Wehe, wer den Muezzin stört
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Eröffnet am: | 04.01.07 11:46 | von: lead | Anzahl Beiträge: | 16 |
Neuester Beitrag: | 17.01.07 09:06 | von: Rheumax | Leser gesamt: | 4.639 |
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EURO-ISLAM 2067
Wehe, wer den Muezzin stört
DER SPIEGEL wird heute 60. SPIEGEL ONLINE blickt 60 Jahre in die Zukunft. Henryk M. Broder springt in das Jahr 2067: Der Bundespräsident heißt Mahmoud Watan-Sadr, Pornokinos und Strip-Bars sind verboten - und um Moscheen gibt es eine Schweinefleisch-Bannmeile.
"Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist", heißt es in einem Lied aus der "Fledermaus" von Johann Strauss. Ein kluger Satz, dem man auch Tiefe und praktische Vernunft attestieren muss. Allerdings: um zu ermessen, wo wir heute stehen, müssen wir uns gelegentlich auch erinnern, wo wir einmal gestanden haben. Nicht aus nostalgischer Wehmut, sondern um bessere Voraussagen für die Zukunft machen zu können. Denn es gilt nicht nur der Satz von Johann Strauss, sondern auch der des jüdischen Gelehrten Baal Schem Tow (Herr des guten Namens) aus Okop in der Ukraine: "Die Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung."
Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh: Kein Kirchturm höher als das Minarett
DPA
SPIEGEL-ONLINE-SERIE
DER SPIEGEL wird 60 – SPIEGEL ONLINE blickt in die Zukunft: Wie wird die Welt in 60 Jahren aussehen?
Egal, ob man es nun mit Johann Strauss oder Baal Schem Tow hält, ob das Vergessen der Schlüssel zum Glück ist oder die Erinnerung der Weg zur Erlösung - das Heute ist nur eine Zwischenstation auf dem Weg aus dem Gestern in das Morgen, ein kurzer Augenblick, nicht mehr und nicht weniger.
Deswegen hat Bundespräsident Mahmoud Watan-Sadr zu Recht in seiner Neujahrsansprache an die historische Zäsur vor genau 60 Jahren erinnert, die damals gar nicht als solche wahrgenommen wurde. Im Gegenteil, man war in Berlin sehr stolz auf die Aufführung einer Mozart-Oper, die damit endete, dass die abgeschlagenen Köpfe von Jesus, Buddha und Mohammed vorgezeigt wurden. Man sah dies als einen Sieg der säkularen Kultur über religiösen Kleinmut an und feierte das Ereignis mit viel Sekt und guter Laune.
Was die Teilnehmer der Party allerdings nicht mitbekamen, war das, was um sie herum passierte, ohne dass es größere Schlagzeilen machte.
In Amsterdam hatte das holländische Rote Kreuz zu einem "Weihnachtsessen" eingeladen, bei dem es nur "halal" zubereitete Speisen gab, also unter anderem kein Schweinefleisch.
In England verzichteten die meisten Arbeitgeber auf Weihnachts-Dekoration in ihren Firmen - aus Rücksicht auf die Gefühle der nichtchristlichen Mitarbeiter. Britische Banken wollen ihren Kunden keine "Sparschweine" mehr anbieten, weil Schweine im Islam als unrein gelten.
Aus Oberösterreich wurde bekannt, dass zwei Mütter muslimischer Schüler gegen die Benutzung des Kreuzes als Pluszeichen bei Rechenaufgaben protestierten - ein christliches Symbol sei ihren Kindern nicht zumutbar.
Der Name des Propheten
Soweit solche Geschichten noch in den Bereich des Anekdotischen und Folkloristischen gehörten, konnten sie leicht als "unmaßgeblich" abgetan werden. Es gab aber auch andere Ereignisse und Trends, die mehr Beachtung verdient hätten. Das britische Amt für Statistik veröffentlichte die Liste der beliebtesten Vornamen für das Jahr 2006. Die meisten Eltern nannten ihre Söhne "Jack", aber schon auf Platz fünf der Liste stand "Mohammed", noch vor Harry, William, James und George. Bereits 2005 war der Name des Propheten beliebter als die Namen der Prinzen.
Ein britischer Moslem, der im Verdacht stand, eine Polizistin bei einem bewaffneten Überfall getötet zu haben, konnte ungehindert über den Flughafen Heathrow ausreisen, weil er den Pass seiner Schwester und auch deren Kopfbedeckung benutzte, die nur die Augenpartie offen ließ. Er wusste, dass die britischen Grenzer aus Gründen der Sittlichkeit darauf verzichten, die Identität verschleierter weiblicher Reisender zu kontrollieren.
