Regierungsalternative CDU/CSU
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Eröffnet am: | 12.08.04 20:03 | von: Happy End | Anzahl Beiträge: | 29 |
Neuester Beitrag: | 22.08.04 19:58 | von: DarkKnight | Leser gesamt: | 2.149 |
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CDU/CSU: Chaos im Kindergarten
Christian Wulff rollt stets herbei, wenn sich Ärger provozieren lässt; Merz macht Arentz die Sandburg "Kündigungsschutz" kaputt; die Bayern Stoiber, Seehofer und Glos spielen für sich; Musterknabe Laurenz Meyer ruft nach der Kindergärtnerin
Angela Merkel macht Sommerurlaub in den Bergen - und Stoiber, Merz & Co. prügeln sich, was das Zeug hält. Alles nur Männerspiele? Eher der Beweis: CDU und CSU sind noch nicht regierungsfähig.
Man kennt sich, man schlägt sich. Sagt dieser Tage ein führender CDU-Politiker über einen anderen: "Der ist ein kleiner Geist und ein großes Arschloch!" Ob er namentlich zu der Verbalattacke steht? Nicht nötig, Parteifreund Hermann-Josef Arentz wisse auch so, von wem das stamme.
Man kennt sich, man schlägt sich. So soll dieser Tage CSU-Chef Edmund Stoiber gesagt haben, "mit einer ostdeutschen Protestantin und einem Junggesellen aus Bonn" seien bei der nächsten Bundestagswahl schwerlich genügend Stimmen im bürgerlichen Lager zu bekommen. Sollte heißen: Mit der evangelischen Angela Merkel und dem schwulen Guido Westerwelle werden wir die nächste Bundestagswahl nicht gewinnen.
Gequake aus dem Sommerloch
Alles nur Gequake aus dem Sommerloch? Geschuldet jener "seltsamen Brutstätte", über die sich der altgediente CDU-Politiker Norbert Blüm immer wieder aufs Neue wundert, denn in ihrem "geheimnisvollen Nichts entstehen Blähungen und Giftgase, Halluzinationen und Explosionen". Besteht das kunterböse Treiben aus einem Phänomen, das mit allen Löchern die Eigenschaft teilt, überwiegend aus nichts zu bestehen? Oder steckt mehr dahinter? Etwa die Bestätigung für die selbstkritische Botschaft, mit der die CDU-Vorsitzende Angela Merkel die Union in die Sommerpause schickte: Noch immer mangle es der Union "an Vertrauen in eine wirkliche Alternative" zu Rot-Grün. Das müsse besser werden.
Laurenz Meyer hockt in der Berliner CDU-Zentrale und hat endlich mal die Hosen an. Der Generalsekretär klingelt sich möglichst selten zu seiner Vorsitzenden durch. Die wandert in den Alpen und muss sich erholen. Er sich allerdings langsam auch. Sommertheater, jeden Tag! Bald sei er selbst weg, Gott sei Dank - zwei Wochen Sport und Golfen mit seiner Sonja. Dann hat die Vorsitzende wieder die Hosen an. Bei dem Gedanken muss er lachen. Weshalb lachen Sie? "Habe ich gelacht? Nee!"
Generalsekretär Meyer isst Nierchen in Senfsauce im Schatten und macht ganz und gar auf sehr gelassen. Klar, es wäre schon viel gewonnen, wenn die Damen und Herren Parteikollegen besser unterschieden zwischen Diskussionen, die die Partei unbedingt braucht, und unnötigen Äußerungen, die man nur wieder einfangen muss. Wirklich unnötig war ja nun vom guten Friedrich Merz, sich mit der Äußerung über die Abschaffung des Kündigungsschutzes ins Knie zu schießen. Er hat ihn angerufen und auch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff, denn der hatte mit gleichem Kaliber hinterhergeballert. Er hat die beiden gefragt: Kinders, haben wir denn wirklich Differenzen bei diesem Thema? Ihr wollt doch auch, dass bei bestehenden Arbeitsverträgen alles so bleibt wie bisher! Da haben die beiden zugestimmt, und er hat gefragt: Aber warum vergesst ihr dann diesen einen bescheidenen Satz? Die Debatte war wirklich unnötig, findet Herr Meyer.
"Querschüsse aus München sind kropfunnötig"
Heute hat er gleich noch mal dem Stoiber erklärt, dass auch Querschüsse aus München, also wirklich, komplett kropfunnötig sind. Warum bitte pestet der CSU-Chef mit dem Wort "Rohrkrepierer" wieder gegen die in Gesundheitsprämie umgetaufte Kopfpauschale? Darauf haben er und Merkel sich doch kürzlich erst in einem Spitzengespräch geeinigt! Und warum erzählt der Bayer plötzlich, dass das Oppositionsduo Merkel und Westerwelle dem Schröder und dem Fischer "nicht das Wasser reichen können", die seien schließlich keine "Leichtmatrosen"? Und was er da höre an Gejammer über die ostdeutsche Protestantin und den Junggesellen aus Bonn, diese Berichte seien doch wohl "Quatsch" - oder etwa nicht?
Die "Leichtmatrosen", die hat Meyer inzwischen dicke. Hat doch der werte Herr CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer im stern-Interview ebenfalls von "Leichtmatrosen" gesprochen und das auf CDU-Kollegen gemünzt. Daraufhin haben sich die CDU-Sozialpolitiker Andreas Storm und Annette Widmann-Mauz bitterlich in der Parteizentrale beklagt. Die ungehobelte Art der Bayern ist nun nicht der richtige menschliche Umgang miteinander, solche Beleidigungen könnten tief gehen, ganz tief ins Herz. Meyer seufzt. Es wird Zeit, in Urlaub zu gehen. Es wird Zeit, dass er aus dem Sommerloch rauskommt. Es wird wirklich Zeit.
Edmund Stoiber hat seinen Urlaub ebenfalls noch vor sich. Immerhin bereitet er sich dieser Tage in München sachte aufs Nichtstun in Südspanien vor. Man sieht ihn zuweilen schon gegen halb sechs Uhr abends aus München gen Wolfratshausen eilen, wo die Enkel des lieben Opas harren.
"Ausgesprochener Schwachsinn"
Stoibers Stallwachen haben trotz der leicht reduzierten Arbeitswut des Chefs gut zu tun. Die Interpretationsmaschine muss bedient werden. Zwar dementiert in der Staatskanzlei niemand Stoibers Gemoser über das Tandem Merkel/Westerwelle. Aber es sei "ausgesprochener Schwachsinn", ihm dies als Vorstoß zur Verhinderung der Kanzlerkandidatur der CDU-Vorsitzenden auszulegen. Der Chef habe ganz anderes im Sinn.
