Killer-Tsunami in Südostasien !
Killer-Tsunamis reissen Hunderte in den Tod
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Das Beben um 2.00 Uhr (MEZ) hatte nach jüngsten Messungen der US-Erdbebenwarte in Colorado eine Stärke von 8,9 und war damit das weltweit schwerste seit 40 Jahren. Sein Zentrum lag im Indischen Ozean, 40 Kilometer unter dem Meeresboden vor der Nordwestküste von Sumatra. Dort verloren mindestens 100 Menschen ihr Leben.
Die von der gewaltigen Erschütterung am Meeresgrund ausgelöste Flut erreichte 1´600 Kilometer weiter westlich ihre grössten Ausmasse. Allein in Sri Lanka kamen nach Angaben der Behörden 1000 Bewohner der Küstenregionen ums Leben, rund 100’000 wurden obdachlos.
Die Riesen-Tsunamis brachen nach dem Beben über die Küste in den srilankischen Bezirken Muttur und Trincomalee herein. «Wir sind in einer sehr tragischen Lage», sagte der Polizeisprecher in Muttur, Rienzie Perera. Einige Krankenhäuser der Region seien nicht mehr in der Lage, Verwundete aufzunehmen. Der Hafen der Hauptstadt Colombo wurde geschlossen. Die Regierung sprach von einer nationalen Katastrophe, die mehr als 500´000 Menschen betrifft.
In Südindien ertranken mindestens 500 Menschen. An den Stränden von Madras, der Hauptstadt des Unionsstaates Tamil Nadu, wurden mindestens 100 Leichen angespült. Dem Zentrum des Erdbebens am nächsten lag die indonesische Provinz Aceh, wo mindestens 157 Menschen ums Leben kamen.
In Thailand brach die Flutwelle über mehrere Touristenregionen im Süden ein. Mindestens 61 Menschen kamen ums Leben. Auf einem Strand der Ferieninsel Phuket ertranken mindestens vier Touristen. Unter den zahlreichen Verletzten im Krankenhaus von Phuket waren offenbar auch viele Ausländer aus den Hotels an den beliebten Stränden Kamala und Patong. Reisende aus der Schweiz kamen nach ersten Angaben nicht ums Leben. Der Flugverkehr mit Phuket wurde eingestellt. Zum Zeitpunkt der Flutwelle befanden sich Augenzeugen zufolge auch mindestens 30 Boote mit Touristen auf dem Meer.
Aus Malaysia wurden sieben Tote gemeldet, darunter auch mehrere Ausländer. Hier brach die Flut über die Ferieninsel Penang herein. Auch die zahllosen kleinen, tiefliegenden Ferieninseln der Malediven sind von der verheerenden Flutkatastrophe im Indischen Ozean betroffen. Zwei Drittel der Hauptinsel Male wurden überschwemmt. Der internationale Flughafen musste geschlossen worden.
Thailand wird nach Angaben aus Behördenkreisen die Untersuchung von mehr als 2000 nicht identifizierten Opfern wiederholen. Dazu gehöre die Exhumierung von mehr als 600 Leichen, hieß es am Montag.
Dieser Schritt sei nötig, weil viele Opfer direkt nach der Flut vor zwei Wochen hastig beerdigt worden seien. Selbst die grundsätzliche Einteilung nach Thailänder oder Ausländer müsse neu vorgenommen werden.
In Thailand waren in den Fluten vom 26. Dezember nach offiziellen Angaben 5303 Menschen umgekommen. Davon sind 2159 nicht identifiziert. In dem Land werden auch noch zahlreiche deutsche Urlauber vermisst.
Dokumente und DNA-Tests nötig
„Wenn wir von jetzt an sagen, dass wir sie identifizieren können, müssen wir ihre Namen kennen und irgendeine Art Dokument haben, das ihre Identität bestätigt", teilten die Behörden mit.
Innenminister Bhokin Bhalakula kündigte DNA-Tests bei allen nicht identifizierten Leichen an. Ausländer, die befürchteten, dass unter den Toten Angehörige seien, sollten bei der Polizei ihrer Heimatländer eine genetische Probe abgeben.
Diese werde dann für einen Vergleich nach Thailand geschickt. Ein Sprecher der Behörden in Phang Nga sagte, auch bei vielen bereits genetisch untersuchten Leichen müsse der Vorgang wiederholt werden, weil die aufgemalten Identifikationsnummern später durch ein Desinfektionsmittel weggewischt worden seien.
Asiate oder Europäer?
Der Chef einer forensischen Einheit der britischen Polizei in Thailand, Graham Walker, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Einordnung als Asiate oder Europäer müsse von drei Ärzten einstimmig getroffen werden.
Dabei würden unter anderem die Gesichtsknochen und das Behaarungsmuster an den Armen begutachtet. Gegenwärtig arbeiten Gerichtsmediziner aus mehr als 20 Ländern an der Identifizierung der Leichen. Solche, die vermutlich von Ausländern stammen, werden in gekühlten Behältern aufbewahrt.
Die Identifikation dürfte Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern.
Q: http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=10331
Gr. luki2
Die Politiker aus den westlichen Ländern sollten ihre Besuche in den südostasiatischen Krisengebieten sofort stoppen, fordert der Chef der Uno-Helfer in Thailand. Denn durch die Visiten werde die Arbeit in den von der Flutwelle zerstörten Regionen oft völlig blockiert.
Oslo/Phuket - In der vergangenen Woche seien allein zwölf Außenminister nach Phuket gekommen, beklagte sich Jan Eil Mosand in einem Interview mit dem Osloer Rundfunksender NRK. Neben der aufwendigen Betreuung vor Ort nannte Der Norweger vor allem Sicherheitsmaßnahmen am Flugplatz als größtes Problem durch die Besuche von ausländischer Politprominenz. "Diese Besuche blockieren mitunter unsere Arbeit fast völlig", sagte Mosand in Phuket. Die westlichen Politiker sollten ihre Besuche in den Katastrophengebieten deshalb sofort stoppen.
MfG
kiiwii
In New York ließ die UNO erklären: Nach der Flut komme die größte UN-Hilfsoperation aller Zeiten. Die Arbeit taten derweil andere, von Armeestäben mit ihren Pionieren bis hin zu vielen kleinen NGOs. Regierungen kamen, die deutsche mit der Bundeswehr und dem Technischen Hilfswerk, dem weltweit wohl besten zivilen Wiederaufbauteam. Wo aber ist die UNO?
Eine Organisation, die sich jetzt auch wieder nur in den klimatisierten Sälen der großen Hotels in Jakarta und Bangkok aufhält, ist nicht in der Lage, die Hilfe und die Helfer vor Ort zu organisieren, gar die Führung zu übernehmen. Die UNO hat schon auf dem Balkan, in Ruanda, in Liberia und in Sierra Leone versagt. Ganz zu schweigen vom Süd-Sudan. Aber sie konnte sich bisher immer durchmogeln, weil unsere Abgeordneten nicht so genau nachfragen.
Ich sage das ungern, und es war nicht immer so. Ich erinnere mich an den 15. Mai 1980 - es war meine erste Begegnung mit der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR. Zu dritt oder viert haben wir in dem Lager Cam Camp die Zelte aufgeschlagen und Hand angelegt. Einer der UNHCR-Leute war ein patenter Australier, Miller hieß er. Ich kann ihn nicht vergessen: Denn solche Leute gibt es nicht mehr. Sie fahren durch die Straßen der jeweiligen Hauptstädte und sonnen sich im Bewußtsein ihrer Bedeutung.
Die UNO hilft gern, indem sie massenhaft Nahrungsmittel bereitstellt. Oft viel zu lange. In Afghanistan etwa ist es mittlerweile so, daß dieses fleißige Volk keine Gratisnahrungsmittel mehr braucht. Ja, die Bauern und kleinen Landwirte beklagen sich, denn die Gratisnahrungsmittel verderben ihnen die Preise.
Die UNO-Agenturen, die ich besuchte, haben nie ein Ergebnis vorweisen, nie ein Termingeschäft abwickeln müssen. Im Kosovo, von der dortigen Bevölkerung Unmikistan genannt (wegen der UN-Mission im Kosovo UNMIK), funktionierte auch drei Jahre nach der Vertreibung der Serben 1999 die Strom- und Wasserversorgung noch nicht. Es handelt sich wohlgemerkt um das kleinste Land Europas. Hätte man diese Arbeiten einer großen Firma als Termingeschäft gegeben, hätte sie das termingerecht abgeschlossen. Die UNO-Verwaltung nicht.
Niemand trägt bei der UNO politische Verantwortung, zum Beispiel für das Desaster in den schönen Flüchtlingslagern um den Kivu-See im Grenzgebiet von Ruanda. Dort fütterte die UNO die Völkermörder. Sie waren clever genug, von den Nahrungsmitteln etwas einzubehalten, zu verkaufen und Waffen dafür zu erwerben.
