Zinsen: Vom "Islamic Banking" lernen?
Seite 1 von 2 Neuester Beitrag: 07.04.03 14:03 | ||||
Eröffnet am: | 16.12.02 17:00 | von: BRAD PIT | Anzahl Beiträge: | 42 |
Neuester Beitrag: | 07.04.03 14:03 | von: gurkenfred | Leser gesamt: | 3.310 |
Forum: | Talk | Leser heute: | 3 | |
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Der Staat wendet sich zunehmend an den Mittelstand. Und mit Steuern, wie der Vermögenssteuer, auch an die Super-reichen.
Das ist in zweierlei Hinsicht gefährlich:
1. Fördert man dadurch nur noch mehr Kapitalflucht und kriminalisiert diejenigen, die ihr sauer verdientes retten wollen (Stichwort: Steuerhinterziehung). An einen Rückfluss des bisher geflüchteten Kapitals ist damit schon garnicht zu rechnen.
2. Vermögensbildung und Kapitalanhäufung sind die Grundmotoren des Kapitalismus. Die Wirtschaft verliert jeglichen Ansporn, wenn die eine efolgreiche Kapitalvermehrung mehr und mehr durch Abgaben und Steuern verwässert wird. Es ist aus, wenn sich jeder Unternehmer fragen muß: "Wozu tue ich das noch und was bleibt mir am Ende".
Wenn die herkömmlichen Mechanismen der Politik und Wirtschaft nicht mehr funktionieren, dann wird es Zeit, sich nach alternativen Modellen umzuschauen.
Der "Islam" selbst genießt zwar in den letzten Monaten zunehmend kritische bis sehr negative Kritik. Dennoch gibt es auch hier durchaus Dinge, die man nicht verteufeln sollte und losgelöst von religiösen Fragen betrachten sollte.
Eines davon sind die Grundgedanken zu Zinserträgen. Insofern ist mein Titel "Islamic Banking" nur halb zutreffend und hätte eher "Abschaffung von Zinsen" heißen können.
Ein Experte in Sachen "Islamic Banking" bin ich zwar nicht, soviel weiß ich aber:
Im Islam gilt es als eine der größten Sünden, wenn man als wohlhabender Mensch von den "Zinsen" seines Kapitals lebt. Es ist gewollt, dass Kapital immer in Bewegung ist und zu Investitionen genutzt wird.
"Zinsen" sind wiederum das Lebenselexier der Banken. Somit wiedersprechen sich Banken und Islam eigentlich. In unserem Jahrhundert hat man aber versucht, unter dem Decknamen "Islamic Banking" einen (faulen)Kompromiss hierfür zu finden.
Der Grundgedanke des Islam hierzu besagt, dass Vermögen mit Leistung zutun hat und haben soll. Wer also Vermögen hat, der darf es natürlich behalten, muß aber damit "arbeiten".
Wenn man diese Idee verfolgt, dann entdeckt man einen verborgenen Schatz.
Auf Deutschlands Sparbüchern und an Festgeldern lagern derzeit ca. 3.000.000.000.000,00 Euro.
Dieses Geld liegt zwar nicht komplett brach, kommmt aber über Banken nur begrenzt in Umlauf.
Statt die Steuerzahler mit Vermögenssteuer, oder Zinsabschlagsteuer .etc. zu "bestrafen", würde es vollkommen ausreichen, mit ähnlichen Vorschriften das Kapital in Deutschland "IN GANG" zu setzen.
Jeder Vermögende würde sich aktiv am Wirtschaftsgeschehen beteiligen müssen. DAs ist zwar hart, aber gerecht. Wer sein Vermögen geschickt steuert kann es sogar weiter vermehren und wer weniger geschickt ist, kann dafür Berater einsetzen.
Was haltet ihr zunächst einmal von der Grundidee??
Außerdem ist das Geschickte steuern von Geld auch harte Arbeit, wie wir alle am Board wissen.
Vermögenssteuer würde dann u.a. gar kein Thema sein.
fazit: es ist leider nicht alles so einfach, wie man sich das manchmal denkt....
mfg
gf
DAs ist ja gerade das Faire daran. Andererseits ist in Japan die Sitution so, dass man die Kunden nicht mehr dazu bewegen kann mehr zu konsumieren und sie selbst bei 0% Zinsen ihr Geld auf der BAnk lassen. Genau dem würde mit diesem "positiven Zwang" entgegengewirkt werden.
