.) Mit der Bereitschaft, Deutschland staatliche Mittel zur Verfügung zu stellen, zahlten die Schweizer ihren Beitrag an die deutsche Kriegsmaschinerie. Die deutschen Unterhändler sprachen von einem Solidaritätsbeitrag im europäischen Krieg gegen den Bolschewismus. Bestürmt von Wirtschaftskreisen und unterstützt von den Gewerkschaften, verfolgten die Direktoren des Vororts (Homberger) und der Handelsabteilung (Hotz) eine Strategie zur weitgehenden Integration ins nationalsozialistisch dominierte Kontinentaleuropa. Der Preis war für damalige Verhältnisse bereits sehr hoch, es sprachen allerdings neben aussenpolitischen auch wirtschaftspolitische Gründe dafür, die Exportindustrie staatlich zu unterstützen: die Auslastung der Unternehmen sollte die Schweizer Wirtschaft für eine wie auch immer geartete «Nachkriegszeit» wettbewerbsfähig halten. Dazu brauchte es auch ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen den zivilen und militärischen Behörden. Die Teildemobilisierung von 450 000 auf 150 000 Mann zwischen Juli und Herbst 1940 und die gleichzeitigen Wirtschaftsverhandlungen, welche im Sommer zum ersten Clearingkredit an das «Deutsche Reich» führten, ebneten den Weg für die Réduit-Strategie. Die Soldaten konnten an ihre zivilen Arbeitsplätze zurückkehren (Kapitel 7.2.).
Neben dem finanziellen Preis für die wirtschaftliche Integration musste die Schweiz einen Imageverlust bei der andern Kriegspartei hinnehmen, der mit zunehmender Kriegsdauer immer grösser wurde. Nach dem Wegfall Frankreichs aus dem Westbündnis kämpfte Grossbritannien vorerst allein gegen Deutschland. Da allerdings die USA über die Lend-Lease-Verträge Grossbritannien wirtschaftlich unterstützten, konnten die Briten den Wegfall schweizerischer Lieferungen ohne Probleme hinnehmen. Nachdem die USA am 8. Dezember 1941 auf der Seite Grossbritanniens in den Krieg eingetreten waren und auch die wirtschaftliche Kriegführung gegen die schweizerischen Unternehmen übernommen hatten, verlangten die Alliierten ab 1943 von den Neutralen, den antinazistischen Kampf zu unterstützen. Die USA waren nicht mehr bereit, ein Land wie die Schweiz mit Nahrungsmitteln zu beliefern, welches weitgehend für die deutsche Kriegswirtschaft produzierte. Ab 1943 erhöhte sich somit der wirtschaftsdiplomatische Druck auf die Behörden, die Ausfuhren nach Deutschland zu reduzieren und keine neuen Clearingkredite mehr zu gewähren (Kapitel 5.4). Insbesondere der alliierte Druck half letztlich den Schweizer Unterhändlern, den deutschen Forderungen entgegenzutreten. Der Ende 1942 ausgelaufene Wirtschaftsvertrag mit Deutschland wurde vorerst nicht erneuert und später nur noch kurzfristig verlängert. Ab 1943 versuchten die Behörden – teilweise hatten auch die Unternehmen sich bereits auf Nachkriegslieferungen an die Alliierten reorientiert – zu einer ausgewogenen Politik zurückzufinden. Wenn es dabei den Unterhändlern gelang, trotz bisweilen harten rhetorischen Auseinandersetzungen weder mit der einen noch mit der andern Seite einen Bruch zu provozieren, so lag im Falle der Schweiz dieses Sowohl-als-Auch oft ausserhalb des schweizerischen Einflusses – ja ausserhalb des Wirtschaftlichen – begründet. Die ausgewerteten Dokumente zeigen, dass die Schweiz grundsätzlich in den Aussenministerien in Washington und London über einen beträchtlichen politischen Kredit verfügte, gerade auch deshalb, weil sie als neutraler Staat nützliche Leistungen zugunsten der Alliierten erfüllen konnte (Schutzmachttätigkeit, Betreuung von Kriegsgefangenen, Ort für Geheimdienstaktivitäten). Die alliierten Kriegswirtschaftsbehörden und später auch das US-Finanzministerium hingegen traten für ein unnachgiebiges Vorgehen gegenüber der Schweiz ein: die wirtschaftliche Kooperation mit Deutschland auf dem Gebiet des Warenhandels, der Elektrizitätsausfuhren, des Gütertransits und der Vermögensverschiebungen wirkten aus deren Perspektive kriegsverlängernd. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen den USA und der Schweiz wurde allerdings das Problem deutscher Vermögensverschiebungen ins neutrale Ausland zur Kardinalfrage anlässlich der «Currie-Verhandlungen» Anfang 1945: unter dem massiven Druck der Alliierten sperrte der Bundesrat am 16. Februar 1945 die deutschen Vermögen in der Schweiz (Kapitel 5.5). Chefunterhändler Walter Stucki liess gleichzeitig – ohne Rücksprache mit dem Bundesrat – ein erneutes Wirtschaftsabkommen mit einer deutschen Verhandlungsdelegation platzen. Beide Massnahmen ebneten den Weg für eine Verständigung – aber noch keine Normalisierung – im Verhältnis der Schweiz zu den «Machthabern von morgen». Eine antiamerikanische Einstellung in den schweizerischen Eliten von Wirtschaft, Politik und Diplomatie sowie Befürchtungen, dass die Alliierten bei der Umstellung von der Kriegs- auf die Friedensproduktion die schweizerische Konkurrenz zu verdrängen versuchen würden, waren die Hauptgründe, warum sich die Schweiz lange schwer tat, die neuen (Macht-)Verhältnisse zu akzeptieren.