Der folgende Artikel aus "Capital" liest sich wie eine Quintessenz dieses Threads - und straft die Behauptung der Knappheitsapostel Lügen, die Preistanstiege kämen "marktgetrieben" wegen Knappheit bzw. rückläufiger Vorkommen (Öl Peak) und/oder starke Nachfrage aus Asien zustande. Fakt bleibt: Bei Aluminium gibt es in den Metalllagerhäusern der Schacherer bereits riesige Halden - wegen konjunkturbedingt schwacher Nachfrage... Rohstoff-Roulette Wie Investmentbanken die Preise manipulieren Die Geldhäuser haben das Geschäft mit Metallen, Öl und Strom für sich entdeckt. Sie steigen massiv in den physischen Handel ein, sichern sich Tanker, Lagerstätten und Kraftwerke. Durch diese Marktmacht verknappen sie das Angebot und treiben die Preise hoch. Privatanleger sollten sich vor Spekulationsblasen hüten. Mit Essen spielt man nicht. Manche Banken schon: Am Montag, den 10. Mai um 14.30 Uhr ist in einem Speicherhaus in Rotterdam plötzlich ein Platz leer, an dem zuvor zehn Tonnen Kakaobohnen in Jutesäcken lagerten. 20 Jahre lang wurden sie von Banken und anderen Finanzinvestoren hin und her verkauft. Die Kakaopreise steigen seit Jahren, die Geldjongleure behielten die Bohnen zwecks Spekulation. Im Frühjahr war ihnen der Preis dann offenbar hoch genug: Die Bohnen wurden an ein Unternehmen verkauft und kamen endlich in die Realwirtschaft. Und es bleibt nicht bei Kakao. Längst haben die Spekulanten auch Grundgüter wie Zucker, Kupfer, Zink oder Öl entdeckt. Was immer der Rohstoffmarkt hergibt. Insbesondere die großen Investmentbanken drängen in den Handel mit physischen Gütern. Allein der Wall-Street-Gigant Goldman Sachs hat inzwischen physische Rohstoffe im Wert von mehr als drei Milliarden Dollar unter Kontrolle. Gemeinsam mit Morgan Stanley und JP Morgan spinnt Goldman Sachs ein umfassendes Netz. Die Banker kaufen Lagerhäuser, Kraftwerke, Ölterminals oder Pipelines und chartern Tankschiffe. Europäische Häuser wie die Deutsche Bank oder Credit Suisse machen es ihnen nach. Der als Krisenprophet bekannt gewordene Ökonom Nouriel Roubini bezeichnet die Großbanken angesichts solcher Entwicklungen inzwischen als "Finanzsupermärkte". Die Rechnung für das Rohstoffspiel der Banken zahlen Verbraucher und Wirtschaft: Die spekulativen Investments verknappen das Angebot und treiben damit die Preise. Und steigende Rohstoffpreise verteuern Lebensmittel und Güter. Die Einkaufskosten der Firmen klettern und damit die Preise für ihre Produkte. Erst vor zwei Jahren wurde eindrucksvoll klar, welche Auswirkungen etwa ein explodierender Ölpreis auf die Konjunktur hat: Etliche Autozulieferer ächzten unter den rasant steigenden Rohstoffpreisen. Die Banken hingegen verdienen am Preisboom. Und sie vergrößern ihre Rohstoffsparten stetig. ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz warnt bereits: Es drohe sich eine "gewaltige Blase auf dem Rohstoffmarkt zu bilden", die sogar noch größere Probleme bereiten könnte als das Platzen der Immobilienblase vor zwei Jahren. Auch die Politik ist alarmiert. Am 7. Juni rief Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zum Rohstoffgipfel. Abgesandte des Ministeriums diskutierten mit Wirtschaftsvertretern über mögliche Gegenmaßnahmen. Ein weiteres Treffen ist für den 21. Juni geplant. