Köhler lehnt Begnadigung ab
Seite 1 von 3 Neuester Beitrag: 09.05.07 09:41 | ||||
Eröffnet am: | 07.05.07 12:57 | von: Zombi | Anzahl Beiträge: | 63 |
Neuester Beitrag: | 09.05.07 09:41 | von: lassmichrein | Leser gesamt: | 11.011 |
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Bundespräsident Horst Köhler hat eine Begnadigung des ehemaligen RAF-Mitglieds Christian Klar abgelehnt. Das teilte das Bundespräsidialamt in Berlin mit. [tagesschau]
MfG/Johannah
Christian Klar
- geb. 20. Mai 1952 in Freiburg
- Mutter Gymnasiumlehrerin, Vater Vizepräsident des Landesschulamts
- 1972 Abitur
- Studium der Geschichte und Philosophie in Heidelberg
- Gemeinsame Wohngemeinschaft mit Adelheit Schulz und Günter Sonnenberg, später auch Knut Folkerts
- 30. Oktober 1974 beteiligt an der Besetzung des Amnesty International Büro in Hamburg
- Ende 1976 Anschluss an die RAF - Gang in den Untergrund
- 16. November 1982 in Friedrichsruh nahe Hamburg verhaftet
- 1985 im selben Prozeß wie Brigitte Mohnhaupt wegen aller Aktionen des Jahres 1977 und wegen des Angriffs auf Kroesen zu 5mal lebenslänglich und 15 Jahren verurteilt
- 1992 in einem weiteren Prozeß zu einem weiteren mal lebenslänglich veruteilt
- Das OLG Stuttgart legte 1997 eine Mindesthaft von 26 Jahren fest
Weshalb werden denn überhaupt solche Urteile gefällt, wenn doch von vornherein klar ist, dass sie sowieso nicht vollstreckt (abgesessen) werden müssen.
Im Übrigen ist die Köhler-Entscheidung richtig, mMn.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung
Feuilleton
Köhlers Satz
Die politischen Erpresser und der Bundespräsident
Man hört ein großes Aufatmen im Land: Der Spuk ist vorbei! Ein einziger Satz hat ihn gestern beendet: "Der Bundespräsident hat entschieden, von einem Gnadenerweis für Christian Klar abzusehen." Vorbei ist der Spuk einer öffentlichen Debatte, die man so lieber nicht erlebt hätte, die in ihrem ungehemmt propagandistischen Grundzug etwas durch und durch Unheimliches hatte. Wer hatte bei diesem Spuk alles mitgemischt, je länger, je lieber! Da waren all die unerlösten politischen Poltergeister, freche Usurpatoren der Volksseele, die ihre Stunde gekommen sahen, sich als Anwälte von Recht und Anstand vor dem Bundespräsidialamt anzuketten. "Der Bundespräsident ist in seiner Entscheidung völlig frei, aber wenn man mich fragt, dann sollte er . . ." - wie oft hatte man in den letzten Wochen und Monaten diesen gespenstischen Satz aus dem Mund von Politikern gehört, wie oft ist er nicht minder usurpatorischen Fernsehmoderatoren über die Lippen gegangen. Zuletzt grenzte es an Nötigung, wenn gar die Wiederwahl des Bundespräsidenten an Köhlers Entscheidung in der Gnadensache gebunden wurde.
Wie unmöglich die Situation am Ende geworden war, lässt sich daran erkennen, dass heute, ein Tag nach der Entscheidung Köhlers, ein eigentlich selbstverständlicher Satz wie der folgende ausdrücklich gesagt werden muss: Dass der Bundespräsident sich der Begnadigung Klars verweigert hat, ist ein Ausweis seiner Unabhängigkeit, nicht ein Beleg für politisches Vorteilsdenken in eigener Sache. So weit ging der Spuk dieser Debatte tatsächlich, dass sich Köhler heute dem Verdacht ausgesetzt sieht, in der Gnadensache vor politischem Druck eingeknickt zu sein. Doch das Gegenteil ist anzunehmen, wenn man aus dem Schloss Bellevue nicht auf Verdacht hin mal eben ein Spukschloss zaubern will. Das Plausible klingt leider paradox. Es lautet: Die Unabhängigkeit des Präsidenten erweist sich genau darin, dass er in der Sache so entschieden hat, wie es seine Nötiger von ihm erwarteten. Und es nun jedem selbst überlässt, anzuerkennen, dass er nicht wegen, sondern trotz der Zudringlichkeiten so entschied, wie er entschied.
So ungebührlich und müßig es war, dem Präsidenten während des Gnadenverfahrens Ratschläge zu erteilen, so ungebührlich und müßig ist es heute, im Kaffeesatz seiner Entscheidung lesen zu wollen. Welche Rolle spielte das bizarre Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz zu Beginn dieses Jahres, in dem Klar nahtlos an die schwarze Prosa, die mörderische Rhetorik von Bekenntnisschreiben der RAF anknüpfte? Welches Gewicht hatte der Umstand, dass sich der mehrfache Mörder Klar nach wie vor weigert, an der Aufklärung konkreter Täterschaften mitzuwirken? Spricht die Tatsache, dass Köhler sich mit Klar persönlich traf, womöglich für eine ursprüngliche Begnadigungsabsicht, die erst in letzter Sekunde - eben durch den persönlichen Gesprächseindruck - zu Fall kam? Über Fragen wie diese lässt sich schlaumeierisch spekulieren - am Ende bleibt allein das Eingeständnis: Wir wissen es nicht. Dass die Prozedur der Entscheidungsfindung für die Öffentlichkeit ein dunkler Raum bleibt, ist Teil des grundgesetzlich verbürgten Gnadenrechts. Wenn man an diesem Gnadenrecht festhalten will, dann muss das politische und mediale Gemeinwesen in einem anderen Umfang als bisher bereit sein, im Verfahren die Luft anzuhalten. Anderenfalls wäre die Position derer zu erwägen, die meinen, der Gedanke einer Milderung von Härten bei der Anwendung des gesetzten Rechts sei bei den erkennenden Gerichten schon in guten Händen und bedürfe keines Gnadenrechts.
