islamische Welt sätzt Dänemark unter Druck...
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Eröffnet am: | 29.01.06 18:34 | von: börsenfüxlein | Anzahl Beiträge: | 761 |
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Zeichner zeigt sich bestürzt über Ausmaß der Proteste.
Ein ranghoher Befehlshaber der radikalislamischen afghanischen Taliban-Rebellen hat am Mittwoch eine Belohnung von hundert Kilogramm Gold für denjenigen geboten, der den für die "gotteslästerlichen" Karikaturen des Propheten Mohammed verantwortlichen Zeichner töte.
Fünf Kilo für tote Soldaten
Fünf Kilogramm Gold solle jeder erhalten, der einen dänischen, norwegischen oder deutschen Soldaten in Afghanistan tötet, sagte der Taliban-Vertreter nach Angaben der privaten afghanischen Nachrichtenagentur AIP.
Zeichner: "Wir Dänen sind naiv"
Einer der zwölf Karikaturisten, die für die dänische Zeitung "Jyllands-Posten" die umstrittenen Bilder des Propheten Mohammed angefertigt hatten, äußerte sich bestürzt über die Folgen der Veröffentlichung.
Es sei "alles aus der Spur gelaufen", sagte der namentlich nicht genannte Karikaturist der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe). Er und seine Mitzeichner hätten niemanden verletzen wollen, aber "wir Dänen sind ja naiv und wissen wenig von der Welt und vom Islam", so wie auch die islamische Welt offenbar wenig von Dänemark wisse.
Todesdrohung gegen alle zwölf Zeichner
Gegen den "Wahnsinn", der aus den Bildern inzwischen erwachsen sei, könne sein kleines Land nicht ankämpfen, sagte der Zeichner, der wie seine elf Kollegen mit dem Tod bedroht wird und unter Polizeischutz steht.
Die Todesdrohung gegen ihn sei "direkt aus Mekka" gekommen, sie habe die Namen aller zwölf Zeichner und des bei "Jyllands-Posten" verantwortlichen Kulturredakteurs enthalten, sagte der Karikaturist, der wegen seiner Gefährdung anonym bleiben muss.
"Imame lügen"
Die Eskalation sei auch durch "Lügen der Imame" geschürt worden, die auf einer Reise durch den Nahen Osten Mohammed-Abbildungen gezeigt hätten, die keiner der dänischen Zeichner angefertigt habe.
Alle zwölf untergetaucht
Bereits vergangene Woche war berichtet worden, dass alle zwölf Karikaturisten untergetaucht sind. Sie hätten Panik und würden sich ohne Kontakt zur Öffentlichkeit verstecken, hieß es.
Nach der Eskalation setzt die Analyse ein.
Der deutsch-iranische Schriftsteller und Islamwissenschaftler Navid Kermani hat den nun seit gut einer Woche eskalierenden Konflikt über die dänischen Mohammed-Karikaturen am Donnerstag in der ARD auf einen vielleicht pragmatischen Punkt gebracht: "Man tat so, als sei es ein Akt der Aufklärung, sich mit einer weit rechts stehenden dänischen Zeitung zu solidarisieren, der es bewusst darum ging, eine Minderheit zu verhöhnen."
Das, so Kermani, der sich für freie Meinungsäußerung und das Recht, die eigene Religion zu kritisieren, einsetzte, habe in Europa eine ganz andere Tradition.
Rekonstruktion eines Konflikts
Kermani zählt zu jenen, die sich in den Medien zuletzt dafür einsetzten, die Genese des ganzen Streits noch einmal zu rekonstruieren.
Er ging etwa in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" ("Hassbilder und Massenhysterie", Mittwoch) sehr streng mit moslemischen Randalierern ins Gericht, erinnerte aber auch am Donnerstag daran, dass die dänische Zeitung die Cartoons wochenlang gebracht und es dabei nicht geschafft habe, die islamische Gemeinschaft Dänemarks ernsthaft zu provozieren.
Botschaften für die Botschafter
Die "New York Times" verweist in einem Artikel erneut darauf, dass im Oktober einige dänische Islamisten bei arabischen Botschaftern in der Karikaturen-Sache vorstellig geworden seien.
Es dauerte fast drei Wochen, ehe die Botschafter aus elf islamischen Ländern in Kopenhagen ein Eingreifen der dänischen Regierung verlangten und Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen um ein Gespräch baten.
Rasmussens Versäumnis
Dass Rasmussen dies kühl mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit verweigerte, wird ihm von Kritikern heute als großer Fehler beim Krisenmanagement angekreidet.
Zu diesen Kritikern gehören auch 22 frühere dänische Botschafter, die sich im Dezember zu Wort gemeldet und auch den extrem harschen dänischen Ton gegenüber moslemischen Zuwanderern moniert hatten.
Sitzung in Mekka
Eine entscheidende Etappe auf dem Weg zu den Protesten soll eine Sitzung von 57 islamischen Staaten im Dezember in Mekka gewesen sein, bei dem auch der iranische Präsiden Mahmud Ahmadinedschad anwesend war, so die "New York Times".
Obwohl das Treffen im Zeichen des Themas des religiösen Extremismus gestanden sei, habe auf den Gängen ein Thema dominiert: die dänischen Mohammed-Karikaturen.
Staatlich geförderter Protest
Nach dem Treffen sei die Empörung über die dänischen Zeichnungen vor allem auf Regierungsebene in Ländern wie Syrien und dem Iran stärker geworden. Das habe sich in der Medienberichterstattung niedergeschlagen. Im Iran habe die Regierung Demonstrationen unterstützt.
"Im Interesse von Regierungen"
Die These, dass es vor allem Regierungen waren, für die der Karikaturen-Konflikt eine Möglichkeit war, ihre islamischen Grundwerte in den Vordergrund zu spielen, bestätigt auch Kermani gegenüber der ARD.
"Eine Freundin, die in Teheran bei der dänischen Botschaft lebt, hat von den Demonstrationen und Ausschreitungen vor der dänischen Botschaft nichts mitbekommen", berichtete Kermani von einem persönlichen Telefonat.
Welche Wirklichkeit zeigen die Bilder?
"Da wurden offenbar 300 Leute engagiert, die dann vor den Kameras 'Tod Dänemark' schrien", so Kermani, der auch die Rolle der Medien in Europa kritisch sieht: Diese Bilder seien dann für Europa "der Iran".
Europäische Medien hätten tagelang vor allem Bilder von Moslems mit "verzerrten Gesichtern, schwingenden Fahnen oder den Fäusten in der Luft" gezeigt.
"Der aktuelle Karikaturen-Streit wird späteren Medienwissenschaftlern einmal als Beispiel dafür dienen, wie westliche und nicht westliche Sender in perfektem Zusammenspiel innerhalb weniger Tage jene Massenhysterie erzeugen können, über die sie berichten", so Kermani.
Aus Kairo berichtet Yassin Musharbash
Wer wird für die islamische Welt sprechen, wenn der "Kampf der Kulturen" verhindert werden muss? Offiziell niemand. Inoffiziell aber am ehesten die altehrwürdige al-Azhar-Universität in Kairo. Eine Spurensuche in der wichtigsten Stätte islamischer Gelehrsamkeit.
Kairo - Selbstzweifel, Unsicherheit, Unterlegenheitsgefühle: Was westliche Beobachter der islamischen Welt gerne unterstellen, kennt Dekan Abdallah Hasan Ali Barakat nicht. "Setz Dich, höre zu, ziehe Nutzen aus dem, was Du hörst!", befiehlt er einer Studentin, die aus Versehen in das Interview platzt. Jetzt hockt sie auf der Kante eines Ledersessels und schreibt mit: "Der Kampf der Kulturen ist eine Erfindung des Westens. Der Islam steht für ein liebevolles Miteinander. Was den Westen angeht, bin ich nicht so sicher."
AP
Betende vor der al-Azhar-Moschee: "Setz Dich, höre zu,ziehe Nutzen aus dem, was Du hörst"
Die islamische Welt hat viele Mittelpunkte. Die heiligen Stätten Mekka, Medina und Jerusalem zum Beispiel. Aber das bedeutendste intellektuelle Zentrum der Weltreligion, die der Prophet Mohammed vor über 1300 Jahren begründete, vertritt dieser Mann mit dem sauber gestutzten Vollbart, dem rot-weißen Fez und der bodenlangen Nadelstreifen-Disda'scha: al-Azhar, die älteste Universität der Welt, die einflussreichste Moschee des sunnitischen Islams, dem 90 Prozent der rund 1,4 Milliarden Muslime der Welt anhängen. Keine Fatwas finden mehr Beachtung als jene der al-Azhar, und kaum jemand hat mehr Autorität in der islamischen Welt als die Gelehrten der Hochschule.
Zwar sinkt das Renommee der al-Azhar seit einigen Jahren. Aber wenn westliche Politiker im Angesicht des eskalierenden Karikaturen-Streites einen "Dialog der Kulturen" fordern, um einen "Kampf der Kulturen" zu verhindern, könnte die al-Azhar wieder an Bedeutung gewinnen. Sie drängt sich mangels Alternativen als zentrale Gesprächspartnerin geradezu auf.