Es geht ihm um den Wahlsieg der Union im Jahr 2006. Als Kanzlerkandidat 2002 habe Stoiber 1,1 Millionen Stimmen mehr gewonnen als die Union vier Jahre zuvor kassiert hatte. Eine Million davon in Bayern. Mit dem Duo Merkel/Westerwelle lasse sich das nicht wiederholen. Das schaffe nur das Trio Merkel/Stoiber/Westerwelle. Und natürlich müsse Stoiber in dieser Formation die eindeutige Nummer zwei sein, nicht Westerwelle.
An dieser Stelle wird in der CSU, im Schutze der Anonymität, richtig hingelangt. Der FDP-Chef sei "bekloppt", wenn er sein Schwulsein so zum Thema mache, "überall mit seinem Lebensgefährten auftaucht, Schwulen-Interviews gibt und Schwulen-Forderungen erhebt". Von Ole von Beust höre man solche Töne doch auch nicht. Die konservativen Wähler, so habe Stoiber klar gemacht, seien zwar bereit, Schwule als Politiker zu akzeptieren. Aber die dürften daraus nicht gleich ein politisches Programm machen.
"Stoiber hat das mit dem 'Wasser reichen' nie gesagt"
Michael Glos erregt sich trotz der Hitze: Herrgott noch mal, nun hört doch auf, der Stoiber hat das mit dem "Wasser reichen" im Gespräch mit den CSU-Sozialpolitikern nie gesagt, das weiß er genau. Er, Berliner CSU-Landesgruppenchef, war ja selbst dabei. Was dann danach war, darum geht es ja jetzt hier nicht.
Eigentlich geht es bei diesem Sommerwahnsinn nur darum: Die CSU macht sich Sorgen um ihre Position im Kampf um die Macht. Ist sie für ihre Schwester auch sicher Partner Nummer eins? Oder bändelt die CDU doch enger mit den Liberalen? Das dürfe nicht sein. Ohne die CSU kann keiner gewinnen! Frau Merkel braucht den Süden! Stoiber kommt vor Westerwelle! Das soll die CDU bei allen Differenzen nicht vergessen.
Dass sich CSU und CDU noch nicht darüber einigen konnten, wie man den für die Gesundheitsprämie notwendigen Sozialausgleich für Kinder und Geringverdiener finanzieren kann, räumt Glos ein. Es gab zwar dieses Gespräch zwischen Stoiber und Merkel. Doch da kamen sich die beiden nur in einem einzigen Punkt näher, nämlich, den dritten der verschiedenen Vorschläge des Experten Bert Rürup genauer unter die Lupe zu nehmen. In aller Ruhe. Kein Grund zur Panik. Bis zu den Parteitagen im späten Herbst wird sich ein Kompromiss schon finden. Die Streitereien im Moment sind doch nichts als Sandkastenspiele. Nächste Woche macht sich Glos auf in den Urlaub - in die bayerischen Berge.
"Merz benimmt sich wie die Axt im Walde"
Hermann-Josef Arentz ist froh, dass er noch nicht in den englischen Süden zum Urlauben gefahren ist. Hier im heimischen Köln kann er wenigstens heftig gegen Friedrich Merz und seine infamen Forderungen feuern. Auf der Homepage der CDA, der CDU-Arbeitnehmerorganisation, ist nachzulesen, was der CDA-Vorsitzende Arentz vom Unionsfraktionsvize hält: "Merz benimmt sich in der Sozialpolitik wie die Axt im Walde."
Arentz ist ein echter Rheinländer. Eigentlich neigen echte Rheinländer nicht zu Religionskriegen - die kosten zu viele Tote. Aber in diesem Fall, in dieser Frage von Richtung, von Grundhaltung seiner Partei, da muss er einfach aufstehen und sich lauthals zu Wort melden mit Sätzen wie diesen: Die CDU muss aufpassen, dass die soziale Glaubwürdigkeit nicht auf der Strecke bleibt. Oder: Wir müssen den Wählern echtes Licht am Ende des Tunnels zeigen - nicht nur das eines Geisterfahrers. Der Geisterfahrer, das ist Merz.
Der sich zu Wort gemeldet hat mit dem Satz, auf Kündigungsschutz lasse sich verzichten, falls nachgewiesen sei, dass dadurch mehr Beschäftigung möglich wird. Und der den Sozialausgleich bei der Gesundheitsreform durchaus mit einer höheren Mehrwertsteuer finanzieren würde. Für Arentz nicht zum Aushalten: "Unkoordiniertes Gegacker." Arentz sitzt unter der Kastanie im stickigen Köln, trinkt Assam-Tee und lehnt sich zurück. "Angela Merkel ist klug. So klug, dass sie weiß, dass wir auch die Arbeitnehmer brauchen, um die Wahl 2006 zu gewinnen", sagt er.
"Post wegschaffen"
Friedrich Merz macht Heimaturlaub. Wandert mit seiner Frau durchs Hochsauerland, spielt Tennis. Dazwischen schnell mal nach Berlin, "Post wegschaffen". Eine längere Auszeit ist nicht drin. Demnächst beginnt der nordrhein-westfälische Kommunalwahlkampf. Seit fünf Monaten sinken die Umfrageergebnisse für die CDU im Bund. Bei 43 Prozent ist sie inzwischen angekommen, der Trend weist nach unten, und man muss, sagt Merz, an Rhein und Ruhr noch mal vier Prozentpunkte abziehen. Das verunsichert seine Partei, die im September die Kommunalwahl und im Frühjahr 2005 die Landtagswahl gewinnen muss.
Arentz-Attacken und Meyer-Rüffel lacht er weg. Er habe gar nicht die sofortige Abschaffung des Kündigungsschutzes verlangt. Aber die von Arentz produzierte Aufregung sei typisch für den CDA-Chef. Ohne Attacken auf ihn nehme den Arentz ja keiner mehr zur Kenntnis. Funktionärsgeschwafel halt. Längst sprächen ganz andere für die Arbeitnehmerinteressen in der CDU. Der Bundestagsabgeordnete Karl-Josef Laumann beispielsweise, "der ist klasse, ein authentischer Kerl".
Mit den Zweifeln, ob seine auf dem Leipziger Parteitag im Spätherbst 2003 beschlossene Steuerreform überhaupt noch kommt, lebt er leicht. Der zwischenzeitlich diskutierte Gedanke, sie als Zwei-Stufen-Modell zu realisieren, sei wieder vom Tisch. Das sei nur gedacht gewesen für den Fall, dass Rot-Grün vorzeitig stürze. Für Merz steht unverrückbar, was die CDU in Leipzig beschlossen hat: der Drei-Stufen-Tarif mit einem Spitzensteuersatz von 36 Prozent. Die Steuererklärung auf dem Bierdeckel - sie kommt. Und bei der Gesundheitsreform sei die Abkoppelung der Beiträge vom Einkommen beschlossene Sache. "Wer etwas anderes will, muss einen neuen Beschluss herbeiführen." Und warum die Gesundheitsreform nicht über eine höhere Mehrwertsteuer finanzieren? Er hält das weiterhin für möglich und sinnvoll, mögen ihn Arentz & Co. deswegen auch "Radikalinski" nennen.
