SdK: Schadensersatz für Anleger
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 31.07.01 13:57 | ||||
Eröffnet am: | 31.07.01 13:57 | von: Insinder | Anzahl Beiträge: | 1 |
Neuester Beitrag: | 31.07.01 13:57 | von: Insinder | Leser gesamt: | 3.554 |
Forum: | Börse | Leser heute: | 1 | |
Bewertet mit: | ||||
Pflicht zur Quartalsberichterstattung
(gatrixx) Schnelles Handeln tut not. Der Anlegerschutz findet nicht genügend Beachtung in den Gesetzen, meint Michael Straub, stellvertretender Vorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Im Gespräch mit gatrixx fordert er, das zuständige Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) mit weitreichenden Kompetenzen auszustatten.
Die SdK nimmt als unabhängiger Verein ausschließlich die Rechte und Interessen von Kleinaktionären wahr.
gatrixx:
Sie treten dafür ein, dass nicht jedes an der Börse gelistete Unternehmen verpflichtet werden soll, Quartalsberichte vorzulegen. Warum?
Straub:
Wir haben auf der einen Seite die Segmente, an denen Quartalsberichte für die Unternehmen vorgeschrieben sind. Das sind neben dem DAX und dem Neuen Markt der MDax und der Smax. Auf der anderen Seite gibt es viele kleinere Gesellschaften, die an die regionalen Börsen wollen, ein ständiges Geschäft haben, für die aber Quartalsberichte einfach zu teuer und zu aufwändig wären. Bei diesen Unternehmen ist zu überlegen, ob es sinnvoll ist, sie nur wegen der Quartalsberichtspflicht vom Kapitalmarkt auszuschließen. Potenzielle Anleger könnten sie auch ohne Quartalsberichte gut einzuschätzen.
gatrixx:
An den Regionalbörsen müssen die Unternehmen doch gar keine Quartalsberichte vorlegen.
Straub:
Noch nicht. Doch wenn die politische Forderung kommt, dass alle Unternehmen an der Börse Quartalsberichte vorlegen müssen, trifft es auch die genannten. Diese Forderung entstand im Zusammenhang mit der wüsten Entwicklung am Neuen Markt. Sie ist aber völlig fehl am Platz, weil am Neuen Markt die Pflicht zur Vorlage von Quartalsberichten ja besteht. Wir haben am Neuen Markt eher das Problem, dass die Qualität der Quartalsberichte hundsmiserabel ist. So stand beispielsweise im Bericht zum dritten Quartal 2000 von EM.TV, dass alles in Ordnung sei, und das Unternehmen auf gutem Weg sei, 600 Millionen plus zu machen. Drei Monate später stellte sich heraus, dass der Verlust 2,3 Milliarden betrug. Was hat dem Anleger der Q-3-Bericht also genutzt? Ein Quartalsbericht muss so verbindlich sein, dass sich der Anleger auf die Informationen verlassen kann.
gatrixx:
So verbindlich sind sie offensichtlich nicht. Braucht der Anleger diese Berichtsform für seine Transaktionsentscheidung überhaupt?
Straub:
Das muss jeder selbst entscheiden. Jeder Anleger weiß ja, welche Unternehmen quartalsmäßig Bericht erstatten und welche nicht. Wenn es dem Anleger beispielsweise bei Porsche nicht wichtig ist, dass die keine Quartalsberichte vorlegen, weil sie nach seiner Meinung ein konstant guten Geschäft machen, ist das in Ordnung. Porsche, als Beispiel, hätte aber eine Größenordnung, bei der Quartalsberichte Sinn machten. Bei kleinerer Firmen dagegen würde der Aufwand für die Börsenzulassungskriterien häufig den Ertrag aus dem Börsengang übersteigen.
gatrixx:
Die Anforderungen an die Quartalsberichte werden immer höher. Eine Testierungspflicht besteht jedoch nicht. Sollte man diese nicht einführen?
Straub:
Das ist genau das, was wir sagen. Wir wollen zwar nicht, dass der Quartalsbericht jedesmal wirtschaftsgeprüft wird. In Amerika ist es aber so, dass der Wirtschaftsprüfer schon mal einen Blick über den Quartalsbericht wirft, ohne ihn zu testieren. Man hat dann schon irgendwo die Gewähr, dass die Unternehmensentwicklung in die Richtung geht, die der Wirtschaftsprüfer dann zum Jahresende testiert.
gatrixx:
Wie stehen Sie zu der Forderung, die Vorstände müssten die Quartalsberichte beeiden?
Straub:
Ob das der richtige Weg ist, weiß ich nicht. Aber unsere Vorschläge gehen in dieselbe Richtung. Auch wir sagen, dass der Vorstand für die vorgelegten Berichte verantwortlich gemacht werden soll. Ob man die Konstruktion Eid wählt oder ob man die Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand verschärft, wäre dann zu klären. Man sollte den praktikabelsten Weg wählen.
gatrixx:
Gibt es konkrete Forderungen seitens der SdK, wie der Anlegerschutz verbessert werden kann?