Ein Schweizer Politiker der konservativen SVP machte auf einem Plakat Werbung für das "Kopftuch" für alle: "Mädchen, schützt Euch mit einem Kopftuch vor sexuellen Übergriffen!" Die unausgesprochene, aber unmissverständliche Botschaft, die er verbreiten wollte, war: Moslems belästigen keine Frauen, die ein Kopftuch tragen. Und Frauen, die kein Kopftuch tragen, sind selber schuld, wenn sie sexuell belästigt werden.
Zeichen an der Wand
Etwa zur gleichen Zeit startete die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine Kampagne gegen die Freigabe der Ladenöffnungszeiten am Sonntag: "Wir haben schon immer Sonntags geöffnet". Ein anderer Grund der Plakataktion war: Den Kirchen liefen die Kunden davon, immer mehr Gemeinden mussten aus Kostengründen zusammen gelegt, Gotteshäuser aufgegeben oder zweckentfremdet vermietet werden - als Restaurants mit einem speziellen Ambiente zum Beispiel.
Ein Jahr zuvor, im Dezember 2005, hatte der Leiter des Zentralinstituts Islam-Archiv in Soest, Salim Abdullah, in einem Zeitungsgespräch erklärt, zum ersten Mal innerhalb eines Jahres wären über 1.000 Deutsche zum Islam übergetreten. Dies wäre ein "beachtlicher Anstieg", der vor allem mit Frauen zu tun hätte, 62 Prozent der deutschen Neu-Moslems wären Frauen, darunter "überwiegend Akademikerinnen, gut situiert und gut ausgebildet". Nur ein geringer Teil der Frauen sei wegen einer Ehe mit einem Moslem zum Islam übergetreten.
Alle diese "Zeichen an der Wand" wurden registriert, aber nicht wirklich wahrgenommen. Nicht einmal als der holländische Justizminister Piet Hein Donner erklärte, er könnte sich die Einführung der "Scharia" in Holland vorstellen, wenn die Mehrheit der Holländer sich dafür entscheiden würde, kam so etwas wie Erstaunen auf. Ein Gutachten des nordrhein-westfälischen Innenministeriums über die Vereinbarkeit der Scharia mit dem Grundgesetz stand zwar im Internet, aber niemand hatte es wirklich gelesen.
Islamischer Speise- und Bettenplan
Wie fast immer in der Geschichte war es dann eine Nebensächlichkeit, die, für sich genommen belanglos, in Verbindung mit den vielen anderen Nebensächlichkeiten den letzten Impuls für eine historische Zäsur ergab. Der Utrechter Unternehmer Paul Sturkenboom, ein Katholik, gab Ende 2006 seine Absicht bekannt, im Süden von Rotterdam, wo besonders viele Moslems leben, ein "islamisches Krankenhaus" zu bauen, das erste seiner Art in Holland. "Wir haben mehr als eine Million Muslime im Land, warum haben sie kein Krankenhaus?"
Es sollte natürlich "jedermann offen stehen", aber die muslimischen Patienten könnten sicher sein, "nach den islamischen Regeln bekocht und nur von Ärzten und Pflegern ihres Geschlechts behandelt zu werden". Auch ein Gebetsraum und ein Imam als Seelsorger würden den Muslimen zur Verfügung stehen.
Der Plan wurde nicht verwirklicht, unter anderem auch deswegen, weil sich die als besonders orthodox geltende islamische Gemeinschaft Milli Görus dagegen aussprach. Imame als Seelsorger, Gebetsräume und ein islamische Bedürfnisse respektierender Speiseplan zählten in den meisten Krankenhäusern längst zum Standard. "Die meisten bemühen sich auch redlich, auf den Wunsch muslimischer Patientinnen einzugehen, sich nur von Ärztinnen untersuchen zu lassen."
Umma di Roma
Auch wenn eine Kausalität aus dem Abstand von fast 60 Jahren schwer zu belegen ist, es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass die Moslems von Rotterdam-Zuid im Frühjahr 2007 rebellierten und ihre Gegend zu einem "autonomen Quartier" erklärten, in dem das Leben nach den Regeln der Scharia geführt werden sollte. Und während in den holländischen Medien noch darüber diskutiert wurde, wie man auf diese "Sezession" reagieren, ob man sie überhaupt ernst nehmen oder besser nicht beachten sollte, erklärten sich überall in Holland islamische Gemeinden für "autonom", zum Teil mit Unterstützung, zum Teil gegen den Widerstand ihrer eigenen Vertreter, nicht nur in Rotterdam, Amsterdam, den Haag, Leiden und Utrecht, sondern auch in kleinen Gemeinden wie Alkmaar, Sneek und Zwolle. "Es war die größte Umwälzung, die Holland seit der Ausrufung der Batavischen Republik 1795 erlebt hat", sagt der Historiker Jan Pieter de Beukelaer von der Uni Groningen.