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass im Bereich der kriegswichtigen Güter – ein dehnbarer Begriff in Zeiten des Krieges – die deutschen Behörden der schweizerischen Industrie ein zunehmendes Interesse entgegenbrachten (Kapitel 6). Als die Blitzkriegerfolge mit dem gescheiterten Angriffskrieg gegen die Sowjetunion nachgelassen hatten, war Deutschland dringend auf Wareneinfuhren jeglicher Art angewiesen. Es waren vor allem die besetzten westeuropäischen Länder, welche quantitativ einen weit höheren Beitrag an das deutsche Wirtschaftspotential leisteten als die Schweiz. Das primäre Interesse an der Schweiz lag jedoch weniger im industriellen Bereich als im finanziellen. Denn im Sommer 1941 fiel der US-Dollar als international akzeptiertes Zahlungsmittel weg, weshalb sich die deutsche Aufmerksamkeit auf den Schweizer Franken konzentrierte. Vorwiegend über die «freie Devisenspitze» und über Transaktionen von Raubgold verschaffte sich das «Dritte Reich» Devisen, welche es auf Drittmärkten (Schweden, Spanien, Portugal, Rumänien) für dringend benötigte Rohstoffkäufe und Dienstleistungen aufwenden musste. In diesem Bereich war die Schweiz mit ihrem flexiblen Finanzplatz und ihrer international konvertiblen Währung besonders nützlich für die deutsche Kriegswirtschaft. Daneben stellte die Schweiz auf dem Warensektor kriegswichtige, aber kaum kriegsentscheidende Leistungen zur Verfügung: Grundstoffe wie Elektrizität oder Aluminium und Fertigprodukte wie Waffen, Maschinen, Werkzeuge oder Uhren. Diese Produkte wurden in Deutschland oder in den verbündeten und besetzten Ländern ebenfalls hergestellt, die deutsche Abhängigkeit war somit nur relativ gegeben. Im Bereich der Uhrenindustrie – insbesondere für die Zünderproduktion – und in der Werkzeugmaschinenindustrie konnten die schweizerischen Lieferungen die deutschen Rüstungsprogramme empfindlich beeinflussen, so dass hier von einer hohen deutschen Abhängigkeit auszugehen ist. Kriegsmaterial im engeren Sinn (Waffen und Munition) gelangte vorwiegend in den Jahren 1941 und 1942 aus der Schweiz nach Deutschland, danach konnte Deutschland den Bedarf selber decken.
Die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik während des Zweiten Weltkriegs war innenpolitisch breit abgestützt. Wegen einer bereits in den dreissiger Jahren erfolgten Kompetenzverlagerung vom Parlament zur Regierung und zur Verwaltung fand kaum eine breite Debatte über den eingeschlagenen Kurs statt. Dennoch regte sich vereinzelt Kritik – insbesondere nach dem Abkommen mit Deutschland vom Sommer 1941. Auch fühlten sich die Parlamentarier bisweilen schlecht informiert oder kritisierten offen den einseitigen und deshalb neutralitätspolitisch fragwürdigen Kurs des Volkswirtschaftsdepartements und des Bundesrates (Kapitel 7.2). Gegen Ende des Krieges verstummte hingegen die ohnehin selten geäusserte Kritik an der Aussenwirtschaftspolitik vollends – vielmehr äusserte sich der Unmut der Linken an der ihrer Meinung nach verfehlten Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik gegenüber der Sowjetunion (Kapitel 7.3). Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass sich die grossen politischen Lager hinter den Bundesrat stellten und die intensiven Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland und Italien akzeptierten. Gegenüber dem behördlichen Hinweis auf die Vollbeschäftigung und auf die weitgehende Auslastung der zivilen Wirtschaft zugunsten einer bis Ende 1942 offenen Nachkriegsordnung fiel es zeitgenössischen Kritikern schwer, den Kurs ändern zu wollen, da die an beschäftigungspolitischen Kriterien gemessene Aussenwirtschaftspolitik ja weitgehend eine Erfolgsgeschichte war. Die wirtschaftliche Anpassung bewahrte die Politik gerade davor, weitere aussenpolitische Zugeständnisse zu machen. Wo das «Wirtschaftliche» aufhörte und das «Politische» einsetzte, wurde dennoch in der spärlichen zeitgenössischen Auseinandersetzung kontrovers beurteilt.