Aktion und Reaktion
"Es ist für den Westen unumgänglich, mit der al-Azhar zu kommunizieren", findet auch Dekan Barakat. Seine eigene Position in dem Bilder-Streit ist eindeutig und unverrückbar: Die Karikaturen sieht er durch die Pressefreiheit nicht gedeckt, und er wünscht sich eine Entschuldigung.
Der Westen kommt bei dem Gelehrten insgesamt nicht gut weg: "Er ist nicht zivilisiert genug, Konflikte friedlich zu lösen", sagt er. Zum Beleg führt er den Irak-Krieg an. Und, ohne jede Ironie: Dass die Kirchen im Mittelalter Wissenschaftler auf dem Scheiterhaufen verbrannten, während die islamische Welt sich, wie hier in al-Azhar, der Forschung zuwandte. Ganz so, als sei das gestern gewesen und es habe sich seitdem nichts geändert. Die von Muslimen in Brand gesteckten dänischen Botschaften lässt er als Gegenbeispiel nicht gelten: "Es gibt einen Unterschied zwischen Aktion und Reaktion."
Es ist eine Mischung aus Selbstsicherheit, Arroganz und Weltvergessenheit, aber auch einer gewissen Würde, mit der Barakat spricht - und die das Selbstbild der al-Azhar wohl angemessen widerspiegelt. Er sieht seine Hochschule aber auch als Garant eines moderaten, wenn auch traditionellen Islam, und damit als natürlichen Partner des Westens, wie er betont: "Al-Azhar ist die Bewahrerin des ausgewogenen Glaubens."
Damit hat er nicht Unrecht. Aufsehen erregende Äußerungen des Großscheichs der al-Azhar, Ahmad Sayyed Tantawi, aus den vergangenen Jahren belegen das: So erkannte er etwa palästinensischen Selbstmordattentätern den Märtyrerstatus ab, wenn sie Zivilisten zum Ziel nahmen. Er gestand ferner der französischen Regierung das Recht zu, das islamische Kopftuch zu verbieten, und forderte Musliminnen auf, sich daran zu halten. Prediger bat er außerdem, Juden und Christen nicht mehr als "Nachfahren von Affen und Schweinen" zu bezeichnen. Nicht alle Wortmeldungen Tantawis blieben ohne Widerspruch; er ist zudem permanent dem Vorwurf ausgesetzt, vom ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak ferngesteuert zu sein. Doch die eine Zeitlang befürchtete Unterwanderung der Universität durch Radikale hat sich nicht bewahrheitet.
Tantawi und andere wichtige Repräsentanten der al-Azhar drücken sich nicht vor Gesprächen mit westlichen Politikern, Glaubensführern oder Journalisten. Die Universität ist dialogbereit. Aber sie bringt mehr eigene Vorstellungen, mehr ungebrochenes Selbstbewusstsein mit, als manche im Westen ihr zugestehen wollen. Natürlich sei er bereit, über Terror zu reden, sagt Barakat. Aber eben nicht nur über den al-Qaidas, sondern auch über den Terror des Westens: im Irak, in den Palästinensischen Gebieten. Friedlicher Westen, blutiger Islam? Von al-Azhar, vom Zentrum der islamischen Welt aus betrachtet, sieht die Gleichung genau umgekehrt aus.
Imperium mit Hunderttausenden Studenten
Auf einem kleinen, schattigen Platz zwischen uralten, lehmfarbenen Gebäuden, acht Kilometer von Barakats Büro entfernt, steht derweil Abdallah Silah. An diesem Ort begann im Jahre 972 die Geschichte der al-Azhar, die heute ein Imperium mit Hunderttausenden Studenten und tausenden Vorbereitungsschulen inner- und außerhalb Ägyptens hat, die auf ein Studium hier vorbereiten. Deswegen musste Barakats "Da'wa"-Fakultät auch in einen nahen Stadtteil umgesiedelt werden. Abdallah stammt wie viele Azhar-Studenten aus dem Ausland. Er ist Senegalese. Seit Jahrhunderten lassen islamische Länder ihre Eliten hier ausbilden. "Zuhause", sagt er, "gibt es keine Universität, auf der man zugleich richtig Arabisch und die islamischen Grundlagen lernen kann." Er ist stolz, hier studieren zu dürfen. Auch er findet, dass die al-Azhar eine besondere Rolle bei der Verhinderung eines "Kampfes der Kulturen" spielen kann: "Sie ist das religiöse Zentrum des Islam, sie hat eine große Verantwortung."
Abdallah hat die Hoffnung, dass der Konflikt mit einer Entschuldigung der dänischen Regierung beendet werden kann. Sein Kommilitone Sliman Latif von der Elfenbeinküste ist kompromissloser: "Dieses Verbrechen kann nicht wieder gut gemacht werden." Er glaubt, dass schon bald "auch in Afrika" dänische Vertretung in Flammen stehen werden: "Die Westler verstehen nicht, was uns wichtig ist. Man macht so etwas mit einem Propheten nicht!" Persönlich wird er sich allerdings bei seinen Handlungen von den Meinungen derjenigen Professoren leiten lassen, die er am meisten schätzt. Rufen sie weiter zur Mäßigung auf, wird er folgen.
In der Vergangenheit, etwa im Kampf gegen die französischen Besatzer Ende des 18. Jahrhunderts oder noch 1948, im Krieg gegen den neu gegründeten Staat Israel, haben Azhar-Studenten die Initiative an sich gerissen und an der Führung der Hochschule vorbei selbst mobilisiert. Heute sieht es nicht danach aus. Nur selten dürfen Ausländer auf den Campus, denn die Universität will nicht alles zeigen, was sich hier abspielt. Aber wohin man in diesen Tagen auch schaut: Nirgends auf dem Gelände ein antidänisches Plakat. An keinem schwarzen Brett wird zu Aktionen aufgerufen. Die Azhar-Universität wirkt fast verschlafen.
Fußball und Koran?
Ganz richtig ist dieser Eindruck freilich nicht: Wie schon in der vergangenen Woche wird auch an diesem Freitag im Anschluss an das Mittagsgebet von hier aus eine Demonstration gegen die Karikaturen ihren Lauf nehmen. Dieser Marsch war bisher das einzige sichtbare Zeichen des Protests in Ägypten, und er verlief friedlich. Damit wird auch morgen gerechnet. Gleitet er in Ausschreitungen ab, sind sich Barakat und die afrikanischen Studenten einig, dürften die Rädelsführer wohl kaum von der al-Azhar stammen: "Die Radikalen sind woanders."
Abdallah und Sliman sind sich sowieso noch nicht sicher, ob sie an dem Marsch überhaupt teilnehmen werden. Sie haben nach dem Gebet eigentlich schon etwas anderes vor: Morgen ist das Finale im Afrika-Cup, Ägypten hat gestern durch einen Sieg ausgerechnet über den Senegal den Einzug geschafft. "Vielleicht kriegen wir ja noch Karten", sagen sie. Da zuckt der Begleiter, den die Uni mitgeschickt hat, kurz zusammen: Fußball und Koran, das will in seinen Augen nicht so ganz zu dem Bild passen, das die al-Azhar gerne vermitteln möchte.
„Ich bin hier, um das Recht zu verteidigen, andere zu verletzen.“ Mit diesem provozierenden Satz leitete die bekannte Islamkritikerin Ayan Hirsi Ali ihre Pressekonferenz in Berlin ein. In der deutschen Hauptstadt wolle sie sich in den „Wettstreit der Ideen“ einmischen, um für die Meinungsfreiheit zu kämpfen, erklärte die in Somalia geborene Politikerin am Donnerstagnachmittag.
„Submission“ mit van Gogh gedreht
Ali ist durch den Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh international bekannt geworden. Mit ihm hatte sie den Film „Submission“ gedreht, der fundamentalistische Moslems empört hatte. Das Verbrechen hatte eigentlich ihr gegolten.
Gleich zu Beginn ihrer etwa 45-minütigen Stippvisite in Sachen Karikaturenstreit verteidigte sie den Kurs Dänemarks. Sie unterstütze die Entscheidung der dänischen Zeitung „Jyllands Posten", die zwölf Karikaturen des Propheten Mohammed zu veröffentlichen und sprach sich für weitere Nachdrucke aus.
Strenge Einlasskontrolle
An die hundert Journalisten hatten sich, nach strenger Einlasskontrolle und genauer Durchsuchung, von der kämpferischen Frau, die sich als „Dissidentin des Islam“ bezeichnet (Ali: „Ich glaube nicht an Gott“), beeindrucken lassen.
Figurbetont in hohen Schuhen
Die 37-Jährige überzeugte ihr wohlwollendes Publikum durch rationale Argumente, eloquente Sprache und ernste Schönheit. Bewacht von mehreren Leibwächtern plädierte die grazile Person, elegant-figurbetont gekleidet in hohe Schuhe, lange Hosen und enge Bluse, für „mehr
Selbstbewusstsein des Westens.“
Die Strategie der Entschuldigungen und des Einknickens nach früheren vermeintlichen Entgleisungen gegenüber dem Islam habe nichts bewirkt, so ihr Resümee. Sie verlangt: „Schande über die Politiker, die behaupteten, die Veröffentlichung sei unnötig oder unsensibel gewesen. Ich werde mich nicht der Tyrannei all jener beugen, die die Freiheit hassen.“ An die vielen Medienvertreter aus den Niederlanden und Dänemark gerichtet, pries sie den Mut des dänischen Premiers Rasmussen und forderte die europäischen Staaten zu mehr Solidarität mit Dänemark auf.