Heimaturlaub im Altmühltal
Horst Seehofer hat endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis genießen dürfen. Alle drei Kinder versetzt, was Vater Seehofer sehr erleichtert hat, weil "die immer so grenzwertige Ergebnisse" bei den Zeugnissen hinlegen. Jetzt will die Familie ein paar Tage wandern. Heimaturlaub im Altmühltal. Mehr könne er sich nicht leisten, aus politischen Gründen.
Ja, glaubt der Sozialexperte der Union denn nicht daran, dass der nächste Wahlsieg so gut wie gebucht ist? Da lacht er laut. "Wir sind erst regierungsfähig, wenn die inhaltliche Klärung erfolgt ist bei Gesundheit, Rente, Pflege, Familie, Arbeitsmarkt." Was da an Vorschlägen kursiere, sei handwerklich alles nicht sauber. Höhere Mehrwertsteuer, um die Gesundheitsreform zu finanzieren? Da werde verschwiegen, dass die Hälfte der Mehrwertsteuer jeweils Bund und Ländern zusteht. Höhere Einkommensteuer? Das geht nicht, da gibt er Merz Recht. "Wir müssen endlich anfangen", fordert Seehofer, "eine gangbare Brücke zu bauen, nicht eine, die beim ersten Schritt zusammenkracht."
Er wird stur bleiben. Egal, ob sie ihn "unguided missile" schimpfen, was mit Blindgänger und Querschläger übersetzt werden kann. Er macht nicht mit, wenn Zahlen schöngerechnet werden. "Und ich handle da im totalen Einvernehmen mit der CSU-Spitze", fügt er hinzu. Lieber jetzt streiten als später im Bundestagswahlkampf, ist seine Devise. Und ergänzt warnend: "Bis jetzt traut die Bevölkerung der Union nicht mehr zu als der Regierung."
Blüm meldet heitere Gelassenheit
Norbert Blüm urlaubt im finnischen Nordkarelien, schon zum 24. Mal. Er wohnt in einem zum Ferienhaus umgebauten Holzturm, ehemals ein Heusilo. Sauna im Parterre, zehn Meter vom See entfernt. Früher, als er noch Minister war, musste er zuweilen runter von der faulen Haut und wegen irgendeines Sommertheaters zurück nach Bonn. Das droht nicht mehr. Von ihm will keiner mehr was wissen. Er meldet "heitere Gelassenheit", die Pfifferlinge kommen gerade. Auch der Braunbär, der zuweilen sein Domizil beschnüffelt, ängstigt ihn nicht. Gefährlich seien nur weibliche Führungstiere, ha, ha, ha! Wie Angela? Ha, ha, ha, "das könnte ich schon vertiefen, will aber nicht!".
Zuweilen holt Blüm sich eine deutsche Zeitung, und dann "muss ich jede Menge Quatsch lesen". Das sei schon lustig, wie CDU und CSU die Welt zum zweiten Mal erfinden wollten. Hauptsache neu. Alte wie er zählten nichts mehr, alles Dummköpfe. In religiöser Begeisterung habe die CDU die Gesundheitsreform per Kopfpauschale beschlossen. Leider habe er in den finnischen Wäldern auch kein Rezept gefunden, wie man mit weniger Geld mehr bezahlen kann. Der Reformrausch habe die Sinne der CDU benebelt: "Wir früheren Sozialpolitiker waren doch nicht nur Blödmänner. Sozialpolitik eignet sich nicht für revolutionäre Rucks. Die Haut, auf der sie geschrieben wird, ist nämlich Menschenhaut."
Angela Merkel hat ihren Urlaub jetzt hinter sich. Sie findet die CDU/CSU vor, wie sie sie entließ: derzeit nicht regierungsfähig. Unklar ist, wie die Union 2006 antritt. Mit dem neuen Kurs, wie er in Leipzig von der CDU beschlossen wurde? Oder nur ein bisschen anders als Rot-Grün? Die Grundkonflikte mit der CSU sind nicht ausgestanden. Merkel scheut Festlegungen. "Wenn die Agenda 2010 ein bisschen greift und wenn eine rauschende Fußball-WM in Deutschland stattfindet", warnt ein Insider der Unionsfraktion, "dann ist alles wieder offen."
stern.de
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Dieser schleichende Wählerenttäuschungsprozeß setzt sich solange fort, bis eine Nischenpartei die Mehrheit bekommt. Da können wir nur hoffen, dass diese nicht zu extrem ist. Aber wenn ich mir die zunehmende Verelendung anschaue, deutet wohl alles darauf hin.
Wer "Hitler-Tagebücher" veröffentlicht, kann keinen anderen Journalismus - so wie Schröder, der keine andere Politik kann. Drum kauft ja auch keiner mehr das Blatt.
Schade, daß niemand beurteilen kann, was "Qualität" ist.
Da les ich lieber BUNTE, da ist wirklich Klatsch und Tratsch (und keinerlei Anspruch auf Höheres).
Haben wir bei ariva jetzt Wahlk(r)ampf-Arena?
Das wird dem Smart-Gerd auch nicht mehr helfen, den setzen schon die Roten ab!
Jedenfalls sollte HE dieses Board nicht zum Geldverdienen mißbrauchen; denn aders kann es ja gar nicht sein. Wir sind doch nicht blöd!! - Kritiker.
Was würdest Du, "Hans", denn meinen, wenn ich deinen Namen hier reinstelle?
Und im Übrigen: Mit Multi-Ids zu posten ist doch billig - oder?
Nein, nein der bin ich nicht, ich bin der Markus, der Depp aus Zürich.
Hanswurste gibts soviele auf der Welt, dem kann ich mich nicht anschliessen.
Du kennst ja eine meiner E-Mail-Adressen und dort kannst Du die Wahrheit ableiten.
än schönä obäd, com nöd ämol zu mim liebä glas rotwy vor luter ariva.
än grueäss noch bärlin bilanz
§
Helmut Bärwald
§
Günter Wallraff: Sozialist, Klassenkämpfer, Schriftsteller, Enthüller - Kumpanei mit dem SED-Staat
von Helmut Bärwald
Günter Wallraff ist im Sommer 2003 im Zusammenhang mit den sogenannten "Rosenholz"-Unterlagen bei der Dienststelle des Bundesbeauftragten für die Akten des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit wieder einmal als angeblicher IM des MfS ins Gerede gekommen. Diese Behauptungen sind erstens einmal nicht neu und zweitens inkorrekt. Wallraff war einer der vielen aktiven "Westarbeiter" im freien Teil Deutschlands, der über mannigfache Kontakte zu einem der wichtigsten "Westarbeits"-Apparate des SED-Staates, zum "Institut für Internationale Politik und Wirtschaft" (IPW) verfügte. Diese, unmittelbar dem "Ministerrat der DDR" unterstellte Institution hatte wiederum engste Verbindungen zum Ministerium für Staatssicherheit.