Abschliessend können wir festhalten, dass die Aussenwirtschaftsbeziehungen sich während des Zweiten Weltkriegs in einem stark politisierten Rahmen abspielten. Die schweizerische Konzeption setzte jedoch mit Erfolg alles daran, diese Aussenwirtschaftsbeziehungen so unpolitisch wie möglich darzustellen. Im wirtschaftlichen Bereich forderte der Bundesrat von den Kriegführenden ebenso die Respektierung der Neutralität wie im politischen und militärischen Bereich. Diese theoretische Konzeption war in der Praxis allerdings kaum durchsetzbar, gerade weil der Staat selber zum Financier der Exportindustrie wurde, welche einseitig auf Deutschland ausgerichtet war. Somit kann die Geschichte der schweizerischen Aussenwirtschaftsbeziehungen im Zweiten Weltkrieg nicht primär als Neutralitätsgeschichte verstanden werden, sondern als ein komplexes und in jeder Phase von spezifisch gelagerten Interessen und wechselnden Machtkonstellationen geprägtes «Geben und Nehmen» zweier Kriegsallianzen und deren Strategien gegenüber einem Land, welches für die einen wirtschaftlich, für die andern politisch nützlich, aus beider Perspektiven aber zu unbedeutend war angesichts der immensen militärischen, ideologischen und finanziellen Auseinandersetzung andernorts in der Welt.
Artikel 2: Zeit-Fragen Nr. 13 vom 25. 3. 2002
Bergier-Bericht
Staatliche Geschichtsschreibung gescheitert!
Laut dem Bundesrat habe die Bergier-Kommission (UEK) die schweren Vorwürfe gegen die Schweiz (Kriegsverlängerung, Deportiertenzüge, Bankerfolge dank Hinterlassenschaft von Nazi-Opfern) ausräumen können. Abgesehen davon, dass dies keine neuen historischen Erkenntnisse sind, kommen diese Ergebnisse der UEK reichlich spät! Andrerseits hält die UEK anscheinend nach wie vor an der vom «Beobachter» in die Welt gesetzten J-Stempel-Lüge fest, obwohl sie «Der Beobachter» offiziell als Falschmeldung berichtigt hat. Auch die von der UEK behauptete Anzahl der Abgewiesenen ist historisch nicht erhärtet und wird von unabhängigen Experten als zu hoch (Mehrfachzählungen) eingestuft.
Erinnern wir uns: Die politisch einseitig zusammgesetzte (auch Zeitzeugen wurden nicht berücksichtigt) sogenannte Bergier-Kommission hat mit ihren wissenschaftlich fragwürdigen Vorabberichten ab 1997 nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, dass die Schweizer Banken 1,8 Milliarden Franken an jüdisch-amerikanische Organisationen abliefern mussten. Sogar die amerikanischen Professoren Codevilla und Finkelstein sprechen von klarer Erpressung mit Beteiligung der amerikanischen Regierung.
Sollten die 25 Millionen Franken, die der Bergier-Bericht den Steuerzahler kostet, nicht vergebens sein, muss der Bundesrat nun die 1,8 Milliarden Franken, die aufgrund unhaltbarer Vorwürfe erpresst wurden, wieder zurückfordern, da dieses Geld der schweizerischen Volkswirtschaft entzogen wurde (entgangene Dividenden- und Steuereinkommen). Dass die kleine Schweiz trotz schwierigster Situation 300000 Flüchtlinge, das sind mehr als die USA und Grossbritannien zusammen (270000), aufgenommen hat, ist wohl Grund genug, die 1,8 Milliarden Franken zurückzufordern.
Die Problematik staatlicher Geschichtsschreibung zur Beeinflussung des Stimmbürgers im Vorfeld von Abstimmungen (Uno, EU, Nato, Armee XXI, Neutralitätsdiskussion usw.) ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Dazu ein Zitat von alt Bundesrat Feldmann: «Wer ein Volk unterjochen, sein Selbstgefühl als Nation vernichten will, der nimmt ihm seine Geschichte und verfälscht sie, der raubt ihm gleichsam sein Gedächtnis, um es einem fremden Willen gefügig zu machen.»
P. Aebersold, Zürich
Anstatt mich hier in den Dreck zu ziehen, fege zuerst
vor Deiner eigenen Türe.
Schweigen tue ich wenn es mir passt, dass lasse bitte
sein, mir diesbezüglich Vorgaben zu machen.