Die UNO darf sich nicht im Faulbett der Gelder ausruhen, die aus aller Welt reichlich kommen. Das tut sie aber andauernd. Sie muß ihre diplomatische Unnahbarkeit überwinden. Die UNO-Hilfsagenturen müssen wieder operational werden. Die Millers müssen wieder dort arbeiten. Das Flüchtlingswerk UNHCR darf nicht mehr das Budgetgeld aus dem deutschen Haushalt bekommen und das Geld - unter Einbehaltung von 20 Prozent - an kleinere NGOs weitergeben, die dann die Arbeit tun.
Solche bürokratischen Weltagenturen haben ihre Führungsrolle verspielt. Rupert Neudeck
Laut einer umstrittenen Theorie sind die Kanaren eine tickende Zeitbombe. Sie könnten auseinander brechen und eine verheerende Flutkatastrophe in Europa und sogar den USA auslösen.
Das Szenario könnte dem Drehbuch eines Horrorfilms aus Hollywood entstammen. Ein Vulkanausbruch auf der Insel La Palma lässt das Kanaren-Eiland in zwei Teile auseinander brechen und eine Hälfte in den Atlantik stürzen. Dadurch würde nach Ansicht des britischen Wissenschaftlers Bill McGuire ein Mega-Tsunami ausgelöst, der die Flut in Asien noch in den Schatten stellen würde.
Die Horrorvision von McGuire ist nicht neu. Der Wissenschaftler vom Londoner Benfield Hazard Research Centre hatte sein Katastrophenszenario schon vor vier Jahren entwickelt. Doch durch die Flut in Asien erhielten seine Prophezeiungen neue Aktualität. In der Fachwelt ist die Theorie jedoch heftig umstritten. "Sie ist schlichtweg Unsinn", sagt Juan Carlos Carracedo. Der führende Vulkanologe auf den Kanarischen Inseln hält die Theorie für "übertrieben und falsch".
Hintergrund: Tsunamis - Berge aus WasserInfografik: So funktioniert ein Tsunami-FrühwarnsystemNaturkatastrophe: Die asiatische Apokalypse20 Meter hohe Wellen könnten New York zerstören
Nach dem Szenario von McGuire könnte bei einem Einsturz der Insel die Flutwelle an den Kanaren eine Höhe von über 100 Metern erreichen und sich mit der Geschwindigkeit eines Düsenjets über den Atlantik ausbreiten. An der Ostküste der USA hätte die Welle danach noch eine Höhe von 20 Metern und immense Zerstörungen in Städten wie New York oder Miami zur Folge.
In den USA, Spanien, Portugal, Großbritannien, Frankreich, in der Karibik und Westafrika wäre das Leben von Millionen von Menschen in Gefahr, warnte McGuire. Noch im vorigen Sommer forderte der Experte die US-Regierung auf, für den Ernstfall Evakuierungspläne auszuarbeiten. Außerdem müsse auf La Palma der Vulkan Cumbre Vieja von Wissenschaftlern ständig genau beobachtet werden.
Die Insel wird auseinander brechen
Die Fachwelt ist sich weitgehend einig, dass die Insel irgendwann mal auseinander brechen könnte. Die meisten Wissenschaftler halten es jedoch für unverantwortlich, den Anschein zu erwecken, als stünde eine solche Katastrophe in naher Zukunft bevor. "Wir haben es hier mit geologischen Prozessen zu tun, die sich in Zeiträumen von Millionen von Jahren abspielen", sagt Carracedo.
Im Zentrum der Theorie steht der Vukan Cumbre Vieja zeichnet sich dadurch aus, dass seine Wände Risse aufweisen. Niemand weiß, wie viele Ausbrüche der Vulkan aushalten wird. In den vergangenen 500 Jahren brach er sechs Mal aus, zuletzt 1949 und 1971. Laut Carracedo blieben all diese Ausbrüche ohne große Folgen: "Wenn der Cumbre Vieja das nächste Mal ausbricht, wird mit ziemlicher Sicherheit nichts passieren."
McGuire räumte mittlerweile ein, dass sein Katastrophen-Szenario nur eine Hypothese sei. "Niemand weiß, ob es wirklich so kommen wird", sagte er der Madrider Zeitung "El Mundo". Auf die Frage, ob er sich trotz seiner Horrorvision auf La Palma ein Haus kaufen würde, antwortete der Wissenschaftler: "Ja, ich spiele sogar ernsthaft mit dem Gedanken. Mir gefallen die Kanarischen Inseln sehr."
Sollte der Teil wirklich mal abrutschen, wird man die Weltkarten neu drucken müssen. Vielleicht ist die Plattenverschiebung doch ein Vorbote von größeren Veränderungen in naher geologischer Zukunft...also in ca. einigen 10.000 Jahren.
Wir werdens sehen oder eben nicht.
utscheck
Der Uno-Koordinator für humanitäre Einsätze, Egeland, hat mitgeteilt, dass jedes Jahr rund 250 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen seien. Diese seien für die Menschheit bedrohlicher als Krieg und Terror. Er forderte den Aufbau eines umfassenden Frühwarnsystems.
Drei Milliarden Menschen leben in gefährdeten Gebieten
New York - Erdbeben, Flutwellen und Wirbelstürme bedrohen nach Einschätzung der Vereinten Nationen die Menschheit in weitaus stärkerem Maß als Terrorismus und Kriege. Jan Egeland, Uno-Koordinator für humanitäre Einsätze, sagte in New York, weltweit seien Jahr für Jahr 250 Millionen Menschen direkt von Naturkatastrophen betroffen. Drei Milliarden Menschen, also rund die Hälfte der Weltbevölkerung, lebten in gefährdeten Regionen. Vehement forderte Egeland den Aufbau wirksamer Frühwarnsysteme.
Mit Blick auf die verheerende Flutkatastrophe in Asien mit mehr als 150.000 Toten sagte er: "Der nächste Tsunami kommt vielleicht erst in hundert Jahren. Aber nächstes Jahr wird es wahrscheinlich mehrere Wirbelstürme geben, die genauso viele Menschen in Lebensgefahr bringen." Kuba habe zum Beispiel schon ein gutes Orkan-Warnsystem, Haiti aber nicht. "Wir brauchen ein internationales System", forderte er.
Egeland nannte es "unglaublich", dass Experten am 26. Dezember seit Stunden von dem drohenden Tsunami im Indischen Ozean wussten, zur selben Zeit sich aber tausende Menschen ahnungslos am Strand aufhielten und nicht gewarnt wurden.
Vom 18. bis zum 22. Januar wird es im japanischen Kobe zur Internationalen Konferenz zur Katastrophenvorsorge kommen. Zu dem Treffen werden 4000 Teilnehmer aus 140 Staaten erwartet. Hauptthema ist ein globales Frühwarnsystem, das den Planungen zufolge noch in diesem Jahr in Betrieb gehen soll.
Auch Uno-Generalsekretär Kofi Annan hatte sich für ein weltumspannendes Warnsystem für Tsunami-Wellen und andere Naturkatastrophen ausgesprochen. Kein Teil der Welt dürfe vergessen werden, mahnte er an.
SPIEGEL
Deutschland will Warnsystem für 45 Millionen Euro bauen
Die Bundesregierung will in Südostasien ein Tsunami-Frühwarnsystem aufbauen - als Entwicklungshilfe für die von der Flut betroffenen Länder. Die Kosten bezifferte Forschungsministerin Edelgard Bulmahn auf 45 Millionen Euro.
Ministerin Bulmahn: "Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um schnelle Hilfe"
Berlin - Das Angebot an die südostasiatischen Länder steht: Deutschland will in der Region ein Tsunami-Warnsystem aufbauen, das von führenden deutschen Geowissenschaftlern entwickelt werden soll. Das System koste 45 Millionen Euro und könne Teil der von der Bundesregierung angebotenen Hilfe über 500 Millionen Euro sein, sagte Forschungsministerin Edelgard Bulmahn heute in Berlin. Zuvor hatten die Wissenschaftler ihr Konzept bei Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgestellt.
Schröder erklärte, ein solches Warnsystem könne nur gemeinsam mit den betroffenen Ländern und den anderen Partnerstaaten aufgebaut werden. "Das erfordert eine internationale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit auf höchstem Niveau", sagte der Kanzler.
Laut Bulmahn soll bereits die kommende Woche beginnende Internationale Konferenz zur Minderung von Katastrophenfolgen im japanischen Kobe über das deutsche Konzept beraten. Der Plan für ein satellitengestütztes Warnsystem war von Wissenschaftlern des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ), der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover sowie dem Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) in Kiel erarbeitet worden.