Nachstehend wird ein unwesentlich gekürzter Artikel, der erstmals Mitte der neunziger Jahre veröffentlicht wurde, als Hintergrundmaterial wiedergegeben.
Keinesfalls überraschend für altgediente Abwehr- und Sicherheitsleute in der "alten" Bundesrepublik Deutschland tauchten Mitte Februar 1992 Hinweise auf Verstrickungen des klassenkämpferischen Politschriftstellers und "Enthüllungs-Spezialisten" Günter Wallraff in die Apparatur des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bzw. in das Westarbeits-System des SED-Staates auf. Das in den neuen Bundesländern erscheinende Massenblatt "Super!" berichtete unter der Schlagzeile "Auch Wallraff von Stasi gelenkt?", der "gefeiertste Enthüllungsjournalist der alten Bundesländer" sei ein "Einflußagent" der Staatssicherheit gewesen.
Angeblich sei Wallraff seit 1968 unter den Decknamen "Wagner" und "Walküre" regelmäßig mit dem MfS in Kontakt getreten. "Super!" zitiert auch einen angeblichen ehemaligen Stasi-Offizier mit den Worten: "Wallraff war einer unserer wichtigsten Agenten zur Destabilisierung der Bundesrepublik". Die sogenannte "Gauck-Behörde", der "Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR", erklärte umgehend, ihr lägen keine Unterlagen über Stasi-Verstrickungen Wallraffs vor. Jedoch müsse auch berücksichtigt werden, daß sehr viele, vor allem operative Vorgänge der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des MfS noch vor der Beschlagnahme der MfS-Akten vernichtet worden sind.
So weit, so richtig. Da jedoch anzunehmen ist, daß Wallraff gar nicht unmittelbar an der HVA "angebunden" war, könnte gewiß manches andere Archiv Aufschluß über die Kumpanei Wallraffs mit der Westarbeit, mit der vielschichtig organisierten politisch-psychologischen Kriegsführung des SED-Staates geben. Es ist unerheblich, wem das Interesse des SED-Regimes mehr galt: Dem Klassenkämpfer und Sozialisten Wallraff oder vielmehr dessem "Werk", dessen Aktionen, Informationen und Erzeugnissen. Zu den wichtigsten Institutionen der gegen die Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitliche demokratische Grundordnung operierenden "Westarbeit" gehörten die Westabteilung des Zentralkomitees der SED und das Institut für Politik und Wirtschaft (IPW). Dazu kamen die Westarbeits-Referate in den "Massenorganisationen" (z. B. FDJ, FDGB) und Parteien sowie in den meisten Ministerien; zum Beispiel auch im Ministerium für Kultur oder im Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR. Das 1971 gebildete IPW hielt über eine spezielle, in der IPW-Spitze angesiedelte Arbeitsgruppe die kontinuierlichen und sehr engen Verbindungen sowohl zum Ministerrat als auch zur Hauptverwaltung Aufklärung des MfS aufrecht und arbeitete mit dieser zusammen.
Über die Nutzung von Medien, von Publizisten und Schriftstellern in nicht von Kommunisten regierten Ländern zur Durchführung "aktiver Maßnahmen" im Rahmen der politisch-psychologischen Kriegsführung der Kommunisten und deren "antiimperialistischen Kampfes"; wie über die Tätigkeit und die Rolle sogenannter Einflußagenten ist in den vergangenen Jahrzehnten viel Sachkundiges veröffentlicht worden. Einflußagenten handeln entweder mit Vorsatz, aus Überzeugung; oder in törichter Naivität oder Eitelkeit. Nur in außergewöhnlich seltenen Fällen haben sie bei irgendeinem gegnerischen Geheimdienst eine "Verpflichtungserklärung" unterschrieben. Der bulgarische Kommunist Georg Dimitroff, bis 1943 Generalsekretär der Kommunistischen Internationale, hat sich einmal anerkennend über diejenigen ausgelassen, die, ohne Mitglied einer kommunistischen Partei zu sein, mit dem Kommunismus sympathisieren und manchmal mehr wert sind, als militante Kommunisten. Denn, so meinte Dimitroff, die Tätigkeit, die keinen Widerstand erzeugt, sei viel wirksamer, als ein Frontalangriff der Kommunisten. Als Beispiele für solche den Kommunisten nützliche Helfer nannte der KOMINTERN-Generalsekretär Universitätsprofessoren, Generäle, Gewerkschaftsfunktionäre und Schriftsteller.
Wallraff hat bei vielen Volksfrontaktionen in der Bundesrepublik Deutschland, die jeweils mehr oder weniger vom SED-Regime unterstützt und finanziell subventioniert wurden, mitgewirkt. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Carl-Dieter Spranger, in den achtziger Jahren lange Zeit Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, schrieb im "Deutschland-Union-Dienst" vom 29. April 1976, daß Wallraff in der linksextremistischen Publikation "Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten" (ID) vom 17. April 1976 neue Aktionen kündigte. Nach den bisherigen Erfahrungen würden diese ein weiterer Versuch sein, die öffentliche Meinung gegen freiheitlich-demokratische Kräfte und zugunsten von Kommunismus und Linksradikalismus zu beeinflussen. Spranger kam zu dem Schluß: "In Verbindung mit seinen Methoden oder Ansichten gewinnt so das Bild des Volksfront-Aktivisten Wallraff als Typ des kommunistischen Einflußagenten feste Konturen."
Der von dem Sicherheitsexperten Spranger erwähnte "Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten" (ID) erschien ab Mitte der siebziger Jahre über lange Zeit hinweg regelmäßig. Hinter diesem "ID" standen anarcho-kommunistische und andere linksextremistische Gruppen und Einzelpersonen, sowie sogenannte "Gefangenenräte". Im November 1973 erklärte das "Kollektiv" des "ID" zum Konzept dieses Informationsdienstes:
"Der Informationsdienst ist ein unabhängiges Bulletin zur Verbreitung von Nachrichten über Konflikte, Sauereien der Herrschenden, Aktivitäten an der Basis und Kämpfe in der Dritten Welt. Der Informationsdienst will die Manipulation und das Monopol der bürgerlichen Presse durchbrechen."