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisiert das Vorgehen der Banken. Insidern zufolge erörtert er mit seiner französischen Kollegin Christine Lagarde ein Maßnahmenpapier für mehr Transparenz an den Rohstoffmärkten. "Die enorme Preisvolatilität auf den Rohstoffmärkten ist ein großes Problem", beklagt der Minister. Den Banken erschließt das Geschäft mit Öl, Kupfer, Aluminium oder Weizen und Kakao gleich eine ganze Reihe lukrativer Ertragsquellen. Schließlich bieten die Häuser ihren Kunden traditionell auch Absicherungsgeschäfte gegen Preisschwankungen an. Die Ironie: Es sind die Banken selbst, die durch ihre Spekulationsgeschäfte die Preise immer schwankungsanfälliger machen. Zudem legen die Institute Finanzprodukte auf Gold, Kupfer, Öl oder Weizen und Soja auf. Damit locken sie Profis, aber auch Kleinanleger und verdienen an den Provisionen. Was vor allem Privatanlegern oft nicht bewusst ist: Diese Nachfrage treibt die Preise der physischen Güter immer weiter nach oben – ohne dass die echte Nachfrage von Industrie und Verbrauchern steigt. Dadurch wächst die Gefahr einer Spekulationsblase. Wenn Anleger die Furcht packt und sie aussteigen, stürzen die Preise ins Bodenlose, Vermögen werden vernichtet. 2008 brach etwa der Platinpreis um mehr als die Hälfte ein. Der Preis einer Tonne Nickel kollabierte von Mitte 2007 bis Ende 2009 von 50.000 auf 10.000 Dollar. Goldman Sachs ist eine der Banken, die in der Vergangenheit stets von platzenden Blasen profitierten. Wie kein anderes Haus läuft der Finanzriese den Märkten voraus, sammelt Geld, Wissen und Erfahrung – und steigt dann als Erster aus. Auch im Rohstoffmarkt waren die Goldmänner der erste große Finanzakteur. Bereits in den 80er-Jahren kaufte der Wall-Street-Primus den Gold- und Kaffeehändler J. Aron & Company. Das Rohstoffgeschäft wurde immer weiter ausgebaut. 2003 übernahm der damalige Vorstandschef Henry Paulson für 2,4 Milliarden Dollar den Kraftwerksbetreiber Cogentrix Energy. Heute ist das Haus führend im Handel von Öl, Strom und Industriemetallen. Der letzte Zukauf war die Übernahme des US-Lagerhausbetreibers Metro International – Insidern zufolge für 550 Millionen Dollar. Möglicherweise wanderten auch die Kakaobohnen einmal durch die Hände des Wall-Street-Giganten – wer vermag das nach all den Jahren schon zu sagen. "Richtig gelagert, können Kakaobohnen problemlos ein paar Jahre überdauern", sagt Hans Cleton. Der groß gewachsene Mann mit grauem, kurzem Vollbart zuckt mit den Achseln. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Cleton als Lagerhausmanager in Europas größtem Seehafen Rotterdam. Er hat Tausende Tonnen an Rohstoffen durch die Hallen rochieren sehen, da bringen ihn zehn Tonnen Kakao nicht aus der Ruhe. Wolf Kropp-Büttner hingegen ärgert sich maßlos über die Verschwendung. Mit 20 Jahre alten Bohnen kann der Geschäftsführer des Premiumschokoladenherstellers Hachez nichts mehr anfangen. "Die eignen sich allenfalls noch für Kakaobutter." Kropp-Büttner braucht Edelkakao, und der ist knapp. Um Engpässe zu vermeiden, muss sich der Unternehmer den weit im Voraus sichern. Das schmerzt: Seit 2007 ist der Preis um das Zweieinhalbfache gestiegen. Obwohl Angebot und Nachfrage in etwa gleich geblieben sind. Für Kropp-Büttner ist die Sache klar: "Die Spekulanten haben den Kakao entdeckt, und wir müssen zahlen." Und Spekulanten gibt es viele, Goldman Sachs ist das große Vorbild. Zum Beispiel für Blythe Masters. Die 40-Jährige ist selbst eine Legende: Seit 1991 arbeitet sie für JP Morgan. Sie fing als Rohstoffhändlerin an, als sie frisch vom College kam. 2004 wurde sie Finanzchefin der Großbank – mit gerade 34. Seit 2007 steht sie an der Spitze der Rohstoffabteilung. Die expandiert unter ihrer Führung so aggressiv, dass Masters die mächtigste Frau an der Wall Street ist. Jetzt will sie für 1,7 Milliarden Dollar Teile des Rohstoffhändlers RBS