„Ich klage an“
Die Gefahr der Radikalisierung von gemäßigten Moslems sieht die Publizistin – ihr 2005 im Piper-Verlag erschienenes Buch „Ich klage an“ verkaufte sich bereits 100 000 Mal – nicht. Ali: „Ich sehe vielmehr eine Tendenz von Moslems, sich als Opfer darzustellen.“
Deutliche Worte richtete sie auch an die Adresse all derer, die nun zur Ruhe mahnen: „Wer soll sich beruhigen? Nicht-Moslems haben keine Menschen umgebracht, keine Botschaften niedergebrannt.“ Sie befürchtet zudem einen zunehmenden Trend der Selbstzensur der Medien und rief die Journalisten dazu auf, die Pressefreiheit zu verteidigen.
Ayan Hirsi Ali hatte sich nach dem Mord an Theo van Gogh und weiteren Morddrohungen an einen sicheren Ort zurückgezogen, auch jetzt fürchtet sie um ihr Leben. Zugleich gibt sie selbstbewusst bekannt: „Ich arbeite an dem zweiten Teil von Submission. Und ich werde mir weder Panik noch Schweigen erlauben.“
Der Abdruck von Mohammed-Karikaturen hat Folgen für die deutschen Magazine "DER SPIEGEL" und "Focus". Ägypten verbot die jüngsten Ausgaben der beiden deutschen Nachrichtenmagazine.
Hamburg - "SPIEGEL" und "Focus" hatten Teile der umstrittenen Karikaturen von Mohammed aus Gründen der Dokumentation des Streits abgedruckt. Das nun in Ägypten verhängte Verkaufsverbot meldete die amtliche ägyptische Nachrichtenagentur Mena. SPIEGEL ONLINE hat die Mena-Meldung verifiziert.
Weitere Einzelheiten wurden bisher nicht bekannt. Die Karikaturen waren ursprünglich in der dänischen Zeitung "Jyllands Posten" abgedruckt worden, was massiven Protest in mehreren muslimischen Staaten ausgelöst hatte.
Aus Kopenhagen berichtet Anna Reimann
Ratlos steht die dänische Politik vor dem Scherbenhaufen des Karikaturen-Streits. Nun beschuldigen Politiker dänische Muslime, die mit Halbwahrheiten und Übertreibungen den Zorn anheizten. Die Entrüstung außerhalb Dänemarks wird das nicht beenden.
Kopenhagen - Im Foyer des dänischen Parlaments tummelt sich ein Trupp von Reportern um Naser Khader. Bodyguards halten die Fernsehleute auf Abstand. Khader, dänischer Muslim und Parlamentsabgeordneter der linksliberalen Oppositionspartei "Radikale Venstre", kann sich seit ein paar Tagen kaum noch frei bewegen. Er hat Morddrohungen bekommen. Die Anspannung steht dem Politiker ins Gesicht geschrieben.
SPIEGEL ONLINE
Politiker Naser Khader: Seit Tagen unter Polizeischutz
In Khaders Büro läuft der arabische Fernsehsender al-Dschasira. Auf dem Tisch liegt ein Buch von Amos Oz: "Wie man Fanatiker kuriert". Eine Frage, die sich auch Khader spätestens seit zehn Tagen stellen muss. Denn Khader steht als Leiter der dänischen Organisation "Moderate Muslime" im Fadenkreuz radikaler Islamisten aus Dänemark.
Khader lässt wenig Gutes an seinen radikalen Landsleuten. Die hätten absichtlich zur Eskalation der Gewalt beigetragen und die ganze Sache eigentlich erst von Dänemark aus in die Welt getragen, erzählt der in Syrien geborene Politiker. Damit meint der liberale Politiker nicht nur die ominöse Reise dänischer Muslime nach Ägypten. Viel mehr Aufsehen habe die Rede des in Kopenhagen lebenden religiösen Scheichs Mouhammed Fouad al-Barazi erregt, die der arabische Fernsehsender al-Dschasira übertragen hatte.
Zehn Tage ist das nun her. "Al-Barazi ist ein in der muslimischen Welt bekannter Führer der Muslim-Bruderschaft", erzählt Khader. Letzten Dienstag habe al-Barazi vor den laufenden Kameras des arabischen Fernsehsenders al-Dschasira erzählt, in Dänemark plane man, den Koran zu verbrennen. "Er hat das als offizielle Tatsache hingestellt und nicht als das Gerücht, das es war. Nationalistische Dänen hatten solche SMS verschickt."
Scharfmacher auf al-Dschasira
Erst durch die dramatische Darstellung al-Barazis, der während der Übertragung als zusätzlichen Show-Effekt Tränen verdrückt habe, sei der Funke der Empörung endgültig in die arabische Welt übergesprungen, glaubt Khader. "Ich vermute einen direkten Zusammenhang zu den Ausschreitungen in Syrien", sagt er. Al-Barazi habe auf jeden Fall gewusst, dass dieses Gerücht nicht stimme.
Es sei in Ordnung, dass Muslime ihren Protest äußern, wenn das friedlich geschehe, sagt Khader. Dass alle wie er selbst herzlich über die Karikaturen lachen, könne man nicht erwarten. Allerdings wundert er sich, warum sie nicht den dafür angemessenen Weg wählen können. "Es ist eine dänische Angelegenheit. Warum sind die dänischen Muslime nicht einfach in Dänemark vor Gericht gegangen, sondern sind nach Ägypten gereist?", fragt sich Khader. Als er diese Frage einem Mitglied der muslimischen Delegation gestellt hat, habe der nur geantwortet: "Wenn Sie früher jemand in der Schule geärgert haben, dann sind Sie doch auch zu den Eltern gegangen."
Auch dem dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen einen Brief zu schreiben, wie es elf Botschafter aus islamischen Ländern bereits im Oktober 2005 getan hatten, sei falsch gewesen. "Was hat er damit zu tun? Wenn es ein diplomatisches Problem gibt, dann ist der Außenminister der Ansprechpartner", sagt Khader. Dass Rasmussen sich nicht mit den Botschaftern treffen wollte, sei ebenso unklug gewesen. "Das wurde wohl als Zurückweisung in den jeweiligen Ländern interpretiert."
Es war der 12. Oktober 2005, also kurz nach der Veröffentlichung der Karikaturen in "Jyllands-Posten", als im Büro des Ministerpräsidenten ein Brief einging. Die Absender waren die Botschafter mehrerer arabischer Länder. In dem gemeinsam von ihnen verfassten Brief steht: Die in "Jyllands-Posten" erschienenen Mohammed-Karikaturen hätten "eine sehr diskriminierende Tendenz, die sich nicht mit den Standards von Menschenrechten in Dänemark vertragen". Man wolle darauf hinweisen, dass die Zeichnungen Reaktionen in muslimischen Ländern und muslimischen Gemeinde in Europa auslösen könnten.
"Wir fordern dringend ein Treffen mit Ihnen"
Weiter heißt es dort: Man fordere die dänische Regierung auf, alle rechtlich möglichen Schritte einzuleiten, die für das "Vertrauen zwischen den Religionen in Dänemark und Dänemarks Beziehungen zur muslimischen Welt" von Interesse seien. Wir fordern dringend ein Treffen mit Ihnen!" Unterschrift: Die Botschafter der Türkei, Saudi-Arabiens, Irans, Pakistans, Ägyptens, Indonesiens, Algeriens, Bosnien-Herzegowinas, Libyens, Marokkos und einer palästinensischen Delegation.
Neun Tage später antwortete Rasmussen, ging aber auf die Forderung eines Treffens nicht ein. Stattdessen schrieb er, die Karikaturen seien durch die Pressefreiheit gedeckt. Keineswegs wolle er Einfluss auf die dänische Presse nehmen. "Die Meinungsfreiheit ist die Grundlage der dänischen Demokratie", so Rasmussen. Weil er aber den Dialog der Kulturen für wichtig halte, habe er "persönlich die Initiative übernommen, mit Repräsentanten muslimischer Gemeinden in Dänemark in einen Dialog zu treten".
Er verweist in dem Brief darauf, dass die dänische Verfassung jedoch "Taten oder Äußerungen verbietet, die blasphemisch oder diskriminierend" seien. Die angegriffene Partei könne solche Fälle vor Gericht bringen, und dann sei es die Sache der Richter im individuellen Fall zu entscheiden.
Jetzt ist ein halbes Jahr vergangen, bis Fogh Rasmussen sich letzte Woche zu einem Treffen mit den Botschaftern bereit erklärt hat. Allerdings hat er den Kreis der Geladenen nicht nur auf die Botschafter muslimischer Länder beschränkt, sondern gleich alle in Dänemark residierenden Abgesandten geladen.