Dem "Beirat des ID" gehörten unter anderem die Schriftstellerin Ingeborg Drewitz und die Schriftsteller Peter O. Chotjewitz und Gerhard Zwerenz an, die des weiteren höchst aktive Mitglieder des volksfrontartig organisierten und operierenden, kräftig linksdriftigen "Presseausschusses (Pressedienstes) Demokratische Initiative" (PDI) mit Sitz in München waren. Zu den aktiven Mitgliedern des PDI wiederum zählten zum Beispiel der vom MfS mit Material versorgte Bernt Engelmann (auch Mitautor von Wallraff) und Günter Wallraff.
Die Volksfrontorganisation PDI wurde im Januar 1968 auf Initiative der kommunistischen "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) als "Demokratische Aktion gegen Neonazismus und Restauration" (DA) gegründet. Als deren publizistischer Stoßtrupp wurde der "Presseausschuß (Pressedienst) Demokratische Aktion" (PDA) gebildet. Im Februar 1974 benannte sich der PDA in PDI um. Dem langjährigen PDA/PDI-Manager - sprich: Geschäftsführer - dem aus Österreich stammenden Altkommunisten (zumindestens der Gesinnung nach) Kurt Hirsch, wurden immer gute Kontakte sowohl zur SED und deren Stoßtrupp DKP, als auch zu linken Kreisen in der SPD nachgesagt. Mitarbeiter des IPW besuchten auf ihren "Informationsfahrten" durch die Bundesrepublik Deutschland hin und wieder auch PDI-Mitglieder - bestimmt nicht, um sich mit ihnen über das Wetter zu unterhalten. Dem PDI, dessen Aktivitäten im Laufe der achtziger Jahre nachließen, gehörten vor allem Schriftsteller und Publizisten, darunter Wallraff und Engelmann, sowie politische Mandatsträger aus SPD, FDP, DKP, aus DGB-Gewerkschaften, kommunistischen Hilfsorganisationen und verschiedenen "Bewegungen" (vor allem aus der "Friedensbewegung") an. Bei seinen Kampagnen und Werbeaktionen für seine "Erzeugnisse" konnte sich der klassenkämpferische Enthüller Wallraff stets auf die Hilfe seiner "Kolleginnen und Kollegen" vom PDI verlassen.
In einem Rundschreiben des Bonner Büros des PDA zu Beginn der siebziger Jahre wurde es als eine Aufgabe dieser Organisation bzw. des von ihr herausgegebenen "Pressedienstes Demokratische Aktion" (PDA, ab Februar 1974 PDI) bezeichnet, politische Aktionen anzuregen und für Journalisten und Schriftsteller für deren Arbeit in Presse, Rundfunk und Fernsehen Material zur Verfügung zu stellen.
Über seine Sympathien für den SED-Stoßtrupp in der Bundesrepublik Deutschland, die DKP, äußerte sich Wallraff zum Beispiel in einem Gespräch mit dem linksextremistischen "Berliner Extra Dienst" im März 1973 freimütig: "Ja, ich habe schon mit der DKP zusammengearbeitet. Das ist auch die Gruppe, mit der ich am ehesten arbeiten kann...Die DKP ist die Partei, der ich am nächsten stehe...Ich würde jedem, der seine politische Arbeit innerhalb einer Organisation durchführen will, dann am ehesten zur DKP raten...". Zugleich gab Wallraff die Zeitung der von der SED finanziell ausgehaltenen DKP, "Unsere Zeit" (UZ) als "unentbehrlich" für seine Arbeit aus. Im August des selben Jahres bekräftigte Wallraff der UZ gegenüber diese "Unentbehrlichkeit" und "begründete" diese mit der ausführlichen Berichterstattung der UZ aus den Betrieben, "wo das Grundgesetz bekanntlich außer Kraft gesetzt" sei. Die Zeitung der DKP setze dort an, wo die anderen Zeitungen und Zeitschriften "durch die Abhängigkeit von ihren Großanzeigen-Kunden" sich in Schweigen hüllten oder Lobpreisungen anstimmten.
Zahlreiche Veröffentlichungen von Wallraff wurden selbstverständlich begierig von den Medien in der DDR - präziser: von den Westarbeits-Apparaten des SED-Staates - aufgegriffen und als "Munition" in verbalen Attacken, in Diffamierungs- und Hetzkampagnen gegen die Bundesrepublik Deutschland im besonderen und gegen den (westlichen!) "Imperialismus und Kapitalismus" im allgemeinen verwendet. Sicherlich nicht zum (finanziellen) Schaden Wallraffs.
Bereits am 2. Juli 1964 (!) erschienen in der DDR-Zeitschrift "Kurier" unter dem Titel "Ford ist Mord" Auszüge aus einer Reportage, die Wallraff unter dem Pseudonym "Wallmann" über seine angeblichen Erlebnisse als Arbeiter in der Automobilfabrik FORD in Köln geschrieben und zuerst in der Zeitschrift der DGB-Gewerkschaft IG Metall veröffentlicht hatte.
1967, nur ein Jahr nach dem Erscheinen der Erstausgabe 1966 in München, erschienen im Aufbau-Verlag Berlin/Weimar (des "Kulturbundes der DDR" auf 172 Seiten Industriereportagen unter dem Titel "Wir brauchen Dich", in Ganzleinen gebunden zum Preis von 6,-- Mark. Auf mehreren Veranstaltungen im SED-Staat las Wallraff aus diesem Buch. Der in der Westarbeit des SED-Regimes eingesetzte "Deutsche Freiheitssender" berichtete im Oktober 1968 über ein Gespräch Wallraffs mit einem Journalisten des ostberliner Deutschlandsenders nach einer solchen Lesung in Cottbus. Wallraff meinte in diesem Gespräch, durch seine "Fabrikreportagen" ließe sich "das System" in der Bundesrepublik Deutschland natürlich nicht ändern, ja nicht einmal ankratzen. Aber immerhin sei es ihm gelungen, den Bewußtseinsstand der betroffenen Arbeiter zu erweitern und ihnen aufzuzeigen, daß Änderungen möglich sind; daß sie die Dinge doch in der Hand haben könnten, wenn sie sich einsetzten.
1971 erschienen im Aufbau-Verlag die "Unerwünschten Reportagen" von Wallraff. Im Dezember des selben Jahres lobte die Wochenzeitung der "Nationalen Volksarmee" des SED-Staates, die "Volksarmee", dieses Buch mit dem Hinweis, man sollte diese Reportagen lesen, um mehr über die Zustände, die gesellschaftlichen Situationen und über das typische Gesicht eines Staates (gemeint ist die Bundesrepublik Deutschland) zu wissen, dessen äußerer Glanz nur Talmi sei.
Außer diesen beiden Büchern erschien in den siebziger Jahren im Aufbau-Verlag noch die Wallraff-Publikation "Neue Reportagen. Untersuchungen und Lehrbeispiele".