Straub:
Wir sagen, dass die Schadensersatzmöglichkeiten für die Anleger verbessert werden müssen. Sie sind bisher praktisch nicht gegeben. Diese Möglichkeiten müssen sowohl im Aktiengesetz, als auch im Wertpapierhandelsgesetz verankert werden. In diesen Gesetzen steht zum Beispiel, dass Insiderhandel verboten ist. Das Problem ist, dass sich daraus noch keine Schadensersatzansprüche für den Anleger ableiten. Erst wenn das der Fall ist, wird es richtig interessant.
gatrixx:
Die SdK versteht sich als Lobbyist der Anleger. Haben Sie gerade beim Punkt Anlegerschutz zu wenig Lobbyarbeit gegenüber dem Gesetzgeber geleistet?
Straub:
Wir weisen ja schon ständig auf diese Problematik hin. Es ist einerseits so, dass das Aktienrecht, so wie es jetzt ist, auf große Unternehmen zugeschrieben wurde. Andererseits muss man sich vor Augen halten, dass Anlegerschutz in der von uns geforderten Form bis vor drei Jahren noch nicht nötig war. Bei den Blue Chips kommt es nicht vor, dass der Vorstand lügt und gleichzeitig Aktien verkauft. Das ist erst mit der Einführung des Neuen Marktes so brisant geworden. Jetzt sieht man an den bekannten Fällen, wo die rechtlichen Grenzen sind.
gatrixx:
Wer sind in der Lobbyarbeit Ihre Gegenspieler?
Straub:
Wir müssen uns in erster Linie mit der Trägheit des Systems auseinandersetzen. Wenn man sieht, dass die nächste Änderung des Finanzmarktfördergesetzes erst für 2002 oder 2003 vorgesehen ist, weiß man, wie langsam die Gesetzesmühlen mahlen. Änderungen müssten schneller gehen.
BaWe muss bissiger werden
gatrixx:
Das zuständige Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, kurz: BaWe, bezeichnen Sie als zahnlosen Tiger. Warum fehlt der Bundesbehörde der Biss?
Straub:
Es fehlt hier an den notwendigen gesetzlichen Ausgestaltungen. Das BaWe verfügt über keinerlei Exekutivkompetenz, wie sie beispielsweise die amerikanische Börsenaufsicht hat. Das BaWe muss immer die regionalen Staatsanwaltschaften einschalten, wenn es brisant wird. Die Herrschaften vor Ort sind dann mit der Thematik häufig überfordert. Das ist der eine Pferdefuß. Der andere ist, dass beispielsweise beim Verdacht auf Insiderhandel nachgewiesen werden muss, dass der Verdächtige auf Grund seiner Insiderinformationen gehandelt hat.
gatrixx:
Wo konkret sollte das Amt bissiger werden, wo braucht es mehr Kompetenz?
Straub:
Es braucht gerade in der Verfolgung von Insidergeschäften mehr Kompetenz. Das gilt auch für Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht. Hier müsste das Amt bissiger werden. Bisher schreiben die zuständigen Leute bei Verstößen nur irgendwelche Briefchen, obwohl sie weiter gehende Kompetenzen haben. Sie könnten Sanktionen gegen die Unternehmen aussprechen. Wichtig ist auch, dass Straftaten im Bereich Insiderhandel in Deutschland viel stärker bestraft werden müssen. Es kann nicht sein, dass ein Insider durch die Ausnutzung seiner Kenntnisse 27.000 Mark Gewinn macht, seine Strafe aber nur 23.000 Mark beträgt.
gatrixx:
Worauf führen Sie solche Erscheinungen zurück?
Straub:
Heutzutage werden die meisten Verfahren mit Zahlung einer Geldbuße oder unter irgendwelchen Auflagen eingestellt. Da spielt sicherlich die Angst und die mangelnde Kompetenz eine große Rolle, so ein Verfahren durchzuziehen. Da einigt man sich dann lieber im Vorfeld. Das betrifft die regionalen Staatsanwaltschaften. Deshalb fordern wir eine zentrale Kompetenz-Staatsanwaltschaft
gatrixx:
Mit welchen Kompetenzen sollte diese Einrichtung ausgestattet sein?
Straub:
Das wäre eine ganz normale Staatsanwaltschaft mit allen Möglichkeiten, die eine solche Institution hat. Der Unterschied ist, dass sie nicht regional zuständig wäre, sondern für ganz Deutschland. Selbstverständlich müssten die dort Tätigen auch die fachliche Qualifikation haben.
Das Interview führte Helmut Harff.