Ethnische Säuberungen im Südlibanon
Ein israelischer Publizist und Friedensaktivist schreibt auch über ethnische Säuberung im Libanon.
Darf der das sagen? Oder wird das auch gelöscht? Von mir war dir ja der Begriff so daneben, das du mich gestern für 24h gesperrt hast. Mit dem Zusatz sogar, ob 24h überhaupt reichen?
http://www.kreuz.net/article.3620.html
30. Juli 2006 17:51
Was ist die Lösung?Wenn ein Federgewichts-Boxer gegen einen Schwergewichtler kämpft und in der 15. Runde immer noch steht, dann ist das ein Sieg – egal wie die Sache am Ende ausgeht. Interview mit dem israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery.(kreuz.net) Kürzlich äußerte sich der israelische Friedensaktivist Uri Avnery in einem Interview auf seiner Homepage. Dabei sprach er über den Kern des Libanon-Konfliktes, über internationale Friedenstruppen und über die Zeit nach dem Krieg.Wer gewinnt diesen Krieg?
Am 15. Tag des Krieges funktioniert die Hisbollah und kämpft weiter. Allein dies wird in die Geschichtsbücher der arabischen Völker als glänzender Sieg eingehen.
Wenn ein Federgewichts-Boxer gegen einen Schwergewichtler kämpft und in der 15. Runde immer noch steht, dann ist das ein Sieg – egal wie es am Ende ausgeht.
Kann die Hisbollah aus dem Grenzgebiet vertrieben werden? Was ist die Hisbollah?Die Hisbollah ist eine tief in der schiitischen Bevölkerung des Südlibanons verwurzelte politische Organisation. De facto repräsentiert sie diese Gemeinschaft, die 40 Prozent der libanesischen Bevölkerung ausmacht.
Die Frage beruht auf einem Mißverständnis über das Wesen der Hisbollah. Nicht zufällig wird die Organisation Hizb-Allah – „Partei Gottes“ – und nicht Dscheisch-Allah – „Armee Gottes“ – genannt.
Es ist eine tief in der schiitischen Bevölkerung des Südlibanons verwurzelte politische Organisation. De facto repräsentiert sie diese Gemeinschaft. Die Schiiten machen 40 Prozent der libanesischen Bevölkerung aus. Zusammen mit den anderen Muslimen stellen sie die Mehrheit.
Hisbollah kann nur vertrieben werden, wenn die ganze schiitische Bevölkerung vertrieben wird – eine ethnische Säuberung, an die hoffentlich niemand denkt. Nach dem Krieg wird die Bevölkerung in ihre Städte und Dörfer zurückkehren, und die Hisbollah wird weiter wachsen und gedeihen.
Was würde geschehen, wenn die libanesische Armee an der Grenze entlang aufgestellt würde?
Vom ersten Augenblick an war das einer der Sprüche der israelischen Regierung. Sie würde das als einen entscheidenden Sieg verkaufen. Für jeden, der keine Ahnung von den Verflechtungen des Libanons hat, klingt eine solche Lösung sehr überzeugend.
Wer 1982 im Libanon war und die libanesische Armee in Aktion gesehen hat, weiß, daß das keine ernstzunehmende Truppe ist. Außerdem sind viele ihrer Offiziere und Soldaten Schiiten. Eine solche Armee wird nicht gegen die Hisbollah kämpfen.
Ihr Einsatz im Süden hinge vollständig von der Zustimmung der Hisbollah ab. Das würde für jeden Tag gelten, an dem sie dort wäre.
Würde eine internationale Truppe hilfreich sein?
Dito. Das ist ein Spruch der besonders für Diplomaten zugeschnitten wurde, die nach einer Idee Ausschau halten, der sie leicht zustimmen können. Sie klingt gut, besonders wenn man noch das Wort „robust“ hinzufügt.
Was genau soll eine „robuste internationale Truppe“ tun?