"Deutsche Geoforschung international führend"
Dreistufige Vorwarnung: Wie ein Tsunami-Vorhersagesystem funktioniert
Bulmahn erklärte, das deutsche System sei offen für die Kombination mit entsprechenden Systemen der USA und Japans. "Es geht nicht um Konkurrenz, sondern wir wollen eine schnelle Hilfe für die Menschen." Die deutsche Geoforschung sei international führend und verfüge über modernste Technologie.
Noch in diesem Jahr soll entschieden werden, welches System im Indischen Ozean eingerichtet wird. "Wir wollen mit den betroffenen Ländern kooperieren", sagte Bulmahn. Außerdem wolle die Bundesregierung das System auch in Europa anbieten, um etwa im Mittelmeer drohende Tsunamis rechtzeitig erkennen zu können.
Das deutsche Frühwarnsystem könnte dem GFZ-Vorstandsvorsitzenden Rolf Emmermann zufolge in zwei Stufen aufgebaut werden. Binnen einem bis drei Jahren könne zunächst das eigentliche Frühwarnsystem mit neu entwickelten Drucksensoren am Meeresboden, Funk-Bojen und moderner Auswertungssoftware an Land errichtet werden, sagte er.
Meeresboden-Sensor des PMEL vor dem Aussetzen: Tsunami verrät sich durch Druckschwankungen
Die Bojen sind laut Emmermann eine bereits erfolgreich getestete Neuentwicklung. Das von den Deutschen entwickelte System biete erstmals die Möglichkeit, Bewegungen der Bojen millimetergenau in Echtzeit zu erfassen. Nur Deutschland verfüge über einen entsprechend spezialisierten Satelliten mit einem GPS-Empfänger und damit über die Möglichkeiten, Meeresoberflächen stetig auszumessen. In einigen Jahren könnten mit dem System sämtliche Meeresoberflächen weltweit in Echtzeit überwacht werden, betonte Emmermann.
Ein erstes Basis-Warnsystem im südasiatischen Raum würde rund 25 Millionen Euro kosten, der Aufbau ein bis drei Jahre dauern. "Wir haben die Partner zusammen, um das zu leisten", sagte der GFZ- Forscher. Die seit Jahren bestehenden Kontakte vor Ort erleichterten den Aufbau nationaler Datenzentren in den betroffenen Ländern. Ein großer Vorteil des deutschen Konzeptes sei zudem, dass es sich auf andere Regionen wie den Mittelmeerraum übertragen und problemlos mit weiteren Konzepten ergänzen lasse. Auch die Erfassung von Hurrikanen und anderen Wetterphänomenen sei möglich.
Ein großes Problem bliebe allerdings auch mit der besten Vorhersage zunächst ungelöst: Viele Menschen in Südasien sprächen kein Englisch und hätten weder Handy noch Radio, sagte der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover, Friedrich-Wilhelm Wellmer. "Wir müssen Strukturen im Lande schaffen, mit denen die Informationen auch wirklich bis nach unten geleitet werden."
Zweifel am deutschen Konzept
Tsunami-Boje des amerikanischen PMEL: Aufbau eines funktionierenden Frühwarnsystems hat Jahrzehnte gedauert
Den Forschern des Potsdamer Geoforschungszentrums GFZ steht derzeit ein Netz von rund 50 Erdbeben-Messstationen zur Verfügung. Wegen der hohen Tsunami-Gefahr sollen im Indischen Ozean etwa 30 bis 40 weitere Messstationen entstehen.
Experten außerhalb Deutschlands bezweifeln allerdings, ob die ehrgeizigen Pläne der deutschen Forscher realistisch sind. US-Forscher hatten Jahrzehnte gebraucht, ehe sie im Pazifik - wo 90 Prozent aller Tsunamis entstehen - über ein funktionierendes Frühwarnsystem verfügen konnten.
Die Unesco will bis Mitte 2007 ein globales Tsunami-Warnsystem vorbereiten. Im Juni 2006 könnte als erster Teil ein regionales System für den Indischen Ozean aufgebaut sein, sagte der Generaldirektor der UN-Organisation für Kultur, Bildung und Wissenschaft, Koichiro Matsuura, in Paris. Auf 30 Millionen Dollar schätzt Matsuura die Kosten für dieses Regionalsystem, ein bis zwei Millionen Dollar werde der Betrieb jährlich ausmachen. Wichtig für den Aufbau des Systems sei die Zusammenarbeit der Unesco-Ozeanographen mit der Welt-Wetterorganisation (WMO) und anderen internationalen Partnern.
MfG
kiiwii
Eine der schlimmsten Naturkatastrophen in der Menschheitsgeschichte hat auch eine gewaltige Spendenbereitschaft mit sich gebracht. Privatpersonen, Institutionen und Regierungen sprachen den betroffenen Gegenden Rekordspenden zu.
Immer mehr Unternehmen aus aller Welt folgen diesem 'Trend' und zeigen sich solidarisch. So stellten Riesenkonzerne wie Siemens oder Kimberly-Clark bereits Geld- und Sachspenden in Millionenhöhe in Aussicht.
Laut Analysten beläuft sich die Summe der Spendengelder, alleine von Unternehmen und deren Mitarbeitern, weltweit auf über eine Milliarde US-Dollar. 'Sowas hat es zuvor noch nie gegeben', lassen Experten verlauten.
Quelle: www.stock-alert.org
von www.shortnews.de
Jakarta - Wie das indonesische Gesundheitsministerium bekannt gab, beläuft sich die Zahl der Opfer allein in dem Land auf mittlerweile 166.320. Laut Ministerium beruhen die Angaben auf den letzten Berichten aus den verwüsteten Provinzen Aceh und Nord-Sumatra. Dort richtete der Tsunami nach einem Seebeben der Stärke 9 die größten Schäden an. Die neuen Zahlen schlössen zahlreiche Personen ein, die zuvor noch als vermisst galten, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Ministeriums.
In der Provinzhauptstadt Banda Aceh und an der zerstörten Nordwestküste Sumatras werden jeden Tag noch etwa 2000 Leichen geborgen. "Wir haben schon mehr als 90.000 Menschen begraben. Nach unseren Schätzungen könnten es bis zu 150.000 werden", sagte Haniff Asmara von der Sozialbehörde der Provinz Aceh. Rund 700.000 Menschen hätten ihr Obdach verloren. Die Verteilung der Hilfsgüter ist laut Asamara wegen der zerstörten Infrastruktur und der schwierigen Sicherheitslage durch muslimische Separatisten nach wie vor ein großes Problem. "Allein an der Westküste wurden mindestens 30 Brücken weggespült."
Der Weltgesundheitsorganisation WHO bereitet derweil weiterhin die Gefahr eines Ausbruchs von Seuchen unter den Überlebenden Sorge. "Manche haben uns vorgeworfen, wir hätten überreagiert. Aber ohne Zahlen nennen zu können, haben wir es immer noch mit einem sehr großen Teil der Bevölkerung zu tun, der sehr großen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt ist", sagte der WHO-Sprecher in Aceh, Bob Dietz. Besonders achte man auf einen möglichen Ausbruch von Cholera, bereits existierende Fälle von Malaria und andere durch Wasser übertragbare Krankheiten. Zudem sei die Gesellschaft traumatisiert.
Und der Tod ist ihr Leben
Es ist keine schöne Arbeit. Aber irgendjemand muss sie machen. Sechs Wochen nach der Tsunami-Katastrophe kämpfen Freiwillige noch immer um die Würde der Opfer.
Von Stefan Klein
Unter den Trümmern liegen noch immer Leichen.
Foto: Reuters
So eine Farbe. So eine unpassende, obszöne Farbe. Schwarz wäre in Ordnung, auch Grau – aber Rosa? Hier an diesem Ort? Schreiendes, bonbonfarbenes Rosa? Der Fetzen sieht aus, als hätte er mal zu einem Bettüberzug gehört. Ein Relikt aus jenen fern vergangenen Zeiten, als Betten noch überzogen wurden und verwegenes Rosa Ausdruck von Lebensfreude war. Jetzt hängt das Stück Stoff an einem Stock, und der Stock steckt in einem haushohen Haufen Müll.
Einem der vielen, die übrig blieben, nachdem die Wellen sich ausgetobt und ausgekotzt hatten. Wie eine Flagge auf den Zinnen einer Burg sieht das beinahe aus, nur dass das rosafarbene Tuch kein Schmuck ist, sondern ein Zeichen. Ein unmissverständliches Zeichen für Fauzi Husaini und seine Männer.
Mürbe Bretter krachen und rostiges Wellblech knattert empört, als sie sich an die Besteigung des Haufens machen, dessen Geheimnis nun gleich enttarnt werden wird. Denn die Markierung auf seinem Gipfel sagt ihnen, dass hier nicht nur jede Menge Unrat liegt, sondern auch noch etwas anderes: die Überreste eines Menschen.
