Rückblick, Stoibers Versprechen


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Eröffnet am:25.11.02 11:26von: Taxi HabibAnzahl Beiträge:5
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23 Postings, 8035 Tage Taxi HabibRückblick, Stoibers Versprechen

 
  
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25.11.02 11:26
Dieses Jahr hatte eigentlich gut begonnen für Edmund Stoiber. Angela Merkel servierte ihm die Kanzlerkandidatur auf dem Frühstückstablett, in den Umfragen überholte die Union erstmals seit langem die SPD.Dann aber kam der Kandidat sich selber in die Quere.

Sein Erinnerungsvermögen an die eigenen Forderungen von früher und sein Kostenbewusstsein spielten ihm einen Streich. Öko-Steuer abschaffen? Schnee von gestern. Neuverschuldung drosseln? Kein Thema mehr für Stoiber. Subventionen für die neuen Länder stoppen? Nein, im Gegenteil. Jetzt dürfen es gern ein paar Milliarden mehr sein.
Jürgen Flettner und Thomas Leif über den Kanzlerkandidaten und seine kostspieligen Konzepte.

Ein Mann will nach oben. Erst der monatelange Kampf um die Kandidatur, dann der Sieg. Stoiber, der Kandidat, der Macher. Selbstbewusst, kompetent, vor allem in Finanz- und Wirtschaftsfragen, so heißt es von der neuen Lichtgestalt der Union.
Mit seiner Nominierung hat der Wahlkampf-Countdown bis zum September begonnen. Anpacken für den Aufschwung, so jedenfalls lautet der erste zentrale Slogan für die Plakatwände.

Der Wahlkämpfer Stoiber verspricht:
-Ton, Edmund Stoiber, CSU, Kanzlerkandidat, 16.01. 2002:
»... und es muss mehr Geld natürlich gegeben werden.«
Nach der gelungenen Kandidateninszenierung jetzt das harte Politgeschäft. Aufbruch zum Stimmenwerben.Alte Überzeugungen und teuere Wahlversprechen. Was bleibt davon übrig, wenn Stoiber auf dem harten Boden der finanzpolitischen Realität aufschlägt?