Es wird vorgeschlagen, daß sie die Hisbollah aus dem Grenzgebiet fernhalten sollte. Nicht durch Worte – wie die glücklose UNIFIL [United Nations Interim Force in Lebanon], die jeder von Anfang an ignorierte, sondern durch Gewalt. Hisbollah ist unser Produkt1982 fiel die israelische Armee im Libanon ein und beschloß, zu bleiben. Damit begann ein Guerillakrieg aus dem die Hisbollah hervorging.
Wenn eine solche Truppe in Absprache mit beiden Seiten – Israel und der Hisbollah – aufgestellt würde, wäre das in Ordnung. Das könnte auch der israelischen Regierung als Leiter dienen, um von dem Baum herunterzusteigen, auf den sie geklettert ist.
Aber wenn diese Truppe gegen den Willen der Hisbollah aufgestellt würde, wird sich ein Guerillakrieg entwickeln. Wird eine internationale Armee an einem Ort standhalten und kämpfen, von dem die mächtige israelische Armee vor sechs Jahren mit eingezogenem Schwanz geflohen ist?
Für Israel wird dies ein spezielles Dilemma sein: Was wird geschehen, wenn die Hisbollah Israel trotz der Pufferkräfte angreifen wird? Wird Israel wieder in das Gebiet einmarschieren und einen Zusammenstoß mit der internationalen Truppe riskieren – zum Beispiel mit deutschen Soldaten?
Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte, daß Israel nicht mit Syrien verhandeln solle. Ist das durchführbar?
So sagte er. Er sagte überhaupt eine Menge und seine Zunge ist immer noch aktiv.
Syrien ist eine zentrale Größe auf diesem Feld. Keine Abmachung mit dem Libanon wird ohne direkte oder indirekte Beteiligung Syriens Erfolg haben.
Eigentlich wurde die Hisbollah von uns geschaffen. Als die israelische Armee 1982 in den Libanon einfiel, wurde sie von den Schiiten mit Reis und Süßigkeiten empfangen. Die Schiiten hofften, daß wir die PLO-Kräfte vertreiben würden, die damals das Gebiet kontrollierten.
Doch als ihnen klar geworden war, daß unsere Armee dort war, um zu bleiben, begannen die Schiiten einen Guerillakrieg, der 18 Jahre lang dauerte. In diesem Krieg entstand die Hisbollah und breitete sich aus, bis sie die stärkste Organisation des ganzen Libanon wurde.
Das wäre natürlich nicht ohne massive syrische Unterstützung geschehen. Syrien verlangt die Rückgabe der Golanhöhen, die Israel annektiert hat. Deshalb ist es für die Syrer wichtig, Israel keine Ruhe zu gönnen. Da sie an ihrer eigenen Grenze mit Israel keine Unruhe haben wollen, benützen sie die Hisbollah, damit diese die israelische Grenze zum Libanon unruhig hält.
Die libanesische Grenze wird nicht ruhig sein, bis wir nicht ein Abkommen mit Syrien abgeschlossen haben – das heißt – bis wir die Golanhöhen zurückgegeben haben. Syrien und die USADie Syrer schieben die Hisbollah vor, um an ihrer eigenen Grenze zu Israel Ruhe zu haben. Indes drängen die USA Israel zum Angriff auf Syrien, um von ihren Fiaskos im Irak und in Afghanistan abzulenken.
Die Alternative ist ein Krieg mit Syrien, das ballistische Raketen, chemische und biologische Waffen sowie einer Armee besitzt, die sich bewährt hat.
Präsident Bush drängt Israel dazu, um vielleicht die Aufmerksamkeit von seinen Fiaskos im Irak und in Afghanistan abzulenken.
Wie ist die israelische Kampagne im Libanon militärisch zu bewerten?
Der Oberbefehlshaber der israelischen Armee, Dan Haluz, will nicht als der größte Feldherr aller Zeiten in die israelischen Geschichtsbücher eingehen.
Er hat die Regierung in diesen Krieg gestoßen, um zwei beschämende militärische Fehlschläge zu vertuschen: die palästinensische Kommando-Aktion in Kerem Schalom und die Hisbollah-Aktion an der libanesischen Grenze.
Kein Offizier wurde deshalb zur Rechenschaft gezogen. Die Hauptverantwortung ruht natürlich auf dem Generalstabschef.