Körper unter Trümmern...
Die Männer tragen Gummistiefel und Schutzanzüge, weiße Overalls aus Kunststoff, aber den oberen Teil haben sie meist heruntergeklappt, es ist zu heiß. Sie tragen Handschuhe, die viel zu dünn sind und viel zu kurz. Fauzi hält etwas in der Hand, das er gleich entfalten und ausbreiten wird, aber erst zieht er den Stock mit dem bonbonfarbenen Tuch heraus und wirft ihn zur Seite.
Das wirkt, als wollte er sagen: Dieser Auftrag hier ist praktisch schon erledigt, wieder wird auf dem Weg zurück zur Normalität eine kleine, eine ganz kleine Etappe zurückgelegt sein. Ein Kollege hat schon angefangen mit der Arbeit. Zwei Hände in Handschuhen zerren Bretter zur Seite, dann reißen sie graues Gestrüpp weg.
Fauzi steht daneben und breitet bedächtig den makellos weißen, fabrikfrischen bodybag aus, den Leichensack. Was der Kollege in wenigen Minuten freilegt, ist die Leiche einer Frau. Sagt er. Der Mann hat die Erfahrung von Wochen und wird es wissen. Wir sehen etwas Erdfarbenes, etwas Pergamentenes, sehen ein weit aufgerissenes Gebiss und denken: eine Frau? Ein menschlicher Körper?
Nur noch Bruchstücke
Nach sechs Wochen Verwesung in tropischer Hitze ist da nur noch eine sehr entfernte Ähnlichkeit, aber was sich erhalten und dem Verfallsprozess widerstanden hat, sind ein dünnes Goldkettchen und ein Paar Ohrringe. Die Hände in den Handschuhen entfernen beides, wickeln es in ein Stück Papier und stecken es in einen Gummistiefel. Dann kommen zwei weitere Hände in Handschuhen dazu, und gemeinsam fassen sie an und betten um, was einen brutalen Geruch ausströmt und so mürbe ist, dass es auseinander zu fallen droht.
Ein Reißverschluss geht zu, ein weißer Plastiksack mit Inhalt wird hochgehoben und einem der Männer auf die Schulter gelegt. Beim Abstieg über wild ineinander verkeilte Stämme und Bretter kommt er ins Straucheln, und der Leichensack rutscht ihm vom Rücken. Ein Kollege lacht und hilft ihm wieder auf. Kurz danach liegt der Sack mit etwa einem Dutzend anderen auf der Ladefläche eines Lastwagens.
Für Fauzi und seinen Trupp ist dies ein Tag wie alle anderen auch. Er beginnt um neun Uhr morgens in Banda Aceh auf dem Gelände einer Autofirma, wo jetzt das indonesische Rote Kreuz sein Hauptquartier hat. Das ist seit der Katastrophe am 26. Dezember gefordert wie noch nie, und eine seiner Aufgaben ist die Suche nach Leichen.
So viele auch schon gefunden und bestattet worden sind, es sind Tausende, die noch herumliegen, und um die zu bergen, schwärmen jeden Tag in Aceh Suchtrupps von Freiwilligen aus, so wie der von Fauzi Husaini. An diesem Morgen macht er sich mit 16 Mann auf den Weg nach Lam Hasan.
Schutzlos der Welle ausgeliefert
Fas war eine dörfliche Wohngegend westlich der Stadt Banda Aceh, nah am Meer und deshalb der Wucht der Wellen schutzlos ausgesetzt. Als die drei Lkws und die Ambulanz, in die sich die Männer gequetscht haben, anhalten, sind sie in einer grauen, leblos wirkenden Wüste aus Schlamm und Müll. Was Mensch und Natur hier einst geschaffen hatten, existiert nurmehr in Form von Bruchstücken.
So sehen die Bilder in schlimmen Träumen aus, aber hier ist kein Aufwachen in heiler Welt. Dies ist der Arbeitsplatz von 17 Männern für einen Tag. Als sie am 28. Dezember zum ersten Mal auszogen, hatten sie am Abend 200 Leichen geborgen. Da war die Arbeit insofern noch leicht, als das Land übersät war mit Toten und man nicht lange suchen musste. Das ist jetzt anders.
Schichten von Müll und Trümmern sind abzutragen, aber andererseits gibt es eine Hilfe, die damals noch nicht existierte. Von den Überlebenden sind inzwischen einige zurückgekommen, für ein paar Stunden, für einen Tag, um zu gucken, was von ihren Häusern übrig geblieben, was von den Trümmern vielleicht noch zu gebrauchen ist. Entdecken oder vermuten sie dabei eine Leiche, dann stellen sie einen Stock mit einem Stofffetzen auf – als Wegweiser für die Bergungsteams. Fehlt es an solchen Zeichen, bleibt den Suchern nur eines: der Geruchssinn.
Schlamm und schwarzes Wasser
An diesem Tag gibt es viele Zeichen. Da hinten zum Beispiel der grüne Lumpen an dem Stecken, der aus dem Morast stakt. Wenn die Wüstenei wenigstens trocken wäre. Auch dann wäre sie noch unangenehm genug mit ihren rostigen Nägeln in irgendwelchen Latten, mit all den scharfkantigen Metallteilen und zerborstenen Hölzern, auf die man treten oder in die man fallen kann.
Mit entwurzelten Baumstämmen, die den Weg versperren. Mit Müllhaufen, die plötzlich nachgeben. Seitdem es geregnet hat, ist alles aber noch schlimmer geworden. Schlamm und trübes Wasser haben sich ausgebreitet, und die Männer sehen kaum noch, wo sie hintreten.
Schlamm schmatzt und schwarzes Wasser spritzt, als sie sich zu dem grünen Lumpen vorarbeiten. Eine seifige Matratze, ein Kleiderbügel, ein Fensterrahmen, zwei leere Säcke markieren den Weg, am Ende müssen sie über den Stamm einer Palme balancieren. Und dann ist da wieder etwas, das auszugraben, einzupacken, zu schultern und abzutransportieren ist.
Es stellt sich jedoch heraus, dass die Leiche im Morast zwischen zwei Baumstämmen eingequetscht und nicht zu bewegen ist. Eine Kettensäge wird geholt, und es beginnt ein harter Kampf um einen verwesten Körper. Im Schlamm stehend sägen sie aus den Stämmen einzelne Stücke heraus und wälzen sie beiseite.
Gerade mal eine Tetanus-Impfung
Schließlich liegt die Leiche frei, aber sie liegt tief im Matsch, und die Handschuhe sind so kurz und kein wirklicher Schutz. Schlecht seien sie für ihren gefährlichen Job ausgerüstet, sagt Fauzi. Eine Tetanusimpfung, die immerhin haben sie bekommen, aber sonst? Ungeeignet sind nicht nur die Handschuhe, sondern auch die Atemschutzmasken. Die benutzen sie gar nicht, weil man angeblich kaum Luft bekommt damit.
Ein Wunder fast, dass noch keiner im Team krank geworden ist. Nach 20 Minuten ist die Leiche ausgegraben und verpackt. Fauzi zieht sich den Overall hoch und die Kapuze über den Kopf, dann schultert er den Sack und arbeitet sich mit seiner Last zurück Richtung Lkw. Der Kollege mit der Säge folgt.
In Sri Lanka haben sie es sich einfacher gemacht. Da wurden die Tsunami-Todesopfer an Ort und Stelle mit Benzin übergossen und verbrannt. In einem muslimischen Land geht das nicht, in einer so strenggläubigen Region wie Aceh erst recht nicht. Da müssen Leichen geborgen und ordentlich begraben werden. Deshalb hat für Fauzi Husaini und seine Helfer seit dem 28. Dezember bis auf einen muslimischen Feiertag die Arbeit nicht mehr aufgehört.
Jeden Morgen neu sind sie ausgezogen und haben in und um Banda Aceh herum das Land nach Leichen durchsucht, und die 30 000 Rupien, kaum 30 Cents, die der Tageslohn dafür sind, waren noch der geringste Anreiz. Für Sahwin zum Beispiel gibt es ganz andere Beweggründe. Er ist 24 Jahre alt, Student, und gehört seit dem ersten Tag zu Fauzis Team. Als Muslim, sagt er, betrachte er es als seine Pflicht, sich an dieser Arbeit zu beteiligen, auch wenn Freunde ihn deswegen für verrückt erklärt hätten.
Es ist Mittagspause. Fauzi, Sahwin und die anderen haben sich auf einen Baumstamm gesetzt oder irgendwo auf dem Boden ausgestreckt. Es mag religiöse Pflicht sein, es könnte aber auch so etwas wie ein Stück Trauerarbeit sein, denn betroffen sind sie ja fast alle. Fauzi hat seinen Bruder sowie dessen Frau und zwei Kinder verloren.