Über die Möglichkeiten, die ihm der SED-Staat bei der Umsetzung seiner Erzeugnisse biete, äußerte sich Wallraff in einem Interview mit dem "Berliner Extra-Dienst" im März 1972:
"Man kann nicht sagen, der Journalist hier (in der Bundesrepublik Deutschland - H.B.) hat viel größere Freiheiten. Das stimmt nicht, das ist Quatsch. Er hat hier noch geringere Freiheiten. Das, was geschrieben wird in der DDR, hat einen weitaus größeren Wirkungsradius; man schreibt nicht ins Leere hinein. Das wird ernst genommen. Das ist nicht die Hofnarrenrolle, die hier der Künstler und auch der Journalist hat, sondern man wirkt verändernd mit."
Eines der "Hauptwerke" Wallraffs, das gemeinsam mit Bernt Engelmann geschriebene und 1973 im Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienene Buch "Ihr da oben - wir da unten" wurde Ende 1975 vom ostberliner "Verlag der Nation" herausgebracht. (Dieser Verlag gehörte der National-Demokratischen Partei Deutschlands der DDR). Zur gleichen Zeit strahlte das DDR-Fernsehen als Eigenprodukt den Film "Steckbrief eines Unerwünschten", aus, in dem Wallraff und seine Arbeitsmethoden ausführlich, selbstverständlich ganz im Sinne der SED-Propaganda, dokumentarisch und in Spielhandlungen dargestellt wurden. Das Drehbuch zu diesem Film schrieb, auf der Grundlage des Buches "Ihr da oben - wir da unten" das SED-Mitglied Gerhard Bengsch.
Anläßlich dieses Fernsehereignisses wurde Wallraff von etlichen Medien im SED-Staat interviewt. Das DDR-Fernsehen zitierte Wallraff zum Beispiel am 17. 11. 1975:
"Ich will da etwas wie Empörung auslösen, und ich will von daher eben nicht eine beschauliche Beschreibung von oben herab, sondern durch das Eingreifen, durch das Bezeugen auch meiner eigenen Person, will ich, daß etwas in Bewegung gerät, daß etwas auf schnellere Veränderung (in der Bundesrepublik Deutschland, versteht sich - H.B.) hin entwickelt wird. Ich kann die Dinge wahrscheinlich nicht durch Literatur selbst verändern, aber ich kann die Bereitschaft dazu verstärken. Ich kann sie womöglich einleiten oder beschleunigen helfen."
Die SED-Genossen hörten es gerne.
Die "Nationalzeitung" des SED-Staates veröffentlichte am 13. 11. 1975 ein Gespräch mit Wallraff, der von dieser Zeitung als ein "unbequemer Mann für die politisch und ökonomisch tonangebenden Mächtegruppen in der BRD" charakterisiert wurde - man könnte ergänzen: Er war ein nützlicher Mann für die in der Westarbeit des SED-Regimes tonangebenden Mächtegruppen. Wallraff sagte der "Nationalzeitung" auf die Frage, ob denn nicht der Erfolg seiner Tätigkeit, auch in Form des von der DDR produzierten und in der DDR gezeigten Fernsehfilms, "sehr vielen Leuten in der BRD zugute" käme: "Sicher. In Gegenden, in denen das DDR-Fernsehen empfangen wird, in Hamburg, Hannover, Niedersachsen, sehen gewiß viele diesen Film...Ich glaube, daß die Leute in der BRD mit diesem Film etwas anfangen, über ihn einiges kapieren werden."
Wenige Tage vor Ausstrahlung des Fernsehfilms hatte Wallraff dem SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" erklärt: "Darüber hinaus hätte ich diesen Stoff niemals in der BRD untergebracht..." Am Beginn der Dreharbeiten, zum größten Teil an Originalschauplätzen in der Bundesrepublik Deutschland, veröffentlichte die DKP-Zeitung "Unsere Zeit" am 18. 4. 1975 ein ganzseitiges Interview mit Wallraff und dem Drehbuchautor, dem "Genossen" Gerhard Bengsch. Wallraff lobte die "ideale Zusammenarbeit" mit Bengsch, der aus der Schule plauderte:
"Ich glaube..., daß sich die DDR-Kultur mitverantwortlich fühlen muß für die Äußerungen aller Linken in der Bundesrepublik."
Zur Zusammenarbeit mit Wallraff offenbarte Bengsch die ideologische Kumpanei zwischen Wallraff und der SED bzw. deren Westarbeit:
"Voraussetzung ist auf jeden Fall, daß man das gleiche Weltbild hat. Und das scheint mir in unserem Fall ganz wichtig zu sein: Daß wir beide die Welt in einer Richtung verändern wollen. Dadurch ist erst mal die ideologische Basis da..."
1986 erschienen im SED-Staat im Aufbau-Verlag das Wallraff-Buch "Ganz unten", und im Verlag Neues Leben (der SED-Staatsjugendorganisation Freie Deutsche Jugend - FDJ) in der Reihe "nl-konkret" das Buch "Bild-Beschreibung. Methoden und Mechanismen einer Medienmacht".
Die internationale KP-Zeitschrift "Probleme des Friedens und des Sozialismus brachte in ihrer Ausgabe vom Dezember 1987 eine überaus positive Rezension des Wallraff-Buches "Akten-Einsicht" (Steidl Verlag, Göttingen), das als ein Buch über "das ganze System der Bespitzelung und Verfolgung Andersdenkender in der BRD" (nicht etwa im SED-Staat! - H.B.) vorgestellt wurde. Dieses Buch, schrieb der Rezensent, mache deutlich: "Dieser Streiter und Tribun als den alle, die sein Schaffen verfolgen, Wallraff kennen, verläßt die Barrikaden des Klassenkampfes nicht..."
Auch der "große Bruder" der SED in Moskau hatte die Verwendbarkeit des westdeutschen Schreibers als desinformierenden Propagandisten für den Kommunismus erkannt. Im September 1973 durfte Wallraff am Sowjetischen Schriftstellerkongreß in Alma Ata teilnehmen und sich anschließend noch für einige Tage in Moskau aufhalten. Zur gleichen Zeit erschienen die "Unerwünschten Reportagen" auf Russisch. Nach seiner Rückkehr gab Wallraff mehrere Interviews, in denen er als Kreml-Propagandist nicht hinter dem Berg hielt. Den "Kölner Stadt-Anzeiger" zum Beispiel ließ er wissen:
"Denn das bei uns immer wieder geschürte Vorurteil, da gäbe es nur eine von oben verordnete Einheitsmeinung, und wer davon abweiche, werde bereits verfolgt, stimmt einfach nicht. Da gibt es verschiedene Standpunkte zu den unterschiedlichsten Problemen, die offen diskutiert werden. Allerdings, wer das kommunistische System grundsätzlich in Frage stellt, ihm das Ende voller Genugtuung prophezeit, wird bekämpft. So ähnlich, wie wenn hier jemand offen verkünden würde, daß er nicht auf dem Boden unserer sogenannten freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht."