So oder so hat Köhler mit seiner Entscheidung ein weitverbreitetes Rechtsempfinden bestätigt, das im Gnadenakt keinen Willkürakt sehen möchte. Der Präsident ist kein Willkürgott, der seine Gnadengeschenke verteilt, wie es ihm einfällt. Manches gutgemeinte, aber irreführende Wort über die Gnade, die an keine Reue gebunden sei, hat nicht minder zum Spukcharakter der Debatte beigetragen. Denn natürlich ist auch der freie Gnadenherr faktisch an Prozeduren der Prüfung gebunden, auf Feststellbares angewiesen, auf nachvollziehbare Befunde, die seiner Entscheidung im Ganzen zumindest nicht widersprechen dürfen. Alles andere wäre Gnadenmetaphysik. Köhler selbst scheint dies klarstellen zu wollen, wenn es in seiner gestern veröffentlichten Stellungnahme heißt: "Der Gnadenentscheidung betreffend Christian Klar lagen unter anderem Stellungnahmen der Bundesministerin der Justiz, des erkennenden Gerichts, der Generalbundesanwältin und der für den Strafvollzug verantwortlichen Justizvollzugsanstalt sowie ein kriminalprognostisches Gutachten zugrunde. Der Bundespräsident führte darüber hinaus zahlreiche Gespräche, auch mit Hinterbliebenen der Opfer. Abschließend sprach der Bundespräsident am 4. Mai 2007 mit Herrn Klar." Auch letzteres gehörte zur institutionell abgesicherten Sorgfaltspflicht, ob die Kritiker wollen oder nicht.
Genau das - die institutionelle Vergewisserung des frei ausgeübten Gnadenrechts - ist der Grund, warum in der Causa Klar auch eine andere Entscheidung hätte respektiert werden müssen. Der Grund dafür, dass Anlass für Zweifel an der Sorgfaltspflicht des Gnadenherrn auch dann nicht bestünden, wenn Köhler Klar begnadigt hätte. Kein Spuk störe jetzt die politische Befriedung, die wir seit gestern haben. CHRISTIAN GEYER
Text: F.A.Z., 08.05.2007, Nr. 106 / Seite 33
Bildmaterial: dpa
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MfG
kiiwii
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Ein kleiner, dummer Sieg
KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE
Hat der Bundespräsident dieser Republik, aus Furcht nicht wieder gewählt zu werden, Christian Klar nicht begnadigt? Hat Köhler den Drohungen der CSU nachgegeben, der der Rechtsstaat reichlich egal ist, wenn sie mit Populismus punkten kann?
Wir wissen es nicht. Doch wahrscheinlich ist dies nicht - denn Köhler hat oft und demonstrativ gezeigt, dass er ein eigenwilliger Kopf ist, der Zwist mit der politischen Elite nicht scheut.
Doch schon dass man diese Fragen mit Recht stellen kann, ist schlimm genug. Es zeigt, wie vergiftet das Klima noch immer ist, wenn es um die RAF geht. Denn CSU und Bild-Zeitung führen, ohne mit der Wimper zu zucken, dreißig Jahre alte Feindbilder ins Feld. Wer Beckstein hört und Bild liest, kann Zweifel haben, ob auf die Fortschritte der politischen Kultur wirklich Verlass ist, wenn es mal ernst wird.
Die Debatte um Gnade für Christian Klar hatte etwas bizarr Unangemessenes. Sie war überladen mit Rechthaberei und Symbolik. In der öffentlichen Optik ging es längst nicht mehr um Gnade für ein Individuum, sondern um viel mehr. Irgendwie schien es, als wäre Köhlers Gnadenerweis für Christian Klar eine zeithistorische Aussage - eine Art Schlussstrich unter die RAF. Umgekehrt schien das Nein zur Gnade für Klar auch eine politische Aussage zu sein. Ein Zeichen, dass der Staat in den 70ern alles richtig gemacht hat, dass die damalige Härte gegen die RAF-Gefangenen noch immer das einzig richtige Rezept ist. So feiern nun manche Rechtskonservative Köhlers Nein als Triumph eines starken Staates. Als Sieg über die RAF, noch mal.
Diese symbolischen Gefechte haben mit dem, um was es konkret geht, nicht viel zu tun. Christian Klar sitzt seit mehr als 24 Jahren im Knast. Das ist lang, länger, als ein Rechtsstaat es Menschen, die niemanden mehr gefährden, zumuten sollte. Klar wird in eineinhalb Jahren auf Bewährung freikommen. Noch 20 Monate, nach 24 Jahren. In dieser Zeit wird sich Klar langsam wieder an die Freiheit gewöhnen - und sich das Recht dazu gegen den ideologisch verbohrten Stuttgarter Justizminister Goll vor Gericht erstreiten.
Die Konservativen bejubeln nun einen Sieg. Lasst sie. Es ist ein kleiner, dummer, unnützer Sieg.