Haluz – der erste israelische Generalstabschef, der aus den Reihen der Luftwaffe kommt – war davon überzeugt, daß er die Hisbollah mit einem Bombardement aus der Luft und der Hilfe der Artillerie und der Kriegsschiffe erledigen könne. Er hat sich gewaltig geirrt.
Sogar nach der mannigfachen Zerstörung der libanesischen Infrastruktur gelang es ihm nicht, den Gegner zu besiegen.
Jetzt ist er gezwungen, das zu tun, wovor alle Angst hatten: Bodentruppen in den libanesischen Sumpf zu schicken. Am 15. Tag des Krieges war kein einziges Ziel erreicht. Was Haluz als Stratege und Kommandeur betrifft, so ist seine Benotung nahe Null.
Haben sich die Zivilisten in der Regierung unter Beweis gestellt?
Nach den Wahlen dachten viele Leute in Israel, daß eine bürgerliche Ära begonnen habe, da beide, der Ministerpräsident und der Verteidigungsminister, komplette Zivilisten ohne militärischen Hintergrund sind. Es hat sich herausgestellt, daß das Gegenteil der Fall ist.
Die Geschichte zeigt, daß politische Funktionäre, die starken Führern nachfolgten, in der Lage sind, schreckliche Dinge zu tun. Sie wollen beweisen, daß auch sie starke Führer sind und daß sie den Schneid haben, einen Krieg zu führen.
Harry Truman († 1971), der als US-Präsident auf Franklin Roosevelt († 1945) folgte, ist für das vielleicht größte Kriegsverbrechen der Geschichte verantwortlich. Er ließ die Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki fallen.
Der britische Premierminister Antony Eden († 1977), der auf Winston Churchill folgte, begann in den 50er Jahren den dummen Suez-Krieg in Verschwörung mit Frankreich und Israel.
Die Olmert-Regierung hat diesen Krieg – schockierend verantwortungslos – ohne ernsthafte Debatten und Beratung begonnen. Sie scheute sich, sich gegen die Forderungen des Generalstabschefs zu stellen.
Regierungschef Olmert hat versprochen, daß die Situation nach dem Krieg anders sein werde als vorher. Gibt es dafür Chancen?
Absolut, nur wird die Situation für uns viel schlimmer sein als vorher. Was kann also getan werden?Antwort: Den israelisch-palästinensischen Konflikt beenden, der den ganzen Nahen Osten am Brodeln hält.
Ein Ziel von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallahs (45) ist, die Schiiten und die Sunniten in einem gemeinsamen Kampf gegen Israel zu vereinigen.
Man sollte wissen, daß Sunniten und Schiiten Jahrhunderte lang Todfeinde waren. Viele orthodoxe Sunniten betrachten die Schiiten als Ketzer.
Indem er den sunnitischen Palästinensern zu Hilfe kam, hofft Nasrallah, unter anderem eine neue Allianz zu schmieden. Im Nahen Osten könnte eine Achse entstehen, welche die Hisbollah, die Palästinenser, Syrien, den Irak und den Iran einschließt.
Syrien ist ein sunnitisches Land. Der Irak wird jetzt von den Schiiten kontrolliert, welche die Hisbollah voll unterstützen. Auch die irakischen Sunniten, die einen harten Guerillakrieg gegen die Amerikaner führen, unterstützen die Hisbollah.
Dieser Block erfreut sich in der Bevölkerung der arabischen Staaten großer Beliebtheit, weil er gegen die USA und Israel kämpft.
Der andere Block – der Saudi Arabien, Ägypten und Jordanien umfaßt – verliert täglich an Popularität. Diese Regime werden von der Bevölkerung als Söldner der Amerikaner und als Agenten Israels betrachtet. Der Vorsitzende der PLO Mahmoud Abbas tut alles, um nicht mit ihnen in einen Topf geworfen zu werden.
Was kann also getan werden?
Den israelisch-palästinensischen Konflikt beenden, der den ganzen Nahen Osten am Brodeln hält.