Sempra kaufen. Damit würde JP Morgan zu den beiden Banken aufschließen, die das Rohstoffgeschäft jahrzehntelang dominierten: Goldman Sachs und Morgan Stanley. Sie wolle einen "wirklichen Weltführer" aufbauen, verspricht Masters. Die Deutsche Bank bot ebenfalls für RBS Sempra, ging aber leer aus. Im Rotterdamer Hafen heben Kräne Paletten mit 700 Kilo schweren Aluminiumbarren aus dem rostigen Rumpf der "Kapitan Chukhchin". Sechs Tage war der russische Frachter von St. Petersburg nach Rotterdam unterwegs. Dicht an dicht sind auf der Pier die glänzenden Barren gestapelt. Dort bleiben sie liegen. Wegen der schleppenden Wirtschaftslage verbrauchen die Unternehmen weniger Metall, die Hütten in Murmansk, Archangelsk und Island produzieren auf Halde. Für sie ein Problem, für die Banken, die Lagerhäuser betreiben, ein Klassegeschäft: Die Einlagerung einer Tonne Aluminium bringt 40 Cent pro Tag. Derzeit lagern weltweit mehr als 4,5 Millionen Tonnen des Metalls. Zwei der sechs größten Lagerhausbetreiber sind in der Hand von Banken: Metro International gehört zu Goldman Sachs, Henry Bath zu JP Morgan. Die Lagerung von Rohstoffen ist nur der Anfang der Gelddruckmaschine: "Die Investmentbanken steigen überall dort ein, wo sich durch Preisdifferenzen lukrative Geschäftsgelegenheiten ergeben", sagt Alfred Evans, Chef des Vermögensverwalters Islan Asset Management. "Sie nehmen immer weitere Teile der Wertschöpfungskette ins Visier." Im vergangenen Jahr war Heizöl zur sofortigen Lieferung deutlich billiger als zu einem späteren Abgabetermin. Die Differenz zwischen dem sogenannten Spotmarktpreis für die sofortige Abnahme und dem Terminpreis für die Lieferung im Folgemonat lag bei mehr als 1,50 Dollar je Fass. Wer Rohöl horten konnte, machte ein gutes Geschäft. So kaufte JP Morgan im Frühjahr 2009 einen Tanker mit zwei Millionen Barrel Heizöl und verkaufte die Fracht zu einem Termin im Winter. Gerd Henning Beck, Rohstoffexperte der Fondsgesellschaft Lupus alpha, überschlägt den Profit: zwei Millionen Dollar im Monat. Nur für das Liegenlassen des Öls. "Für die Investmentbanken war das ein fast risikoloser Verdienst", sagt Beck. Da der Verkaufspreis bereits beim Kauf des Rohstoffs festgestanden habe, generiere sich der Gewinn von selbst. Wie JP Morgan verdienten auch Goldman Sachs und Barclays so ihr Geld. Die Briten gründeten sogar eine eigene Reederei namens Pendle. "Im vergangenen Jahr war der Ölhafen zeitweise voll besetzt mit diesen schwimmenden Ölsilos", so Minco van Heezen von der Rotterdamer Hafenbehörde. Der Hedge-Fonds Blue Gold Capital Management erwirtschaftete mit Ölgeschäften seit seiner Gründung im Februar 2008 bis Ende vergangenen Jahres eine Rendite von 380 Prozent. Derartige Zahlen überzeugen. Zwar weist keine Bank einzeln aus, welche Renditen sie im physischen Rohstoffgeschäft einfährt. Dafür zeigen die Häuser ihre Bestände. So besaß Goldman Sachs im Jahr 2008 Rohstoffe im Wert von 500 Millionen Dollar. Ein Jahr später waren es bereits Güter im Wert von 3,7 Milliarden Dollar. Bei Barclays hat sich das Volumen auf 3,6 Milliarden Dollar verdreifacht, bei Morgan Stanley auf 5,3 Milliarden verdoppelt. Den größten Zuwachs verzeichnete JP Morgan. Mit einem Anwachsen des Rohstoffbestands von 3,6 auf zehn Milliarden Dollar. Lediglich die Credit Suisse gibt genauere Zahlen heraus. 