Vor seinen Gästen wies Rasmussen noch einmal darauf hin, dass "Dänen dafür bekannt sind, ihre Meinung offen und geradeheraus zu vertreten, insbesondere gegenüber Autoritäten". Gleichzeitig machte er klar, dass die Regierung nie die Absicht gehabt habe, Muslime zu beleidigen. Er persönlich würde auch nie eine religiöse Figur abbilden, die die Gefühle anderer Menschen verletzen könnte.
Regierung will keinen Millimeter zurückweichen
Eine Taktik, die wohl auch mit der Linie von Rasmussen und seiner Partei "Venstre" zu tun hat: keine unnötige Provokation, aber gleichzeitig im Prinzip hart bleiben. Jens Rhode, Fraktionsvorsitzender von "Venstre", erklärt: "Wir werden keinen Millimeter zurückweichen in unserer Haltung. Pressefreiheit ist unantastbar. Es gibt da kein Aber."
Zu einem Treffen mit den Diplomaten sei Rasmussen im Oktober allein deshalb nicht bereit gewesen, "weil es einfach kein Ergebnis gebracht hätte - denn der Staat darf und kann die Presse nicht einschränken", so Rhode. Es sei in der Partei diskutiert worden, wie man nun vorgehen soll. Man habe sich aber damals dazu entschieden, das Gespräch abzulehnen, "weil man uns gerade dann danach von muslimischer Seite vorgeworfen hätte, das wir uns nicht auf sie zu bewegen. Aber das können wir gar nicht".
Zumal in Dänemark eine große Tradition der Karikaturen herrsche, erklärt Rhode. Vor ein paar Jahren sei zum Beispiel in Dänemark ein Film gezeigt worden, der die christliche Religion sehr lächerlich gemacht habe. Damals habe es auch Gegenstimmen gegeben - friedliche, betont Rhode. Denn gerade der offene Umgang Dänemarks mit Gruppen des rechten und linken Randes der Politik habe bisher in Dänemark größere Zusammenstöße verhindert, glaubt er. "Wir haben auch eine nationalsozialistische Partei hier, die nicht verboten ist", sagt er. "Und radikale muslimische Glaubensgemeinschaften sind auch erlaubt."
Aber nun ist es offenbar einer kleine Gruppe radikaler Muslime gelungen, nicht nur eine Staatskrise auszulösen, sondern Dänen zum Hassobjekt von Islamisten weltweit zu machen. Und für viele dänische Politiker ist die Welt nicht mehr wie vorher. Auch nicht für den 35-jährigen Jens Rhode. Dauernd war er in den letzten Tagen im Fernsehen. "Und jetzt merke ich, ich gucke mich auf der Straße um, ob mich jemand verfolgt", sagt er.
Im Gegensatz zu ihm steht der Abgeordnete Khader längst unter dem Schutz mehrerer Polizisten. Er glaubt, dass es noch dauern wird, bis sich die Sache beruhigt. Bis dahin müsse man "demokratische Ohrfeigen" verteilen, sagt er. Und diejenigen stärken, die national und international für einen demokratischen Islam eintreten. Denn die Sache intern in Dänemark zu lösen, wie Khader es richtig gefunden hätte, dazu ist es jetzt viel zu spät.
Nach dem Abdruck einer Mohammed-Karikatur aus Dänemark ist die malaysische Zeitung „Sarawak Tribune“ verboten worden. Ministerpräsident Abdullah Ahmad Badawi untersagte der Tageszeitung am Donnerstag mit sofortiger Wirkung das weitere Erscheinen.
HB KUALA LUMPUR. Die Zeitung hatte sich für den Abdruck der Karikatur am vergangenen Samstag zwar entschuldigt, zog sich aber anhaltende Kritik der Regierung in dem überwiegend islamischen Land zu. Bei einer Kabinettssitzung hätten sich alle Minister dafür ausgesprochen, der „Sarawak Tribune“ die Lizenz zu entziehen, berichtete die Zeitung „Star“ am Donnerstag. „Wir sind in einer peinlichen Lage, weil Malaysia den Vorsitz der Organisation der Islamischen Konferenz innehat“, wird der Minister im Büro von Regierungschef Abdullah Badawi, Radzi Sheikh Ahmad, zitiert.
Die „Sarawak Tribune“ erscheint auf der Insel Borneo, wo die Muslime in der Minderheit sind. Der Zeitung zufolge gingen nach der Veröffentlichung der Karikaturen Drohungen ein. Seitdem bewachten Polizisten das Gebäude der 1945 gegründeten Zeitung. Der für den Abdruck verantwortliche Redakteur hat den Verlag bereits verlassen und wurde am Donnerstag zwei Stunden lang von der Polizei verhört.
In Malaysia müssen sich die Zeitungen ihre Lizenz jährlich erneuern lassen. Diese steht unter der Auflage, nichts zu veröffentlichen, was das religiöse Empfinden stören könnte.
Für diesen Freitag werden Demonstrationen gegen die Mohammed-Karikaturen in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur erwartet.
Auch am Donnerstag wurden wieder Protestdemonstrationen aus mehreren islamischen Ländern gemeldet. In Srinagar, der Hauptstadt des indischen Teils von Kaschmir, ging die Polizei mit dem Schlagstock gegen 200 Menschen vor, die anlässlich eines schiitischen Feiertags mit Rufen wie „Nieder mit Dänemark“ durch die Straßen zogen. 25 Personen wurden festgenommen. Der geistige Führer der Muslime im indischen Teil von Kaschmir, Mirwaiz Umar Farooq, rief zu entschlossenen, aber friedlichen Protesten gegen die Karikaturen auf.
Indonesien sagte am Donnerstag ein Badminton-Turnier mit Dänemark ab. Die Sicherheit der dänischen Mannschaft könne nicht gewährleistet werden, erklärte der indonesische Badminton-Verband als Begründung. Die dänische Regierung hat alle in Indonesien lebenden Dänen zum Verlassen des Landes aufgerufen, nachdem es dort mehrfach zu Angriffen auf dänische Einrichtungen gekommen war. Am Donnerstag versammelt sich erneut muslimische Studenten zu einer Kundgebung vor der dänischen Botschaft.
Der iranische Vizepräsident Isfandiar Rahim Maschai wies Vorwürfe der USA zurück, sein Land habe die Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen bewusst geschürt. „Das ist eine hundertprozentige Lüge“, sagte Maschai am Donnerstag bei einem Besuch in Indonesien zu Äußerungen von US-Außenministerin Condoleezza Rice. Diese hatte am Mittwoch erklärt, sie habe keinen Zweifel daran, dass sowohl der Iran als auch Syrien sich große Mühe gegeben hätten, die Emotionen anzuheizen und für ihre Zwecke zu nutzen.
Ein Auszug aus einem sehr langen, guten Zeit-Artikel:
Die unheiligen Väter des islamischen Zorns
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Für den europäischen Fernsehzuschauer sind die flammenden Proteste auch eine Erdkundestunde darüber, bis wohin das Verbreitungsgebiet des Islams reicht. In Indonesien zerbrachen die Scheiben dänischer Vertretungen. Auf den Philippinen und in Thailand brannten Flaggen. In Kaschmir, in der indischen Hauptstadt Delhi, in Somalia, Iran, im Irak, im Libanon und in Syrien zieht der Mob der tödlich Beleidigten durch die Städte und verdammt Dänemark, Europa und Amerika gleich mit. In Afghanistan sterben bei den Protesten vier Menschen.
Dagegen bisher weitgehende Ruhe in Marokko, wo die islamistischen Parteien kein Interesse an Lärm im Königreich haben, Grabesstille in Gadhafis Libyen, relative Gelassenheit in den reichen Golfstaaten. Moderate Islamisten in Ägypten und Jordanien rufen zur Gewaltlosigkeit auf. Die bosnischen Muslime sehen im Westen weniger ruchlose Ungläubige als ihre einstigen Befreier von den Serben. Und die Erschießung eines katholischen Priesters im türkischen Trabzon, wohl eher durch die Mafia als durch einen Karikaturenbekämpfer, erregt in der Türkei landesweit Entrüstung – über den Täter.
Das sehr ungleiche Bild in diesen Ländern zeigt, dass hier nicht ein Funke fliegt und prompt die ganze islamische Welt in Flammen steht. Die Proteste sind weder Zufall noch Folge elementarer Erregung, sie sind in den meisten Fällen das Ergebnis gezielt entfachter und so weit wie möglich gelenkter Wut. Denn eine ganze Reihe von Regimen und extremistischen Gruppen haben am »Volkszorn« erhebliches Interesse, sie sind die Profiteure des Protests. Vier Beispiele.
Iran: In der Hauptstadt jenes Landes, das derzeit wegen seines Atomprogramms international am Pranger steht und sich darüber nun auch mit Europa zerstritten hat, verbrannten iranische Demonstranten nicht nur dänische Flaggen. Sie hatten verblüffende Kenntnisse des komplizierten Rotationssystems der EU-Führung und verwüsteten gezielt die Vertretung jenes Landes, das erst vor wenigen Wochen die Präsidentschaft übernommen hat: Österreich. Manchmal muss man den Volkszorn eben etwas kanalisieren, wenn es den Zwecken der Volksführung dient.