In einem Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau" entblödete sich Wallraff nicht, zu behaupten:
"Es haben mir viele der systemkritischen sowjetischen Schriftsteller immer wieder gesagt, daß die Mehrzahl der genannten Dissidenten geistig einem Franz-Josef Strauß näher stehen, als einer gemäßigten fortschrittlichen Sozialdemokratie."
Die sowjetischen "Westarbeiter" und Dissidentenverfolger konnten mit derartigem Geschwätz wahrlich zufrieden sein.
Es bedarf gewiß keiner großen Phantasie, anzunehmen, daß die Kumpanei zwischen Wallraff und Institutionen des SED-Staates von den "Partnern" in der DDR nicht auf "publizistisch-literarische" Bereiche beschränkt wurde. Dafür hatte der "Enthüller" Wallraff, zumeist als "verdeckter Ermittler" und in Anwendung von Methoden, die zum Beispiel vom Deutschen Presserat mißbilligt wurden, teilweise interne, gar geheim zu haltende, Informationen beschafft: zum Beispiel aus der Wirtschaft, insbesondere aus der Rüstungsindustrie; aus der Forschung; im Bereich des Terrorismus; aus Sicherheits- und Abwehrbehörden. Da bot sich eine Quelle dar, aus der die "andere Feldpostnummer" nach Belieben schöpfen konnte.
17. Dezember 1971: Wallraff fährt mit dem Zug nach Kopenhagen. Dort trifft er im Hotel "Regina" in der Nähe des Hauptbahnhofes mit einem offiziell als "stellvertretender Chefredakteur" und "Chef des Kulturressorts" der Rostocker "Ostsee-Zeitung" tätigen Dr. Heinz Gundlach zusammen. Dieser gab sich im Hotel unter Vorlage gefälschter Papiere als "Hamburger Kaufmann" namens "Heinz Guntermann" aus. Gut zwei Stunden palavert Wallraff mit Gundlach/Guntermann, der am Tag darauf, mit interessanten Aufzeichnungen über das Gespräch, nach Hamburg reist. Die Hamburger Paßkontrolleure erkennen seine Personalpapiere als Fälschung; der suspekte Reisende wird festgenommen. 1972 verurteilt ihn das Hanseatische Oberlandesgericht zu 5.100 DM Geldstrafe - wegen fortgesetzter Urkundenfälschung. Der "mutmaßliche" MfS-Agent kehrt unbehelligt in die DDR zurück. Zu dem mit Wallraff für den 28. Januar 1972 vereinbarten Gespräch kommt es nicht. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg (Aktenzeichen OJs 10/71) wegen des Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit mußte aus rechtsstaatlichen Gründen eingestellt werden, da "Gundlachs" Einlassungen, er sei lediglich "journalistisch" tätig gewesen, nicht zu widerlegen waren. Die Hamburger Staatsanwaltschaft sprach damals, gewiß zu recht, von einem "nicht unerheblichen Verdacht", der gegen Gundlach alias Guntermann alias ... weiterbestehe. Die jetzt (vielleicht noch) vorhandenen Akten des MfS dürften gewiß Aufschluß über die wahre Identität und Tätigkeit des "Journalisten" "Dr. Gundlach" geben. Im Frühjahr 1976 behauptete Wallraff in einem Interview mit dem ZDF: Er kenne "Gundlach" nur als Redakteur der "Ostsee-Zeitung"; dieser habe schon mehrfach Reportagen von Wallraff veröffentlicht. Bei dem Zusammentreffen mit G. in Kopenhagen sei lediglich "ein Interview" gemacht worden. Da bleiben Fragen offen: Wieso eigentlich unter konspirativen Umständen? Aus welchen Gründen denn nicht in Hamburg, das auf dem Reiseprogramm G.'s stand; oder irgendwo in der DDR?
Die SED-Nachfolgerin, die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) hält unvermindert an den Sympathien der ehemaligen Staatspartei für den Klassenkämpfer, Sozialisten, "Enthüller" mit verschiedenen Identitäten fest. Die PDS-nahe "Sozialistische Tageszeitung" NEUES DEUTSCHLAND (vormals das Zentralorgan der SED) widmete ihm im Juli 1991 eine ganze Druckseite und veröffentlichte unter der Überschrift "Ansichten zur Zeit - Ich finde, der Traum fängt erst richtig an" ein mit Wallraff geführtes Interview. Darin sprach dieser unter anderem über den angeblichen "Neokolonialismus in Deutschland" und bekannte sich "wieder als Sozialist". Nach den Hinweisen von "Super!" auf die Verstrickungen Wallraffs mit dem SED-Regime sprang das "Neue Deutschland" für ihn in die Bresche. Die "Sozialistische Tageszeitung" nennt Wallraff, "der sich als Sozialist bekennt", einen mutigen Mann, der immer wieder aufgedeckt habe, "was die Mächtigen in der BRD gern verheimlicht hätten". Nun werde dieser Mann wieder einmal einer Rufmordkampagne und gar einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt, jammerte das "Neue Deutschland".
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gruß
proxi
Wolfgang Gerhardt |
Foto: ddp |
Die FDP ist unzufrieden mit der Politik der Union. CDU und CSU seien «in den wichtigsten politischen Feldern derzeit nicht aussagefähig», sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt der «Berliner Zeitung». Die Union sei deshalb auf Bundesebene nicht regierungsfähig.
«Gesundheitspolitik, soziale Sicherungssysteme, Steuerkonzepte, die Union ist unsortiert», hieß es. Noch könne die Union die «schlechte Politik» der Bundesregierung für sich ausnutzen. Dies reiche aber nicht aus, um die Regierung zu übernehmen.
Lösungen angemahnt
Der Fraktionschef appellierte an CDU/CSU, möglichst rasch Lösungen für die Probleme vorzulegen. Sollten FDP und Union nach den Wahlen 2006 eine Koalition auf Bundesebene bilden, würde Gerhardt nach eigenen Angaben gern Außenminister werden. Diese Frage werde aber erst nach der Wahl entschieden.
In den Medien wurde auch LIberalen-Chef Guido Westerwelle als möglicher Außenminister in einer schwarz-gelben Regierung gehandelt worden. (nz)
Das Geschnatter der Wendehälse
"Handwerkliche Fehler", "Chaos-Sumpf": Nahezu jeden Tag geißelt die Opposition das Reformgesetz Hartz IV. Dabei wurde es mit den Stimmen von Union und FDP verabschiedet. Doch davon wollen heute viele nichts mehr wissen.