2009 erzielten die Schweizer im Eigenhandel mit Rohstoffen, Emissions- und Energieprodukten einen Ertrag von 560 Millionen Schweizer Franken. Das sind fünf Prozent des gesamten Handelsergebnisses. Gewinne durch den An- und Verkauf von Edelmetallen sind nicht inbegriffen. Die Deutsche Bank ist das einzige heimische Institut, das eine Rolle im weltweiten Rohstoffgeschäft spielt. Laut Geschäftsbericht verlief das Geschäft 2009 "sehr erfolgreich" und genießt "strategische Priorität". Das Haus wollte gegenüber Capital keine Zahlen nennen. Gibt aber immerhin zu, dass die Bedeutung des Geschäftsfelds erheblich gestiegen ist. "Langfristig wollen wir noch weiter vorn dabei sein", sagt Steffen Rapp, Leiter des deutschen Rohstoffhandels bei dem Geldhaus. 2005 arbeiteten in der Rohstoffabteilung noch 95 Mitarbeiter. Ende 2009 waren es weltweit rund 300. "Und wir bauen den Bereich weiter aus", sagt der Rohstoffchef. Obwohl Banken den Markt bereits gut erschlossen haben, erwarten Experten mehr. Denn das Geschäftsfeld ist noch relativ jung. "Der Markt hat erst in den vergangenen zehn Jahren stark an Bedeutung gewonnen", sagt Robert Grübner, Investmentbankexperte der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). "Bei den Investmentbanken machen Rohstoffgeschäfte zwischen drei und fünf Prozent des Segments Fixed Income aus.” Fixed Income umfasst den Handel mit Anleihen, Derivaten und Rohstoffen. Deren Anteil sieht Grübner steigen: "Das ist ein großer Markt." Abzocke bei der AbsicherungKaum mit Geld aufzurechnen sind die Informationen, die die Handelsabteilungen der Banken aus dem physischen Güterumschlag gewinnen. Verzögert sich etwa die Ankunft eines Tankers wegen eines Sturms auf dem Atlantik oder ist in Westaustralien eine Eisenbahnstrecke von den Erzminen zu den Häfen blockiert, beeinflusst das die Rohstoffpreise. Wer die Information als Erster hat, kann darauf spekulieren – und kurzfristig hohe Profite einheimsen. Die Industrie hingegen hat ein Interesse an möglichst stabilen Preisen. Sie leidet unter den starken Schwankungen, vor allem dann, wenn sie die Preise für ihre Produkte für ein Jahr im Voraus bestimmen muss, die Rohstoffe aber nicht für den gleichen Zeitraum zu fixen Preisen einkaufen kann. Absicherungsgeschäfte sind für sie daher essenziell. Nach Erhebungen der Unternehmensberatung Oliver Wyman sichern sich etwa 50 Prozent aller europäischen Unternehmen mit mehr als drei Milliarden Euro Jahresumsatz gegen Rohstoffpreissteigerungen ab. Bei den kraftstoffintensiven Unternehmen wie Airlines seien es nahezu 100 Prozent, in der Metall verarbeitenden Industrie 60 bis 70 Prozent. Dabei sind die Unternehmen auf ihre Hausbanken angewiesen. Die bieten ihnen neben dem Weg über die Terminbörsen in London, New York oder Chicago auch komplexe Produkte wie Swaps. Nach Angaben des Finanzdienstleisters Thomson Reuters machten 2009 allein Goldman Sachs, JP Morgan, Morgan Stanley und die Bank of America Rohstofftermin- und Derivatgeschäfte im Wert von insgesamt vier Billionen Dollar. Daneben wirkt selbst der gigantische globale Ölmarkt winzig: Er umfasst nur rund zwei Billionen Dollar. Die Banken spielen dabei ein doppeltes Spiel: Insidern zufolge ist die Spekulation mit Optionen und Swaps nicht nur volumenstark, sondern auch renditeträchtig. "Aus den Informationen und dem Wissen des physischen Handels haben wir sehr viel Gewinn im Derivategeschäft gemacht", verrät ein ehemaliger Rohstoffbroker. "Die Banken pushen das Geschäft über ihre Firmenkundenberater, die die Produktpalette aktiv anbieten", sagt Klaus Hölzer von Oliver Wyman. Die Bank verdient daran über eine "Versicherungsprämie." Wie viel dabei für die Geldhäuser abfällt, bleibt geheim. Grundsätzlich hängt der Preis vom gewählten Absicherungsprodukt vom jeweiligen Rohstoff und auch von der Bonität des