Indonesien: In Jakarta demonstrierten mehrere Hundertschaften der Islamischen Verteidigungsfront FPI und forderten Entschuldigungen von Dänemark und indonesischen Zeitungen, in denen Karikaturen erschienen. In der dänischen Botschaft randalierten sie mit Bambusstöcken. Die radikalislamistische FPI kämpft seit den neunziger Jahren für die strikte Durchsetzung der Scharia in Indonesien, womit sie bislang nicht weit gekommen ist. Die Karikaturen sind eine willkommene Gelegenheit, dafür erneut zu lärmen.
Syrien: In Damaskus steckten die erzürnten Massen die dänische Botschaft in Brand. Auch hier steht die Regierung wegen einer Serie von Terroranschlägen gegen libanesische Politiker und Journalisten enorm unter Druck. Eine UN-Kommission mit einem Europäer an der Spitze ermittelt gegen höchste syrische Stellen. Die Aufrufe per SMS auf jedes Handy und die wohlkontrollierten Freitagspredigten wider das Dänentum kamen der Regierung als Ablenkung durchaus gelegen. Auch kann im autoritären Syrien keiner eine Botschaft anzünden, ohne dass Polizei und Geheimdienst dies bewusst zulassen. Am Ende durfte die Feuerwehr die Brände löschen.
Libanon: Unweit seines Hauptquartiers in Südbeirut meldete sich am 1. Februar Hassan Nasrallah zu Wort, seines Zeichens Generalsekretär der von Iran und Syrien gepäppelten Hisbollah: »Ich bin sicher, dass Millionen Muslime bereit sind, ihr Leben zu geben, um die Ehre des Propheten zu retten.« Hätte ein Muslim Salman Rushdie, den Autor der Satanischen Verse, umgebracht, fügte er hinzu, würden »andere« es heute nicht wagen, den Islam auch nur scheel anzusehen. Drei Tage später zog der Mob vor die Botschaften Dänemarks und Norwegens und zündete sie an.
Muslimische Fundamentalisten teilen das Interesse an der Wut wider den Westen. Die UN-Ermittlungen über die Terroranschläge im Land stellen die Existenz aller bewaffneten Gruppen Libanons infrage, auch die der Hisbollah. Premier Fuad Siniora und die meisten Libanesen unterstützen diese Ermittlungen. Die prosyrischen Kräfte und die Hisbollah halten weniger davon. Syrien seinerseits käme es gelegen, wenn der Libanon nach dem Abzug der syrischen Truppen nicht zum Frieden fände. Diese Interessen wurden hinter den Kulissen gehandelt, während muslimische Extremisten im christlichen Szeneviertel Beiruts Aschrafijeh randalieren gingen. Es wurden vier schlimme Stunden: zerrissene Poster des jüngst ermordeten Journalisten Gibran Tueni, Lobpreis für bin Laden und al-Sarqawi, eine beschädigte Kirche, entwurzelte Bäume, ein Toter und viele Verletzte. Der Hauch von Bürgerkrieg war genau die Luft, welche die Drahtzieher hinter den Kulissen lieben.
Aber den Schrecken darüber, was da um die Welt geht, teilen viele Muslime mit dem Rest der Menschheit. In Beirut versuchten Imame auf der Straße, die Demonstranten zu beruhigen, einige Muslime stellten sich schützend vor Kirchen. Und im Fernsehen rudert Scheich Qaradawi akrobatisch zurück: »Einige Muslime haben als Antwort auf beleidigende Karikaturen in den Hauptstädten großen Schaden angerichtet«, sagte er auf al-Dschasira. »Das ist nicht hinnehmbar und muss verurteilt werden.« Auf Islam online erscheinen erste Kommentare, in denen die Verurteilung der Karikaturen verblasst vor dem Entsetzen über die radikale Reaktion. Und Dänemarks Premier trifft sich neuerdings gern mit Muslimen. Ob diese späten Interventionen helfen, steht dahin. Zu viele Parteien haben Interesse an der zerstörerischen Kraft der Karikaturen. Und ein wirksames Gegengift ist bisher nicht bekannt.
© DIE ZEIT 09.02.2006 Nr.7
http://www.zeit.de/2006/07/Karikaturenkonfl_P?page=1
Gruß BarCode
Never argue with an idiot -- they drag you down to their level, then beat you with experience.
Bleibt also nur der andere Spezi und nach meinem demokratischen Verständnis sollten Radikale egal aus welchem religiösen Lager oder welcher politischen Ecke sie auch immer wieder hervorkriechen an den Pranger gestellt werden und ihr Treiben für alle benannt werden. Ich meine, das sind wir den Geschwistern Scholl schuldig, auch wenn zu deren Lebzeiten auch andere Gruppen unter dem Treiben von Hetzern leiden mussten, haben sie dadurch auch in Deutschland noch lange keinen Freibrief für ein ähnliches gelagertes Handeln aus anderer Motivation.
Auch Schweden fürchten nun Zorn der Muslime
Die schwedische Regierung befürchtet wie im Nachbarland Dänemark den wütenden Protest von Muslimen. Denn eine rechts gerichtete Splitterpartei veröffentlichte im Internet neue Karikaturen des Propheten Mohammed.
Stockholm - In "gewissen Staaten" gebe es bereits erste Reaktionen auf die Karikaturen, sagte Außenministerin Laila Freivalds. Die Zeichnungen könnten gravierende Konsequenzen für Schweden haben.
AFP
Demo gegen Dänemark (im Irak): Immer noch Proteste von Muslime
Es geht um Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed, die eine gegen Einwanderung gerichtete schwedische Splitterpartei auf die Internet-Seite ihrer Zeitung gestellt hat. Die Partei namens Schwedische Demokraten hatte Leser aufgefordert, eigene Karikaturen zur Veröffentlichung einzusenden.
Örtliche Medien berichteten, auf einem der Cartoons sei eine Mohammed-Figur vor einem Spiegel zu sehen, die eine Augenbinde mit der Aufschrift trage: "Dänische Mohammed Selbstzensur". Auch die zuvor bereits in Dänemark erschienenen Mohammed-Karikaturen seien auf der Web-Seite zu sehen.
Trotz zahlreicher Aufrufe zur Mäßigung auch von muslimischer Seite war es in der islamischen Welt immer wieder zu gewaltsamen anti-europäischen Protesten gegen die zuerst in Dänemark abgedruckten Mohammed-Karikaturen gekommen. Eine aufgebrachte Menge hatte am Wochenende an der dänischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus Feuer gelegt. In dem Gebäude war auch die schwedische Vertretung untergebracht.
Viele Dänen fühlen sich von der „Wertegemeinschaft Europa“ im Stich gelassen. Dabei sollte doch jede westliche Nation wissen, dass ihre Einrichtungen als nächste in Flammen stehen könnte.
Eben aus diesem Grunde, der aus einem Vergleich dahingehend resultiert, lasse ich mich von einem wie dir nicht "Hetzer" nennen. Zweitens, beleidige bitte nicht die Geschwister Sophie und Hans Scholl, indem du sie in deine verlogene und heuchlerische "Argumentation" einbaust, denn das haben diese Beiden wirklich nicht verdient.
Ciao!
PS Hattest du nicht das Gefühl, nach dem Schreiben deines Postings das Fenster öffnen zu müssen? Ich denke schon, denn es muss ordentlich gemüffelt haben!
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KITA ARIVA!
Wie die Vizechefin der Telefirma Levonline, Anna Larsson, am Freitag im Rundfunk sagte, sei die Schließung der Seite am Vortag erfolgt, nachdem das Außenministerium und der Geheimdienst Säpo vorstellig geworden seien. Beide Seiten hätten aber keinen Druck ausgeübt.
Die schwedische Außenministerin Laila Fraivalds hatte nach Bekanntwerden der Karikatur-Veröffentlichung erklärt, sie sei beunruhigt, dass dies „Schweden schaden kann“. Weder aus dem Außenministerium noch bei Säpo wollte man die Zwangsschließung der Internetseite kommentieren. Schwedische Zeitungen hatten die Publizierung der dänischen Karikaturen ausnahmslos abgelehnt, gegen die Moslems in aller Welt protestieren.
Mohammed-Figur mit Augenbinde
Die Partei namens Schwedische Demokraten hatte Leser aufgefordert, eigene Karikaturen zur Veröffentlichung einzusenden. Örtliche Medien berichteten, auf einem der Cartoons sei eine Mohammed-Figur vor einem Spiegel zu sehen gewesen, die eine Augenbinde mit der Aufschrift trage: „Dänischer Mohammed Selbszensur“. Auch die zuvor bereits in Dänemark erschienenen Mohammed-Karikaturen seien auf der Web-Seite zu sehen gewesen.
Trotz zahlreicher Aufrufe zur Mäßigung auch von moslemischer Seite war es jüngst in der islamischen Welt immer wieder zu gewaltsamen anti-europäischen Protesten gegen die zuerst in Dänemark abgedruckte Mohammed-Karikaturen gekommen. Eine aufgebrachte Menge hatte am Samstag an der dänischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus Feuer gelegt. In dem Gebäude war auch die schwedische Vertretung untergebracht.