Es ist übrigens auch nicht das erste Mal, dass der Westen diese Idee irgendwie aufgreift. In den Zwanziger Jahren gab es mehrere Wirtschaftsfachleute die in verschiedenen Formen entweder die ABschaffung der Zinsen forderten, oder eine künstliche Geldentwertung einführen wollte, nur um die Menschen zum investieren zu bewegen.
Die Frage nach dem Schwerpunkt bzw. dem Verhältnis von Invetsition zu Konsum spielt nur an zweiter Stelle (im Fine-tuning) eine Rolle.
mfg
gf
Planwirtschaft ist das Gegenteil von dieser Form des Kapitalismaus.
mit so´ner appellpolitik bewegst du garnichts (siehe anschnallzwang im auto).
kurz und knapp: mir ist noch nicht einsichtig, was es bringen soll und es besteht die gefahr eines eindeutigen systemwechsels unserer wirtschaftsverfassung.
mfg
gf
Ich frage mich, wo die Banken die Zinsen für den angeblich brachliegenden Teil erwirtschaften?
Die islamische Wirtschaftsordnung ist eine der ineffektivsten der Welt und erzeugt damit riesiges Elend (wird teilweise durch Ölverkauf zugedeckt). Und an diesem Elend sind natürlich nur wir schuld.
*staun*
@gurkenfred
Ich sprach zunächst zwar nur von der Grundidee. DAs heißt nicht, dass ich es bei Appellpolitik belassen würde. Keine Zinsen zu zahlen ist schon eine MAßnahme und eventuell sogar eine Gebühr erheben für Gelder die lange Zeit nicht bewegt werden.
nochmal meine meinung: sowas kriegst du nur durch ne gesetzliche regelung hin, also wird der staatliche einfluß steigen, ergo einstieg in die planwirtschaft. diese idee ist die aufgabe des marktwirtschaftlichen prinzips, wo der zins den preis für das geld abbildet (vwl/1.semester). jede andere (staatlich verordnete) allokation von kapital wird nie so effektiv wie der markt sein. wir sehen ja in den letzten jahren, was so abgeht, wenn der staatseinfluß ständig größer wird. wenn du den geldmarkt auch noch staatlich regulieren willst, dann gute nacht marie.
ansonsten: zeig mir ein islamisches land, das auch nur annähernd ein zu uns vergleichbares wohlstandsniveau hat....
mfg
gf
Wenn man sich die Länder anschaut, dann befinden sie sich nicht gerade in Europa und sind auch in ihren Demokratien noch sehr jungfräulich oder es herrschen totalitäre Regime.
Das spricht nicht gegen meine Idee, sondern beweist eher noch, dass meine Idee bisher nicht in einer westlichen Industrienation ausprobiert wurde. Es liegen also zumindest für die Idee kaum Vergleichsdaten vor.
Dennoch kann ich dir mitteilen, dass das Wohlstandniveau in KUWAIT weit höher ist, als in Deutschland (unterteilt in Kuwaitis versus deren Gastarbeiter)
Zum Thema Einmischung des Staates.
Mehr als es "derzeit schon" in Deutschland der Fall ist, ist Einmischung des Staates im Kapitalismus kaum noch möglich.
Die sollten im Gegenteil eher damit aufhören in anderen Bereichen das Volk und dessen Verhalten durch Steuern zu bevormunden. Da gibt es ja nun genug Beispiele, wie Ökosteuer, Benzinsteuer, Tabaksteuer, Alkoholsteuer und all die "gezielten" Subventionen.
Das kan also kein ARgument gegen eine gute Idee sein.
Den Vergleich von BP mit Kuwait finde ich toll!! Wieso nicht Pakistan??
Kurz: bringt Kapital keine Rendite und das Sparbuch keine Zinsen geht es abwärts.
"Im Namen des Propheten":
Die Wirtschaftsauffassung des Islam
Die islamische Welt, die wir lange Zeit eher von ferne wahrgenommen haben, ist in der jüngeren Vergangenheit verstärkt in unser Blickfeld getreten. In den vergangenen Jahrzehnten war es der breite Zustrom von islamischen Gastarbeitern in die europäischen Industrienationen[1] sowie die Ölkrise der achtziger Jahre, die uns die Verflechtung unserer Volkswirtschaften mit der Welt des Islam zu Bewusstsein gebracht hat. Mit den Ereignissen vom 11. September ist die Welt des Islam voll in das Zentrum unserer Aufmerksamkeit gerückt - allerdings mit der Gefahr, fundamentalistische Ausprägungen fälschlich mit dem Islam insgesamt gleichzusetzen.