Syahrial, Dozent von Beruf, hatte eine Frau, drei Kinder, eine Schwiegermutter, ein Auto und 300 Bücher – heute hat er nichts mehr. Noch nicht mal die Leichen seiner Lieben hat man gefunden, und so ist er Totensucher geworden und findet andere Leichen, Dutzende, jeden Tag.
Vielleicht ist das ein Trost. Fauzi zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. Er war arbeitslos, ehe das Rote Kreuz ihn auf die Toten von Aceh angesetzt hat. Still sitzt er da. Die Füße hat er von den Gummistiefeln befreit und auf einen zusammengefalteten Leichensack gestellt, den er vor sich hingelegt hat. Ein Stück glattes, sauberes, fabrikfrisches Plastik.
Kokosnüsse im Leichensack
Jemand schleppt Kokosnüsse an. Lam Hasan mag eine Todeszone sein, ein Ort von Chaos und Zerstörung, aber er trägt auch immer noch Leben in sich. Auf den ersten Blick wirkt es, als wuchere hier nur das Wellblech, aber der Regen hat selbst hier Zartgrünes, Lebendiges aus grauem, scheinbar totem Boden getrieben, und ein paar Kokospalmen waren ja ohnehin stehen geblieben.
Kokosnüsse also, angeschleppt in einem Leichensack, und Ridwan, einer der Lastwagenfahrer, stutzt sie mit dem Haumesser zurecht, bis man die Milch trinken kann. Ridwan ist laut und schrill und albern, er macht den Clown, und das tut der Truppe gut, denn er bringt sie zum Lachen und lässt sie für ein paar Minuten vergessen, dass ihr Leben der Tod ist und immer nur der Tod.
Es geht auf 14 Uhr, die Sonne brennt von einem wolkenlosen Himmel, als Fauzi seine Füße von dem Stück Plastik nimmt, die Gummistiefel wieder anzieht und losgeht. Er sagt nichts, gibt keine Anweisungen, ruft keine Befehle, geht einfach nur los, und die anderen folgen. Nicht lange danach geschieht ein Wunder, ein kleines jedenfalls.
Wir hätten es fast nicht mitbekommen, weil wir nämlich Fadhil zugesehen hatten in seinem schier aussichtslosen Kampf an einer Stelle, wo drei, vier Bäume stehen geblieben waren, die die Wellen offensichtlich nicht hatten brechen können. So war eine Barriere entstanden, vor der sich der Unrat meterhoch gestaut hatte – Wellbleche, Bretter, Fensterrahmen, Teppiche, Türen, Gesträuch, Betonpfeiler.
Es ist ein wilder, mit großer Kraft zusammengedrückter Verhau, aber markiert mit einem Zeichen. Einem roten Tuch. Fadhil, ein junger Mann mit langen, schwarzen Haaren, ist kräftig und zäh. Er zieht und zerrt, ein Kollege kommt dazu, und sie ziehen und zerren gemeinsam. Der Geruch sagt ihnen, dass sie nah dran sind, und die aufgescheuchten, böse brummenden Insekten sagen es auch. Aber sie kommen nicht näher, eine Wand aus Holz und Wellblech ist im Weg, und die Kettensäge ist gerade woanders im Einsatz.
Kampf gegen Gestank und Insekten
Es läge nahe aufzugeben. Zu sagen: Es geht nicht, es soll nicht sein. Aber die beiden jungen Männer machen weiter in dem Gestank und dem Insektengesumm, sie versuchen es von der einen Seite, dann von der anderen, der Schweiß läuft ihnen über die Gesichter, sie kämpfen, und schließlich ist der Kampf gewonnen. Keiner hat danach mehr die Kraft, den Fund auf der Schulter zu tragen. Sie packen jeder ein Ende des Leichensacks, schleifen ihn erschöpft zum Lastwagen.
Inzwischen hat sich das Wunder ereignet. Was Fauzi und seine Männer in diesen Tagen einsammeln, ist weit jenseits des Zustands, in dem man jemanden noch identifizieren könnte, es sei denn, man fände eine ID-Card, einen Personalausweis, bei dem Toten. Aber selbst dann ist es meist noch ein langer Weg, die Angehörigen ausfindig zu machen, und bis es so weit ist, liegt der Tote längst mit vielen anderen in einem Massengrab.
Aber manchmal fügen sich die Dinge auf wunderbare Weise. Als Fadhil kämpft, wird an anderer Stelle eine Leiche geborgen, und es ist ein Personalausweis dabei. Darin steht der Name, Abdul Aziz. Der Ausweis geht von Hand zu Hand, es ist immer etwas Besonderes, wenn eine verweste Leiche plötzlich einen Namen hat, und dann ist das Dokument auf einmal in der Hand von Safwan Aziz – dem Sohn.
Der eigene Vater
Der steht zufällig dabei. Er ist rausgekommen für den Tag, um nach den Überresten seines und seines Vaters Hauses zu sehen, stößt dabei auf den Bergungstrupp, wechselt ein paar Worte, nimmt den Ausweis in die Hand, nur so, man könnte die Person ja vielleicht kennen – und liest den Namen des eigenen Vaters.
Nun liegt der weiße Sack mit Inhalt vor ihm auf dem Boden, und das Gesicht verrät nicht, ob die Freude größer ist oder das Entsetzen. Später sieht man Safwan Aziz zusammen mit einem anderen Mann eine Grube ausheben. Der Vater soll auf seinem Grundstück bestattet werden, neben seinem Haus. Ein Stück Heimat, immerhin, auch wenn das Haus nur noch in Form der Grundmauern existiert, und das Grundstück voller Trümmer ist.
Die Sonne sinkt, die Lastwagen füllen sich, und der Trupp macht noch mal Pause. Es gibt etwas zu essen, in braunes Papier eingewickelten Reis mit Gemüse- und Fleischstückchen darin. Hände, die eben noch schlecht geschützt durch viel zu dünne, teilweise zerrissene Handschuhe an verwesten Leichen gezogen haben, machen sich gierig darüber her. Die Männer sind hungrig und die Portionen schnell aufgegessen.
„Ein Kilo Gold“
Ridwan macht wie gewohnt den Clown, einer verbindet sich den Fuß, und Fauzi zieht eine Tasche zu sich heran. Eine schwarze Tasche voll mit Behältern, die alle in Plastik eingewickelt sind, wie die geborgenen Leichen. Der schwerste und größte Behälter besteht aus dem unteren, dem bauchigen Teil einer Plastikflasche und ist zur Hälfte gefüllt mit Goldschmuck. Die andere Hälfte ist mit einem Tuch ausgestopft, das eine Art Stöpsel darstellt, damit nur ja nichts verloren geht von diesem Schatz. „Ein Kilo“, sagt Fauzi stolz, „ein Kilo Gold.“
Es ist dies die Ausbeute des Monats Januar, und auch in den ersten Februartagen haben sie schon wieder einiges zusammengetragen. Was während der Arbeit schnell verpackt in Gummistiefeln oder sonstwo verschwindet, wird abends zusammengelegt, auf dass er sich mehre, ihr Schatz, der zusammen mit dem Geld, das sie gefunden haben – zwei Millionen Rupien, viel weniger, als es klingt – den Grundstock bilden soll für den Bau einer Moschee.
Das ist ihr Plan, und sie wissen auch schon den Namen. Syuhada soll sie heißen – Märtyrer-Moschee. Aus ihrer Sicht macht das mehr Sinn, als wenn die Toten ihren Schmuck und ihr Geld mit ins Grab nähmen – ins Massengrab, das auch an diesem Abend wieder wartet.
Konvoi der Toten
Es ist kurz vor 18 Uhr, als drei Lkws und eine Ambulanz die letzte Station des Tages ansteuern. Ein Konvoi der Toten, ein Konvoi der Totensucher. Vier von ihnen haben sich oben auf das Fahrerhaus eines der Lkws gesetzt, sie gestikulieren und schreien, und vielleicht, wer weiß, genießen sie ja sogar ein bisschen – den Fahrtwind, den Feierabend und das Gefühl, etwas Nützliches und Wichtiges getan zu haben.
98 Körper in einem Grab
Noch freilich hat der Feierabend nicht wirklich begonnen. Eine Arbeit steht noch aus. In dem Ort Lam Blang hat ein Bagger eine mehrere Meter tiefe Grube ausgehoben. An dem frisch planierten Gelände rundherum sieht man, dass es hier bereits mehrere solcher Gruben gegeben hat.
Sechs Imame haben gewartet. Sie nehmen Aufstellung vor den Lastwagen mit den Toten und sprechen ein Gebet. Das ist schlicht und würdevoll, und danach geht es ganz schnell. Einzeln werden die Leichensäcke ins Grab geworfen, auf dessen Grund schon die weißen Schutzanzüge liegen, die die Männer ausgezogen haben. Fauzi steht am Rand des Grabes, Zigarette in der Hand, und zählt laut mit.