Die Hamas aus dieser feindlichen Front herausholen, indem man mit ihr als der gewählten palästinensischen Regierung verhandelt.
Ein Abkommen mit dem Libanon erreichen. Damit ein solches Abkommen hält, müssen die Hisbollah und Syrien darin miteingeschlossen sein. Das verpflichtet Israel, den Golan zurückzugeben.
Man sollte sich daran erinnern, daß der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Barak schon damit einverstanden war und mit Syrien fast einen ähnlichen Friedensvertrag wie mit Ägypten unterzeichnet hätte. Doch dann hat er leider im letzten Augenblick aus Furcht vor der öffentlichen Meinung gekniffen.
Uri Avnery (83) wurde im nordrhein-westfälischen Beckum als Helmut Ostermann geboren. Er ist ein israelischer Publizist und Friedensaktivist und veröffentlicht auf seiner Webseite regelmäßig Stellungnahmen zum Konflikt im Nahen Osten.
Und kiiwii, wie siegte es sich heute? Bis wann ist der Süden gesäubert?
Und dann könnten wir uns auch die Diskussion über zivile Opfer sparen.
Wobei: Die kinder tun mir leid - wegen deren Eltern.
Bei der letzten Besatzung wurde Hisbollah gegründet und war dann nicht zu beherrschen. Das wird diesmal nur durch komplette Säuberungen gelingen. Wenn man nur militärische Lösungen akzeptiert.
Aber Israel lässt sich nicht noch einmal über den Tisch ziehen und mit Häme übergießen wie in bzw. nach Oslo. Das war der größte politisch-militärische Fehler, sich "im Vertrauen" auf das geschriebene Papier aus dem Südlibanon zurückzuziehen.
Sie zahlen jetzt einen hohen Preis dafür, diesen Fehler zu korrigieren.
Aber wann, wenn nicht jetzt?
MfG
kiiwii
Und der Iran weiß das nur zu genau.
Und der Iran weiß ebenfalls ganz genau, daß Israel die Waffen einsetzt, wenn nötig.
(btw.: Warum sonst sollte er sich so drum bemühen, denselben Status zu erreichen ?)
Der Iran hat sich grade gehörig verkalkuliert, als er die Hisbollah von der Kette ließ.
MfG
kiiwii
"Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht"
ist gerade dabei sich kräftig zu verändern. Die Amis haben als Player abgewirtschaftet und der Kuchen wird jetzt neu verteilt. Da läuft im großen Maßstab ein geopolitisches Spiel und der Westen sitzt dabei bestenfalls in der Zuschauerloge. Und überhaupt, wer will dort Soldaten hinschicken und was soll eine internationale Schutztruppe dort zustande bringen? Die werden doch vorgeführt. Eine ganz gelungene Beschreibung der Situation ist die folgende:
Der Schweizer Top-Diplomat Tim Guldimann warnt Israel vor einer rein militärischen Strategie im Libanon und wirft dem Westen Untätigkeit vor.
FOCUS Online: Seit der Entführung zweier israelischer Soldaten bombardiert Israel Ziele im Libanon, die Hisbollah antwortet mit dauerhaftem Raketenbeschuss. Überrascht Sie die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten?
Guldimann: Ja, vor allem das Ausmaß der Eskalation überrascht mich. Ich frage mich: Warum provozierte die Hisbollah einen Konflikt durch eine Aktion, von der sie annehmen konnte, dass Israel darauf so unverhältnismäßig reagieren würde?
FOCUS Online: Und wie lauten diese Beweggründe?
Guldimann: Ich nehme an, die Hisbollah geht davon aus, dass sie aus einem solchen Waffengang gestärkt hervorgeht, und dass sie dann als politischer Faktor die weitere Entwicklung mitbestimmt.
FOCUS Online: Wie ist das möglich?
Guldimann: Der Einfluss der USA – und damit generell des Westens – in der Region ist geschwächt und damit kleiner als je zuvor in den letzten Jahrzehnten. Wenn die amerikanische Außenministerin lediglich erklären kann, sie sei tief besorgt, dann klingt das, als ob sich die USA von ihrer Rolle als Ordnungsmacht im Mittleren Osten verabschieden.