Hamburg - Der Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) ist in diesen Tagen die große Ausnahme, wenn es um Hartz IV geht. Denn er ist einer der wenigen Unions-Politiker, die keine Nachbesserungen an dem Reformgesetz fordern. Im Gegenteil: Er lobt Wolfgang Clement. Den Wirtschaftsminister könne er "zu seiner klaren Linie nur beglückwünschen und ihn ermuntern, so weiterzumachen", sagte Uldall dem "Hamburger Abendblatt". Seine Parteifreunde fordert er auf, die Kritik an Hartz IV einzustellen.
Das sehen seine Kollegen in CDU und CSU aber anders. Der Arbeitsmarktexperte der CSU-Landesgruppe, Johannes Singhammer, kritisierte: "Clement versinkt von Tag zu Tag mehr im Chaos-Sumpf." Sachsens Regierungschef Georg Milbradt erwägt sogar, aus Protest gegen das Arbeitsmarktreformgesetz bei den Montagsdemonstrationen mitzumarschieren. Milbradt sagt, bei der letzten Abstimmung im Bundesrat Hartz IV nicht zugestimmt zu haben. Das stimmt zwar - aber in der entscheidenden Sitzung des Vermittlungsausschusses im Dezember vergangenen Jahres hatte er den geplanten Leistungskürzungen ausdrücklich zugestimmt. Das Veto galt lediglich den neu geordneten Verwaltungszuständigkeiten.
In einer nächtlichen Sitzung hatte sich der Vermittlungsausschuss unter Leitung von Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) am 19. Dezember auf einen Kompromiss zum Reformvorhaben geeinigt. Man sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Union das Gesetz nicht blockieren dürfe, sagte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. Die CDU/CSU sei zwar "nicht das Hilfsaggregat der Bundesregierung", teilte er vor der Abstimmung im Bundesrat mit. Ein Abrücken vom Votum des Ausschusses würde eine "chaotische Entwicklung einleiten". Heute fordert Stoiber, es müssten per Rechtsverordnung "Härtefallregelungen" bei der Umsetzung von Hartz IV erlassen werden. Er beklagt eine "soziale Schieflage".
"Der Schaden, wenn das Gesetz nicht käme, wäre größer", sagte damals auch sein hessischer Kollege Roland Koch. Dem Ministerpräsidenten ging das Reformpaket sogar nicht weit genug. Hessen hatte vor der Verabschiedung das Existenzgrundlagengesetz (EGG) eingebracht, mit dem CDU und CSU einen staatlich geförderten Niedriglohnsektor einrichten wollten. Langzeitarbeitslose sollten zur Annahme kommunaler Beschäftigungsangebote verpflichtet und Arbeitsverweigerung schärfer sanktioniert werden. Die Opposition wollte also noch wesentlich härtere Vorgaben bei Hartz IV als Rot-Grün. Knapp acht Monate später sprechen Union und FDP von "handwerklichen Fehlern". Und Koch fordert Städte und Gemeinden in seinem Land zum Boykott von Hartz IV auf.
In der entscheidenden Nacht hatte neben Stoiber auch CDU-Chefin Angela Merkel dem Kompromiss im Vermittlungsausschuss zugestimmt. Das Konzept "trägt die Handschrift der Union" und werde "Wachstum möglich machen", jubelte Merkel. Nun jedoch krittelt auch Merkel an dem Beschluss: Bei den Gesetzen seien "die Förderung, die Perspektive und die Vision für die Menschen nicht ausreichend gegeben". Allerdings müsse die Union die im Dezember beschlossenen Härten nun mittragen.
Auch FDP-Chef Guido Westerwelle sagte wie Stoiber und Merkel Ja. Heute spricht sich seine Generalsekretärin Cornelia Pieper zum Beispiel "entschieden dagegen aus", dass Datschen dem Vermögen zugerechnet werden. Pieper ist Ostbeauftragte der Liberalen - und im September werden sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg neue Landtage gewählt.
Ähnlich ergeht es Jürgen Rüttgers. Dem CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen stehen am 26. September Kommunalwahlen bevor. Rüttgers plädiert für eine "Generalrevision" von Hartz IV. Aus der Zeit der Entscheidung sind solch kritische Anmerkungen von ihm nicht bekannt.
Die bevorstehenden Wahlen werden wohl einen Appell von Merkels Stellvertreterin Annette Schavan unwirksam machen: "Es ist nicht in Ordnung, von Beschlüssen abzurücken in dem Moment, in dem Widerstand aufkommt."
Roland Koch weiß, was für Deutschland wichtig ist |
"Union muss Wort halten"
Koch auf SPD-Linie
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat die Union aufgefordert, die von ihr mitbeschlossene Arbeitsmarktreform Hartz IV mitzutragen und die Diskussionen um Rücknahmen zu beenden. "In einer so schwierigen Zeit ist in Deutschland jeder gut beraten, einmal getroffene Entscheidungen mitzutragen. Das gilt auch für meine Partei", sagte Koch der "Bild am Sonntag ".
Erst am Vortag hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) der Union wegen ihrer uneinheitlichen Haltung in der Hartz-IV-Debatte die Regierungsfähigkeit abgesprochen. CDU und CSU hätten mit ihrem Hin und Her bei der Arbeitsmarktreform "in unanständiger Weise" gezeigt, dass sie zur Führung des Landes nicht in der Lage sei, sagte er bei einem Besuch in Sundern im Sauerland.
Koch sagte, wegen der Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat habe die Union die Pflicht, im Interesse des Landes mit der Regierung zu Kompromissen zu kommen, wenn sie vernünftig seien. "Für Hartz IV bedeutet dies: Das Gesetz darf nicht zurückgedreht werden." Auch im Falle eines Regierungswechsel werde die Union die Zumutbarkeitsregeln nicht ändern.
Zu den bundesweiten Demonstrationen gegen die Arbeitsmarktreform sagte Koch der Zeitung: "Die Sorgen der Menschen wegen Hartz IV sind unbegründet. Ich stelle mich hinter den Kompromiss, der zwischen der Bundesregierung und der Union geschlossen worden ist." Wer keine zumutbare Arbeit annehme, habe auch keinen Anspruch auf Unterstützung durch die Steuerzahler. Mit Blick auf die gespannte Lage am ostdeutschen Arbeitsmarkt sagte Koch allerdings: "Wer unter schwierigen Bedingungen trotzdem arbeitet, der soll besondere Unterstützung bekommen.
Auch CDU-Chefin Angela Merkel hatte sich erneut hinter die Arbeitsmarktreform gestellt. Doch führende ostdeutsche CDU-Politiker verlangten abermals Nachbesserungen. So forderte Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) eine Abkehr von den Plänen zur Anrechnung der Altersversorgung auf das Arbeitslosengeld II. Der Regierungschef von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), verlangte, vor allem umständliche Genehmigungsverfahren zu vereinfachen.
Die Union hatte dem Gesetz im Bundestag mit großer Mehrheit zugestimmt. Im Bundesrat hatten sich mehrere unionsgeführte Länder der Stimme enthalten.