Wie schon zuvor bei der teilweisen Freigabe der Drogen, der Entkriminalisierung der Abtreibung und der Legalisierung der Euthanasie erwies sich Holland wieder einmal als die staatliche Avantgarde Europas. Es dauerte nicht lange, und das holländische Beispiel fand viele Nachahmer: In Deutschland, Österreich, Italien (wo quasi in Sichtweite des Vatikans eine "Umma di Roma" entstand), in Dänemark, Schweden und Norwegen, in England und Frankreich sowieso. Die europäischen Regierungen wurden von der Entwicklung überrollt. Und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als einen Zustand, der sich sozusagen organisch ergeben hatte, gesetzlich zu sanktionieren.
Das Wort zum Freitag
In allen westeuropäischen Ländern, Island, Finnland und die Schweiz ausgenommen, wurden "Autonomie-Statute" verabschiedet, mit denen den islamischen Gemeinden weit gehende Rechte übertragen wurden. In allen Fragen, die Ehe, Familie, Schule und Erziehung betreffen, entscheiden "Muslim-Räte" in eigener Verantwortung über die Inhalte und das Procedere. In allen Fragen, die das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen betreffen, wurden paritätisch besetzte "Kooperationsräte" eingerichtet, die nach Auswegen und Kompromissen im Interesse beider Seiten suchen.
In Schulen mit einem Anteil muslimischer Schüler von 50 Prozent - und das sind in den Großstädten praktisch alle - wurde die Koedukation abgeschafft, Mädchen und Jungen werden separat unterrichtet, von Lehrerinnen bzw. Lehrern. In den öffentlichen Schwimmbädern wurden Männer- und Frauentage eingeführt. Neben dem "Wort zum Sonntag" wurde auch ein "Wort zum Freitag" eingerichtet, das von einem Imam gesprochen wird. Ein fast vergessener Plan eines inzwischen vergessenen grünen Abgeordneten wurde reaktiviert und Mohammeds Geburtstag zum staatlichen Feiertag erklärt.
Der Gotteslästerungsparagraf wurde - gegen den Rat der beiden christlichen Kirchen - so verschärft, dass jede Konfession darüber entscheiden kann, wodurch sie sich beleidigt oder verletzt fühlt. Worauf als erstes der Wikipedia-Eintrag mit den 12 Mohammed-Karikaturen gelöscht wurde, die in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" am 30. September 2005 abgedruckt wurden und in der ganzen islamischen Welt einen Sturm der Entrüstung ausgelöst haben.
Störe nicht den Muezzin
Rückblickend betrachtet, muss man zugeben, dass die schlimmsten Befürchtungen sich nicht erfüllt haben. Ist es wirklich eine Zumutung für eine Zivilgesellschaft, dass im Umkreis von 1000 Metern um eine Moschee kein Schweinefleisch verkauft werden darf? Jeder Ernährungsberater weiß, dass Schweinefleisch nicht gesund ist. Kann es eine egalitäre Gesellschaft nicht hinnehmen, dass bei Kirchen-Neubauten der Kirchturm nicht höher sein darf als das Minarett der nächsten Moschee und dass beim Läuten der Glocken darauf geachtet werden muss, dass der Muezzin nicht gestört wird?
Hat der Verzicht auf provokante Kleidung (Bikinis), unsensibles Benehmen in der Öffentlichkeit (Miss-Wettbewerbe), verletzende Statements bei Diskussionen, wie sie um das Jahr 2000 herum noch an der Tagesordnung waren, vor allem wenn es um Fundamentalismus ging, nicht auch sein Gutes? Waren diese Verzichte nicht ein angemessener Preis, um einen endlosen Kulturkampf zu vermeiden?
Hat das Verbot von Pornokinos, Strip-Bars und Spielhallen nicht erheblich dazu beigetragen, unsere Städte wieder schöner, sauberer und sicherer zu machen? Und was die Freiheit der Kunst angeht, die angeblich zur Disposition stand: "Nathan der Weise" ist heute, im Jahre 2067, immer noch das meistgespielte Stück auf deutschen Bühnen, genau wie vor 60 Jahren.
Kommen wir zum Anfang zurück. Welcher Satz gilt nun? Der von Johann Strauss: "Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist." Oder der von Baal Schem Tow: "Die Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung."