FOCUS Online: Weshalb sind die Machtverhältnisse im Nahen Osten derart verändert?
Guldimann: Zwei wichtige Faktoren sind der industrielle Aufschwung Asiens, vor allem Chinas und die davon mitverursachte Explosion des Ölpreises. China wird gegenüber der Region mit dem ausschließlichen Ziel der eigenen Energieversorgung aktiv. Russland spielt eine zunehmend unabhängige Rolle als Energiegroßmacht, auch in der Region. Das führt dazu, dass Länder wie der Iran vom Westen unabhängiger werden. Gleichzeitig sind die USA im Irak festgefahren und in ihrem militärischen Handlungsspielraum innenpolitisch stark eingeschränkt. Hinzu kommt auch der El-Dschasira-Effekt.
FOCUS Online: Der El-Dschasira-Effekt?
Guldimann: Der Nahost-Konflikt liefert der arabischen Bevölkerung in der Region täglich Fernsehbilder. El Dschasira und andere Kanäle berichten unablässig von der israelischen Repression in den besetzten Gebieten. Die verstärkte anti-israelische Haltung richtet sich aber zunehmend auch gegen die USA, deren Ansehen auf einen absoluten Tiefpunkt gefallen ist. Neu dabei ist, dass sich diese Kritik an Amerika auch in den Eliten massiv verstärkt hat.
FOCUS Online: Weshalb ist dann die Reaktion der arabischen und islamischen Staaten so lau?
Guldimann: Israel ging wohl davon aus, dass die massive Bombardierung des Libanon in der dortigen Bevölkerung und generell in der arabischen Welt einen Druck gegen die Hisbollah auslöst, der die Gruppe bei ihren Angriffen gegen Israel stoppen würde. Diese Rechnung ging nicht auf. Die anti-israelischen Reaktionen überwogen bei weitem die laue Kritik an der Hisbollah. Deshalb ist Israel mit Bodentruppen im Südlibanon einmarschiert. Die Hisbollah lässt sich dadurch wohl zurückdrängen, aber nicht als Machtfaktor ausschalten. Die Entwicklung des Konfliktes wird heute nicht mehr von den gemäßigten Kräften – Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien – sondern von den radikalen Kräften bestimmt, und diese wittern Morgenluft.
FOCUS Online: Was ist jetzt zu tun?
Guldimann: Erstens braucht es mit absoluter Dringlichkeit einen Waffenstillstand. Wenn dieser nicht umfassend möglich ist, dann wenigstens eine sofortige humanitäre, wenn auch punktuelle und allenfalls zeitlich begrenzt Waffenruhe, um der Zivilbevölkerung zu helfen. Die Argumente dagegen sind reiner Zynismus.
Zweitens stellt sich die Frage der Befreiung der gefangen genommenen israelischen Soldaten. Dafür kann ich mir keine Lösung ohne eine Freilassung einer größeren Zahl von arabischen Gefangenen aus israelischer Haft vorstellen. Und drittens stellt sich nach einem Waffenstillstand die Frage, wie in Zukunft Raketenangriffe der Hisbollah gegen Israel verhindert werden. Die Hisbollah sollte gemäß einer Resolution des UN-Sicherheitsrates entwaffnet werden. Israel würde diese Aufgabe zwar gern einer internationalen Friedenstruppe überlassen. Aber wer bringt die Hisbollah zu entsprechenden Zugeständnissen? Anders gefragt: Welche westliche Regierung ist bereit, diese Schritte notfalls auch mit Waffengewalt gegen den Widerstand der Hisbollah durchzusetzen?
FOCUS Online: Das würde eine schwere Bewaffnung dieser Truppe voraussetzen ...
Guldimann: Ja, ja, die Forderung nach einem ‚robusten Mandat’ klingt gut, aber man darf sich hier keinen Illusionen hingeben. Ein Mandat für UN- oder Nato-Truppen zur Beobachtung eines Waffenstillstandes mit Feldstechern ist wohl weiterhin möglich, aber nicht eines mit einem Kampfauftrag.
