26.03.2004 17:07 Uhr |
Schüsse auf das Bollwerk Ein Schweizer Bankier greift das Bankgeheimnis an Hans Julius Bär, der große alte Mann der Schweizer Bankenszene, hat etwas getan, was man nicht tun sollte an der feinen Zürcher Bahnhofstraße. Von Thomas Kirchner --> |
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Hans Julius Bär Foto: dpa | |
Der Autor rede vorerst nicht mehr mit der Presse, erklärt sein Verlag. Er hat ja auch genug gesagt in den zahlreichen Interviews zum Erscheinen seiner Memoiren, viel zu viel, wie seine früheren Kollegen meinen, die ihm gerne in den Hintern treten würden.
Denn Hans Julius Bär, der große alte Mann der Schweizer Bankenszene, ehemaliger Chef der größten Schweizer Privatbank, hat etwas getan, was man nicht tun sollte an der feinen Zürcher Bahnhofstraße. In den Augen seiner Kritiker hat er das Nest beschmutzt, in dem er selber einmal lag.
Der feine UnterschiedVor allem Bärs Aussagen zum Bankgeheimnis sind es, über sich die Bankiers ereifern. „Fett, aber impotent“ mache es, weil es die Schweiz vom Wettbewerb verschone und ihr einen künstlichen Standortvorteil verschaffe.
Noch dazu sei das Bankgeheimnis in seiner jetzigen Form „unethisch“. Es lade nämlich Ausländer dazu ein, ihr Schwarzgeld in die Schweiz zu bringen. Es sei „eine ganz fragwürdige Sache“, dass in der Schweiz zwar Steuerbetrug, nicht aber Steuerhinterziehung strafrechtlich verfolgt werde.
Nur beim Betrug, etwa bei der Fälschung von Dokumenten, fällt denn auch das Bankgeheimnis. „Weil ich wahrscheinlich zu dumm bin, verstehe ich den Unterschied nicht“, provoziert Bär. „Entweder Sie zahlen Steuern – oder Sie zahlen nicht.“
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» Hoffentlich hat man in Brüssel und Berlin nicht hingehört, beten sie in Zürich. «
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So vernünftig sich das anhört, für die Schweizer Geldwelt sind die Bemerkungen eine Katastrophe. Mit voller Kraft haben ihre Vertreter das Bankgeheimnis gegen die Angriffe verteidigt, die in jüngster Zeit besonders aus der EU kommen.
Die europäischen Finanzminister wollen die Kapitalflucht endlich stoppen und die Schweiz zwingen, Daten über Steuerhinterzieher herauszurücken. Die Verhandlungen über die „Zinsbesteuerung“ gehen in die letzte Runde, und es sah so aus, als knacke die EU das Bankgeheimnis wieder nicht.
Und nun schießt da einer auf die eigenen Leute, reißt eine Bresche in das eidgenössische Bollwerk und trifft es auch noch an der schwächsten Stelle: der Moral. Hoffentlich hat man in Brüssel und Berlin nicht hingehört, beten sie in Zürich.
Die alarmierte Bankiervereinigung bemüht sich derweil, die Reihen wieder zu schließen. Er kenne keinen, der Bärs Meinung teile, sagt Geschäftsführer Urs Roth und kontert mit den üblichen Argumenten: Die Schweiz lege eben besonderen Wert auf den Schutz der Privatsphäre.
Schuld an der Kapitalflucht seien die hohen Steuersätze im Ausland. Die Kunden kämen, weil die Schweiz so stabil und ihre Banken so gut seien. Das Bankgeheimnis sei gar nicht so wesentlich.
Distanz zum Ex-PatronDoch warum klammert man sich dann daran? 14 Prozent, so viel wie kein anderer Wirtschaftszweig, trägt die Schweizer Finanzbranche zum Sozialprodukt bei. Am wichtigsten ist die Vermögensverwaltung: Rund drei Billionen Franken, ein Drittel des weltweit grenzüberschreitend angelegten Geldes, liegt auf Schweizer Konten.
Ein großer Teil davon ist unversteuert. Es geht also um einiges, zumal die Qualität der Schweizer Banken offenbar sinkt: Gemessen am Ertrag, den sie mit dem verwalteten Geld erwirtschafteten, lägen sie international am Ende der Rangliste, hinter den Italienern, stellte das Swiss Banking Institute fest. 20.000 Stellen hat die Schweizer Finanzbranche seit 2001 gestrichen, 20.000 weitere sollen folgen.
Auch die Bank Bär musste kräftig abbauen. Sie hat sich sofort distanziert von ihrem Ex-Patron, der 1997 ausschied. Er stehe fest zum Bankgeheimnis, sagte Bärs Sohn und Nachfolger Raymond. Das Buch seines Vaters bekam er erst am Erscheinungstag zu lesen.
Wenn die Schweiz noch einen Adel hätte, die Bärs, ein weitverzweigter Clan, der eng mit der Musikwelt verbandelt ist, zählten dazu. „Seid umschlungen, Millionen“ heißt Bärs Buch in ironischer Anleihe bei Schiller.
Es spiegelt einen zwischen Pflicht und Neigung zerrissenen Menschen, der am liebsten mit Künstlern redet und sich den strengen Familiensitten nur widerwillig beugte. Hohe Achtung erwarb er sich als Vermittler im Streit um das Geld von Nazi-Opfern, das Schweizer Banken einbehalten hatten.
Nun aber hat Bär ordentlich Prügel eingesteckt. Das hat den 76-Jährigen wohl doch beeindruckt. Im Fernsehen krebste er zurück. „Ich will nicht noch Öl ins Feuer gießen“, sagte er. Ob er Angst vor der eigenen Courage bekommen habe, fragte der Interviewer. „Richtig“, antwortete er.
(SZ vom 27.03.2004) |
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