Von wegen Sauberkeit musst Du mir wohl keine Ratschäge geben,
mit der von Dir rege gebrauchten Fäkaliensprache.
Im übrigen verweise ich, dass von mir noch nie ein Thread
gegen die Nazis, den Holocaust, die Naziverbrechen, den
Völkermord und die Judenvernichtung eröffnet habe.
Ich bin erstaunt, dass es deutsche User gibt, die anderen Ländern
gleiche Verbrechen vorwerfen, wie sie die Nazis begangen haben und
in diesem Falle, die Schweiz auf die gleiche Stufe wie die Kriegsverbrecher
des deutschen Reiches stellen.
Das ist mehr als peinlich und stimmt sehr nachdenklich. Andererseits
gibt es nicht viele von diesen ewig Gestrig-Verblendeten und das ist dann
wieder gut.
Wo sind da Deutsche beteiligt?
Oder gar Ariva user?
Unabhängige Expertenkommission
Schweiz – Zweiter Weltkrieg (UEK)
Gesetzesgrundlage
Die Kommission wurde durch einen einstimmig verabschiedeten Beschluss der schweizerischen Bundesversammlung (Parlament) im Dezember 1996 ins Leben gerufen. Sie hat den Auftrag, Umfang und Schicksal der vor, während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz gelangten Vermögenswerte historisch und rechtlich zu untersuchen und bis spätestens Ende 2001 einen Schlussbericht vorzulegen.
Umfassendes Mandat
Das Mandat der Kommission umfasst den Goldhandel und die Devisengeschäfte der Schweizerischen Nationalbank und der privaten Geschäftsbanken. Untersuchungsgegenstand sind sämtliche in die Schweiz gelangten Vermögenswerte inklusive Versicherungswerte und Kulturgüter, und zwar sowohl der Opfer des Naziregimes als auch seiner Täter und Kollaborateure. Zudem werden die Verflechtungen schweizerischer Industrie- und Handelsunternehmen mit der nationalsozialistischen Wirtschaft untersucht – vor allem im Hinlick auf ihre Beteiligung an den "Arisierungsmassnahmen" und der Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die schweizerische Flüchtlingspolitik im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen der Schweiz mit den Achsenmächten und den Alliierten. Der Untersuchungszeitraum umfasst auch die Nachkriegszeit und schliesst die staatlichen Massnahmen zur Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte mit ein (Washingtoner Abkommen 1946, Meldebeschluss für nachrichtenlose Konten 1962).
Internationale Zusammensetzung
Die Kommission ist international zusammengesetzt. Sie besteht aus einem Präsidenten, vier schweizerischen und vier ausländischen Kommissionsmitgliedern (Grossbritannien, Israel, Polen und USA), die alle aufgrund ihrer wissenschaftlichen Fachkompetenz ad personam ernannt worden sind.
Internationale Ausrichtung der Fragestellung
Im Zentrum der Untersuchung steht die Schweiz, doch wird diese nicht isoliert betrachtet. Vielmehr wird sie als Teil eines internationalen Systems begriffen, das während des Zweiten Weltkriegs von der nationalsozialistischen Kriegs- und Raubwirtschaft sowie von seiner Vernichtungspolitik geprägt war. Entsprechend ihrer internationalen Ausrichtung beschäftigt die Kommission Forschungsteams in der Schweiz und im Ausland. Sie entwickelt ihre Fragestellungen und ihre Methodologie im Kontext der internationalen Forschungsdiskussion und steht in Kontakt mit zahlreichen Forschungsprojekten innerhalb und ausserhalb der Schweiz.
Unabhängigkeit von Behörden und Interessenverbänden
Die Kommission, der keine schweizerischen Behördenvertreter und keine Vertreter von Interessenverbänden angehören, ist unabhängig. Ihre Mitglieder nehmen ihren Forschungsauftrag in wissenschaftlicher Freiheit wahr. Die schweizerische Regierung hat sich verpflichtet, die Berichte der Kommission vollständig zu publizieren.
Rechtliche Zugangsprivilegien
Für die Arbeit der Kommission gelten in der Schweiz besondere rechtliche Bestimmungen. So wurden eine generelle Pflicht zur Aktenaufbewahrung und eine generelle Pflicht zur Gewährung der Akteneinsicht erlassen, die sich auf sämtliche für den Forschungsauftrag relevanten Akten sowohl natürlicher als auch juristischer Personen erstreckt. Gesetzliche und vertragliche Geheimhaltungspflichten wurden gegenüber der Kommission und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgehoben.
Personelle Ressourcen
Die Kommission beschäftigt in der Schweiz ungefähr 30 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem unterhält sie Forschungsteams in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und Polen. Ihre Mitarbeiter unternehmen zeitlich beschränkte Quellenauswertungen in verschiedenen weiteren Staaten.