Wirtschaftskontakte abgebrochen
Der Iran hatte am Montag mitgeteilt, wegen des Streits alle Wirtschaftskontakte mit Dänemark gekappt zu haben. Für viele Moslems ist jegliche Darstellung ihres Religionsstifters Mohammed gotteslästerlich. Auf den in Dänemark bereits im Herbst 2005 erschienenen und später in vielen westlichen Zeitungen nachgedruckten Zeichnungen ist der islamische Prophet unter anderem mit einer Bombe als Turban zu sehen.
In mehreren asiatischen Ländern ist es auch heute zu Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen gekommen.
In der philippinischen Hauptstadt Manila verbrannten Demonstranten eine auf Pappe gemalte dänische Flagge. In Bangladesch und in Malaysia demonstrierten einige tausend Moslems gegen die Karikaturen. Zu größeren Ausschreitungen kam es nicht.
In Kuala Lumpur beraten unterdessen heute und morgen Politiker, Religionsvertreter und Wissenschaftler aus islamischen Ländern über die Verständigungsprobleme mit dem Westen.
Protestzug steirischer Moslems in Graz
Nach den internationalen Eskalationen rund um die Mohammed-Karikaturen bringen am Freitag auch Moslems in der Steiermark ihren Unmut zum Ausdruck: Am Nachmittag ist ein Protestzug Hunderter Moslems durch Graz geplant.
Protestzug bis zuletzt umstritten
Der Protestzug ist allerdings nicht einmal in der islamischen Gemeinschaft unumstritten; so stand bis Donnerstagabend noch nicht ganz fest, ob er überhaupt stattfinden wird.
Vermittlungsversuch gescheitert
Versuche des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl (ÖVP) sowie von Vertretern des interreligiösen Beirats der Stadt Graz, zu einem Kompromiss bzw. einer gemeinsamen Erklärung zu kommen, dürften aber nicht gefruchtet haben.
Keine Gewalt
"Ich glaube das Angebot war einfach zu spät, aber die Moslems und ich legen großen Wert darauf, dass es zu einer friedlichen Kundgebung kommt", betont der Präsident der ägyptischen Gemeinde Österreichs Soleiman Ali.
Ursprüngliche Route geändert
Wobei die ursprünglich festgelegte Route der Demonstranten in einem entscheidenden Punkt geändert wurde: Der Protestzug wird nicht in unmittelbarer Nähe des dänischen Konsulats vorbeiführen, sagt Franz Stingl von der Bundespolizeidirektion Graz:
"Bei einer Besprechung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das so besser ist. Ich bin persönlich felsenfest davon überzeugt, dass die islamische Gemeinde nicht provozieren will."
200 bis 500 Demonstranten
Zwischen 200 und 500 Demonstranten sind angekündigt; sie wollen auch eine Petition der dänischen Konsulin in Graz übergeben. Die Schlusskundgebung wird am Hauptplatz stattfinden, nach etwa einer Stunde dürfte die Demonstration zu Ende sein.
Kuala Lumpur (Reuters) - In Malaysia ist künftig die Verbreitung und der Besitz von Karikaturen des Propheten Mohammed verboten. Wie die Regierung des weitgehend von Moslems bewohnten Landes am Freitag mitteilte, dürften ab sofort keine Karikaturen mehr gezeichnet, veröffentlicht oder ins Land gebracht werden, die die öffentliche Sicherheit gefährden und Chaos auslösen könnten. Zuvor war bereits eine malaysische Lokalzeitung geschlossen worden, die die umstrittenen Mohammed-Karikaturen europäischer Zeitungen nachgedruckt hatte. Im benachbarten Indonesien verhörte die Polizei einen Chefredakteur wegen des Abdrucks der Zeichnungen.
Zehntausende Moslems haben in den vergangenen Tagen in mehreren Ländern teils gewaltsam gegen die Zeichnungen protestiert, die den Propheten Mohammed unter anderem mit einer Bombe im Turban abbilden. Bei den Unruhen kamen mehrere Menschen ums Leben. Die Karikaturen waren von einer dänischen Zeitung Ende September veröffentlicht und in den vergangenen Wochen von mehreren europäischen Blättern nachgedruckt worden.
Dschihad droht mit Gewalt
Die palästinensische Extremistenorganisation Islamischer Dschihad hat am Freitag angekündigt, die in europäischen Zeitungen erschienenen Mohammed-Karikaturen mit Gewaltakten zu rächen.
"Bislang haben wir unsere Aktionen auf Demonstrationen beschränkt", sagte Dschihad-Anführer Chader Habib vor tausenden Anhängern nach den Freitagsgebeten. "Wenn sie aber die Beleidigungen des Propheten Mohammad nicht einstellen, werden wir den Propheten mit unseren Seelen und unserem Blut verteidigen", fügte er hinzu.
"Bislang haben wir eine Entschuldigung der Regierungen verlangt. Wenn sie aber ihre Angriffe auf unseren geliebten Propheten Mohammed fortsetzen, werden wir den Boden unter ihren Füßen anzünden", drohte Habib, während Dutzende Dschihad-Anhänger mit Gewehren in die Luft schossen.
Damit hat erstmals eine der militanten Palästinenser-Gruppen, die schon mehrere Anschläge in Israel verübt hat, eine solche Drohung ausgestoßen. Andere Gruppen haben gedroht, aus Protest gegen die Karikaturen Europäer als Geiseln zu nehmen
Von Matthias Gebauer
Morgen sind erstmals auch in Deutschland Proteste gegen die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen geplant. In Berlin wolle man jegliche Gewalt unterbinden, versicherte der Veranstalter SPIEGEL ONLINE. Auch in Düsseldorf sind Demos geplant.
Berlin - Vor der dänischen Botschaft in Berlin stehen die Absperrgitter seit Tagen bereit. Mitten im Regierungsviertel liegt die Vertretung des Landes, das seit Tagen wegen der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen unter Druck ist. Bisher aber haben sich vor der Botschaft in Deutschland keine Demonstranten eingefunden. Die vor der Vertretung postierten Polizisten hatten bisher wenig zu tun.
Anders wird das morgen. Dann wollen bis zu 500 Muslime gegen die Veröffentlichung der Karikaturen protestieren und haben einen Aufzug bei der Polizei angemeldet. "Wir müssen die Werte unserer Religion verteidigen, egal wo wir leben. Wir müssen Einheit zeigen", lautet der Aufruf zu der Demo. Dieser wurde heute vor mehreren Moscheen in Berlin und außerdem über einen Faxverteiler an viele Muslime in Berlin verbreitet.
Zu gewaltsamen Ausschreitungen soll es jedoch nicht kommen. "Wir wollen friedlich demonstrieren und werden alles dafür tun, das keine Gewalttäter kommen werden", sagte der Anmelder Ercan Alagöz zu SPIEGEL ONLINE. Der in Deutschland geborene Türke hatte die Demo diese Woche angemeldet. "Wir wollen gegen die Schmähung des Propheten demonstrieren", sagte er, "und gleichzeitig für die Pressefreiheit". Die Frage der Veröffentlichung sei vielmehr eine des Respekts und nicht der Zensur, so Alagöz.
Um einen friedlichen Verlauf sicherzustellen, hat der Unternehmensberater aus dem Bezirk Neukölln einiges organisiert. "Wir werden jeden Teilnehmer von Ordnern durchsuchen lassen, auch die Frauen", kündigte er an. Zudem wolle er persönlich darauf achten, dass weder fremdsprachige Plakate noch Parolen auf der Demo auftauchen. "In keinem Fall wollen wir, dass es zu Missverständnissen kommt", sagte Alagöz.
Wie viele Teilnehmer am Ende kommen werden, konnte der Veranstalter heute noch nicht sagen. "Wir haben erst diese Woche mit der Werbung begonnen", sagte er. Auf die Idee sei er mit Freunden gekommen, die zwar die Karikaturen aber genauso die Gewalt weltweit ablehnten. Er selbst will am Ende der etwa zweistündigen Demo eine kurze Rede halten. "Wir sollten wieder mehr miteinander reden statt mit Steinen zu werfen", forderte der 29-jährige Finanzbuchhalter.
Einzige Angst des Veranstalters ist, dass am Ende radikale Muslime oder andere Gruppen die Demo für ihre Zwecke nutzen könnten. "Natürlich ist das schwer zu kontrollieren", so Alagöz. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen könnten vor allem Iran-treue schiitisch-islamische Vereine aus Berlin versuchen, die Demo zu instrumentalisieren. Die Vereine zeigten in den vergangenen Jahren bei der in der Stadt stattfindenden anti-israelischen Al-Quds-Demonstration mit anti-israelischen Parolen ihr Gesicht.
Die Polizei sieht die Veranstaltung allerdings bisher gelassen. Von der Versammlungsbehörde war zu erfahren, dass die Gespräche mit dem Veranstalter seien "sehr vernünftig gewesen". Trotzdem wird vermutlich eine Einsatzhundertschaft in der Nähe postiert, falls doch etwas passiert. Innensenator Körting (SPD) hatte schon gestern, er rechne nicht mit Gewalt bei der Demo in Berlin.
Auch in Düsseldorf wollen morgen Muslime demonstrieren. Die Protestaktion sei von einer Einzelperson angemeldet worden, teilte ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei mit.
Die Behörde rechnet mit rund 1000 Teilnehmern. Sie wollen vom Hauptbahnhof aus in Richtung des dänischen Honorarkonsulats ziehen, wie der Sprecher weiter sagte. Er ging von einem friedlichen Verlauf der Demonstration aus.