"Tertium non datur", sagen die Lateiner, "ein Drittes gibt es nicht". Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte lehrt uns jedoch, dass es mehr als zwei Optionen gibt. Auch das Vergessen kann ein Weg zur Erlösung sein. Man muss ihn nur gehen wollen.
Und eines muß man schon feststellen. Deutschland ist insgesamt eines der tolerantesten Länder, was die Ausübung der persönlichen Religionsfreiheit angeht. Und zum Teil geht es sogar so weit, dass man eigene Bedürfnisse und Ansprüche in den Hintergrund stellt.
Nehmen wir nur das Beispiel der Oper. Man setzt das Stück vorerst ab, weil man Angst vor Anschlägen hat. Es könnte ja irgendein Bürger anderen Glaubens sich von dieser Aufführung angepisst fühlen. Das kann doch nicht wahr sein. Wenn man damit anfängt....wo soll das noch enden? Irgendwer hat immer irgendwass auszusetzen. ist das nicht eigentlich auch eine Sache der Toleranz, solche Dinge zu akzeptieren?
Wenn ich ins Ausland auswandern sollte, muß ich mich auch in einer gewissen Weise anpassen. Ich muss auch die Sprache lernen, um mich zu verständigen usw. usw.
Und wenn ich das alles nicht möchte, dann muss ich es eben sein lassen.
wenn alle so denken würden wie Du, dauert es bis zu den Vorstellungen in #1 vielleicht keine 60 Jahre mehr ...
So long (oder doch besser short?)
Kalli
Es ist ja nicht nur Saudi Arabien: In Eritrea sitzen 2000 Christen wegen ihres Glaubens im Gefängnis, und selbst in der Türkei dürfen Kirchen nicht oder nur schwer gebaut werden, während hierzulande Moscheen aus dem Boden schießen und Anwohner, die Bedenken haben, als rechtsradikal denunziert werden. Tja, und wenn sich im Irak die derzeitige Lage nicht bessert, dann geht dort die fast 2000jährige Geschichte der irakischen Christen (=Assyro-Chaldäer) zu Ende. Die Gesellschaft für bedrohte Völker schreibt dazu aktuell:
„Täglich werden (im Irak) Christen entführt, vergewaltigt, misshandelt und ermordet. Dieser Exodus ist nicht mehr aufzuhalten. (Es) darf (…) niemanden wundern, dass diese Menschen keine Zukunft mehr für ihre Familien und ihr Volk in diesem Land sehen, in dem Christen sogar geköpft oder gekreuzigt werden. Im Bürgerkrieg zwischen fanatischen schiitischen und sunnitischen Milizen und Terroristengruppen bleibt für die Assyro-Chaldäer kein Platz.“ (Quelle: www.gfbv.de, Pressemitteilung vom 22.12.06).
Unter Saddam Hussein lebten die Christen wenigstens nicht schlechter oder besser als jede andere Religionsgruppe, Außenminister Tarik Asis war Assyro-Chaldäer. Von den zu Kriegsbeginn geschätzten 700.000 irakischen Christen (alleine in Bagdad ca. 400.000) haben mindestens 500.00 das Land verlassen bzw. wurden ermordet. Es geht in den Mainstream-Nachrichten völlig unter, dass nicht sunnitische oder schiitische, sondern christliche Iraker die größten Leidtragenden des Chaos im Irak sind.
Es gibt Hoffnung: Einzig und allein in der irakischen Region Ninive, einer traditionell von irakischen Christen bewohnten Region, haben sich diese organisiert und eigene Sicherheitskräfte aufgestellt. Unterstützt werden sie von den benachbarten Kurden. Mindestens 40.000 irakische Christen sind aus anderen Landesteilen dorthin geflohen, weil sie dort in relativer Sicherheit leben können.
Grüße aus dem vertrottelten Eurabien
Weiter so Herr Broder! Kampf der Kulturen heisst auch sich nicht alles gefallen zu lassen was uns unter dem Deckmantel der Globalisierung und der Gastfreundschaft auferzwungen wird.
Psychologische Kriegführung
Henryk M. Broder und die »Lust am Einknicken«. Kampfansage an 1,5 Milliarden Moslems
Von Knut MellenthinDer Westen probt die »Selbstverteidigung« gegen eine angeblich drohende muslimische Weltherrschaft Foto: AP
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Eine vermutlich gar nicht so seltene Berufsentscheidung von idealtypischen Amokläufern, die kein Blut sehen können und die es aus irgendwelchen Gründen nicht in die Politik zieht. Der Spiegel-Journalist Henryk Broder hat ein Buch von der »Lust am Einknicken« geschrieben. Gemeint ist die »vorauseilende Selbstaufgabe« Europas vor den moslemischen Horden – die von den europäischen Politikeliten und Medien bereitwillig hingenommene, ja sogar feige vorangetriebene »Transformation Europas in einen islamischen Kontinent«. Es geht also um ein Phantom, das wenig mit der Wirklichkeit und viel mit der Produktion von Wahnvorstellungen und Haß zu tun hat.