Finanzielle Ressourcen
Für ihre Quellenforschung und die Redaktion der Berichte und des Schlussberichtes hat das schweizerische Parlament der Kommission 22 Mio CHF (ca. 15 Mio USD
ich sehe immer noch ein kleiner krieg bei euch---und das vor weihnachten
armer bilanz--ist doch so ein feiner kerle--soll ich euch was verraten
bilanz kann gar nicht weihnachten feiern---weil ein sohn hat wo von ihm nix mehr wissen will--und eine frau hat, wo er teuer bezahlen musste--ich sag ja ein armer kerl gell
so sieht die warheit aus--der schweizer knochen, fressen nicht mal die hunde
weil aus sieht wie eine lebendige schweizer leiche--pfui bilanz
geh dahin wo du her gekommen bist
Jacko
und überlebt hat--aber er hat den hass an uns ausgelassen--so ein idiot
und weist du was ,als ich älter war hab ich ihm die fresse voll gehauen
er ist auf unschuldige menschen gegangen--und das hass ich wie die pest
gruss Jacko--und gott sei dank, das er schon lange nicht mehr lebt
Klar Kiwi alles was den Grosskotzbesserwissern nicht passt
ist dummes Zeug.
Transit ferroviaire à travers la Suisse (1939–1945)
Der Eisenbahntransit durch die Schweiz (1939–1945)
Gilles Forster
Zusammenfassung
Die Studie über den Transitverkehr besteht aus zwei verschiedenen Teilen, wovon sich einer mit dem Personen- und der andere mit dem Warentransit befasst. Der dem Personenverkehr gewidmete Teil untersucht einerseits die Hypothese des Transports deportierter Juden durch die Schweiz und andererseits die Frage nach dem Transit italienischer Arbeiter nach Deutschland. Hinsichtlich des ersten Punktes kann davon ausgegangen werden, dass kein Zug mit Deportierten aus Frankreich das schweizerische Eisenbahnnetz benutzte. Von 40 der insgesamt 43 Züge aus Italien ist die Route rekonstruiert worden: sie fuhren nicht durch die Schweiz. Die drei verbleibenden Züge passierten die Alpen, wie man mit Sicherheit annehmen kann, über die östlichen Pässe, die eine direktere Verbindung zwischen Italien und Polen durch Österreich boten. Die Brennerlinie blieb passierbar; zur Zeit der fraglichen Züge hatte sie keine Bombenschäden erlitten. Darüber hinaus war das politische Umfeld nicht sehr günstig: Während der kritischen Zeit – Ende 1943 bis 1944 – waren die Schweizer Behörden strikter und hatten die Durchreise italienischer Arbeiter seit dem Sommer 1943 verweigert. Die Hypothese des Transits von Deportierten stützt sich auf immer wiederkehrende Gerüchte, die noch kürzlich im Umlauf waren (Kapitel I).
Zwischen 1941 und Mai 1943 durchquerten mehr als 180 000 italienische Arbeiter die Schweiz, um sich nach Deutschland zu begeben (II.2). Als Angehörige eines Achsenstaates können sie nicht als Zwangsarbeiter betrachtet werden; ihr Status ist weder mit jenem der Arbeiter aus Osteuropa noch mit jenem der Franzosen vergleichbar, die im Rahmen der Arbeitsdienstpflicht arbeiteten. Das änderte sich im Juli-September 1943 mit dem Sturz Mussolinis und der deutschen Invasion des nördlichen und zentralen Teils Italiens. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Arbeiter in Italien zwangsrekrutiert. Unsere Nachforschungen ergaben, dass ab Sommer 1943 kein Transit dieser Art durch die Schweiz mehr stattfand (II.5).
Der Warentransit scheint eine wichtige Dienstleistung für das Reich gewesen zu sein. Die schweizerischen Bahnverbindungen verfügten gegenüber der österreichischen Konkurrenz über eine Reihe von Vorteilen. Ihre geographische Lage zwischen den Industrieregionen Ruhr und Lombardei sowie die Transportkapazität und das leistungsfähige Schienennetz waren von Vorteil (III.1). Während des Zweiten Weltkriegs waren die Transitvolumen dreimal grösser als in der Vorkriegszeit. Diese Periode stellte im Vergleich mit der langfristigen Transitentwicklung einen Bruch dar (Abbildung 2, III.2).
Seit Mitte der dreissiger Jahre wurde Deutschland zu Italiens Hauptlieferanten für Rohstoffe und insbesondere für Kohle. Während drei Viertel dieser Lieferungen die Halbinsel normalerweise auf dem Seeweg erreichte, bewirkte die angelsächsische Blockade, dass die gesamte Versorgung Italiens ab März 1940 auf dem Schienenweg erfolgen musste (IV.1). Dieser Anstieg des Transitverkehrs bedeutete also nicht, dass die Versorgungslage Italiens insgesamt besser geworden wäre. Damit stiess die expansionistische Politik Mussolinis ab Herbst 1940 an ihre Grenzen.