"Jyllands-Posten" wollte mit dem Abdruck von Mohammed-Karikaturen Ärger erregen - und die dänische Regierung wollte einen Kampf der Kulturen. Sie haben mehr bekommen, als sie erwartet hatten, schreibt die dänische Politologin Jytte Klausen.
Kaschmir rief diese Woche zu einem landesweiten Protest gegen die zwölf Karikaturen über den Propheten Mohammed auf, die vor vier Monaten in einer provinziellen dänischen Zeitung veröffentlicht worden waren. Die iranische Regierung startete einen Karikatur-Krieg gegen den Westen, indem sie einen Wettbewerb im Holocaust-Verspotten ausschrieb. Werden wir einen Zustand gegenseitiger Abschreckung durch ein Karikatur-Wettrüsten erreichen? Werden Verhandlungen am Runden Tisch zur beiderseitigen redaktionellen Abrüstung folgen?
Natürlich würde ich Cartoon-Kriege den Fatwas, die zu Enthauptungen aufrufen, vorziehen. Aber im Lauf dieser großen Karikaturenerhebung, die sich über Europa und darüber hinaus verbreitet hat, ist mein Geburtsland Dänemark in Ungnade gefallen. Der moderne Mythos vom "kleinen toleranten Volk", das seinen Ursprung in einer Gruppe tapferer Dänen hatte, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um Juden vor der Nazi-Deportation im Jahr 1943 zu retten, ist gestorben.
ZUR PERSON
Jytte Klausen ist Professorin für Politikwissenschaft an der Brandeis University und Autorin des Buches "The Islamic Challenge: Politics and Religion in Western Europe".
In den vergangenen fünf Jahren habe ich 300 muslimische Anführer in Westeuropa über ihre Sicht der Dinge und Lösungsvorschläge zur Integration des Islam befragt. Es ist mir lange schon klar, dass religiöse Toleranz und Ehrfurcht vor Menschenrechten in Dänemark leider fehlen. Die aktuelle Debatte um die Karikaturen ist umgeschlagen in die Verteidigung der freien Rede. Doch ein tiefes und entschlossenes Bekenntnis zur Meinungsfreiheit ist nicht wirklich die Mission der Zeitung im Zentrum des Strudels. Und es ist auch nicht die Mission der gegenwärtigen dänischen Regierung.
"Jyllands-Posten" ist regierungsnah
"Jyllands-Posten", jene dänische Zeitung, die die zwölf Karikaturen zu Beginn druckte, hat eine Auflage von rund 175.000 Exemplaren und ist damit Dänemarks größte Zeitung. Ihr Hauptsitz ist in einem Vorort von Aarhus, der zweitgrößten Stadt des Landes, in einem Industriegebiet. In Aarhus bin ich aufgewachsen und in meiner Familie lag die "Jyllands-Posten" immer auf dem Frühstückstisch. Sie ist eine konservative Zeitung und hat immer die religiösen und politischen Befindlichkeiten ihrer Leserschaft beachtet: lutherische Bauern und die Mittelklasse auf dem Land.
Traditionell sind die überregionalen Blätter in Dänemark mit den großen politischen Parteien und den diese formenden Bewegungen verbunden. "Jyllands-Posten" steht der Partei des Ministerpräsidenten nahe. Im Ausland mag die Partei von Anders Fogh Rasmussen vielleicht als liberale Partei bezeichnet werden; in Dänemark wird sie "Venstre", also "die Linke" genannt. Aber die Partei ist weder links noch liberal. Die Bezeichnungen gehen zurück auf die Zeit, als die Konservativen "die Rechten" waren und es nur diese beiden Gruppierungen gab. Mein Vater, ein Bruder und eine Schwester von mir kandidierten für Rasmussens Partei. Es war eben die Partei, die jeder in meiner Familie wählte. Als ich in die USA ging, war die Einheit der Familie in politischen Fragen wiederhergestellt.
Die Mehrzahl der zwölf Mohammed-Karikaturen ist eine vorhersagbare Mischung aus selbstgerechten, unwitzigen Erläuterungen und Schilderungen von zwielichtig schauenden Gesichtern mit großen, knolligen Nasen und Blut tropfenden Schwertern. Sie verbreiten populäre Vorurteile über Muslime als kriegshetzende und frauenfeindliche Schwarzbärte. Sie lösten einen Tsunami aus - aber sie waren auch nie als unschuldig geplant.
Signal gegen Selbstzensur
Die Karikaturen wurden lanciert als Spaß, den man macht, wenn die Nachrichtenlage lahm ist. Der Kulturredakteur Flemming Rose entschied letzten Sommer, dass er beeinflusst war von dem, was er als sich ausbreitende "Selbstzensur" in Bezug auf Islam-Themen bezeichnete. Deshalb bat er Karikaturisten um Zeichnungen zu der Frage, "wie sie den Propheten sehen". Am 30. September 2005 wurden zwölf Karikaturen unter der Überschrift "Mohammeds Gesicht" publiziert.
Rose zitierte einen dänischen Komiker, der Angst hatte, im Fernsehen Witze über Mohammed zu machen. Der Redakteur von "Jyllands-Posten" schrieb, dass Karikaturen eine wichtige anti-totalitäre Ausdrucksform seien und seine Zeitung deshalb 40 dänische Karikaturisten gebeten habe, Mohammed zu zeichnen. Nur zwölf hätten geantwortet. Rose implizierte, dass einige von jenen, die nicht antworteten, von der Selbstzensur infiziert waren.
Das alles wäre ganz unproblematisch gewesen, wenn die Zeitung eine lange Tradition der Verteidigung furchtloser künstlerischer Freiheit hätte. Aber drei Jahre zuvor lehnte "Jyllands-Posten" Jesus-Karikaturen ab. Die damalige Begründung: Sie würden die Leser beleidigen. Einem Bericht des britischen "Guardian" zufolge erklärte der verantwortliche Redakteur Jens Kaiser dem Karikaturisten Christoffer Zieler damals: "Ich glaube nicht, dass die Zeichnungen den Lesern von 'Jyllands-Posten' gefallen werden. Ich denke, sie werden für einen Aufschrei sorgen. Darum werde ich sie nicht verwenden."
Als er mit seiner ablehnenden Mail von damals konfrontiert wird, sagt Kaiser: "Es ist lächerlich, das jetzt vorzubringen. Es hat nichts zu tun mit den Mohammed-Karikaturen." Aber warum nicht? Darf man muslimische Leser beleidigen, nicht aber christliche? "Im Falle der Mohammed-Karikaturen baten wir Illustratoren um ihre Zeichnungen. Ich habe aber nicht um diese Jesus-Karikaturen gebeten", so Kaiser, "das ist der Unterschied."
Krieg gegen multikulturelle Ideologie
Und darin liegt Wahrheit. Denn "Jyllands-Posten" wollte Ärger anzetteln - nur nicht den Ärger, der dann kam. Und in dieser Mission handelte die Zeitung gemeinsam mit der dänischen Regierung. "Wir sind in den Krieg gegen die gleichmacherische multikulturelle Ideologie gezogen", prahlte Kulturminister Brian Mikkelsen in einer Parteirede im vergangenen Herbst, eine Woche vor Roses Beitext zu den Cartoons.
Mikkelsen ist ein 39-jähriger Politikwissenschaftler, bekannt für seine Sehnsucht nach einem "Kulturkrieg". Er fuhr fort: "Der Kulturkrieg grassiert nun seit einigen Jahren. Und ich denke, wir können schlussfolgern, die erste Runde gewonnen zu haben." Die nächste Front, so Mikkelsen, sei der Krieg gegen die Akzeptanz muslimischer Normen und Wege des Denkens. Das dänische Kulturerbe sei eine Kraftquelle in Zeiten der Globalisierung und Einwanderung. Kulturelle Wiederherstellung sei das beste Gegenmittel.
Dänemark ist kein Musterland der Meinungsfreiheit. Artikel 140 des Strafgesetzbuches sieht eine Geldstrafe und bis zu vier Monate Haft für die Herabsetzung einer "anerkannten religiösen Gemeinschaft" vor. Die dänische Rechte ist erst kürzlich zum Prinzip der Meinungsfreiheit umgeschwenkt. Sie hat eine eigene Idee von dessen Nutzung. In den vergangenen zwei Jahren hat die Dänische Volkspartei zweimal die Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen vorgeschlagen. Die Parteimitglieder Jesper Langballe und Soren Krarup sind beide Pastoren in der Lutherischen Landeskirche und haben in Parlamentsreden Muslime als "ein Krebsgeschwür der dänischen Gesellschaft" bezeichnet. Sie wollen das auch außerhalb des Parlaments sagen dürfen. Der Paragraph wurde schließlich nicht gestrichen, auch weil im lutherischen Klerus nicht alle die Sicht der beiden Pastoren teilen.