Verstärkt wird diese Gefahr dadurch, dass sowohl das Wissen über die islamische Welt im allgemeinen als auch das Wissen über das islamische Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft im speziellen wenig verbreitet ist, - viel weniger jedenfalls, als es dem Gewicht der Sache angemessen ist. Darüber - wenigstens im Grundlegenden - Bescheid zu wissen, ist aber ein dringendes Gebot der Stunde. Die Sozial- und Wirtschaftsauffassung des Islam ist nämlich ein nicht zu unterschätzender Faktor auch für die politische Orientierung der islamischen Welt und ein Einblick in diese Zusammenhänge somit eine unabdingbare Voraussetzung für das Verständnis der gegenwärtigen geopolitischen Konstellation und ihrer Entwicklung. Das gilt im besonderen angesichts der Reislamisierungstendenzen gewisser Länder, d.h. angesichts der Tendenz, Wirtschaft und Gesellschaft wieder verstärkt in den normativen Rahmen der Religion einzubinden - eine Tendenz, die dem Säkularisierungstrend der westlichen Gesellschaften zuwiderläuft und den Islam in westlichen Augen als fremd- und andersartig erscheinen lässt.
Der Ruf der Fremd- und Andersartigkeit, der dem Islam hierzulande vielfach anhaftet, ist dabei eigentlich nur zum Teil begründet. Liest man nämlich den Koran, das Heilige Buch des Islam, im Hinblick auf seine sozial- und wirtschaftsethische Doktrin, so wird man bald gewahr, dass in manchen Fragen weitgehende Übereinstimmung mit dem Christentum (vor allem mit dem Christentum der Patristik und Scholastik) vorliegt.[2]
Diese für den Außenstehenden zunächst vielleicht überraschende Feststellung erscheint weniger befremdlich, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass der Koran auch in anderer Hinsicht Elemente enthält, die zu den gewohnten Vorstellungen der christlichen Theologie gehören: Da ist die Rede von Adam und Eva, vom Brudermord zwischen den beiden Söhnen Adams, von der Auferstehung am Jüngsten Tag, von Engeln und Teufeln sowie von der ewigen Belohnung des Guten und der ewigen Vergeltung des Bösen in Himmel und Hölle.[3] Diese uns vertrauten Vorstellungen kommen daher, dass der Islam das Evangelium - zusammen mit der Thora - als frühere Botschaften ansieht, die Allah an die Menschen gerichtet hat. Der Koran ist die Lehre, die diese früheren Lehren fortsetzt.[4] Jesus ist nach islamischer Auffassung (neben Noah, Salomo, David, Abraham, Isaak, Jakob u.a.) einer der Gesandten Allahs. Mohammed (570-632 n.Ch.) ist der letzte Gesandte Allahs, und der Koran ist die Offenbarung, die von Allah an Mohammed ergangen ist.[5] Vehement abgelehnt wird von den Mohammedanern allerdings der Glaube der Christen, dass Esra bzw. Christus der Sohn Gottes sei: "Allahs Fluch über sie! Wie sind sie irregeleitet!"[6] "Es gibt nur einen einzigen Gott! Fern von ihm, dass er einen Sohn habe!"[7] Diese Differenz in der Gottesvorstellung führt dann zur Forderung: "O Gläubige, nehmt weder Juden noch Christen zu Freunden".[8]
Welche sind nun im einzelnen die wirtschaftsethischen Prinzipien des Koran?