FOCUS Online: Was kann die Weltgemeinschaft tun?
Guldimann: Man muss die Kräfte, die die eigentlichen Konfliktparteien sind, in eine Lösung einbeziehen. Nur so lässt sich dieser Konflikt beruhigen. Aus westlicher und israelischer Sicht geht die Bedrohung von einer radikalen ‚Viererbande’ aus: Hamas und Hisbollah und ihre Schutzmächte Syrien und Iran. Die frühere israelische Ministerpräsidentin Golda Meir sagte, dass man Frieden nur mit Feinden schließen könne. Der Westen und Israel werfen Syrien und Iran vor, die eigentlichen Brandstifter zu sein, die isoliert werden sollen. Doch ohne dass man diese Parteien in eine Lösung einbezieht, dass man sie quasi in der Feuerwehr verpflichtet, lässt sich die Lage nicht beruhigen. Die Macht der Hisbollah lässt sich mit Gewalt nicht brechen, sie muss Partner der Lösung werden. Das gleiche Problem zeigt sich in der Eskalation in Gaza, weil der Rückzug Israels nicht aufgrund einer Vereinbarung vollzogen wurde, sondern einseitig. Das machte die Situation dort so fragil.
FOCUS Online: Israel betrachtet die Hamas nicht als gewählte Regierung, sondern als Terrororganisation.
Guldimann: Washington betrachtet auch die iranische Regierung seit 26 Jahren als illegitim, unterstützt aber heute einen internationalen Vorschlag für die Lösung des Nuklearstreits mit Teheran ‚im gegenseitigen Respekt’. Die Kernfrage im Nahen Osten lautet heute: Ist man bereit, mit den radikalen Kräften zu reden und sie in eine Lösung einzubeziehen, auch wenn man ihre heutigen Positionen grundsätzlich verurteilt? Die Hisbollah und die Hamas sind zwar verantwortlich für terroristische Aktionen, aber sie genießen in der Bevölkerung wegen ihres sozialen Engagements hohes Ansehen. Über Nacht werden sie das Existenzrecht Israels nicht anerkennen, die Lösung dieser Frage ist Teil des Prozesses. Wie lange hat es gedauert, bis Israel der Idee einer Zweistaatenlösung zugestimmt hat?
FOCUS Online: Ohne Befehl oder zumindest Einwilligung von Iran konnte es wohl nicht zu dieser Eskalation in Südlibanon kommen.
Guldimann: Ich bin nicht sicher, dass Iraner den Befehl gaben. Bestimmt gab es eine entsprechende Konsultation, aber die Hisbollah ist relativ unabhängig und nicht einfach Befehlsempfängerin von Iran oder Syrien, das macht sie umso gefährlicher. Die offizielle Haltung von Teheran war in den letzten Wochen sehr gemäßigt. Der Außenminister forderte als einer der ersten eine Waffenruhe, nur der Parlamentspräsident äußerte sich radikal. Präsident Ahmadinedschad machte am 17. Juli sogar eine bemerkenswerte Äußerung, die im Westen kaum beachtet worden ist. Er sagte, dass ‚die Zionisten den Grundstein für einen positiven und konstruktiven Dialog mit den Völkern der Region legen sollten’. Man darf hier zwar keine plötzliche Versöhnungsabsicht hineinlesen, aber zumindest zeigt es, dass Teheran nicht an einer Eskalation interessiert ist. Die Beteuerung des Außenministeriums, Iran unterstütze die Hisbollah weder mit Geld noch mit Waffen glaubt zwar niemand. Aber alle diese Äußerungen bestätigen die iranische Zurückhaltung und deuten darauf hin, dass Iran gerne als Regionalmacht für die Diskussion über die Zukunft der Region begrüßt werden möchte.
FOCUS Online: In welchem Rahmen kann denn eine Lösung überhaupt gefunden werden?
Guldimann: Das kann ich nicht sagen. Der Westen hat jedenfalls bisher nicht wirklich gehandelt, außer der Evakuierung der eigenen Staatsbürger aus dem Libanon.