O-Ton: Beispiel 1) Ökosteuer. Jahrelang war sie eine der Antriebsquellen des Oppositionsprotests gegen Rot-Grün. Ihre Rücknahme galt in der CDU/CSU als beschlossene Sache, wenn die Union wieder regiert.
O-Ton, Edmund Stoiber, CSU, (Archivmaterial):»Diese Öko-Steuer ist in einem hohen Maße ungerecht und sie ist unsozial!«
O-Ton, Edmund Stoiber, CSU, (Archivmaterial):»Wir werden alles tun, damit sie wieder abgeschafft wird.«
Von wegen! Mittlerweile hat der Kanzlerkandidat dazu gelernt.
O-Ton, Edmund Stoiber, CSU, Kanzlerkandidat, 20.01.2002:»Jetzt können wir sie nicht mehr zurückdrehen, weil wir können nicht Fakten, die geschaffen worden sind und die sicherlich falsch waren, auf einen Schlag zurücknehmen, weil es ja unseriös ist.«Also eine Kehrtwende. Führende Wirtschaftsexperten wundert das nicht, denn die ganze Debatte war von vorneherein verlogen.
O-Ton, Prof. Norbert Walther, Chefvolkswirt der Deutschen Bank:»Ich finde manches von der Debatte ohnehin Falschmünzerei, denn natürlich hat die CDU/CSU in ihrer Regierungszeit durch kräftige Mineralölsteuererhöhungen zu ganz wichtigen Teilen zu dem gleichen Ziel, nämlich der zurückhaltenden Nutzung von Kraftstoffen, beigetragen. Und manchmal hat man das Gefühl, dass nicht wahrgenommen wird, dass die Erhöhung der Mineralölsteuer praktisch die gleichen ökonomischen Effekte hatte wie jetzt die Öko-Steuer.« O-Ton, Prof. Rolf Peffekoven, wiss. Beirat des Bundesfinanzmin.:»Wer sie abschaffen will, müsste also Vorschläge machen, wie dann die Rentenversicherung finanziert werden soll.
Beispiel 2) Familienpolitik. Die Union verspricht einen Geldsegen, ein üppiges Familiengeld statt Kindergeld und Steuerfreibetrag, wie bisher. 600 Euro pro Kind und Monat in den ersten drei Jahren, einkommensunabhängig.
O-Ton, Edmund Stoiber, CSU:»Wir müssen uns wieder klarmachen, was Familien leisten und was uns Familien wert sind. Und dafür treten wir ein, dafür werben wir und dafür kämpfen wir.«Kinder fördern, Familien stärken – eine der Wahlkampfbotschaften der Union. Kosten für das Familiengeld – ca. 25 Milliarden Euro pro Jahr. Ohne radikale Eingriffe nicht zu realisieren, meint jedenfalls einer der familienpolitischen Vordenker in Deutschland, Jürgen Borchert. Er hat gerade ein neues Modell zur Familienförderung entworfen, für die Hessische Staatkanzlei, als Berater von Stoibers Unionsfreund Roland Koch. Von Stoibers Familiengeld hält er nichts.
O-Ton, Jürgen Borchert, Familienexperte:»Nicht ein Pfennig daran ist ein echtes Geschenk, sondern es ist nur die Kompensation der Ungerechtigkeiten unserer sogenannten Transfersysteme, nämlich Steuern und Sozialversicherung. Was hier passiert, ist das alte Muster, dass man den Familien die Sau vom Hof klaut und dann drei Koteletts zurückbringt und dann ein Dankeschön erwartet. Das kann den Familien nicht helfen. Hier wird ein Bärendienst geleistet für die Familien. Tatsache ist, dass die Rechnungen in diesem Vorschlag etwa 25 Milliarden Euro ohne Deckung sehen, und das bedeutet, dass es für einen Fiskalpolitiker natürlich unseriös ist.
Beispiel 3) neue Milliarden für den Aufbau Ost. Blühende Landschaften, finanziert aus westdeutschen Steuergeldern, ausgerechnet für PDS-Wähler im Osten? Es war gerade Stoibers CSU, die stets eisernes Sparen forderte und die hohen Subventionen für die neuen Bundesländer anprangerte. Wiederholt drohte Bayern auch deshalb mit dem Ausstieg aus dem Länderfinanzausgleich, zog 1998 sogar vor das Bundesverfassungsgericht. Bis vor kurzem noch Stoibers Plädoyer für stärkere Eigenleistungen der Ostländer:
O-Ton, Edmund Stoiber, CSU, (Archivmaterial):»Sie müssen sicherlich sich noch mehr konzentrieren darauf, dass sie mehr selber leisten müssen. Man kann nicht nur immer auf die Leistungsstarken rechnen und hoffen.«
Mittlerweile schlägt der Kandidat andere Töne an. Vom harten Kritiker der ostdeutschen Subventionsmentalität zum guten Onkel aus dem Westen.Auch Stoiber weiß: Der Osten kann wahlentscheidend sein.
O-Ton, Edmund Stoiber, CSU, Kanzlerkandidat, 20.01. 2002:»Es ist doch in unserem Interesse, in unserem Interesse ist es doch, dass es den neuen Ländern gut geht. Je besser es diesen Ländern geht, desto weniger muss sozusagen Finanzausgleich gezahlt werden.«So verspricht Stoiber heute 10 Milliarden Euro, um den Wirtschaftsmotor in den neuen Bundesländern anzukurbeln. Das Urteil des Wirtschaftsexperten dazu:
O-Ton, Prof. Helmut Seitz, Wirtschaftswissenschaftler Eurouniversität Viadrina, Frankfurt/Oder:»Also von den Vorschlägen, die bisher auf dem Tisch liegen, das sind ja alles nur Vorschläge, die unmittelbar Geld kosten oder zu Steuerausfällen führen, kann man eigentlich, per Saldo eigentlich nur sagen, sie passen eigentlich nicht in unsere Landschaft. Ich glaube, dass gehört wirklich zum Geschäft eben im Wahlkampf, aber ökonomisch sind die Vorschläge eigentlich nicht haltbar.«
O-Ton: MusikBeispiel 4) die Konsequenz der teueren Versprechen: Stoiber will sogar eine weitere Neuverschuldung des Bundes in Kauf nehmen. Und dies, obwohl er vor kurzem noch SPD-Finanzminister Hans Eichel gerade wegen der hohen Staatsschulden attackiert hatte.
O-Ton, Edmund Stoiber, CSU:»Deutschland, das beim Stabilitätspakt so darauf beharrt hat noch vor 3-4 Jahren, ist jetzt das Schlusslicht auch in der Verschuldung.«Rot-Grün, so die Union jahrelang, könne nicht mit Geld umgehen. Und: Neue Schulden bedeuteten einen Diebstahl an den kommenden Generationen. Für den Kandidaten Stoiber scheint dies nicht mehr zu gelten.
O-Ton, Edmund Stoiber, CSU, Kanzlerkandidat, 20.01.2002:»Wir haben jetzt eine Situation, jetzt eine Situation, wo wir durchaus auch sagen müssen: Den Spielraum, den wir möglicherweise noch als Verschuldung haben bis zur Grenze 3,0, und ich meine, dass wir jedenfalls einen Teil dieses Spielraums hernehmen müssen, um Wachstum anzustreben.« O-Ton, Prof. Jürgen Kromphardt, Mitglied des Sachverständigenrats:»Ja, das halte ich insofern für bedauerlich, dass man jetzt den Konsolidierungspfad, der nun seit 1996 gefahren wird, der Finanzminister Waigel hat damit angefangen, und dass man eben die sehr hohe Neuverschuldung bei uns reduziert. Und wenn man jetzt durch Programme, deren ökonomische Rechtfertigung fraglich ist, wenn man diesen Konsolidierungspfad nun verlässt, das würde ich also für sehr schlecht halten.«Frage: Wie ist da Ihre Bewertung?O-Ton, Prof. Jürgen Kromphardt, Mitglied des Sachverständigenrats:»Ja, insofern ist meine Bewertung negativ.«
O-Ton, Prof. Rolf Peffekoven, wiss. Beirat des Bundesfinanzmin:»Also ich halte das für völlig unvertretbar, von irgendeinem Politiker jetzt stärkere Neuverschuldung zu fordern. Sicher wird man konzedieren müssen, dass in einem Konjunkturabschwung, wie wir ihn jetzt haben, die Defizite etwas höher werden, weil automatisch geringere Steuereinnahmen anfallen und mehr für den Arbeitsmarkt gezahlt werden muss. Darüber hinausgehende Neuverschuldung halte ich für verantwortungslos.«
Zwei Wochen Kanzlerkandidat Stoiber. Neuverschuldung ja. Steuerreform vorziehen? Vielleicht oder auch nicht. Geldversprechen für Familien, für den Osten, aber ohne Gegenfinanzierung.CDU und CSU, so scheint es, haben sich in zentralen Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik noch nicht strategisch abgestimmt.