Bei 98 hört er auf, und der Bagger beginnt, die Grube mit Erde zu füllen. Zählt man den toten Abdul Aziz dazu, dann sind es exakt so viele wie am Vortag. Fauzi schätzt, dass er und seine Jungs seit dem 28. Dezember 6000 Leichen eingesammelt haben. Mit dem Wort Held muss man vorsichtig und zurückhaltend umgehen. Hier passt es vielleicht.
Später kann man im Pressezentrum von Banda Aceh erfahren, wieviele Tote insgesamt an diesem Tag in Aceh eingesammelt wurden. Es sind 721. Damit beläuft sich die Gesamtzahl der geborgenen und bestatteten Tsunami-Opfer in der Provinz auf 112.872. Weitere 127.749 Menschen werden nach offiziellen Angaben angeblich noch vermisst. Sollte das stimmen und sollte sich herausstellen, dass sie tot sind, werden Fauzi und die anderen noch oft, noch sehr oft ausrücken müssen.
(SZ vom 12.02.2005)
Q: http://www.sueddeutsche.de/,panl1/panorama/artikel/662/47615/
(seite 1/4)
Gr.
Noch Wochen später bebte der gesamte Globus
Von Christian Stöcker
Das gewaltige Erdbeben, das den Tsunami vom 26. Dezember 2004 auslöste, liegt nun beinahe fünf Monate zurück. Erst jetzt zeigen wissenschaftliche Untersuchungen das ganze Ausmaß der Katastrophe: Die gesamte Erde war betroffen. Noch Wochen später bebte der Planet.
ScienceKarte der Nachbeben: Seismische Wellen noch Wochen später |
Die Veröffentlichungen über das Beben, dessen Stärke von einigen Forschern auf 9,3 auf der Richterskala geschätzt wird, sind Ansammlungen von Superlativen. Die Energie, die freigesetzt wurde, entspricht beispielsweise der einer Bombe mit einer Sprengkraft von 100 Gigatonnen TNT - vergleichbar etwa der Gewalt von sieben Millionen Hiroshima-Bomben. Eine ähnliche Menge Energie wird in den USA in sechs Monaten verbraucht. 30 Kubikkilometer Meerwasser wurden bewegt.
ERDBEBENFORSCHUNG: DER TSUNAMI VOR DER KÜSTE SUMATRAS Klicken Sie auf ein Bild, um die Fotostrecke zu starten (5 Bilder). |
Der Tsunami erreichte von seinem Ursprungsort vor der Westküste Sumatras aus die Antarktis und beide Küsten Amerikas. Weil sich der Meeresboden im Golf von Bengalen und der Andamanensee dauerhaft gehoben hat, stieg der Meeresspiegel weltweit um einen Zehntelmillimeter an - permanent. "Im Zentimeterbereich blieb kein einziger Punkt auf der Erdoberfläche unberührt", schreibt der amerikanische Geologe Roger Bilham in "Science".
Weitere Beben in 11.000 Kilometern Entfernung
Die seismischen Wellen waren so stark, dass in anderen, vulkanisch aktiven Regionen weitere Erdbeben ausgelöst wurden. Eine Forschergruppe um Michael West von der University of Fairbanks etwa beobachtete, dass am Mount Wrangell in Alaska 14 kleinere lokale Beben ausgelöst wurden, über einen Zeitraum von elf Minuten verteilt. Der Vulkan ist fast 11.000 Kilometer vom Epizentrum des Bebens vor der Küste Sumatras entfernt.
Der Schwarm von Nachbeben in der Katastrophenregion selbst war der energiereichste, der je beobachtet wurde. Mehr als 150 Beben der Stärke fünf und größer ereigneten sich dort Ende Januar innerhalb eines Zeitraums von vier Tagen. Viele Nachbeben erreichten auch Stärken von 6 und mehr auf der Richterskala.
Nicht nur die Gewalt und die Reichweite des Bebens verblüffen die Wissenschaftler - auch der Zeitverlauf ist ungewöhnlich. In den ersten 40 bis 60 Sekunden verlief der Bruch vergleichsweise langsam. Dann geschah etwas, das im Gegensatz zum Verlauf der meisten anderen Erdbeben steht: Die Bruchgeschwindigkeit nahm zu. Vier Minuten lang raste der Riss in der Erde mit drei Kilometern pro Sekunde Richtung Norden - das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 11.000 Stundenkilometern. Weitere sechs Minuten lang lag die Geschwindigkeit bei 2,5 Kilometern pro Sekunde. Das errechneten Charles Ammon von der Pennsylvania State University und ein Team von Kollegen aus Daten, die von Seismographen überall auf der Welt aufgezeichnet wurden.
Langsame seismische Wellen noch Wochen später
Nach der explosiven Anfangsphase reduzierte sich die Bruchgeschwindigkeit, vor allem am nördlichen Ende des Risses. Wenn diese Bewegung nicht langsamer gewesen wäre als die am Rest der 1300 Kilomenter langen Bruchlinie, wären möglicherweise sogar noch verheerendere Tsunamis entstanden, vermutet Roger Bilham. Auch diese langsame Verschiebung - in 30 Minuten gab es nur eine Veränderung von etwa 7 bis 20 Metern - setzte aber eine riesige Menge Energie frei. Die langsamsten seismischen Wellen, die dabei entstanden, wanderten noch Tage später um den Erdball. Nach den Erkenntnissen des Teams um Jeffrey Park von der Yale University waren sogar noch Wochen nach dem 26. Dezember langsame Wellen als Spätfolgen des Bebens zu beobachten.
Die tägliche Bebenvorhersage für Kalifornier
Eine regelrechte Erdbebenvorhersage gibt es ab jetzt für die Einwohner des US-Staates Kalifornien. Eine Gruppe von Seismologen um Matthew Gerstenberger von der U.S. Geological Survey entwickelte den Service und berichtet darüber in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 435, S. 328). Er gibt jeweils für die nächsten 24 Stunden eine Wahrscheinlichkeit an, ob an einem bestimmten Ort ein Erdstoß zu erwarten ist, der ausreichen würde, den Asphalt aufzubrechen und Scheiben zum Zerspringen zu bringen. Dazu werden verschiedene Faktoren miteinander verrechnet, etwa die seismologische Tagesform des San-Andreas-Grabens. Auch kleinere und größere Beben der jüngeren Vergangenheit gehen in die Berechnungen ein.
"Das kann uns aber nicht vorhersagen, wann 'The Big One' kommt', erklärt Lucy Jones, von der U.S. Geological Survey. Das System ist vor allem dann nützlich, wenn bereits ein Beben stattgefunden hat: Kaliforniens Bewohner können dann online überprüfen, wie wahrscheinlich ein Nachbeben in ihrer Nachbarschaft ist.
Die Tsunami-Katastrophe in Asien hat einer Untersuchung zufolge deutlich mehr Frauen als Männer das Leben gekostet. In den am schwersten betroffenen Gebieten seien bis zu viermal mehr Frauen als Männer gestorben, berichtet eine internationale Hilfsorganisation.
DPALeichensäcke in Banda Aceh: Mehr Frauen als Männer unter den Toten |
In der indonesischen Provinz Aceh zählte Oxfam die Überlebenden in acht Dörfern, die vor der Katastrophe insgesamt mehrere tausend Einwohner besessen hatten. In vier Dörfern des Bezirks Aceh Besar waren demnach nur 189 Frauen unter den 676 Überlebenden. In vier Siedlungen im Bezirk Nord-Aceh befanden sich 284 Frauen unter 366 Toten - ein Anteil von 77 Prozent.
Ungleichgewicht hat kulturelle Gründe
Auch in Indien bot sich ein ähnliches Bild. In Nagapattinam, der am schwersten getroffenen Region in Südindien, tötete der Tsunami offiziellen Angaben zufolge 2406 Frauen und 1883 Männer. Im Cuddalore, dem Bezirk mit den zweithöchsten Opferzahlen, starben demnach 391 Frauen und 146 Männer. Aus Sri Lanka, wo mehr als 30.000 Tote zu beklagen waren, liegen laut Oxfam keine nach Geschlechtern sortierten Zahlen vor. Allerdings schienen die Verhältnisse hier ähnlich zu sein wie in Indien und Indonesien.
DLR/ Space ImagingSatellitenbilder von Aceh vor und nach dem Tsunami: Welle erwischte Frauen in den Häusern |
Als die Welle auf Land traf, seien zahlreiche Frauen bei dem Versuch gestorben, Kinder und Verwandte zu retten. Zudem sei die Fähigkeit, zu schwimmen und auf Bäume zu klettern, unter Männern in der Region traditionell weiter verbreitet als unter Frauen. Eine Rolle spiele bei Flutkatastrophen auch die körperliche Kraft: Während viele Männer es geschafft hätten, sich an Trümmer zu klammern und sich über Wasser zu halten, seien mehr Frauen erschöpft in den Fluten ertrunken.