a) Ehrlichkeit und Gerechtigkeit in den Tauschbeziehungen:
Den Gläubigen wird geboten, "volles Maß und Gewicht" zu geben,[9] Versprechen zu halten, Verträge zu wahren[10] und sich nicht durch Übervorteilung zu bereichern: "Bringt euch nicht sündlich selbst um euer Vermögen, bestecht auch nicht den Richter, damit ihr einen Teil des Vermögens eures Nächsten unrechtmäßig, gegen besseres Wissen und Gewissen, erhaltet."[11]
b) Zinsverbot:
"Diejenigen, die Zins nehmen (verzehren), sollen nicht anders auferstehen, als einer aufersteht, den Satan mit Wahnsinn geschlagen hat. Dies, weil sie sprechen: ‚Handel ist gleich Zinsnehmen', während Allah doch Handel erlaubt und Zinsnehmen untersagt hat."[12]
c) Almosengeben:
Die Gläubigen sind gehalten, den "Überschuss" als Almosen zu geben,[13] und zwar an die Verwandten, Armen und Waisen, für die Pilger und Wanderer, für den Loskauf der Gefangenen und für die Auslösung der Schuldner sowie für die Förderung der Religion.[14] "Allah lässt den Zins (des Wucherers) dahinschwinden, aber verzinst die Mildtätigkeit."[15]
d) Aussetzen des Handels: "O, die ihr glaubt, wenn der Ruf zum Gebet am Freitag erschallt, dann eilt zum Gedenken Allahs und laßt den Handel ruhn."[16]
e) Irdisches Leben und Besitz:
Die eigentliche Bedeutung des irdischen Daseins liegt darin, Zeit der Bewährung für das Jenseits zu sein.[17] Die wirtschaftliche Daseinsvorsorge hat im Bewusstsein zu erfolgen, dass sich der Wirtschaftserfolg nicht der menschlichen Eigenmächtigkeit verdankt: Allah ist es, der alles gedeihen lässt und jedem nach seinem Gutdünken zuteilt.[18] Diejenigen, die Gold und Silber anhäufen und die Reichtümer nicht im Sinn der Religion verwenden, ziehen Gottes Vergeltung auf sich: Am Tag des Gerichts "sollen diese Schätze am Feuer der Hölle glühend gemacht und ihre Stirnen, Seiten und Rücken damit gebrandmarkt werden."[19] Der Umgang mit den irdischen Gütern hat im Bewusstsein ihrer Vergänglichkeit zu erfolgen, denn viel bedeutsamer ist, was dem Gläubigen für das Jenseits verheißen ist: ein ewiges Verweilen in "Gärten, von Flüssen durchströmt (...), unbefleckte Frauen und das Wohlwollen Allahs".[20] Weiter wird gefordert, dass sich der Fromme von Geiz und Verschwendung gleichermaßen fernhält;[21] er hat - entsprechend dem Almosengebot - mildtätig zu sein, darf aber mit seinem Vermögen nicht verschwenderisch umgehen, "denn die Verschwender sind Brüder des Satans".[22]
Die generelle Eigentumsauffassung des Islam fußt auf der Glaubensüberzeugung, dass nicht die Menschen die eigentlichen Herren der Erde sind,[23] sondern Gott, denn "Allah gehören die Schätze des Himmels und der Erde".[24] Gott ist der oberste und absolute Eigentümer, der den Menschen die irdischen Güter als Besitz zuteilt.
Was das Recht auf Privateigentum anlangt, ist zu sagen, dass es grundsätzlich anerkannt ist - sofern rechtmäßig erworben. Als Quellen für rechtmäßig erworbenes Privateigentum gelten: Eigenleistung, Gewinnbeteiligung aus einkommenschaffenden Investitionen, Schenkung sowie Vererbung nach den speziellen Vererbungsregeln.[25] Unrechtmäßig sind Übervorteilungsgewinne, die auf Ausbeutung, Bestechung, Vertragsbruch, Zinswucher und Ausnutzung fremder Notsituationen beruhen. Unrechtmäßig sind ebenfalls Gewinne, die sich aus einer monopolistischen Verzerrung des Machtgleichgewichts der Marktparteien herleiten oder auf Spekulationen beruhen.[26] Nicht Koran-konform ("halal") sind - was konkrete Wirtschaftstätigkeiten anlangt - alle Geschäfte mit Alkohol und Tabak, Schweinefleisch, Glücksspiel und Pornographie. Diese Restriktionen erstrecken sich dabei auch auf den Bereich des Investments: So dürfen islamische Fonds beispielsweise keine Aktien von Fluggesellschaften enthalten, die im Rahmen des "Catering" mit Alkohol Geld verdienen. Die Gewinne, die der Investor aus derartigen Beteiligungen ziehen würde, wären unrechtmäßig.