Kunden ab. Je stärker der Markt schwankt, im Fachjargon Volatilität genannt, umso nötiger braucht der Unternehmer die Absicherung – und desto höher ist auch der Preis. Je höher die Gefahr ist, dass ein Unternehmer ausfällt, desto teurer die Prämie. "Was die Margen betrifft, sind das interessante Geschäfte für die Banken”, sagt BCG-Experte Grübner. Mehrere Unternehmer aus der Industrie erklärten gegenüber Capital, dass sie von einer Absicherung absahen, als sie feststellten, dass die Gebühren genauso hoch waren wie die zu erwartenden Preissteigerungen. Grundsätzlich gilt: "Je komplizierter das Produkt und je mehr Bedingungen miteinander verknüpft werden, desto interessanter ist die Gewinnspanne.” Der Heizungs- und Klimatechnikhersteller Vaillant braucht jährlich große Mengen an Kupfer, Aluminium, Stahl und Magnesium. Wie andere Unternehmen legt Vaillant seine Preise ein Jahr im Voraus fest. Schnellen die Rohstoffe in die Höhe, drohen Einbußen. "Wir schließen mit unseren Händlern oder über die Börse Verträge über ein Jahr ab und kaufen nur so viel ein, wie wir verarbeiten können", sagt Einkaufsleiter Friedhelm Schlösser. Das Unternehmen kann damit seine Preise sicher kalkulieren. Allerdings kann es damit nicht in günstigen Zeiten zuschlagen und sich das Material ins Lager legen, sprich von fallenden Preisen profitieren. "Aber das ist uns lieber, als zu spekulieren”, so Schlösser. Rohstoffgeschäfte Woran die Banken verdienen | Die Institute partizipieren bereits an weiten Teilen der Wertschöpfungskette. Nur Abbau und Förderung fehlen noch | Lagerung und Transport Junges Geschäftsfeld Das Betreiben von Lagerhäusern und der Transport von Öl, Industriemetallen und anderen Rohstoffen ist ein lukratives Geschäft. JP Morgan und andere verladen günstig gekauftes Öl auf Tanker und lassen diese auf Reede liegen oder schippern es so lange über die Weltmeere, bis der Preis gestiegen ist.
Selbst die angeschlagene Konjunktur befördert das Geschäft: Da die Industrie derzeit weniger Metall verbraucht, als hergestellt wird, produzieren die Hütten in Murmansk, Archangelsk oder Island auf Halde. Die Einlagerung von Aluminium in Rotterdam kostet 40 Cent je Tonne pro Tag. Diese Gebühr streichen Banken ein, die Lagerhäuser besitzen. | Handel und Absicherung Alte Bekannte Neben dem Eigenhandel mit physischen Rohstoffen bieten die Geldhäuser Firmenkunden Absicherungsgeschäfte gegen Preisschwankungen an. Die Industrie leidet zunehmend unter den starken Kursschwankungen der Rohstoffmärkte – vor allem wenn sie, wie viele Hersteller, die Preise für ihre Produkte ein Jahr im Voraus festlegen muss, die Rohstoffe aber nicht für den gleichen Zeitraum zu fixen Preisen einkaufen kann. Banken bieten diese Option über den Handel mit Terminkontrakten an den Warenbörsen in London, New York oder Chicago. Zudem verkaufen sie maßgeschneiderte Produkte – für die sie üppige Gebühren kassieren. | Investmentprodukte Neue Strategie Auch am Ende der Wertschöpfungskette verdienen die Banken: Sie verkaufen an Profis und private Anleger Rohstoffpapiere. Dazu zählen Fonds, Zertifikate oder börsengehandelte Indexprodukte (ETFs) auf Gold, Kupfer, Öl, aber auch Weizen oder Soja. Dafür kassieren die Institute hohe Provisionen. Der Ausgabeaufschlag eines Rohstofffonds kann bis zu zehn Prozent betragen. 