Regionale Besonderheiten verstärkten den einen oder anderen Faktor, wie Rhona MacDonald betont. So nähmen etwa die Frauen in Indien traditionell rege am Fischfang teil. Als der Tsunami einschlug, hätten viele am Ufer auf die Rückkehr der Fischer gewartet, um den Fang zum Markt zu tragen.
Dass die Flutwelle mehr Frauen als Männer getötet hat, könnte jetzt zu tief greifenden sozialen Problemen in der Krisenregion führen, schreibt MacDonald. In den überfüllten Auffanglagern, in denen die meisten der rund 1,6 Millionen Obdachlosen nach der Katastrophe untergekommen sind, bestehe die Gefahr von sexuellen Übergriffen. Zudem könnten Frauen verstärkt zur Eheschließung und zu Schwangerschaften gezwungen werden.
Eine unabhängige Kommission hat vernichtende Kritik an Teilen der schwedischen Regierung und der Behörden nach der Flutwelle in Südostasien vor Jahresfrist geübt. Die Hauptverantwortung für die Fehler der Staatskanzlei wird Ministerpräsident Persson zugeschrieben. Die Kommission empfiehlt die Einrichtung eines Krisenstabs.
I. M. Stockholm, 1. Dezember
Schweden ist eines der europäischen Länder, das vom Seebeben in Südostasien am stärksten betroffen wurde. Am 26. Dezember 2004 hielten sich 20 000 bis 30 000 Schwedinnen und Schweden fernab von der nordischen Kälte in den beliebten Ferienregionen auf. Erste Medienberichte über den Tsunami lösten damals Unruhe in der Bevölkerung aus. Ein Beamter des Aussenministeriums versicherte jedoch kurz nach der Katastrophe, alle Schweden in der Region seien ausser Gefahr. Was danach folgte, war ein beispielloses Chaos im Staatsapparat. Im Aussenministerium kämpfte man mit zusammengebrochenen Telefonverbindungen, während die zuständige Ministerin Freivalds uninformiert blieb und den Abend im Theater verbrachte. Faxmitteilungen des schwedischen Konsulats in Thailand blieben lange liegen. Hilfsangebote von Reisebüros, Fluggesellschaften und Nichtregierungsorganisationen wurden ignoriert oder abgeschlagen. Als mehr als 48 Stunden nach dem Seebeben die Ressourcen in Thailand endlich verstärkt wurden, hatten andere europäische Länder bereits einen Grossteil ihrer Verletzten nach Hause gebracht.
Persson trägt die Hauptverantwortung
Dieses in den Medien dargestellte und die Bevölkerung wochenlang empörende Chaos in Staatsapparat und Beamtenstab ist nun von offizieller Seite bestätigt worden und schwarz auf weiss nachzulesen: Am Donnerstag hat die von der Regierung und der Opposition gemeinsam beauftrage Katastrophenkommission einen 500- seitigen Schlussbericht vorgelegt. Dessen Inhalt mag angesichts der bekannten Fakten kaum überraschen, dennoch ist das Fazit der Untersuchung überraschend deutlich.
So war das Hauptproblem bei der Bewältigung der Tsunami-Katastrophe das Fehlen eines funktionierenden Krisenmanagements in der Regierungskanzlei. Oberste und nicht delegierbare Verantwortung für diese Mängel trage Ministerpräsident Persson, legte der Kommissionspräsident, Johan Hirschfeldt, vor der Presse dar und erinnerte nebenbei an die (damals) über achtjährige Erfahrung Perssons als Regierungschef. Auch weitere Minister und hohe Beamte hätten Fehler begangen. Die Folgen des schlechten Krisenmanagements waren laut dem Untersuchungsbericht ein erhöhtes psychisches und physisches Leiden der Betroffenen. Zudem sei das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat als Garanten von Schutz und Sicherheit erschüttert worden.
Überfordertes Aussenministerium
Weil eine zentrale Koordinationsstelle auf Regierungsebene fehlte, musste das Aussenministerium die Leitung von andern Ministerien und Behörden übernehmen, was seine Kapazitäten überstieg. Doch auch ohne diese Zusatzaufgabe hätte das Amt besser arbeiten müssen, heisst es im Bericht. So war unklar, wer die operative Verantwortung im Aussenministerium trägt (nämlich der Kabinettssekretär). Dessen Chefin, Aussenministerin Freivalds, hat ihrerseits den nicht funktionierenden Informationsfluss zu verantworten. Auch wurde es versäumt, die konsularischen Kapazitäten genügend rasch zu verstärken und mit andern nordischen Ländern oder EU-Staaten Kontakt aufzunehmen. Die fünfköpfige Kommission richtete unter anderem aber auch Kritik an die Sozialministerin Johansson, deren Amt die Schuld an der späten medizinischen Unterstützung der Betroffenen vor Ort trägt. Die Naturkatastrophe hat in aller Wahrscheinlichkeit 543 schwedische Staatsbürger das Leben gekostet.
Um auf künftige Ausnahmesituationen professionell und rasch reagieren zu können, schlägt die Kommission die Schaffung eines Krisenstabs im Regierungsamt vor. Da die Regierung die Hauptverantwortung in Notsituationen trägt, braucht es kein neues Organ. Vielmehr genügt es, wenn die Minister bei Bedarf durch eine Kriseneinheit unterstützt werden, welche die strategische Koordination übernimmt. Die operativen Aufgaben sollen dagegen den entsprechenden Behörden überlassen bleiben. Länder wie Italien oder Deutschland, die über eine solche zentrale Krisenleitung verfügten, haben die Folgen des Seebebens am besten bewältigt, wie im Untersuchungsbericht hervorgehoben wird.
Nur zwei Tage vor der Veröffentlichung des Tsunami-Berichts legte die Regierung Persson Pläne für eine neue Bereitschafts- und Analysegruppe vor. Angesichts des zu erwartenden vernichtenden Urteils der Katastrophenkommisson kam dieser Schritt aber eher einem Akt der Verzweiflung gleich. Tatsächlich bezeichnete Hirschfeldt die Vorschläge vom Dienstag als ungenügend. Sie wiesen zwar in die richtige Richtung, müssten aber ausgebaut werden.
Der als schwerwiegendste offizielle Kritik an einer schwedischen Regierung zu wertende Tsunami-Bericht war ein gefundenes Fressen für die bürgerliche Opposition. In der parlamentarischen Fragestunde vom Donnerstagnachmittag betonte Reinfeldt, der Chef der Konservativen, dass die bürgerlichen Parteien seit Jahren für die Schaffung eines Krisenstabs kämpften. Entsprechende Vorschläge lagen zuletzt 2001/2002 auf dem Tisch, wurden aber wieder fallengelassen, weil sie angeblich nicht verfassungsgemäss waren. Dem widersprach jedoch Hirschfeldt, der im bestehenden Grundgesetz durchaus Spielraum für eine Bereitschaftsorganisation sieht.
Entschuldigung, aber kein Köpferollen
Der Regierungschef zeigte sich am Donnerstag nicht überrascht vom Tsunami-Bericht, der ihn als Hauptverantwortlichen für die Versäumnisse nennt. Persson entschuldigte sich in aller Form und meinte, dass er die volle Verantwortung für die eigenen Versäumnisse und für die Fehler der Regierung trage. Weitergehende Konsequenzen schloss er jedoch aus. Weder die Absetzung von Ministern noch von Chefbeamten würde den von der Flutwelle Betroffenen helfen. Vielmehr gelte es nun, neben den bereits ergriffenen Massnahmen die Arbeit der Verwaltung weiter zu verbessern, meinte Persson anlässlich einer Pressekonferenz in Stockholm. Die Opposition dagegen diskutierte zunächst über die Möglichkeit einer Vertrauensabstimmung, entschied sich jedoch dagegen. Einerseits sind bereits im kommenden September Parlamentswahlen angesagt, anderseits ist ungewiss, ob die Bürgerlichen allein eine solche Abstimmung gewinnen können. Weder die Grünen noch die Linkspartei, welche zusammen mit den Sozialdemokraten eine Mehrheit im Parlament erreichen, mochten in die Kritik der Opposition an der Regierung einstimmen.
Die Tsunami-Katastrophe in Asien hat eine der größten Forschungskampagnen aller Zeiten ausgelöst. Ein Jahr danach sind Experten besorgter denn je: Hinweise verdichten sich, dass der Region ein neues schweres Seebeben unmittelbar bevorsteht.