In Deutschland ist Broders Buch ein Bestseller. Wäre es in Ländern wie Großbritannien oder Frankreich erschienen, hätte man dort von den 167 Seiten überhaupt nicht Notiz genommen. Das Thema wird da schon seit einigen Jahren von Autoren mit erheblich größerem geistigen Tiefgang bearbeitet. Deutschland steht auch hier wieder einmal deutlich unter dem Weltniveau.
»Eurabische Alpträume«
Das Kultbuch der Kämpfer gegen die vermeintliche islamische »Überfremdung« hat vor zwei Jahren die britische Historikerin Gisèle Littman, bekannter unter ihrem Künstlernamen Bat Ye’or, veröffentlicht: »Eurabia – The Euro Arab Axis«. Die Autorin hat den Begriff »Eurabia« zwar nicht erfunden, wohl aber dessen Anwendung als Schimpfwort für die »Islamisierung« Europas. Sie behauptet, daß seit der sogenannten Ölkrise von 1973 eine geheime Verschwörung zwischen den europäischen und arabischen Eliten bestehe. Europa habe sich dadurch vom Bündnis mit den USA gelöst und sei »in den arabisch-islamischen Einflußbereich übergewechselt«. Deshalb führe Europa, so Bat Ye’or, einen »versteckten Krieg gegen Israel«. Als hervorragenden Beweis nennt sie, daß die Europäer die Forderung nach einem Palästinenserstaat akzeptieren.Die in dieser Szene herrschende Geisteshaltung zeigt sich in reißerisch-wahnhaften Artikelüberschriften wie »How Europe Died« (Wie Europa starb), »While Europe Slept« (Während Europa schläft), »Europe’s Suicide?« (Europas Selbstmord?), »The Slow Death of Europe« (Der langsame Tod Europas), »Eurabia is no Fairytale« (Eurabia ist kein Märchen), »The Rapid Islamization of Europe« (Die rapide Islamisierung Europas), »Eurabian Nightmares« (Eurabische Alpträume), »Goodbye Europe, Hello Eurabia«, »The Muslim Brotherhood’s Conquest of Europe« (Die Eroberung Europas durch muslimische Bruderschaften) oder »Why Al-Qaeda Will Dominate the European Union« (Weshalb Al Qaida die EU dominieren wird). Im Zentrum dieser Weltanschauung steht die im 19. Jahrhundert entstandene vulgärdarwinistische Theorie vom ewigen Kampf der Rassen und Kulturen, in dem die Schwachen untergehen und die Stärkeren über kurz oder lang die Weltherrschaft an sich reißen. Und da der Westen »schwach, dekadent und nicht einmal bedingt abwehrbereit« ist (Brocker, S. 24), hat er gegenüber dem Islam bereits das Handtuch geworfen. Kapitulation besteht nach Ansicht dieser Szene schon darin, wenn man das historische Faktum eines islamischen Anteils an der europäischen Kulturgeschichte anerkennt. Einige Autoren gehen sogar so weit, die Kreuzzüge als legitime Verteidigung zu rehabilitieren.
Historisch gesehen hat die Theorie vom Kampf der Rassen und Kulturen um die Weltherrschaft immer dazu gedient, das eigene aggressive Machtstreben zu legitimieren, indem man es als gerechte, überlebensnotwendige, vom Gegner aufgezwungene Selbstverteidigung darstellt. Auch heute geht es im Kern um nichts anderes. Die Vorstellung, daß die Moslems nach der Weltherrschaft streben, mag zwar in den Köpfen einiger Fundamentalisten vorhanden sein. Sie ist aber sehr weit von der Realität entfernt. Tatsache ist vielmehr, daß der in der NATO vereinigte Westen einen eskalierenden Angriffskrieg gegen die moslemische Welt führt. Schauplätze sind heute schon Afghanistan, Irak, Libanon, die von Israel besetzten Palästinensergebiete. Eine Ausdehnung auf Somalia, Iran, Pakistan zeichnet sich ab. Dieser Krieg kostet Hunderttausende Menschenleben, verwüstet und destabilisiert die angegriffenen Länder nachhaltig und richtet sie für einen unabsehbar langen neokolonialen Status zu.