Auch wenn der Transitverkehr und die schweizerische Einfuhr durch den Grundsatz des freien Transits eng verbunden waren, bestand doch nie ein direkter Zusammenhang (Abbildung 3, IV.2). Der Transitverkehr war nie Gegenstand echter Verhandlungen, obwohl die Deutschen dem Transit schweizerischer Güter durch das Reich ständig Schwierigkeiten bereiteten. Während des Krieges war der Anteil der für Italien bestimmten Kohle, der die Schweiz durchquerte, höher als 40%, und die Tendenz war sogar noch steigend: 1944 erreichten 60% des Brennstoffs Italien durch den Gotthard und den Simplon (IV.3). Wenn man die Fördergebiete und die Routenwahl über die Alpen miteinander in Beziehung setzt, so ist ersichtlich, dass auch während des Krieges immer ein rationeller Betrieb und betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund standen (IV.4). Die Verdunkelung der Bahneinrichtungen unterstreicht die Tatsache, dass die Transitmengen nahe bei ihrem theoretischen Maximum lagen (IV.6). Der Transit durch den Gotthard und den Simplon schien deshalb für das wirtschaftliche Leben Italiens unabdingbar zu sein und wurde als Entlastungsroute für die österreichischen Pässe geschätzt. Die Deutschen betrachteten den Transit als eine der vier wichtigsten von der Schweiz angebotenen Dienstleistungen (IV.7). Er wurde erst im Februar 1945 unterbrochen, als der Grundsatz des freien Transits bereits aufgegeben worden war. Hätte die Schweiz mit zu einem früheren Zeitpunkt verhängten Beschränkungen einen Beitrag zur Behinderung der Kriegsanstrengungen des Reichs in Italien leisten können (IV.8)?
Die Frage nach dem Transit von Kriegsmaterial ist seit der Kriegszeit Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen. Der deutsche Staatssekretär Ernst von Weizsäcker unterstrich 1942 die militärische Bedeutung des schweizerischen Schienennetzes für die Versorgung des Afrikakorps (V.1). Dieses Interesse betraf in erster Linie «doppelt verwendbare» Güter (zivil und militärisch). Die neutrale Schweiz verweigerte den Transit von Waffen, die für die Truppen in Nordafrika bestimmt waren; ein Transit dieser Art hätte im übrigen auch gegen die Haager Konvention verstossen. Ein Problem stellte sich aufgrund des Transits von Kriegsmaterial zwischen privaten Unternehmen, die gemäss derselben Konvention zugelassen werden können. Die Schweiz bewilligte derartige Durchreisen von Fall zu Fall. Die Bundesbehörden gingen im allgemeinen nur allzu gerne davon aus, dass Waffentransporte den Brenner passierten. Allerdings waren die Kontrollen nicht gründlich genug, um die Hypothese derartiger Transporte durch die Schweiz vollständig zu widerlegen – die Schweiz wurde von zahlreichen plombierten Zügen durchquert. Diese mangelnde Gründlichkeit lässt sich aus technischen Sachzwängen erklären; dennoch handelt es sich hier um eine Verletzung des Neutralitätsrechts (V.2). Nach dem Sommer 1943 sah sich die Schweiz unter grossem angelsächsischen Druck dazu veranlasst, den Transit von Flüssigbrennstoffen zuerst zu kontingentieren und danach – im März 1944 – zu verbieten, da es sich dabei um sogenannte kriegswichtige Waren handelte (V.3).