Mangelnder Respekt vor Religion generell
Es ist ganz offensichtlich, dass islamisches Religionsrecht in säkularen Gesellschaften nicht angewendet werden kann. Es kann kein gesetzliches Verbot von Mohammed-Karikaturen geben. Die Anstrengung, einen weltweiten Bann gegen Darstellungen des Propheten zu verhängen, ist Teil des religiösen Restaurationsprojekts der Wahhabis und Taliban. Deshalb ist die Frage, ob die westliche Presse eine moralische Verpflichtung hat - und in Ländern mit Blasphemie-Paragrafen auch eine gesetzliche - gleichermaßen respektvoll gegenüber Muslimen und Christen zu sein?
Meinungsfreiheit gegen Respekt vor den Gefühlen der Gläubigen - Christen, Muslims oder andere - ist ein wichtiger Streitpunkt. Als ich die Interviews mit europäischen Muslimen führte, erzählten mir viele religiöse Führer, dass das zentrale Problem aus ihrer Sicht ein genereller Mangel an Respekt vor Religionen ist. Sie berichteten, dass sie es in der alltäglichen Politik leichter finden, mit den örtlichen Rabbis, Pastoren oder Priestern zusammen zu arbeiten als mit den Politikern.
Doch weder Europas wachsende innenpolitische Probleme mit religiösem Pluralismus noch die tölpische Provokation örtlicher Muslime durch eine dänische Tageszeitung erklären die ungewollte internationale Krise, mit der wir plötzlich konfrontiert sind. Offensichtlich bieten die Karikaturen den Extremisten eine große Gelegenheit: Radikale Elemente in islamischen Ländern voll innerer Zwietracht sowie Rechtsextremisten in Dänemark und Europa können Unterstützer unter den Unzufriedenen finden. Unter den Opfern sind die gemäßigten Muslime in Europa und weltweit, die nun immer mehr verwundet werden im Kreuzfeuer zwischen Fremdenfeinden und Islamisten.
Das Münchner Nachrichtenmagazin protestiert bei Ägyptens Präsident Muhammad Hosni Mubarak und dem Ägyptischen Botschafter in Berlin Mohamed Al-Orabi. Beide erklärten in den Schreiben:
Mit großer Bestürzung müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die aktuelle Ausgabe unseres Nachrichtenmagazins nicht mehr in Ägypten verkauft werden darf. Wir werten das als einen eklatanten Eingriff in die Pressefreiheit. Dagegen protestiert unsere Redaktion energisch. FOCUS fordert Sie mit Nachdruck auf, diese Zensur gegen unsere Berichterstattung umgehend aufzuheben.
Dürfen Karikaturen zeigen
Erlauben Sie uns, die journalistische Haltung unseres Hauses in diesem Fall zu erläutern: Medien müssen die strittigen Karikaturen nicht zeigen, aber sie dürfen sie zeigen. Ob Magazine und Zeitungen die strittigen Karikaturen veröffentlichen, entscheiden weder Regierungen noch Behörden, sondern Verlage und Redaktionen in eigener Verantwortung. FOCUS berichtet selbstverständlich als Deutschlands reichweitenstärkstes Nachrichtenmagazin über alle wichtigen politischen Ereignisse und hat daher auch die Karikaturen im Ausriss aus anderen Zeitungen als zentralen Gegenstand des Artikels gezeigt. Das bedeutet nicht, dass wir diese Karikaturen billigen oder gut finden, aber sie sind eindeutig ein Dokument der Zeitgeschichte und müssen daher im richtigen Zusammenhang der deutschen Bevölkerung zur Kenntnis gebracht werden.
Wir halten es mit Voltaire, der gesagt hat: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mit meinem Leben dafür kämpfen, dass Sie sie äußern dürfen.“ In diesem Sinne hoffen Journalisten in Deutschland auf Ihre Unterstützung im gemeinsamen Kampf für die Pressefreiheit in der gesamten Welt.
Während die weltweiten Proteste gegen die zunächst in einer dänischen Zeitung erschienenen Zeichnungen etwas nachließen, demonstrierten am Wochenende auch in deutschen Städten mehrere tausend Moslems friedlich gegen die in ihren Augen unangebrachte Darstellung des Propheten. Für ein Ende des Streits bot sich der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan als Vermittler an.
Gegen die Botschafter in Indonesien und im Iran habe es Drohungen gegeben, hieß es vom dänischen Außenministerium. Daher übernehme in Indonesien die niederländische Botschaft die konsularischen Aufgaben, im Iran werde Dänemark zunächst durch Finnland vertreten. Zur Situation in Syrien hieß es, die dortigen Behörden hätten die Sicherheit der dänischen Diplomaten nicht garantieren können. Das Personal wurde den Angaben zufolge schon am Freitag abgezogen. Im Iran und in Syrien hatte es zuletzt gewaltsame Proteste gegen Dänemark gegeben, während die Proteste in Indonesien weitgehend friedlich verliefen.
In Indonesien sind den dänischen Behörden allerdings auch jene Landsleute gefährdet, die nicht für die Regierung arbeiten. "Konkrete Informationen deuten darauf hin, dass es eine Extremisten-Gruppe auf Dänen abgesehen hat, als Protest gegen die Veröffentlichung der Prophet-Mohammed-Karikaturen", teilte das Außenministerium mit. Die Drohung richte sich dabei gegen Dänen im Osten Javas. Es bestehe jedoch die Befürchtung, dass sie sich auf das gesamte Land ausdehnen könne. In Indonesien verübten Moslem-Extremisten in den vergangenen Jahren wiederholt Anschläge. Auf der Ferieninsel Bali starben im Jahr 2002 insgesamt 202 Menschen. Im Oktober töteten Selbstmordattentäter 20 Personen. Indonesische Behörden vermuten hinter den Taten den Al-Kaida-Ableger Jemaah Islamiah.
Von einer aktuellen Bedrohung von dänischen Bürgern sei derzeit nichts bekannt, hieß es dagegen am Sonntag von der indonesischen Regierung. Den Abzug der dänischen Diplomaten bezeichneten die Behörden in der Hauptstadt Jakarta als übereilt. Indonesien habe dem gesamten Personal Schutz geboten.
"HOHN UND SPOTT BEENDEN"
Für viele Moslems ist die Darstellung ihres Religionsstifters Mohammed Frevel. Die Karikaturen empfinden sie als beleidigend, eine der Zeichnungen zeigt den islamischen Propheten etwa mit einer Bombe als Turban. Die Bilder wurden inzwischen in etlichen europäischen Zeitungen nachgedruckt, darunter auch in deutschen Medien.
In Deutschland gingen die Demonstranten daher mit der Presse scharf ins Gericht. In Düsseldorf, wo sich am Samstag nach Angaben der Polizei rund 2500 Menschen vor dem dänischen Honorarkonsulat versammelt hatten, skandierten die Demonstranten unter anderem "Hinter der Pressefreiheit verbirgt sich der Hass gegen Muslime". In Berlin protestierten mehr als 1200 Moslems vor der dänischen Botschaft. Dort war auf Plakaten beispielsweise zu lesen: "Hört auf mit Hohn und Spott auf den Propheten und auf Gott!" Anders als bei Demonstrationen in anderen Ländern - wo es teils sogar Todesopfer gab - kam es bei den Protesten in Deutschland aber zu keinen Ausschreitungen.
Der türkische Regierungschef Erdogan warnte inzwischen vor einer zunehmenden Gegensätzlichkeit der islamischen und der christlichen Welt. In einem Brief an alle Staaten, mit denen der EU-Anwärterstaat diplomatische Beziehungen unterhalte, habe Erdogan erklärt, sein Land unterstütze alle Bemühungen um Versöhnung und Integration, berichtete die "Bild am Sonntag". "Es ist unser größtes Ziel, selbst einen einzigartigen Beitrag zu leisten, um das Menschheitsideal Einheit in Vielfalt zu erreichen", zitierte das Blatt aus dem Brief, der dem Bericht zufolge auch an internationale Organisationen wie Nato und UN geschickt wurde.
Unbekannte haben am Wochenende den muslimischen Teil eines Friedhofs vor den Toren der dänischen Stadt Esbjerg geschändet. Wie der Rundfunksender DR heute meldete, wurden etwa 25 Gräbstätten völlig zerstört. Die Täter zerschlugen die Grabsteine oder stießen sie um und verwüsteten die Bepflanzung. Die Gräber des christlichen Teils blieben unberührt.
Die Polizei gab an, dass es weder Hinweise auf die Motive noch auf die Herkunft der Täter gebe.
Dänemarks öffentliches Leben wurde in den letzten Wochen durch die weltweiten Proteste gegen die in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" veröffentlichten Mohammed-Karikaturen dominiert.
Arabische Liga für Beilegung des Streits
Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, rief unterdessen dazu auf, den Streit über die in westlichen Zeitungen abgedruckten Mohammed-Karikaturen zu beenden.
"Das ist nicht die Zeit für einen Zusammenprall zwischen Ost und West", sagte Mussa heute vor einem Wirtschaftsforum im saudi-arabischen Dschiddah. Er rief die Moslems, die gute Beziehungen mit dem Westen wollten, dazu auf, mit "unseren gleich gesinnten Brüdern in Europa und Amerika" zusammenzuarbeiten.
Gemeinsam müsse die "bösartige Flamme" des Streits gelöscht werden. "Lasst uns diese Sache hinter uns lassen und zusammen daran arbeiten, dass es niemals wieder vorkommt", mahnte Mussa.