Rassistische Vorurteilsbildung
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Nach diesem Muster reiht der Autor völlig einseitig Fallbeispiele aneinander, von denen die meisten ursächlich kaum etwas mit dem Islam zu tun haben, um seine Grundthese vom unvermeidlichen »Clash of Civilizations« zu untermauern. Den der Westen nach Ansicht Broders schon verloren hat: »Der freie Westen, der sonst bei jedem Hakenkreuz auf einer Hauswand ›Wehret den Anfängen!‹ ruft, hat gezeigt, daß er der islamischen Offensive nichts entgegenzusetzen hat.« (S. 20) Das könnte auch in einem NPD-Flugblatt stehen.
Ein Beispiel für Broders Methode der akkumulativen Vorurteilsbildung: »Im Januar 2006 forderten drei Moslem-Väter von Mädchen an einer Linzer Volksschule die Einführung des Kopftuches – für Lehrerinnen.« (S. 47) Die Väter, zwei Bosnier und ein Tschetschene, weigerten sich laut Broder auch, die Lehrerinnen mit »Sie« anzureden, weil sie als Frauen keinen Respekt verdienten. Falls die Geschichte sich wirklich so zugetragen haben sollte – was bei Broder schwer zu beurteilen ist, da er konsequent auf die Nennung von Quellen verzichtet –, handelt es sich um drei Exzentriker mit einem außerordentlich flegelhaften Benehmen. Über Moslems in Europa sagt uns der völlig untypische Einzelfall genaugenommen gar nichts. Und über die unterstellte europäische »Lust am Einknicken« ebenso wenig.
Ein weiteres Beispiel: In Spiegel Online schrieb Broder am 4. Januar in einer Aufzählung angeblicher moslemischer Verrücktheiten, mit denen in Europa viel zu verständnisvoll umgegangen werde: »Aus Oberösterreich wurde bekannt, daß zwei Mütter muslimischer Schüler gegen die Benutzung des Kreuzes als Pluszeichen bei Rechenaufgaben protestierten – ein christliches Symbol sei ihren Kindern nicht zumutbar.«
Tatsache ist, daß in allen moslemischen Ländern das international übliche Pluszeichen in Kreuzform verwendet wird. Das einzige Land, das aus ideologischen Gründen ein eigenes Pluszeichen kreiert hat – in Form eines auf den Kopf gestellten T – ist Israel.
Die Geschichte aus Oberösterreich ist also bestenfalls völlig atypisch und belanglos. Kein vernünftiger Mensch würde aus dem Auftauchen eines Geisterfahrers auf der Autobahn schlußfolgern, daß sich in Deutschland der Linksverkehr durchsetzt und die Polizei bereits kapituliert hat. Einiges deutet außerdem darauf hin, daß der Vorfall mit den beiden Müttern nur ausgedacht ist. Er fand sich zuerst am 22. Dezember vorigen Jahres in einer moslemfeindlichen Glosse der österreichischen Tageszeitung Die Presse – ohne Angabe des Ortes, ohne jedes Detail und ohne Quelle. Andere österreichische Medien scheinen von dem angeblichen Vorfall keine Notiz genommen zu haben. Noch am selben Tag stand die fragwürdige Meldung auf der Webseite »Politically Incorrect«, die hemmungslose Antimoslemhetze mit blindem proisraelischen Hurra-Patriotismus verbindet. Seither geistert die angebliche Geschichte aus Oberösterreich durch die einschlägigen Blogs, zusammen mit aggressiv rassistischen Kommentaren, in denen sich selbsternannte Herrenmenschen über die unterstellte Dummheit der Moslems lustig machten. Motto: selbst schuld, wenn sie nichts lernen wollen!
Seit dem 11. September 2001 ist Anti-Islamismus in USA und Europa in Mode gekommen. Mittlerweile widmen sich auch zahlreiche deutschsprachige Websites der schmutzigen Aufgabe, wahre, verfälschte oder erfundene »Nachrichten aus der moslemischen Welt« zu verbreiten, die die Moslems als Ignoranten mit ständig hoher Gewaltbereitschaft brandmarken sollen. Darunter ist seit einigen Wochen auch der Internetauftritt des Vereins »Pax Europa«, der sich nach eigenen Worten »die Aufklärung der Öffentlichkeit über die schleichende Islamisierung Europas« zur Aufgabe gestellt hat. Der Verein »richtet sich nicht gegen den Islam oder gegen Muslime«, sondern »tritt vielmehr für den Erhalt des christlich-jüdisch geprägten europäischen Werteverbundes ein«, heißt es auf der Homepage von »Pax Europa«. Dieses hehre Ziel erfordert es offenbar, die Öffentlichkeit ständig über jeden einzelnen durchgeknallten Moslem zu unterrichten. Wie etwa über »manche Muslime«, die sich im Krankenhaus weigern, ihre Hände mit Desinfektionslösung zu reinigen – wegen des darin enthaltenen Alkohols. Abgeschrieben aus der Sun, dem britischen Gegenstück der Bild-Zeitung.
