Wieviel Schuld trifft uns?
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 11.10.01 11:36 | ||||
Eröffnet am: | 11.10.01 08:54 | von: Traumfrau | Anzahl Beiträge: | 7 |
Neuester Beitrag: | 11.10.01 11:36 | von: boomer | Leser gesamt: | 1.785 |
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"K O M M E N T A R V O N K L A U S S T A E C K
"Der Schwarze Peter ist bei uns"
Ist Osama Bin Laden nicht eigentlich ein hausgemachter Teufel
der westlichen Welt? Und warum dürfen wir darüber nicht
reden? Wir müssen es, sonst produzieren wir ihn immer wieder
neu, warnt der Heidelberger Polit-Grafiker Klaus Staeck.
Heidelberg - Über meinem Schreibtisch hängt
jetzt wieder eine Postkarte von Joseph Beuys.
Sie zeigt die Zwillingstürme des World Trade
Center mit seinem handschriftlichen Zusatz
"Cosmos" und "Damian" - den Schutzheiligen der
Ärzte und Apotheker. Sie entstand nach einer
gemeinsamen USA-Reise im Januar 1971 -
Höhepunkt der ersten weltweiten Energiekrise.
Auch damals war viel von Schock die Rede, der
aber schließlich von ebenso kurzer Dauer war wie
viele Menetekel zuvor.
Diesmal haben sich jedoch die Ereignisse tiefer in
unser Bewusstsein eingegraben. Dennoch habe
ich Zweifel, ob sie auch zu nachhaltigen
Verhaltensänderungen führen werden und nicht schon bald wieder
das ewige vertraute "Weiter so" triumphiert.
Noch ist die anhaltende Erregung auch deshalb so groß, weil der
Terror nun endgültig in unseren Vorgärten angekommen ist. Der
Schrecken begleitet uns künftig hautnah. Wir können ihn nicht mehr
wie bisher in entlegene Entfernungen delegieren. Doch statt
umzudenken, fangen wir zunächst an, Selbstzensur zu betreiben.
Natürlich habe ich am 11. September
überlegt, ob ich mein Bush-Plakat "Visit
America - Home of the Climate Killers"
angesichts der schrecklichen Bilder aus
New York vorerst zurückziehen müsste.
Greenpeace ließ es während der letzten
Weltklimakonferenz in Bonn an
Litfasssäulen anschlagen. Aber ist die
Aussage durch den Bombenterror falsch
geworden? Davon kann keine Rede sein.
Deshalb kein Rückzieher.
Streit und Auseinandersetzung über zentrale Fragen der Gesellschaft
sind elementare Bestandteile unseres Demokratieverständnisses. Man
wird nicht zum Sympathisanten des Terrors, wenn man Kritikwürdiges
kritisiert und im allgemeinen Kriegsgeschrei auf Meinungsfreiheit und
Differenziertheit besteht. Bei uns ebenso wie in den USA und in
jedem anderen Teil der Welt - erst recht in der so genannten freien
Welt.
Die Keule der Sympathisantenhetze ist aus den siebziger Jahren noch
in schlechter Erinnerung. Machte sich doch jeder als Freund des
Terrors verdächtig, der sich dem Mainstream bestimmter
Massenmedien und Politiker verweigerte. Aber auch die offiziell
proklamierte "uneingeschränkte Solidarität" mit den Vereinigten
Staaten darf das Recht auf Kritik nicht aushebeln.
Wir tun im Gegenteil gut daran, zusammen mit
den Amerikanern Fragen zu stellen und auf
Antworten zu bestehen. Antworten zu einer
gerechten Weltwirtschaftsordnung, zu den
trüben Quellen religiös motivierter Attentäter,
zu den Folgen einer immer hemmungsloser
agierenden neoliberalen Machtideologie.
Schließlich waren es amerikanische Autoren, die
als Erste nach den Ursachen von so viel Hass
fragten, die den USA in weiten Teilen der Welt
entgegenschlägt.
Schon ein Blick auf die gewalttätigen
Auseinandersetzungen in Nordirland macht
deutlich, dass die allzu fixe Aufteilung der Welt
in Regionen der Zivilisation und eine Zone der
Barbarei als Markierung globaler Frontlinien
nicht taugt. Sind es nicht mindestens zwei
Zivilisationen, die sich in Nordirland nun schon
seit Generationen feindselig gegenüberstehen?
Wir beteiligen uns an einer internationalen Jagd
auf die Hintermänner intelligent agierender
Verbrecher, die allerdings in Teilen der Welt als
Märtyrer verehrt werden. Das macht die Sache
so kompliziert. Mag der Islam alles in allem eine
friedliche Weltreligion sein, so ist nicht zu
leugnen, dass er sich im 21. Jahrhundert offenbar besser als
vergleichbare Religionen - die ihre blutrünstigen Phasen weitgehend
hinter sich haben - auch als Plattform für das militante Wirken
menschenverachtender Fanatiker mit politischem Anspruch eignet.
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts war die
Eskalation der Gewalt auf der Achse Nord-Süd
nur eine Frage der Zeit. Denn zu wenige nahmen
die Prophezeiungen und Warnungen Willy
Brandts ernst - nachzulesen in seinem
erschreckend aktuellen Nord-Süd-Bericht. Aber
alles Fernsehen, das wir haben, hat uns nie dazu
gebracht, richtig in die Ferne zu sehen und
geholfen, Weitblick zu entwickeln. Wir sind
kurzsichtig geblieben und werden weiter
kurzsichtig gemacht.
Die überzogenen Angriffe christdemokratischer
Politiker auf den Fernsehmoderator Ulrich Wickert, der sich den Luxus
einer eigenen Meinung leistete, beweisen, es geht längst um die
Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten gegen den Feuereifer der
Sicherheitsfundamentalisten in allen politischen Lagern. Wir leben
weder im Krieg noch führen wir einen Kreuzzug gegen das so
genannte Böse. Folglich gilt in Deutschland auch kein Kriegsrecht.
Gut und Böse sind Kategorien der Ratlosigkeit,
Bankrotterklärungen bei der Suche nach
Erklärungen und Lösungen. Genauso wenig kann
die ultimative Antwort auf den Terrorismus nur
eine militärische, sondern muss eine politische,
vorrangig nahostpolitische, sein.
Fundamentalismus, noch dazu gepaart mit
Nationalismus und religiösem Wahn, bleibt eine
todbringende Krankheit, die es weltweit zu
überwinden gilt. Aber zur Heilung gehört auch
die Prophylaxe. Es ist höchste Zeit, an die Zeit
nach Osama Bin Laden zu denken. Denn als
Bösewicht vom Dienst wird er bald ausgedient
haben. Und was dann? Es gibt noch viele Zauberlehrlinge aus eigenen
Werkstätten, die es zu stoppen gilt. Doch damit ist der Schwarze
Peter wieder bei uns."
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Guten Morgen! Und einen wunderschönen Tag.
Viel Spaß an der Börse heute!
Traumfrau
So gingen schon hochentwickelte Kulturen im Altertum usw. unter..