Die italienischen Exporte nach Deutschland betrafen traditionellerweise Konsumgüter wie zum Beispiel Früchte und Gemüse oder Textilien. Der Krieg veränderte diese Güterströme. Abgesehen von der Zunahme des Volumens (Abbildung 4, VI.2) setzte sich diese Ausfuhr vermehrt aus kriegswichtigen Waren wie beispielsweise Eisen und Chemieprodukten zusammen. Die bedeutsamsten Umwälzungen erfolgten indes mit der deutschen Besetzung Italiens im September 1943. Unter der Federführung von Albert Speer organisierten die deutschen Verwaltungsstellen in Italien die Ausplünderung der italienische Industrie und deren Überführung ins Reich (VI.2). Die Qualität der norditalienischen Industrie – hauptsächlich in der Flugzeug- und Metallindustrie – gibt eine Erklärung dafür, dass das deutsche Rüstungsministerium im Januar 1944 der Meinung Ausdruck gab, dass der Transit – von Süden nach Norden, aber auch von Norden nach Süden – nebst dem Devisenmarkt eine der zwei wichtigsten Dienstleistungen sei, welche die Schweiz Deutschland bot. Die Bedeutung des Transits war so gross, dass die Deutschen davon absahen, einen Wirtschaftskrieg mit der Schweiz vom Zaun zu brechen (VI.5). Nach der Wiederaufnahme des Süd-Nord-Transits im Oktober 1943 waren sich die Schweizer Behörden des nichtregulären Charakters dieses Warenverkehrs bewusst. Sie stellten fest, dass ein Grossteil der in Chiasso ankommenden Güter aus Requisitionen stammten. Ab November 1943 ergriffen sie einige Massnahmen, um Transitbewegungen dieser Art zu begrenzen; sie verhängten ein Transitverbot für Gebrauchtgüter und für Güter, die deutsche Verwaltungsstellen zum Absender hatten (VI.3). Diese Massnahmen stellten sich indes rasch als unzureichend heraus. Deshalb wurde ab März 1944 eine ganze Reihe von Regelungen zur Transitkontingentierung und zum Transitverbot erlassen (VI.4). Das Vorgehen der Schweiz war den deutschen Behörden zwar ein Dorn im Auge, vermochte die Verwirklichung ihrer Pläne jedoch nicht vollständig zu verhindern. Die schweizerischen Massnahmen begannen erst ab Sommer 1944 Früchte zu tragen. Die deutsche «Doppelspur-»Strategie, das heisst die Anwendung der Subsidiarität der Pässe Brenner und St. Gotthard, gestaltete sich zusehends schwieriger, da die schweizerischen Massnahmen eine Umleitung des die Kapazität der österreichischen Pässe übersteigenden Verkehrs durch die Schweiz verhinderten. Die Politik des Bundesrats für den Süd-Nord-Transit scheint strikter gewesen zu sein als jene für den Nord-Süd-Transit (IV.8 und VI.6).
Die Schweizer Eisenbahntunnels besassen für die Dissuasion einen zentralen Stellenwert. Bis zum Winter 1942/43 war man der Ansicht, dass die Bedrohungen in erster Linie vom angelsächsischen Lager ausgingen. Erst in den Monaten vor der Landung alliierter Truppen in Italien begannen sich die Schweizer Behörden über einen allfälligen deutschen Präventivschlag Sorgen zu machen (VII.1). Angesichts des Interesses des Achsenmächte am Transit durch die Schweiz hatten bestimmte Generalstabskreise allerdings bereits im Sommer 1940 mit der Ausarbeitung einer Dissuasionsstrategie begonnen: Wer sich der Schweizer Tunnels bemächtigen wollte, musste damit rechnen, dass sie zuvor gesprengt würden. Die Umsetzung dieser Strategie war wegen technischer Hindernisse und des Widerstands gewisser Kreise mit Schwierigkeiten verbunden. Erst im Frühjahr 1942 stand ein beschränktes Spreng-dispositiv zur Verfügung. Es bleibt allerdings anzufügen, dass die Deutschen seit Kriegsbeginn damit gerechnet hatten, dass die Schweiz ihre Tunnels im Falle einer Invasion zerstören würde (VII.2 und VII.3).
Die Eisenbahngesellschaften – die SBB und in einem geringeren Ausmass auch die BLS – beurteilten den Transitverkehr ausschliesslich aus kaufmännischer Sicht und zeigten sich über seine Entwicklung erfreut, ohne das politische Umfeld in Erwägung zu ziehen (VIII.1). Die hauptsächlichsten Erklärungsfaktoren hierfür liegen in den finanziellen Schwierigkeiten der dreissiger Jahre und der Befürchtung, dass die deutschen Pläne für die Erneuerung des europäischen Schienennetzes die schweizerischen Alpentransversalen ins Abseits drängen würden (VIII.2). Der Handlungsspielraum der Eisenbahngesellschaften war eng. Beispielsweise konnten sie ihre Tarife nicht selbst festlegen. Parallel zur kommerziellen Konkurrenz bestand zwischen den SBB und der Reichsbahn eine verwaltungsmässige Nähe, die wir als «berufliche Solidarität» bezeichnet haben (VIII.3). Die Verbindung zwischen dieser Solidarität und dem Konkurrenzdenken schlug sich auf der Ebene des Transitverkehrs darin nieder, dass dem Grossteil der deutschen