Verantwortlich für »Pax Europa« ist der fragwürdige Sensationsjournalist Udo Ulfkotte, »Sicherheitsexperte« und Autor des Buches »Der Krieg in unseren Städten« (2003).
Fahr nicht mit dem Moslem!
Wer gern bis zur Schleudertrauma-Grenze den Kopf über verrückte Moslems schüttelt, kommt auch auf der von Henryk Broder und einigen seiner Freunde edierten Webseite »Die Achse des Guten« immer wieder voll auf seine Kosten. Nachprüfbar sind die Geschichten meist nicht, oft stammen sie aus tendenziösen Quellen wie »Sharia Watch«. Dort erfährt man beispielsweise, daß es im kanadischen Vancouver moslemische Taxifahrer gibt, die sich weigern, Blinde mit ihrem Hund zu transportieren, weil Hunde im Islam als unrein gelten. (18.11.2006) Wer schon mal versucht hat, in Deutschland mit einem großen Hund ein Taxi zu besteigen, weiß allerdings, daß das kein ausschließlich religiöses Problem ist.Wie unverschämt und intolerant sich moslemische Taxifahrer benehmen, zeigt sich, laut »Achse des Guten«, auch daran, daß einige von ihnen am Flughafen von Minneapolis (USA) keine Fahrgäste befördern wollen, die Alkohol bei sich haben (29.9.2006). Vielleicht hat das in Wirklichkeit weniger mit dem Koran als mit den teilweise absurd strengen Anti-Alkohol-Gesetzen vieler US-Bundesstaaten zu tun, aber so genau will das einschlägig interessierte Publikum es gar nicht wissen.
Ein Potpourri wahrer oder erfundener Einzelfälle mit geringem Informationsgehalt addiert sich zu zwei generellen Botschaften: 1. Moslems sind ignorant und intolerant. 2. Wir lassen uns von den Moslems viel zuviel gefallen. Gleich zu Beginn seines Buches schreibt Broder, es gehe »um 1,5 Milliarden Moslems in aller Welt, die chronisch zum Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen« (S. 13). »Unvorhersehbare Reaktionen« meint im Kontext, da ist gar kein Zweifel möglich, alle Arten von Gewalttätigkeit, bis hin zum Terrorismus. – Wie muß es im Kopf eines Menschen aussehen, der 1,5 Milliarden Individuen exakt dieselben Eigenschaften zuschreibt? Menschen völlig unterschiedlicher Kulturen, zwischen denen es riesige Unterschiede auch in religiöser Hinsicht gibt. So weit wie Broder in diesem Punkt gehen selbst ganz wilde Rassisten in der Regel nicht. Und weit und breit kein guter Freund, kein professionell arbeitender Verlagslektor, der dem Autor im eigenen Interesse zur Mäßigung geraten hätte?
Als Modell für die allen 1,5 Milliarden Moslems der Welt unterstellte Verbindung von »chronischem Beleidigtsein« und »unvorhersehbaren Reaktionen« gelten Broder die Proteste gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen. Er schreibt: »Millionen von Moslems, die keine Gelegenheit hatten, auch nur einen Blick auf die Zeichnungen zu werfen, und die nicht einmal wissen, wo Dänemark liegt, demonstrieren gegen die Kränkung des Propheten, angefeuert von Imamen, die eine eigene Agenda haben.« (S. 18) – »Millionen«? Woher nimmt Broder das? Er verrät es nicht. 100000, höchstens 150000 Demonstranten weltweit dürften der Realität nahekommen. Im Rückblick ist erstaunlich, wie klein die meisten der Demonstrationen (Anfang Februar 2006) waren. In Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens (das Land mit der größten Moslembevölkerung der Welt), 300 Menschen. 2000 bis 5000 Protestierer in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, einer Stadt mit über sechs Millionen Einwohnern. Ungefähr ebenso viele in Islamabad, der Hauptstadt Pakistans, einem Land, in dem es mehrere große islamistische Oppositionsparteien gibt. Ein paar hundert Menschen im afghanischen Kabul. 3000 Demonstranten in Kairo, einer Stadt mit über 15 Millionen Einwohnern. Die größten Proteste fanden in Beirut und in der marokkanischen Hauptstadt Rabat mit jeweils etwa 20000 Teilnehmern statt. Letztere angeführt von pro-amerikanischen Regierungsmitgliedern, die es nötig haben, gelegentlich zu zeigen, daß sie gute Moslems sind.
