Was wird der DAX machen ?
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 25.04.21 10:51 | ||||
Eröffnet am: | 23.02.02 19:39 | von: Nilrem | Anzahl Beiträge: | 7 |
Neuester Beitrag: | 25.04.21 10:51 | von: Utewvnba | Leser gesamt: | 2.569 |
Forum: | Börse | Leser heute: | 2 | |
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Bulle und Bär
David Bowers, 42, ist als Chef Investment Strategist von Merrill Lynch für die globale Anlagestrategie der amerikanischen Investmentbank verantwortlich. Er arbeitet seit der Übernahme von Smith New Court 1995 für Merrill Lynch. Davor war er zehn Jahre lang für die europäische Anlagestrategie zuständig. Der gebürtige Brite lebt seit 18 Monaten in New York.
Mr. Bowers, selbst die größten Pessimisten an der Wall Street gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Talsohle in den USA durchschritten ist. Wie stark wird der Aufschwung?
Der Zyklus wird entscheidend von der Entwicklung der Lagerbestände geprägt. Im vergangenen Jahr haben wir eine dramatische Reduzierung der Bestände erlebt, wie es sie zuletzt in den Fünfzigerjahren gab. Das allein hat zwei Prozent Wirtschaftswachstum gekostet. Um die Nachfrage zu decken, wird jetzt wieder produziert. Das könnte innerhalb kürzester Zeit zwei Prozent Wachstum bringen, so die Optimisten.
Sie scheinen nicht ganz einverstanden?
Die Konjunktur dreht, daran gibt es keinen Zweifel. Aber das ist leider nur die halbe Wahrheit. Die entscheidende Frage ist: Kommt der benötigte anschließende Schub? Und da wird es ideologisch.
Inwiefern?
Wichtig sind kurzfristig die Kapitalausgaben der Unternehmen. Das Lager der Bullen glaubt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der von neuen Investitionen angetriebene Aufschwung kommt. Die pessimistischen Stimmen warnen, dass dafür erst einmal solide Bilanzen, einbehaltene Gewinne und bessere Margen notwendig sind. Und dass es nicht danach ausschaut, als wären wir in absehbarer Zeit soweit.
Zu welchem Lager gehören Sie?
Natürlich kann es kurzfristig zu einer Erholung kommen, aber ich sehe nicht, wie wir zu dem Boom der späten Neunzigerjahre zurückkehren können. Die große Gefahr besteht darin, dass in den nächsten sechs Monaten einfach nicht zu unterscheiden ist, ob es sich nur um den Aufschwung im Lagerbestandszyklus handelt oder ob mehr dahinter steckt.
Welche Rolle spielen die US-Verbraucher?
Die spannende Frage lautet: Hat die US-Zentralbank mit ihren elf Zinssenkungen den Tag des Jüngsten Gerichts, an dem die Amerikaner endlich einmal beginnen zu sparen, nicht nur hinausgeschoben? Wir haben unsere Zweifel, ob die US-Verbaucher noch lange wie bisher munter weiter konsumieren können. In den vergangenen Jahren kam der Produktivitätszuwachs aus dem technologischen Wandel. Von jetzt an müssen Unternehmen zunehmend auf Stellenabbau zurückgreifen. Wer keinen Job mehr hat, kann auch nicht weiter auf Kredit kaufen. Wenn die Privathaushalte durch eine drei- oder vierjährige Rückzugsphase gehen, sieht es für die US-Wirtschaft düster aus.
Wer sorgt dann für den globalen Aufschwung?
Keiner rechnet ernsthaft damit, dass die Dynamik aus Japan kommt. Die Geschichte lehrt uns, dass das Land, das uns in die Blase geführt hat, nicht dasjenige ist, das uns da wieder rausführt. Bleibt Europa als einziger Wirtschaftsraum, der die Führung im nächsten Zyklus übernehmen könnte. Doch die Anzeichen dafür sind äußerst schwach. Also auch hier die Befürchtung: Wir sehen zwei oder drei Quartale starkes Wachstum und fallen dann mangels Impulsen zurück in eine deflationäre Welt.
Welche Auswirkung hat die zusätzliche Glaubwürdigkeitskrise der US-Unternehmen wegen der Diskussion um zweifelhafte Bilanzen?
Das ist kein rein amerikanisches Phänomen, genügend europäische Unternehmen haben dieselben Probleme. Die lassen sich lösen, allerdings haben solche Krisen das Potenzial, viel weiter zu wirken.
Was meinen Sie damit?
Inmitten dieses unsicheren Aufschwungs könnte die Bilanzierungsfrage nicht nur zu einem Umdenken in Sachen Bilanzen führen, sondern vielmehr die gesamten Bewertungen infrage stellen. Wenn es eine Konsequenz für die Börse gibt, dann die, dass die relative Überbewertung des US-Marktes infrage gestellt wird. Wir fragen monatlich Fondsmanager, in welchem Markt sie die Entwicklung der Unternehmensgewinne für am zuverlässigsten vorhersehbar halten. Im Februar sank die Zahl derer, die dem US-Markt die höchste Verlässlichkeit bescheinigen, von 57 auf 37 Prozent.
Welche Folgen hat das?
Die Fondsmanager erwarten, dass das Gewinnwachstum in Schwellenmärkten nur knapp hinter dem der USA liegen wird. Gleichzeitig sind diese Märkte aber viel billiger. Warum also US-Bewertungen bezahlen, wenn es vergleichbare Gewinnzuwächse auch woanders gibt. Schwellenmärkte sind sehr zyklisch und profitieren von einem eventuellen Aufschwung stark. Unter Fondsmanagern sind sie jetzt auf der Beliebtheitsskala zum ersten Mal ganz oben.
Schwellenmärkte waren für Anleger nicht gerade der Renner in den vergangenen Jahren.
Der Grund dafür liegt im Jahr 1999. Damals entdeckten Anleger einen neuen Schwellenmarkt, der den traditionellen Märkten dann das Kapital entzog: die Nasdaq. Die Technologiewerte sind aber jetzt so teuer, dass sich eine Diversifizierung weg von Technologie lohnt. Der Tod der Nasdaq könnte mit der Wiedergeburt der Schwellenmärkte zusammenfallen.
Und Anleger, die weiterhin in den USA investieren wollen?
Wer an einen V-förmigen Aufschwung glaubt, fährt mit zyklischen Werten am besten. Wir glauben allerdings an einen verhaltenen Aufschwung und raten deshalb weiter zu defensiven Qualitätswerten. Eines zeigt sich auch in unserer Fondsmanagerumfrage deutlich: Kaufen und Halten ist jetzt die falsche Strategie. Man sollte die großen Schwünge mitmachen, verkaufen, mit den Gewinnen Kasse machen und auf die nächste Welle warten.
Michael Baumann/New York