2009 legten allein Investoren wie Versicherer oder Pensionskassen 60 Milliarden Dollar in Rohstoffen an. Umfragen zufolge dürfte die Summe dieses Jahr noch höher ausfallen. "Der Trend nimmt seit fünf Jahren stark zu", sagt Markus Brunnermeier, Wirtschaftsprofessor in Princeton. | Bis auf ThyssenKrupp kommentieren die Dax-Industriekonzerne das Rohstoffspiel der Banken nicht öffentlich. Doch hinter vorgehaltener Hand tritt die Wut der Konzernlenker zutage. "Wir wollen nicht spekulieren, wir brauchen eine Kalkulationsvorlage", sagt ein Vorstand. "Es kann nicht sein, dass die Banken in unser Geschäftsfeld vordringen", schimpft ein anderer. Warum sie das Problem nicht offen benennen? Aus Angst, ihre Bank werde ihnen postwendend die Kreditlinien streichen, sagen die meisten. Allein ThyssenKrupp-Chef Schulz ist der Marktmissstand offenbar wichtiger. Er warnt eindringlich, Rohstoffspekulanten würden möglicherweise "zu einer ernsthaften Bedrohung für die gesamte Stahlbranche und die Weltwirtschaft". ThyssenKrupp, Salzgitter und andere kochen ihren Stahl aus Eisenerz. Mit 900 Millionen Tonnen Umsatz pro Jahr ist das einer der größten Rohstoffmärkte. Der Zugang ist der Finanzindustrie bislang weitgehend verschlossen geblieben. Das Geschäft wird von den drei großen Lieferanten Rio Tinto, BHP Billiton und Vale bestimmt, die bis vor Kurzem ihren Rohstoff im Rahmen von langfristigen Lieferverträgen an die Hersteller weitergegeben haben. Jetzt läuft der Verkauf über Drei-Monats-Kontrakte, die sich stärker am weitaus höheren Spotmarktpreis orientieren. Bis dahin war der Spotmarktpreis für die Stahlhersteller kaum von Belang. Nur kurzfristiger Mehrbedarf wurde darüber eingekauft. Der einst stabile Eisenerzpreis unterliegt künftig also den gleichen Marktschwankungen wie die anderen Rohstoffe. Die Branche erwartet aus diesem Grund Preissteigerungen von mehr als 100 Prozent. Die Veränderungen am Eisenerzmarkt treffen vor allem deutsche Mittelständler aus dem produzierenden Gewerbe, die ohnehin schon unter immensem Preisdruck durch günstige asiatische Konkurrenten stehen. Andreas Dummer ist Geschäftsführer des Wuppertaler Hammerherstellers Picard. Seine 70 Mitarbeiter erwirtschaften einen Jahresumsatz von acht Millionen Euro. 100.000 Hämmer verlassen jeden Monat den Betrieb. Picard setzt vom ersten bis zum letzten Produktionsschritt auf made in Germany, auch beim Stahleinkauf. Bis zu 45 Prozent seines Produkts hängen von Lohnkosten ab. Der zweite große Posten sind mit 30 Prozent die Rohstoffkosten. Verzweifelte Suche nach AuswegenEr sieht keine Chance, die steigenden Stahlkosten weiterzugeben. Das Unternehmen ist klein, kann sich nicht leisten, aus dem Sortiment eines Fachhändlers gestrichen zu werden. Ohnehin sind seine Produkte schon sehr viel teurer als die der ausländischen Konkurrenz. "Das können wir aufgrund der Qualitätsunterschiede rechtfertigen", sagt er. "Doch Spielraum für weitere Preiserhöhungen gibt es nicht." | Neue Rockefellers | | Große Geldhäuser bauen ihr Rohstoffgeschäft immer weiter aus. Die wichtigsten Akteure | Goldman Sachs | Der Primus Die Investmentbank engagierte sich als eines der ersten Wall-Street-Häuser im Rohstoffmarkt: Bereits 1981 übernahm sie den Gold- und Kaffeehändler J. Aron. Im Jahr 2003 kaufte der damalige Chef Henry Paulson den Kraftwerksbetreiber Cogentrix Energy für 2,4 Milliarden Dollar. Heute ist Goldman überall aktiv und führend im Öl- und Goldhandel. | JP Morgan | Der Nachzügler Firmenchef Jamie Dimon nutzte die Finanzkrise, um im vernachlässigten Rohstoffgeschäft aufzuholen. Nach Abschluss der noch laufenden Übernahme des Händlers RBS Sempra für 1,7 Milliarden Dollar ist JP Morgan im weltweiten Öl- und Metallgeschäft sowie im Strom- und Gashandel in Europa ein Top-Player. Bereits 2008 kaufte das Institut den Energiehandel von Bear Stearns. | Morgan Stanley | Der Transporteur Die dritte große US-Investmentbank zahlte 2006 für die Ölreederei Heidmar sowie den Ölspediteur und Pipelinebetreiber Transmontaigne 634 Millionen Dollar. Auch im Energiehandel ist die Bank aktiv. | Barclays Bank | Die Unterschätzte Das britische Geldhaus zählt weltweit zu den Top 3. 