Der von Broder breit ausgewalzte Karikaturenstreit ist ein zentrales, immer wiederkehrendes Argument seines Buches. Die angebliche Überempfindlichkeit und Reizbarkeit der Moslems an ihren Reaktionen auf Beleidigungen Mohammeds oder des Koran zu messen, ist allerdings so total daneben, als würde man Juden der Humorlosigkeit bezichtigen, weil sie über antisemitische Karikaturen nicht lachen mögen. Daß es Kulturen wie die britische gibt, wo es, ohne daß dafür Gesetze erforderlich wären, als ausgesprochen unzivilisiert gilt, andere Menschen mutwillig zu verhöhnen und zu verletzten, ist Broder fremd und unbegreiflich. Er kann den Verzicht der britischen Medien, die dänischen Mohammed-Karikaturen nachzudrucken, nur als Feigheit und Kapitulantentum mißverstehen. Selbst ein offensichtlich rechtsextremer deutscher Rentner, der Klopapier mit dem arabischen Schriftzug »Der heilige Koran« bedruckte und verschickte, gilt Broder noch als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit, so wie er sie versteht. (S. 33)
Moslemfeindlichkeit gibt es nicht
Die im Dezember vergangenen Jahres erschienene Studie »Muslims in the European Union – Discrimination and Islamophobia«, herausgegeben vom European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia, konstatiert eine zunehmende Moslemfeindlichkeit. Der Bericht beschreibt bespielsweise Hunderte Fälle von Gewalt und Drohungen seit 2004, darunter Beschädigungen, Schmierereien und Brandstiftungen an Moscheen und islamischen Zentren ebenso wie gewalttätige Angriffe gegen Moslems. Die Verfasser der Studie beklagen, daß Großbritannien das einzige europäische Land sei, das eine Hate-Crime-Liste veröffentlicht, in der Übergriffe gegen Moslems gesondert ausgewiesen sind.Ebenfalls im Dezember erschien die Studie »Deutsche Zustände« des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer, der eine »steigende Islamophobie« in Deutschland behauptet. Das Besondere: Während im allgemeinen Ausländerfeindlichkeit mit höherem Bildungsrad abnimmt, treffe das für moslemfeindliche Einstellungen nicht zu. Sie gelten offenbar auch bei Teilen des Bildungsbürgertums als schick. Die freundliche Aufnahme, die Broders Buch bei den meisten Medien gefunden hat, bestätigt diesen Befund. Hier und da schieße der Autor ein bißchen übers Ziel hinaus, räumen viele Rezensenten ein, aber das sei doch gerade das Lustige, Unterhaltsame. Die systematische Verbreitung von Ressentiments wird von meinungsbildenden Teilen der deutschen Gesellschaft geschmäcklerisch konsumiert. Man erinnert sich, daß für die gleichen Kreise ein Harald Schmidt in einer Zeit zur Kultfigur wurde, als er keine Sendung ohne mehrere primitive polenfeindliche »Witze« zu Ende gehen ließ. »Political Incorrectness«, das Spiel mit rassistischen Klischees, steht in Deutschland wieder hoch im Kurs. Kaum jemand wagt in den Mainstream-Medien noch einzuwenden, daß das Verbreiten von Ressentiments schlichtweg unanständig und übrigens auch denkbar unintellektuell ist.
Was Henryk Broder angeht: Feindselige Einstellungen, Gewalttaten und alltägliche Diskriminierungen gegen Moslems kommen in seinem Buch an keiner Stelle vor. Sie anzusprechen, würde offenbar die gradlinige Schwarz-Weiß-Propaganda – die Moslems tanzen uns auf der Nase rum und wir Trottel lassen uns alles gefallen – beschädigen und in Frage stellen. Denn was Broder ganz bestimmt nicht will, ist eine sachliche Erörterung der Probleme mit all ihren Aspekten.
Immerhin, das Wort »Islamophobie« taucht in Broders Buch einmal auf. Auf Seite 116. Dort schmäht der Autor den Zentralrat der Juden in Deutschland, weil er gemeinsam mit der Türkisch-Islamischen Union ein Symposion über »Antisemitismus, Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit« veranstaltete. »Er gibt damit dem Phantombegriff ›Islamophobie‹ den Anschein des Realen«, so Broders Vorwurf an den Zentralrat. Das sollte sich auch der Zentralrat der Juden in Deutschland hinter die Ohren schreiben. Was Broder nicht wahrhaben will, das gibt es nicht. (jw)