Aber selbst nach all diesen Einschränkungen bleibt aufrecht, dass auch das rechtmäßig erworbene Privateigentum nur in einem limitierten Sinn gilt: Auf Grund seines Lehencharakters darf es nicht beliebig (z.B. zum Schaden der Mitmenschen), sondern nur gemeinwohlverträglich gebraucht werden.[27] Geteilt sind die Meinungen aber in der Frage, ob das Recht auf Privateigentum nur bei gemeinwohlwidriger Verwendung erlischt (d.h. enteignet werden soll) oder ob natürliche Ressourcen und Produktionsmittel nicht von vornherein als Gemeineigentum festgesetzt (d.h. verstaatlicht) sein sollten.[28]
Ein weiterer genereller Grundzug der islamischen Wirtschaftsethik ist die Absage an das übermäßige Gewinninteresse und Erwerbsstreben.[29] Ein zeitgenössisches Dokument statuiert: "As Islam is a total system with a philosophy, in which ethics dominates over economic consideration, there is no obsession in Islam with growth rates."[30]
Ein Leitwert der islamischen Wirtschaftsethik ist ferner ein gewisser Ausgleich der Vermögensdifferenzen. Sowohl das Umverteilungsgebot, als auch die einschlägigen Erbbestimmungen[31] dienen dazu, allzu einseitigen Vermögenskonzentrationen entgegenzuwirken.
Dass die Postulate der islamischen Wirtschaftsethik ungebrochen gelten, zeigt die 1980 erlassene "praktisch-religiöse islamische Grundsatzerklärung",[32] in der die Wertgrundsätze des Wirtschaftens folgendermaßen zusammengefasst sind:
"Das islamische ökonomische System beruht auf sozialer Gerechtigkeit, Gleichheit, Maßhalten und ausgewogenen Beziehungen. Es ist ein universelles System, das ewige Werte enthält, die des Menschen Rechte gewährleisten und ihn ständig an seine Verpflichtungen gegenüber sich selbst und der Gesellschaft erinnern. Es verbietet jede Form der Ausbeutung, ehrt die Arbeit und ermutigt den Menschen, seinen Lebensunterhalt auf ehrliche Weise zu verdienen und sein Einkommen auf vernünftige Art zu gebrauchen. Die wichtigsten Eigenschaften dieses Systems sind:
1. Alle natürlichen Rohstoffe sind von Allah anvertrautes Gut (...), und der Mensch ist persönlich und kollektiv der Hüter (...) dieser Rohstoffe. Des Menschen wirtschaftliche Leistung und ihre Belohnung ergeben sich aus der Natur dieses Sachverhalts.
2. Reichtum muss durch Leistung und auf gesetzliche Weise erworben werden. Er sollte bewahrt und nur entsprechend den Vorschriften Allahs und Seines Propheten eingesetzt werden.
3. Reichtum soll gerecht verteilt werden. Wenn persönlicher Reichtum die legitimen Bedürfnisse seines Besitzers befriedigt hat, sollte der Überschuss für die Befriedigung der Bedürfnisse anderer verwendet werden.
4. Alle materiellen Güter, die dem Menschen im allgemeinen und der UMMA im besonderen zur Verfügung stehen, müssen immer auf die beste Weise verwendet werden. Niemand hat das Recht, sie zu horten oder brachliegen zu lassen; oder sie zu vergeuden; oder sie in frivoler Weise zur Schau zu stellen, sei es als Person, Gemeinschaft oder als Staat.
5. Entwicklung ist ein wesentlicher Bestandteil wirtschaftlicher Tätigkeit. Teilnahme an ihr ist für jeden Muslim verpflichtend. Er muss hart arbeiten und immer versuchen, mehr zu produzieren als er für sich persönlich nötig hat, denn nur dann kann er seiner Verpflichtung zum zakat, dem Beitrag zum Wohl der andern, nachkommen.
6. Jeder Arbeiter hat das Recht auf eine gerechte Entlohnung für seine Arbeit. Es darf kein Unterschied gemacht werden, der auf Rasse, Farbe, Religion oder Geschlecht beruht.
7. Die Erwerbung von Reichtum und die Produktion von Gütern muss rechtens sein entsprechend den Vorschriften der sari´a. Geldverleihung gegen Zinsen (riban), Glücksspiel, Horten usw. sind als Erwerbsquellen nicht erlaubt.
8. Die Grundsätze von Gleichheit und Brüderlichkeit erfordern eine gerechte Teilung des vorhandenen Reichtums in guten wie in schlechten Zeiten. Zakat, sadaqa, ´afw (Überschuss) und Vererbung sind einige der Wege, die für ausgeglichene Verteilung von Reichtum und Besitz in der Gesellschaft in Frage kommen.
