UMTS Ernüchterung!!
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 19.06.02 09:36 | ||||
Eröffnet am: | 19.06.02 09:21 | von: donvio | Anzahl Beiträge: | 4 |
Neuester Beitrag: | 19.06.02 09:36 | von: Thomastrada. | Leser gesamt: | 4.287 |
Forum: | Börse | Leser heute: | 0 | |
Bewertet mit: | ||||
UMTS-Ernüchterung in Japan
Der japanische Mobilfunkanbieter NTT Docomo hat als weltweit erstes Unternehmen den Mobilfunkdienst der dritten Generation, UMTS, gestartet. Die erste Bilanz fällt ernüchternd aus.
Die feuchte Hitze Tokios schiebt sich bis in den 29. Stock des NTT-Docomo-Hauses vor. Der Wind nicht. Draußen, irgendwo ganz weit unten, biegen sich Bäume im Wind.Vorstandschef Keiji Tachikawa schwitzt, wischt sich die Stirn mit einem Tuch trocken. An Entspannung an einem der kühlen Badeorte an der Küste kann er zurzeit nicht denken. Der Chef des größten Mobilfunkkonzerns Japans muss in der Zentrale präsent sein - und nach einem Ausweg aus der ersten Krise seines Unternehmens suchen.
Als erster Anbieter weltweit startete NTT Docomo vergangenen Oktober in Japan den multimedialen Mobilfunk UMTS. Die erhofften Nutzer bleiben jedoch aus. Tachikawa rechnete bis März mit 150.000 Kunden, zählte allerdings nur 89.000. "Wir haben Fehler gemacht", sagt er. Für einen japanischen Manager ist dieser Satz ein unerhörtes Schuldeingeständnis.
Es ist wie verhext. "In dem Land daddelt jeder auf dem Handy bis zum Verrücktwerden", sagt Uwe Bergheim, Chef des deutschen Mobilfunkanbieters E-Plus. Trotzdem nehmen die Menschen eine neue Technik schleppender an als erwartet. Es ist fast so, als wenn in Deutschland der neueste VW Golf floppen würde. Der schwache Start verleitet Tachikawa sogar dazu, seine früheren Prognosen zurückzunehmen. Er erwartet neuerdings, dass UMTS seinen wirtschaftlichen Gipfel erst 2010 erleben wird - deutlich später als bislang behauptet.
Branche vor dem Abgrund
Die Nachricht aus Japan trifft die Mobilfunkbetreiber in Europa ins Mark. Sie haben vor zwei Jahren mehr als 100 Mrd. Euro an Lizenzgebühren für die UMTS-Technik bezahlt, eine ähnliche Summe geben sie für den Aufbau der Infrastruktur aus. Wenn die neue Technik bei den Kunden durchfällt, steht die gesamte Branche samt Handy- und Netzausrüstern vor dem Abgrund.
Die Investitionen sind in vollem Gange: T-Mobile, Vodafone, die France-Telecom-Tochter Orange, Telecom Italia Mobile und Telefónica Móviles überziehen die europäischen Metropolen gerade mit den neuen Mobilfunknetzen und entwickeln multimediale Dienste. Bis Ende kommenden Jahres sollen die ersten Kunden in den wichtigsten Märkten Europas - Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien - bereits per UMTS telefonieren, im Internet surfen oder auf dem Handy spielen können.
Zumindest T-Mobile hält an seinen optimistischen Prognosen fest. "Wir gehen davon aus, dass wir fünf bis sechs Jahre nach dem Start einen großen wirtschaftlichen Erfolg verbuchen", sagt ein Unternehmenssprecher.
Ernüchterung in Japan
In Japan sieht man die Dinge deutlich nüchterner. Die Ursachen für die Anfangsschlappe meint Tachikawa schon ausgemacht zu haben: "Die Batterie des UMTS-Handys ist zu schwach. Wir erreichen mit unserem Mobilfunknetz nicht genügend Menschen und Regionen. Und wir haben keine speziellen Inhalte angeboten."
Zumindest nichts, was die NTT-Docomo-Kunden nicht schon heute mit dem bisherigen Mobilfunkstandard über das Portal I-Mode nutzen könnten. Viele Japaner schreiben auf ihren Telefonen Mails, laden sich Spiele, Musik, neue Klingeltöne oder Handylogos herunter. Sie lesen Nachrichten oder knipsen Fotos, die sie dann per E-Mail verschicken. So wie die jungen Leute in Shibuya, einem der vielen Shopping-Viertel im Osten Tokios. Rot, orange, gelb und grün blinken die Reklamebuchstaben in die Nacht. Aus den Hi-Fi- und Designerläden dröhnt japanischer Pop. Kaum jemand in dem Getümmel telefoniert mit seinem Handy. Die Passanten halten ihre Geräte mit fast ausgestrecktem Arm auf Brusthöhe, um das Display anzuschauen.