2009 übernahm es von der angeschlagenen UBS den Handel mit Industriemetallen und Öl sowie das Gas- und Stromgeschäft in den USA. Zudem gründete die Bank eine Ölreederei. | Deutsche Bank | Der Verfolger Der deutsche Branchenprimus bot auch für RBS Sempra, kam aber nicht zum Zug. Das Institut stockt personell massiv auf, besonders im Handel mit Energierohstoffen und Industriemetallen. Ziel ist es, global ins Spitzentrio aufzurücken. Zudem kooperiert die Bank mit dem Zuckerhändler Czarnikow. | Vier Minuten Autofahrt von Picard entfernt ist der Hauptsitz von Stahlwille. 600 Mitarbeiter. 90 Millionen Umsatz pro Jahr. Mehr als 3000 Tonnen Stahl braucht das Unternehmen jährlich, um seine Handwerkzeuge zu produzieren. Im Vergleich zu Picard ist Stahlwille ein Riese. Einfacher ist das Geschäft für den Hersteller deshalb nicht. Preissteigerungen ließen sich derzeit nicht durchsetzen, sagt Jörg Czempisz, Vorsitzender der Geschäftsführung. "Vielleicht ist im nächsten Jahr eine moderate Anpassung drin." Doch das hilft ihm wahrscheinlich auch nicht. "Wir gehen davon aus, dass die Stahlpreise weiter steigen. Wenn die Konjunktur wieder anzieht, wollen alle ihre Läger füllen." Die Branche sucht verzweifelt nach Auswegen. Wenn die Volatilität anhält, "müssen die Unternehmen Lösungen innerhalb der Wertschöpfungskette finden”, sagt Andreas Möhlenkamp, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung (WSM). Soll heißen: dass die verarbeitenden Unternehmen mit den Käufern flexible Verträge aushandeln. Dass also der Preis, den etwa ein Autozulieferer von VW bekommt, erst bestimmt wird, wenn der Zulieferer weiß, zu welchem Preis er seinen Stahl einkaufen kann. "Es gibt auch wieder verstärkt Überlegungen, dass der Kunde den Rohstoff für den Verarbeiter kauft.” Absicherungsprodukte des Finanzmarkts will Möhlenkamp zurzeit lieber außen vor lassen. "Die Unternehmen wollen nicht, dass Spekulanten mitverdienen und die Preise für die Unternehmen noch weiter steigen.” Bundesfinanzminister Schäuble hinterfragt grundsätzlich, "ob Banken unbedingt selbst zu Rohstoffhändlern werden müssen und ob dies wirklich im Interesse ihrer Kunden ist". Bundeswirtschaftsminister Brüderle sucht nach "einer nachhaltigen Rohstoffstrategie, bei der wir Hand in Hand mit der Wirtschaft und der Wissenschaft zusammenarbeiten". Ein Resultat der Suche ist der Ausbau der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Bislang berät sie Regierung und Wirtschaft in geowissenschaftlichen Fragestellungen, künftig wohl auch in solchen, die die finanziellen Rohstoffmärkte betreffen. Das politische Bemühen dauerte Olaf Reichardt aber zu lange: Statt auf Maßnahmen der Politik zu hoffen, schritt der Geschäftsführer von Fuchs & Hoffmann, einem Hersteller von Kakaomasse, zur Tat. Er hat die Geschäftsbeziehungen zu seiner Hausbank abgebrochen und sich ein neues Geldinstitut gesucht. Der Grund: "Auf der einen Seite hat mir die Bank wegen der gestiegenen Rohstoffpreise höhere Hürden bei den Krediten auferlegt", berichtet Reichardt. "Auf der anderen Seite bot sie Fonds auf Rohstoffe zur Geldanlage an." Dieses Doppelspiel wollte er nicht mitmachen. http://www.capital.de/finanzen/:Rohstoff-Roulette--Wie-Investmentbanken-die-Preise-manipulieren/100031771.html |