9. Personen, die infolge von dauernder oder zeitweiser Behinderung unfähig sind, für ihr eigenes Wohlergehen zu sorgen, haben gerechten Anspruch auf den Reichtum der Gesellschaft. Die Gesellschaft trägt für sie die Verantwortung und muss sich darum kümmern, dass die grundlegenden Notwendigkeiten des Lebens wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, Erziehung und Gesundheitsfürsorge ohne Rücksicht auf ihr Alter, Geschlecht, Hautfarbe oder Religion ausreichend zur Verfügung stehen.
10. Die wirtschaftliche Macht der UMMA soll so strukturiert sein, dass Kooperation und Teilen innerhalb der UMMA mit einem Maximum an Selbstvertrauen und Eigenhilfe verbunden ist."
Der weitgehend allgemein gehaltene Charakter der Anweisungen, die der Koran und die Sunna (die überlieferten Aussprüche und Lebensgewohnheiten Mohammeds) beinhalten, führt naturgemäß zu Interpretationsproblemen. Besonders betroffen ist davon das Zinsverbot, dessen Bedeutung anhaltend umstritten ist. Nach Einschätzung des Islam-Experten A. Ghanie Ghaussy geht die Meinung der meisten Exegeten dahin, dass Zins für Konsumtivkredite verboten, Zins für Produktivkredite (als eine Form der Gewinnbeteiligung) hingegen erlaubt ist.[33]
Weil auch die Geldanlage zu (vorab von den Banken zugesicherten) fixen Zinsen unter die vom Islam verbotenen spekulativen Geldgeschäfte fällt, hat sich beispielsweise folgende Vorgangsweise entwickelt: In den zinslosen Banken, die es in islamischen (und neuerdings auch in europäischen) Ländern gibt, werden auf Einlagen keine Zinsen gezahlt, sondern Ausschüttungen nach dem - vom Koran erlaubten - Prinzip des Beteiligungsgeschäfts geleistet. Das Modell von A. El-Naggar sieht beispielsweise vor, dass "Sicht-, Termin- und Spareinlagen bei den Banken nicht a priori verzinst werden, sondern der Beteiligung und Finanzierung der von der Bank geförderten Investitions- und Dienstleistungsprojekte dienen (sollen). Erst aus den Gewinnen dieser Projekte, die der Bank zufließen, könnte dann nach Abzug der Verwaltungskosten der Bankgewinn ermittelt und dieser Gewinn nach bestimmten Schlüsseln an die Bankeinleger und Kapitaleigner in Form von Dividendenausschüttungen verteilt werden."[34]
Wie Ibrahim Dalkusu zum Thema Zins ("Riba") erläutert, darf die "Überlassung von Geldkapital (...) nicht zu einem festen Preis (Zins) erfolgen. Es darf nur als Risikokapital eingesetzt werden und hat lediglich Anspruch auf eine unsichere Rendite." Um die - in islamischen Augen - unfaire Risikoverteilung zwischen dem haftendem kreditnehmenden Unternehmen und dem nichthaftenden Kreditgeber zu vermeiden, sehen die islamischen Investmentmodelle (z.B. "Musharaka", "Mudaraba") grundsätzlich nur Beteiligungen vor, bei denen der Kreditgeber nicht nur an den Gewinnchancen des kreditnehmenden Unternehmens beteiligt ist, sondern auch am Verlustrisiko.[35] Dass der Investor (in Form vorab fix vereinbarter Zinsen) auch dann noch gewinnt, wenn das kreditnehmende Unternehmen keinen Gewinn, sondern Verluste erwirtschaftet, ist somit im islamischen Gewinn-Verlust-Beteiligungsmodell ausgeschlossen.