Vermutlich 230.000 Menschen starben am 26. Dezember 2004 durch die gigantischen Wellen, die vor allem in Indonesien, Thailand, Sri Lanka und Indien die Küsten verwüsteten. Forscher befürchten, dass eine solche Naturkatastrophe wieder auftreten kann. Möglicherweise werde es schon bald ein neues vernichtendes Beben im Indischen Ozean geben, betonen mehrere Forscherteams unabhängig voneinander.
Sonar-Aufnahmen des Meeresgrundes vor Indonesien, die vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel erstellt wurden und SPIEGEL ONLINE vorliegen, beunruhigen die Experten. Forscher um Wilhelm Weinrebe haben den Meeresboden mit Schallwellen abgetastet. Vor Sumatra fällt der Meeresboden auf 5000 Meter Tiefe ab - der Kontinentalhang ist höher als die Alpen. Unter dieses Untersee-Gebirge schiebt sich die australische Erdplatte. Die Gesteine verzahnen sich, große Spannungen entstehen. In letzter Zeit hat sich der Druck nicht abgebaut, fanden die Kieler Forscher heraus: Sie entdeckten keine Spuren größerer Erdstöße. Ein schweres Seebeben erscheint daher überfällig.
Vor einer erneuten Katastrophe warnt auch der Geologe Kerry Sieh vom California Institute of Technology. Er hat in den vergangenen Monaten Korallenriffe an der Küste Indonesiens untersucht. Das Ergebnis: Die schweren Erdstöße vom 26. Dezember 2004 und 28. März 2005 haben die Grenze zwischen den Kontinentalplatten wie einen Reißverschluss geöffnet - allerdings nur zu einem Viertel. Südlich der beiden Epizentren habe es dagegen auf mehreren Tausend Kilometern seit Jahrhunderten kein Starkbeben mehr gegeben.
Das Gestein sei mithin zum Bersten gespannt, folgert Sieh. Die beiden Beben hätten den Druck sogar weiter erhöht - um vier Bar. So stark steigt die Spannung durch die Bewegungen der Erdplatten normalerweise im Lauf von rund 50 Jahren. Die "Erdbebenuhr" habe sich mit einem Schlag auf eine Katastrophe hinbewegt, meint Sieh. Er erwartet schon in Kürze weitere Tsunami-Beben vor Indonesien.
Globale Forschungskampagne nach der Katastrophe
Die Tsunamis, die vor einem Jahr Hunderttausende töteten, haben eine der größten Forschungskampagnen aller Zeiten ausgelöst. Kurzerhand wurden Forschungsschiffe wie die deutsche "Sonne" oder die amerikanische "Performer" freigestellt, die eigentlich auf Jahre hin ausgebucht sind. Monatelang kreuzten Wissenschaftler in der Katastrophenregion und untersuchten den Meeresboden.
Minutiös rekonstruierten sie, was unter der Erde vor Sumatra geschehen war. Zwei dicke Gesteinsplatten, beide Dutzende Kilometer stark, schieben sich dort übereinander, verzahnen sich und bauen dadurch Spannungen auf, die sich regelmäßig bei Erdbeben entladen. Am 26. Dezember 2004 um 1.58 Uhr mitteleuropäischer Zeit hielt die nach unten gebogene südostasiatische Platte nicht mehr Stand: Sie brach an der Kante ab und schnellte nach oben. Mit einer Stärke von 9,3 auf der Richterskala war es das heftigste Beben der vergangenen 40 Jahre. Der Boden des Indischen Ozeans wurde erschüttert wie beim Einschlag eines 1000-Meter-Meteoriten.
Von der Nordspitze Sumatras aus riss die Erde auf einer Länge von 1300 Kilometern auf. Die 160 Kilometer tiefe Spalte fraß sich mit einer Geschwindigkeit von 2,5 Kilometern pro Sekunde nach Norden vor, der Ozeanboden ruckte bis zu 15 Meter in die Höhe. Der Stoß verursachte die Monsterwellen, die sich über den Indischen Ozean bis in alle Meere ausbreiteten.
Erdball vibrierte wochenlang
Die Erschütterungen liefen mehrmals um den Globus: Sie ließen den Boden von Sri Lanka wie einen wellenschlagenden Teppich neun Zentimeter auf und ab flattern. Inseln verschoben sich um Dutzende Zentimeter, der gesamte Indische Kontinent bewegte sich zwei Zentimeter nach Osten. Noch Wochen später zitterte der gesamte Erdball.
Die neuen Erkenntnisse über eine bevorstehende Wiederholung der Katastrophe treiben auch die deutschen Experten zur Eile, die derzeit ein Tsunami-Warnsystem im Indischen Ozean aufbauen. Obwohl es in Deutschland bis vergangenes Jahr kaum Tsunami-Forschung gab, begannen auf Geheiß der Bundesregierung mehrere Wissenschaftszentren mit der Entwicklung eines Warnsystems für Indonesien im Wert von 45 Millionen Euro.
Die erfahrenen Tsunami-Nationen USA und Japan hätten das Alarmsystem ebenfalls gern entwickelt. Eifersüchtig sperrten sie den Deutschen den Zugang zu ihren Daten. Den Plan, binnen drei Jahren ein modernes Warnsystem fertigzustellen, hielten US-Forscher ohnehin für abwegig. Die deutsche Gruppe unter Leitung von Jörn Lauterjung vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) erklärte indes unerschrocken, sie wolle das beste Alarmsystem der Welt entwickeln. Zunächst wusste allerdings niemand, wie man das macht.
Schnelle Arbeit am Frühwarnsystem
Doch das änderte sich. Auf zahlreichen Tagungen, die Teilnehmer als "chaotisch und kreativ" beschreiben, entstand das Konzept. Schneller als erwartet fanden sich zudem geeignete Technikfirmen, die die benötigten Geräte entwickelten.
Die Basis des Warnsystems bilden Erdbebenmessgeräte. Sie sind erforderlich, weil die meisten Tsunamis von starken Seebeben ausgelöst werden. Je mehr Seismometer in einer Region platziert sind, desto schneller und genauer kann ein Beben lokalisiert werden - denn bei der Tsunami-Warnung zählt jede Sekunde.
Der Indische Ozean ist bisher viel zu grobmaschig mit den Messgeräten bestückt, als dass rechtzeitige Warnungen möglich wären. Deshalb sollen in der Region 40 Geräte installiert werden, die über Satellitenverbindungen verfügen. Binnen zwei Minuten werde die Stärke eines Seebebens im Indischen Ozean gemessen sein, verspricht Lauterjung. Die ersten Geräte wurden bereits installiert.
Ein wichtiges Standbein des Warnsystems sind zudem Bojen, die gefährliche Schwankungen des Wasserspiegels aufspüren sollen. Zwei deutsche Testbojen tanzen bereits auf den Wellen 160 Kilometer vor der Küste Sumatras.
Gefahr an Atlantik- und Mittelmeerküsten
Von den Fortschritten der Deutschen offensichtlich beeindruckt, lenkten die US-Experten ein. Im August gaben sie ihre Daten frei und vereinbarten eine Kooperation. Schiffe beider Länder erkundeten den Boden des Indischen Ozeans und speisten die Karten in Computermodelle ein, die die Ausbreitung der Riesenwellen vorhersagen sollen. Ein besonders ambitioniertes Vorhaben, denn die Amerikaner tüfteln seit neun Jahren an ähnlichen Programmen für ihre Pazifikküste - bisher ohne durchschlagenden Erfolg.
Bei den intensiven Forschungen nach der Tsunami-Katastrophe entpuppten sich auch viele andere Küsten als gefährdet. So sollen nun auch der Atlantik und das Mittelmeer besser geschützt werden. Anders als am Indischen Ozean, wo politische Konflikte kontraproduktiv wirken, fällt die Zusammenarbeit der Atlantik- und Mittelmeer-Anrainer leichter: Bis Ende des Jahres 2007 wollen sie gemeinsame Alarmsysteme fertigstellen.
Sollte es in Asien erneut zu einem Starkbeben und Tsunamis kommen, könnte aber auch das beste Warnsystem nicht alle Menschen in der betroffenen Region retten. Die Millionenstadt Padang in Sumatra etwa liegt unmittelbar nördlich der Erdbebenzone. Nach einem schweren Seebeben würden zehn Meter hohe Wasserwände innerhalb weniger Minuten die zum Teil unter dem Meeresspiegel gelegene Stadt erreichen und zu großen Teilen verwüsten.
Als der Tsunami am 26. Dezember 2004 die indonesische Stadt Banda Aceh traf, drang er acht Kilometer ins Landesinnere ein und tötete Zehntausende. In Padang leben rund dreimal mehr Menschen als damals in Banda Aceh - und die Hälfte lebt weniger als fünf Kilometer vom Strand entfernt. Sollte hier ein Tsunami einschlagen, so warnt US-Geologe Sieh, könnte er die Zahl der 169.000 Toten und Vermissten von Banda Aceh weit übertreffen.
spiegel.de