Der Diplomat Tim Guldimann war Schweizer Botschafter im Iran, leitete die OSZE-Unterstützungsgruppe in Tschetschenien und die OSZE-Mission in Kroatien. Der 55-Jährige lehrt derzeit an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main Politikwissenschaft. Der Berliner Senat verlieh im den Moses-Mendelssohn-Preis für Toleranz.
Naher OstenIsraelische Luftwaffe greift erneut Beirut anSoldaten bombardieren auch Straßen und Brücken an syrischer Grenze. Die Luftwaffe räumt Fehler bei Angriff auf Kana ein. --> |
Die israelische Luftwaffe hat in der Nacht zum Donnerstag wieder einen Vorort von Beirut bombardiert. Im südlichen Stadtteil Dahieh, einer Hochburg der Hisbollah-Miliz, schlugen vier Raketen ein. Auch Brücken und Straßen nahe der libanesisch-syrischen Grenze und im Bekaa-Tal waren Ziele israelischer Luftangriffe. Berichte über Opfer lagen zunächst nicht vor. Am Mittwochabend berichteten Augenzeugen von mindestens fünf Luftangriffen auf die Umgebung der Bergdörfer Lweiseh, Dschbaa, Sarba und Ein Busuar, rund 20 Kilometer von der Nordspitze Israels entfernt. |
Man habe nicht gewusst, dass sich Zivilpersonen in dem angegriffenen Gebäude befunden hätten, heißt es in einer Zusammenfassung des Untersuchungsberichts. Wenn die Streitkräfte über diese Information verfügt hätten, wäre der Angriff nicht erfolgt. |
Israel räumt Fehler ein
Die israelische Armee hat erste Ergebnisse einer internen Untersuchung des verheerenden Bombenangriffs auf den libanesischen Ort Kana vorgelegt: Man habe nicht gewusst, dass sich Zivilisten in dem bombardierten Haus befanden, heißt es. Schuld an deren Tod trage jedoch auch die Hisbollah.
Tel Aviv - Die israelischen Streitkräfte bei der Bombardierung des Dorfes Kana einen Fehler eingestanden. Der Angriff auf Kana sei auf Grundlage der Information erfolgt, dass die radikal-islamische Hisbollah-Miliz in dem Ort Waffen verstecke und ihre Kämpfer in den Häusern Schutz suchten, heißt es in dem Untersuchungsbericht, den die israelische Armee am frühen Morgen vorlegte. Man habe nicht gewusst, dass sich Zivilpersonen in dem angegriffenen Gebäude befunden hätten. Das Bombardement, bei dem am vergangenen Sonntag Dutzende Menschen, darunter viele Kinder, ums Leben gekommen waren, hatte international Empörung ausgelöst.
DPAZerstörtes Gebäude in Kana (Archivbild): Weniger Tote als vermutet |
In dem Untersuchungsbericht werfen die israelischen Streitkräfte aber auch der Hisbollah-Miliz vor, Zivilpersonen als Schutzschilde für ihre Raketenangriffe zu nutzen. Die Hisbollah "nutze zivile Strukturen in Dörfern, um Waffen zu lagern, und sich nach Raketenangriffen zu verstecken", erklärten die israelischen Streitkräfte weiter. Von Kana und Umgebung aus seien seit Beginn der Kämpfe am 12. Juli mehr als 150 Raketen abgeschossen worden.
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Bei dem Angriff auf das dreigeschossige Wohnhaus in Kana waren nach offiziellen libanesischen Angaben 56 Zivilisten getötet worden. Dagegen teilte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gestern Abend mit, dass nach ihren Untersuchungen nur 28 Menschen den Tod gefunden hätten, unter ihnen 16 Kinder und Jugendliche. 13 Menschen würden noch vermisst. Die Abweichungen ergeben sich der Organisation zufolge aus der irrigen Annahme, dass sich zum Zeitpunkt des Angriffs 63 Menschen in dem Gebäude befunden hätten. Tatsächlich sei es aber mindestens 22 Personen gelungen, das Haus noch vor dem Angriff zu verlassen.
phw/AP/dpa/Reuters