Wie im Wort "Islam" (wörtlich: "Unterwerfung", "Hinwendung zu Gott") angezeigt, versteht sich der Islam als eine Orientierung, die alle Daseinsbereiche in ein einheitliches religiöses Wertsystem einbindet. Wegen der unterschiedlichen Ausdeutungsmöglichkeiten führt die Idee, die Gestaltung alles Irdischen im Religiösen zu verankern, in der Praxis aber zu sehr unterschiedlichen Resultaten, was die Berechtigung fraglich erscheinen lässt, überhaupt von der islamischen Welt zu reden. Der historische Wandel im Widerstreit von Säkularisierungs- und Refundamentalisierungstendenzen sowie die Ausbildung lokaler Sonderformen haben ebenfalls dazu beigetragen, dass sich die islamische Welt in ihrer Zielvorstellung über die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft heute ziemlich uneinheitlich präsentiert. Die Palette unterschiedlicher Ausrichtungen reicht in den verschiedenen islamischen Staaten von gewissen säkular-liberalen Vorstellungen über religiös-sozialistische bis hin zu fundamentalistischen. [36]
Dass sich die islamische Welt - trotz ihrer Berufung auf ein und dasselbe religiöse Fundament - in relativ unterschiedliche Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme aufsplittern konnte, liegt neben dem geringen Präzisierungsgrad, den die wirtschaftsethischen Direktiven in den religiösen Quellen aufweisen, auch daran, dass der Islam praktisch kein wirtschaftspolitisches Ordnungsdenken entwickelt hat.[37] Ghani Gaussy meint, "dass die aus den Inhalten der klassischen Lehre abzuleitende Wirtschaftsordnung des Islam weitgehend einer Marktwirtschaft mit dem Imperativ des sozialen Ausgleichs - also der "sozialen Marktwirtschaft" am nächsten kommt, ohne aber mit ihr gleichsetzbar zu sein.[38] Die abweichenden Auffassungen der Vertreter des Modernismus einerseits und des Fundamentalismus[39] andererseits zeigen, dass innerhalb des Islam selbst kaum Einigkeit darüber besteht, welche konkrete Wirtschaftsordnung der Islam eigentlich nahelegt.
Strittig ist deshalb auch, ob die Gründe für das Ausbleiben einer dynamischen Entwicklung in der islamischen Welt in einem inneren Widerstand des Islam gegen den Kapitalismus zu suchen sind oder nicht. Tatsache ist, dass die islamische Welt, die in vormoderner Zeit in Wissenschaft und Technik einen hohen Standard aufzuweisen hatte, sich heute (so der Orientalist Munir Ahmed[40]) "technologisch hoffnungslos im Rückstand befindet". Der marxistische Islamwissenschafter Maxime Rodinson vertritt die Auffassung, dass es keinen grundsätzlichen Widerstand des Islam gegen den Kapitalismus gibt. Die Gründe für das Ausbleiben einer kapitalistischen Entwicklung in der islamischen Welt liegen für ihn nicht im Islam selbst, sondern in sozialen Faktoren, besonders in der durch den Kolonialismus verursachten Unterentwicklung.[41]
Aber auch wenn man dies so sehen will, stellt sich die Frage, ob neben den sozialen Bedingungen nicht auch geistig-kulturelle Faktoren eine Rolle spielen, wie etwa ein weitgehend auf stationäre Bedarfsdeckung ausgerichtetes Arbeitsethos. Denkt man beispielsweise an die jemenitischen Männer, die sich nach alter Tradition ab Mittag Quam-kauend der Muße hingeben, so wird man in dieser kulturellen Gepflogenheit unschwer Voraussetzungen erkennen können, die für eine kapitalistische Entwicklung denkbar ungünstig sind.
Nun ist diese Traditionsverhaftetheit (und in Folge davon: Neuerungsfeindlichkeit) zwar nichts, was sich aus dem Koran herauslesen lässt - wie denn auch der Islam der Frühzeit (ca. 7-13. Jh.) durchaus weltoffen und innovationsfreudig war. Der Widerstand gegen den Kapitalismus hat aber insofern mit dem Islam selbst zu tun, als der Islam die Idee einer strikt ethisch-religiös gebundenen Wirtschaft vertritt. Eine solche Idee aber ist mit dem kapitalistischen Wirtschaftskonzept unvereinbar,[42] da Kapitalismus ja nichts anderes ist als eine von religiösen und anderweitigen außerökonomischen Restriktionen befreite, mithin autonome, von einem einseitigen Verwertungsinteresse geleitete Erwerbswirtschaft, in der der Ertrag größtenteils kapitalisiert, d.h. zur Vermehrung der Produktionsmittel eingesetzt wird in der Absicht, die Ertragsleistung immer mehr zu vergrößern und auf diese Weise "Geld und immer mehr Geld" (Max Weber)[43] zu lukrieren.
