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Papst Benedikt XVI. wird seine bayrische Heimat besuchen. Foto: dpa |
REGENSBURG/MARKTL. Die bunten Fähnchen sind wieder da. Kaum sind die letzten Deutschland-Banner der Fußball-WM an den Autos verschwunden, da kommen neue Exemplare in die Läden. Statt in Schwarz-Rot-Gold sind die Fähnchen diesmal in Weiß-Gelb gehalten. Es sind die Farben des Vatikans.
Willkommen in Bayern im Sommer 2006. Nach der Fußball-Dauerparty folgt der Besuch von Papst Benedikt XVI. Es ist ein Großereignis, auf das der Freistaat so stolz ist, dass die Menschen ihre Autos schon wieder farbenfroh schmücken. Die Freude scheint fast noch größer als über Deutschlands Kicker, müssen die Bayern im Gegensatz zur WM ihre Begeisterung diesmal doch nicht mit dem Rest des Landes teilen: Benedikt ist gebürtiger Bayer. Und er kommt auch nur nach Bayern. Ein weiß-blauer Streifzug vorab zu jenen Stationen, die der Papst auf seiner am Samstag beginnenden Reise beglücken wird.
München. Wird das Papamobil ein bayerisches sein? Wenn Benedikt am Samstagnachmittag gegen 17 Uhr auf den Münchener Marienplatz rollt, dann ist ein Wagen von BMW oder Audi Ehrensache. Oder etwa nicht? "Der Vatikan bittet um äußerste Diskretion", heißt es dazu bei BMW. "Es ist eine große Ehre, den Papst zu unterstützen", windet sich Audi. Beide haben nichts unversucht gelassen, die Kurie gnädig zu stimmen.
So überreichte BMW-Vertriebschef Michael Ganal dem päpstlichen Fuhrpark vergangenen Oktober einen Geländewagen X 5, der neben einem 5er und 7er jetzt in der römischen Garage parkt. Auch Audi stiftete eine Flotte von A8-Limousinen.
Doch alle materielle Anstrengung hat nichts geholfen: Mag der Papst auch aus Bayern kommen, das Auto bleibt schwäbisch. Zwei 3,5 Tonnen schwere Papamobile von Mercedes mit schusssicherem Glaskasten werden den heiligen Vater durch Bayern kutschieren.
Eine derartige Schlappe brauchen Bayerns Tourismuswerber nicht zu fürchten. Bei ihnen läuft das Geschäft bestens. Zwischen WM-Finale und Oktoberfeststart kommt ihnen der Papst wie gerufen. In Kleinbussen karren sie ausländische Journalisten von einem Papst-Ort zum anderen und hoffen, dass die schönen Bilder und Berichte möglichst viele Touristen aus dem Ausland locken.
Wer jetzt noch kommen und den Papst höchstpersönlich sehen will, ist zu spät dran. Alle Karten sind verteilt. Diejenigen, die zum Zuge kamen, müssen am Sonntag früh aufstehen und brauchen eine gute Kondition. Neun Kilometer ist der Pilgerweg lang, der vom Ostbahnhof zu dem riesigen Parkplatz an der Neuen Messe von München führt, wo Benedikt morgens um halb zehn zu den Gläubigen spricht. Weil die Verantwortlichen ein Chaos in U- und S-Bahn befürchten, lassen sie die Stationen in der Nähe abriegeln. Schon um kurz nach halb vier in der Früh fahren die ersten Züge in Lenggries, am Schliersee und Tegernsee ab, um die Gottesdienstbesucher aus Oberbayern rechtzeitig nach München zu bringen.
Altötting. Es ist wie im Fußball: "Zu den Blöcken", steht auf den großen Schildern im Zentrum von Altötting, die den Gläubigen den Weg zu ihren Plätzen für die Papst-Messe am Montag weisen. Nicht, dass sie in Altötting keine Menschenmassen gewohnt wären. Die Gemeinde, auf halbem Weg zwischen Passau und Salzburg, ist eines der beliebtesten Ziele für Pilger in Bayern. Seit mehr als einem halben Jahrtausend strömen die Kirchgänger in die Stadt. Zwei Heilungswunder sorgten schon 1489 für die erste Wallfahrt.
In Altötting ist das Geschäft mit dem Glauben am ehesten zu spüren. Tagtäglich kommen viele Busladungen hier an. Ein Devotionalienstand reiht sich an den anderen, Dutzende Lokale leben vom Hunger der Pilger.
Altötting hat viel Erfahrung mit hohem Besuch: Zum ersten Mal ist 1782 ein Papst vorbeigekommen: Pius VI. zelebrierte einen Gottesdienst auf dem Rückweg von Wien. Die letzte Papst-Visite liegt 26 Jahre zurück, es war Johannes Paul II. Ein Papst aus Bayern, das ist allerdings auch für Altötting etwas Besonderes.
Marktl am Inn. "Reich", sagt Tourismusdirektor Stephan Semmelmayr, "reich ist durch den Papst hier niemand geworden." Was haben die Medien auf Marktl eingedroschen, haben den Geburtsort von Benedikt kritisiert, weil findige Kaufleute in den ersten Tagen nach der Papst-Wahl mit der "Papst-Torte" und der "Ratzinger Bratwurst" das schnelle Geld machen wollten.
Doch die neuen Millionäre von Marktl, sie gibt es nicht. Seit Joseph Ratzinger an jenem 19. April 2005 zum Papst gewählt wurde, sind zwar mehr als 200 000 Besucher in die 2 700-Seelen-Gemeinde eingefallen. Von touristischem Rummel ist dennoch wenig zu spüren. Ein Café, ein Gasthaus, zwei Bäckereien und zwei Andenkenläden, viel mehr ist es nicht. Die meisten Pilger werfen einen Blick auf das Geburtshaus, gehen in die Kirche, dann steigen sie wieder in den Bus.