Wünsche stattgegeben wurde. Die Reichsbahn versuchte aus den engen Beziehungen mit den SBB Kapital zu schlagen, indem sie bei den politischen Behörden der Schweiz Forderungen stellte. Diese administrative Organisation wäre weniger problematisch gewesen, wenn der Bundesrat eine klarere Politik verfolgt hätte. Indessen zog er es nicht selten vor, sich hinter der technischen Natur der Entscheidungen zu verstecken, um keine Richtlinien erarbeiten zu müssen. Es wäre deshalb falsch, die politische Unentschlossenheit den SBB anzurechnen. Diese Vorgehensweise schadete mit Sicherheit der Verteidigung der schweizerischen Interessen und schwächte die Verhandlungsposition in bezug auf Gegenleistungen (VIII.5). Was die Einnahmen der SBB aus dem Transitverkehr betrifft (VIII.6), so verzeichneten diese eine starke Zunahme, und zwar von 20 Mio. Franken im Jahre 1939 auf mehr als 70 Mio. Franken im Jahre 1941. Sie leisteten einen Beitrag an die finanzielle Gesundung der SBB, auch wenn sie insgesamt nie mehr als 16% der Bilanzsumme ausmachten. Da das Netz der BLS im wesentlichen als Transitlinie genutzt wurde, hatte diese aussergewöhnlich Konjunktur auf die Geschäftsergebnisse dieser Gesellschaft grössere Auswirkungen. Beinahe 50% der Gesamteinnahmen der bernischen Eisenbahngesellschaft stammten aus dem Transit-verkehr. Diese waren nicht leicht einzutreiben, weil sie seit Kriegsbeginn im italienisch-schweizerischen Clearingverkehr integriert waren (VIII.7). Da die italienischen Behörden unzureichende Beträge auf das zur Bezahlung der Eisenbahngesellschaften bestimmte Konto überwiesen, stand der Bund für die Forderungen gerade. Bei Kriegsende schuldeten die Kriegsparteien 89 Mio. Franken: ein Betrag also, der die Transiteinnahmen für 1943 und 1944 überstieg.
Was das Rollmaterial betrifft, so sandte die Schweiz rund ein Viertel ihres Wagenparks ins Ausland, hauptsächlich nach Deutschland und Italien (IX.1). Diese Fahrten dienten ausschliesslich der Versorgung der Schweiz. Es wäre deshalb verfehlt, diese Wagenlieferungen als schweizerischen Beitrag zur Behebung des deutschen Rollmaterialmangels zu betrachten. Auch hinsichtlich der Lokomotiven (IX.2) ist festzuhalten, dass die Vermietung von 25 SBB-Dampflokomotiven an die Reichsbahn mit den Bedürfnisses des Kohlenimports erklärt werden kann. Die trotz deutschen Einschüchterungsversuchen ausgesprochene Weigerung, weitere 25 Lokomotiven zur Verfügung zu stellen, stützt diese Schlussfolgerung
Industrie-Erben erhalten Rekordentschädigung aus NS-Vergleich
Ein US-Gericht hat den Nachfahren von zwei österreichischen Industriellenfamilien eine Entschädigung über 21,9 Millionen Dollar zugesprochen. Die Summe wird aus einem Schweizer Großbankenvergleich über Gelder aus der NS-Zeit gezahlt. Es handelt sich um die höchste Einzelentschädigung aus dem 1998 geschlossenen Abkommen.
APHitler in Wien (1938): Schweizer Bank beugte sich dem Nazi-Druck |
New York - Die 21,9 Millionen Dollar gehen an die 89-jährige Holocaust-Überlebende Maria Altmann in Los Angeles sowie an rund zwei Dutzend weitere Erben der österreichischen Industriellen Ferdinand Bloch-Bauer und Otto Pick. Der New Yorker Richter Edward Korman folgte in der gestern veröffentlichten Entscheidung dem Antrag des internationalen Schiedsgerichts, das über die Ansprüche auf die Vergleichssumme von insgesamt 1,25 Milliarden Dollar entscheidet.
Die Summe ist die mit Abstand höchste Einzelzahlung, die das Schiedsgericht bisher zugesprochen hat. Das so genannte Claims Resolution Tribunal hat damit gut 254 Millionen Dollar ausgezahlt.
Die jüdischen Familien Bloch-Bauer und Pick hatten die Aktien ihrer Zuckerraffinerie im Jahre 1938 auf eine Bank in Zürich gebracht, um sie vor dem Zugriff des Nazi-Regimes zu schützen. Laut dem Schiedsgerichtsurteil beugte sich die Bank später aber dem Druck Nazi-Deutschlands und übertrug die Aktien einem deutschen Investor.
Bei der Bank, deren Name nicht genannt wurde, wurden keine Unterlagen mehr gefunden. Das Schiedsgericht stützte sich auf Dokumente der Erben und Archivunterlagen. In der von Korman genehmigten Entscheidung ist von einem schlagenden Beispiel für den verbreiteten Betrug an jüdischen Kunden durch die Schweizer Banken die Rede.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,351233,00.html
Der Oberweisswäscher und Chefverdränger vom Dienst ist zwar gesperrt - ich stelle den Artikel trotzdem hier rein, schliesslich gab es einige andere, welche den Schweizer Banken in eine Opferrolle andichten wollten.
Absoluter Neuling
Lass das, Marge, das Versuchen ist der erste Schritt zum Versagen!
[Homer Simpson]