Die Euphorie für die technischen Möglichkeiten scheint in Japan grenzenlos. "Das ist die neue Form, das Handy zu nutzen. Da müssen wir auf der ganzen Welt hinkommen", jubelt Kazutomo Robert Hori, Vorstandschef von Cybird, einem Unternehmen, das auf das mobile Internet spezialisiert ist.
I-Mode bringt Bevölkerung zum Schweigen
"In Japan ist das Handy ein Statussymbol", sagt Chris-Oliver Schickentanz, Stratege beim Dresdner Bank Anlagemanagement. Ein erfolgreiches überdies: Fast 33 Millionen Kunden gewann NTT Docomo seit dem Start von I-Mode vor zweieinhalb Jahren, fast die Hälfte aller japanischen Handynutzer. Mit dem Dienst hat der Konzern die Nation fast zum Schweigen gebracht. Im März 2000 nahm Docomo mit Gesprächen 8620 Yen (73 Euro) pro Kunde und Monat ein. Heute sind es nur noch 6940 Yen (59 Euro). Dafür schnellte der Umsatz mit Datendiensten nach oben. 2000 waren es erst 120 Yen (1 Euro), nun sind es 1540 Yen (13 Euro).
Die Einführung von UMTS sollte den Datenaustausch noch einmal kräftig beschleunigen. Doch dieser Effekt ist ausgeblieben. Die Kunden fragen sich, warum sie ein teures Handy samt Vertrag kaufen sollten, das ihnen kaum Zusatznutzen bietet. Die Ideen, die Forscher in den Labors von NTT Docomo austüfteln, sind Zukunftsmusik. Das neueste Projekt ist ein UMTS-gesteuerter Haushaltsroboter: "Wie geht’s dir?", erkundigt er sich liebevoll. Er hebt seine Arme, bewegt seine Beine, kann die Wohnung überwachen oder ein elektronisches Auge auf das Baby werfen. Alles per Handy gesteuert. Auf das Display werden die Bilder in Echtzeit gesendet, die der Teleroboter aufnimmt.
Die Maschine ist nur einer der Träume von NTT Docomo. Im Forschungslabor des Konzerns anderthalb Autostunden von Tokio entfernt feilen in Spitzenzeiten 2000 Leute an neuen Techniken. Der Konzern lässt sich dies einiges kosten. Drei Prozent des Konzernumsatzes gibt er jährlich für Forschung und Entwicklung aus - 2001 waren das rund 1,3 Mrd. Euro. Der Konzern entwickelt bereits den Nachfolger von UMTS. Diese Mobilfunkgeneration soll Datenmengen von acht bis zehn Megabyte pro Sekunde auf das Handy übertragen - gut 30-mal so viel wie heute. Damit können volle Videos und Sounddateien problemlos in Sekundenschnelle übertragen werden. "Wir können damit 2005 starten", sagt der Leiter des Forschungszentrums, Kazuo Imai, stolz. Bloß heute hat er noch nichts zu bieten.
T-Mobile will Bundesliga aufs Handy bringen
In Europa sieht es kaum besser aus. "Wo sind die Dienste?", fragt immer wieder Kai-Uwe Ricke, Vorstandschef von T-Mobile. Der nach Kundenzahl zweitgrößte Mobilfunkanbieter der Welt verspricht sich von kleinen Sequenzen aus Videofilmen oder Fußballübertragungen die Einnahmen, die er so dringend zur Schuldentilgung braucht. Der Mutterkonzern Deutsche Telekom bemüht sich etwa um die Rechte an der Deutschen Fußball-Bundesliga. Das Unternehmen möchte Torszenen, Fouls oder Elfmeter auf das Handy übertragen. T-Mobile bastelt auch an Lösungen für Geschäftskunden, die sich mobil mit ihrem Laptop in das Intranet ihres Unternehmen einwählen können. Bislang ist das wegen der niedrigen Übertragungsgeschwindigkeit der Mobilfunknetze kaum möglich.
Noch können die Entwickler jedoch nichts Serienreifes vorweisen. Ricke hat den Startschuss für UMTS auf Mitte 2003 verschoben, weil er seinen Kunden vorher weder funktionierende Telefone noch lukrative Inhalte anbieten kann. Auch Weltmarktführer Vodafone hält sich mit seinem UMTS-Angebot noch zurück. In Japan ist das Unternehmen mit seiner Tochter J-Phone vertreten. Dort sammelt man Informationen über den Markt, die man in Europa nutzen kann.
Das japanische Beispiel sollte den Anbietern eine Lehre sein, findet Anlagen-Stratege Schickentanz. "Das Schlimmste, was den europäischen Lizenznehmern passieren kann, sind negative Schlagzeilen in den ersten Monaten."
grüßle
donvio