Behutsam wolle sich das Dorf nun weiterentwickeln, sagt Bürgermeister Hubert Gschwendtner. "Der Besuch des Papstes am nächsten Montag ist ein Ereignis, das Nachwirkungen haben wird", hofft er. Wenn die Fernsehkameras der Welt auf Marktl gerichtet sind, werde das die Gläubigen zu einem Besuch animieren. Deshalb haben er und Semmelmayr die nächstgrößere Stadt, Burghausen, den Landkreis und die Sparkasse als Investoren gewonnen und die Tourismusgesellschaft ordentlich mit Kapital ausgestattet. Mit Veranstaltungen rund um den Glauben wollen sie die Leute länger im Dorf halten.
Der Papst selbst hat in seinem engen Besuchsprogramm am kommenden Montag genau eine Viertelstunde für seinen Geburtsort vorgesehen. Einmal in die Taufkirche, dann ein Schlenker über den Marktplatz, das soll es schon gewesen sein. Doch Semmelmayr ist sich sicher, dass Benedikt länger bleibt: "Wenn er erst einmal die vielen bekannten Gesichter sieht, dann wird er nicht gleich wieder gehen."
Noch diesen Monat wird das Geburtshaus von Benedikt teilweise wieder geöffnet. Nächstes Jahr soll das historische Bauwerk dann nach der Renovierung komplett zugänglich sein. Pfarrer Josef Kaiser ist überzeugt, dass viele Gläubige gerne kommen: "Marktl ist neu, unverbraucht. Das interessiert die Menschen." Vielleicht erstrahlt irgendwann auch der verlassene, große Gasthof gegenüber der Kirche wieder in altem Glanz. "Bislang hat sich noch kein Investor gefunden", klagt Semmelmayr.
Regensburg. "Es hakt noch", sagt Roland Büchner und geht im Geiste die Partituren durch. Das "Kyrie" und "Agnus Dei" ebenso wie den Eröffnungsgesang "Wer glaubt, ist nie allein". Der Domkapellmeister steht hinter seinem schwarzen Flügel, 50 Knabenkehlen vor ihm. Die mächtigen Türme des Doms lugen durch die Fensterfront der Aula. Noch eine Woche, dann wird der Knabenchor auf der großen Freiluftmesse vor den Toren Regensburgs singen. 300 000 Menschen werden auf dem Islinger Feld, gleich neben der Autobahn nach Passau, erwartet. Und die "Regensburger Domspatzen" sind eine Hauptattraktion des Papstbesuches in der Donaustadt. "Nervös bin ich nicht", sagt Büchner und hat volles Vertrauen in seine Jungs. 2005 hat die Truppe ihre päpstliche Premiere bestanden: Privatkonzert mit 80 Domspatzen beim Heiligen Vater.
"Eine komische Akustik war das", sagt der 14-jährige Michael, der mit seinen Freunden Maximilian und Mario im Sopran stand, mitten in dem großen Konzertchor in der weltberühmten Kapelle. Schwer sei es gewesen, sich auf ihren Domkapellmeister Büchner zu konzentrieren, saß doch der Papst leibhaftig vor ihnen. Die drei Benedikts im Chor durften ihm eine CD überreichen, die sie dem Heiligen Vater gewidmet haben: "Die Regensburger Domspatzen singen für Papst Benedikt".
Für die Kinder ein echter Höhepunkt, genau wie der Titel des Fußballeuropameisters der Knabenchöre, den sie sich soeben gegen starke internationale Konkurrenz erkickt haben.
Benedikt und die Domspatzen: Das ist eine besondere Beziehung. Schließlich leitete Ratzingers Bruder Georg den Chor über 30 Jahre. Kaum war Benedikt im Amt, kamen Chormanager Christof Hartmann und Roland Büchner auf die Idee, dem Pontifex eine CD mit seinen Lieblingsliedern aufzunehmen.
50 000-mal sei die CD bislang verkauft worden. Konzerte und Tonträger bringen eine halbe Million Euro im Jahr. Doch es geht um mehr als Materielles: Büchner hofft durch den Papst-Boom auch auf Nachwuchs für den Sopran. Michael, Mario und Maximilian stehen nämlich vor dem Stimmbruch.
Freising. Erhaben fühlt sich der Betrachter, richtet er seinen Blick vom Freisinger Domhügel gen Süden. Am Horizont die Alpengipfel, davor das Voralpenland und die Dunstglocke Münchens. Links der Flughafen, über den Benedikt Bayern am Donnerstag wieder verlassen wird und der Freising zur Region mit der geringsten Arbeitslosigkeit Deutschlands gemacht hat. Münchens Aufstieg ist auch der Gnade Freisings zu verdanken, residierten in Freising doch schon Bischöfe, als München noch vorwiegend aus Holzhütten bestand.
Auch Ratzingers Aufstieg ist eng mit Freising verbunden. Die theologische Hochschule ist eine Kaderschmiede der Kirche, Ratzinger beginnt 1946 hier sein Theologiestudium. Hier wird er zum Priester gewählt, zum Professor für Dogmatik ernannt und 1977 zum Bischof von München und Freising.
Um 10 Uhr wird der Papst am Domberg erwartet, um dann Geistliche seiner Diözese wiederzutreffen. Am Schrein des Heiligen Korbinian will Benedikt beten - ganz still und nur für sich.