Das Urteil der Experten:
O-Ton, Prof. Jürgen Kromphardt, Mitglied des Sachverständigenrats:»Also insgesamt würde ich die Politik für verfehlt halten.«

O-Ton, Prof. Helmut Seitz, Wirtschaftswissenschaftler Eurouniversität Viadrina, Frankfurt/Oder:
»Im Prinzip nicht ernst zu nehmen. Es lohnt sich kaum, darüber nachzudenken.

«O-Ton, Prof. Rolf Peffekoven, wiss. Beirat des Bundesfinanzmin.:
»Das können wir im Augenblick nicht finanzieren und deshalb werden wir das alles nicht bekommen.«
O-Ton, Jürgen Borchert, Familienexperte:»Hier wird etwas verkauft, was letztlich eine Luftnummer ist, weil die konkreten Einzelheiten, die wirklich wichtig sind, gerade in fiskalpolitischer Hinsicht, fehlen.«
O-Ton, Prof. Norbert Walther, Chefvolkswirt der Deutschen Bank:»Wenn ich das richtig sehe, kam der Start nicht gut an.«
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O-Ton TaxiHabib:

Heisse Luft nix als heisse Luft und jetzt das Maul aufreissen. Da gehört doch mit Eisenbahnschienen reigehauen!

 

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25.11.02 11:53

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27.11.02 08:03

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