Der Widerstand der islamischen Welt gegen eine "Verwestlichung" erfolgt sicher aus der Überzeugung, dass ein mit Kapitalismus gepaarter Islam den ganzheitlichen Anspruch, den der Islam auf die Regulierung sämtlicher Lebensbereiche erhebt, zunichte machen würde. Keine Trennung von Religion und Politik, von Religion und Kunst, sowie von Religion und Wirtschaft zuzulassen, sondern alles (auch die irdischen Handlungsbereiche) als Teil der Religion zu begreifen, ist ja die besondere Charakteristik des Islam.
Der Islam ist heute nicht nur die weltweit größte Glaubensgemeinschaft, sondern auch die Religion mit der höchsten Zuwachsrate. Könnte es sein, dass der ersichtliche Erfolg, den der Islam gerade gegenwärtig in vielen Weltgegenden zu verzeichnen hat, auch darauf zurückzuführen ist, dass er im besonderen Maße ein Bedürfnis nach Verhaltenssicherheit zu befriedigen vermag - im Gegenzug zu einer im Wertpluralismus orientierungslos gewordenen und vom modernen Fortschrittsgeschehen überforderten Gesellschaft?
Nun ist auch der Marxismus eine durch Totalitätsanspruch charakterisierte Position, die als Alternative zum Liberalismus auftritt und den Menschen durch einheitliche normative Einbindung eine "kollektive Beheimatung" bieten könnte. Der Marxismus ist aber weiter entfernt denn je, hinsichtlich dieser Funktion konkurrierenden Systemen den Rang abzulaufen. Seine um die metaphysisch-religiöse Dimension verkürzte Orientierung erweist sich im "Wettstreit der Ideologien" offensichtlich mehr und mehr als Defizit.
Für den westlichen Wirtschaftsliberalismus könnte dies bedeuten, dass in langfristiger Perspektive möglicherweise der Islam die ernsthaftere Bedrohung darstellt, als es der Marxismus je war. Die heute beliebt gewordene These, dass nunmehr Hegels "Ende der Geschichte" hereingebrochen sei, da mit dem Bankrott des Kommunismus der Liberalismus als siegreiche Macht konkurrenzlos übrig geblieben ist, könnte sich angesichts der islamischen Herausforderung als voreilig erweisen.
Der Autor:
Prof. Dr. Elmar Waibl
Universität Innsbruck
Christoph-Probst-Platz
Innrain 52
A-6020 Innsbruck
Tel. ++43 513 507-4024
elmar.waibl.uibk.ac.at
Aber: Meine Behandlung des Zinsthemas bedeutet nicht, dass wir hier das gesamte islamische Wirtschaftssystem einführen sollen. Das ahbe ich eingangs auch geklärt habt.
Außerdem berichtet der Autor zwar, wie "anders" die Wirtschaftsauffassung im Islam ist.
"Anders" muß aber nich gleich "falsch" oder "richtig" heißen.
Zu der Beurteilung einer Idee gehört es, verschiedene Ansätze zueinander in Relation zu setzen, woraus auch eine Völlig neue Symbiose entstehen kann.
Ähnliche Verhältnisse findet man in vielen islamischen Ländern. Der Gewinn bei einer Kapitalbeteiligung ist erlaubt, der Zins auf verliehenes Geld jedoch nicht. Arm-Oma, deren Gespartes für eine Kapitalbeteiligung nicht reicht, darf ja im Islam auf Almosen hoffen. Total verlogen!
Komischerweise ist Inflation im Islam nicht verboten. Arme sollen eben arm bleiben!
Dafür hat Gott uns ja wohl einen Verstand gegeben, dass man sich aus Verschiedenen Systemen die "Früchte" herauspickt.
Schubladendenken läßt sowas natürlich nicht zu.
Den grünen, denich dir beim vorletzten Posting am liebsten geben hätte verspielst du wieder mit einseitiger Sichtweise.
Mit Vorschriften Kapital "IN GANG" setzen ..... also die totale Abschaffung der Marktwirtschaft.
Ich glaube ich habe schon wieder einen Stern verspielt ...
:-)
Dein Problem ist folgendes:
Wenn Saddam Hussein´s Forscher zufällig ein Medikament entdecken würden, das den Krebs besiegt, dann muß es abgelehnt werden, nur weil es ja aus dem bösen Irak kommt.
Das ist sehr kurzsichtig.
Mach dich frei von "uneingeschränkten" Hassbildern, dan wirst du meinen Thread auch anders betrachten.