Nur mal so zum Nachdenken:
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 15.08.02 12:55 | ||||
Eröffnet am: | 14.08.02 20:45 | von: Anarch | Anzahl Beiträge: | 12 |
Neuester Beitrag: | 15.08.02 12:55 | von: Anarch | Leser gesamt: | 3.283 |
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Dirk Maxeiner
Nur die Gemüter sind überhitzt: Das Geschwätz vom drohenden Kollaps des Weltklimas beruht auf fragwürdigen Annahmen und erzeugt falsche politische Handlungen.
Jedes Wetterphänomen wird heutzutags dem vom Menschen gemachten Klimawandel zugeordnet: Das Meer vor Le Havre während eines Wirbelsturms, 1984.
Zuerst die gewohnte Nachricht: «In den Regionen um den Polarkreis hat ein bemerkenswerter Klimawechsel stattgefunden», heisst es in einem Schreiben der britischen Akademie der Wissenschaften (The Royal Society). «Mehr als 2000 Quadratmeilen Eisfläche zwischen 74 und 80 Grad nördlicher Breite, die bislang die Grönlandsee bedeckten, sind in den letzten zwei Jahren vollkommen verschwunden.» Die Kälte, die das Gebiet für Jahrhunderte in einen undurchdringlichen Eispanzer verwandelt habe, sei offenbar in kürzester Zeit höheren Temperaturen gewichen. Auch in Zentraleuropa registriert der Bericht alarmierende Zeichen für eine rasche Klimaerwärmung: «Alle Flüsse, die im Hochgebirge entspringen, haben aufgrund der abgetauten Schnee- und Gletscherwasser weite Regionen überschwemmt.»
Und jetzt die ungewohnte Nachricht: Das zitierte Schreiben wurde am 20. November 1817 verfasst. Der Präsident der Royal Society schickte es der britischen Admiralität mit der Bitte um Entsendung eines Schiffes. Die Wissenschaftler wollten den dramatischen Klimaumschwung im Nordmeer erforschen. Auch in der Schweiz war das Klima in jenen Jahren nicht so, wie es sein sollte – die Bauern litten unter schlechten Sommern. Nach Ansicht vieler Eidgenossen war daran die technische Zivilisation schuld: Aufgebrachte Bürger rissen Blitzableiter von den Häusern herunter. Am 9. Juli 1816 berichtete die Neue Zürcher Zeitung über zahlreiche Fälle von «gewaltsamer Zerstörung» der als Unheilsbringer verdächtigten «Wetterableiter».
Die Zeiten mögen sich ändern – die Ängste der Menschen bleiben die Gleichen. «Nordpol weg» verkündeten die Boulevard-Zeitungen im Herbst 2000. Kreuzfahrttouristen an Bord des russischen Eisbrechers «Yamal» hatten am Pol eine eisfreie Wasserfläche entdeckt, die New York Times berichtete darüber auf ihrer Frontseite. Der Hamburger Klimatologe Mojib Latif forderte, es müsse «möglichst schnell etwas gegen den Treibhauseffekt» getan werden. Umweltschützer mahnten, mit der «Verprasserei der Ressourcen» aufzuhören.
Die Geschichte von Mensch und Klima ist ein Fortsetzungskrimi. Zu Beginn jeder aktuellen Folge muss deshalb die Frage beantwortet werden: Was ist bisher geschehen? In den vergangenen 250 Jahren – seit der kleinen Eiszeit zwischen 1550 und 1750 – hat sich das Klima auf Erden ziemlich kontinuierlich erwärmt. Die Temperaturerhöhung des 20. Jahrhunderts wird auf rund 0,6 Grad veranschlagt. Die grösste Erwärmung fand allerdings zwischen 1910 und 1945 statt, als das menschengemachte CO2 noch keine grosse Rolle spielte. Gewiss beeinflusst eine Zivilisation von sechs Milliarden Menschen in vielfältiger Weise das Klima. «Es gibt aber derzeit keine Entwicklung, die es nicht ohne den Menschen auch schon gegeben hätte», resümiert Gernot Patzelt von der Universität Innsbruck. Der Gletscherexperte will einen menschlichen Ein- fluss gar nicht ausschliessen, warnt aber vor voreiligen Schlüssen: Was bislang geschah, ist erstaunlich undramatisch – die Katastrophe findet bisher ausschliesslich im Computer statt.
Wirklich überproportional erhitzt haben sich die Gemüter. Das Klimaproblem ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Umweltdiskussion. Vielen Umweltschützern gilt der Treibhauseffekt als teuflischste Gefahr seit der Atombombe – Kohlendioxid wurde zum finalen Giftgas modernen Wirtschaftens. Es spielt dabei sicherlich die ernsthafte Sorge um eine Aufheizung des Planeten eine Rolle. Es geht aber auch um Macht und Moneten, um Ideologien und Ideale. Im Umgang mit anderen Gefahren perspektivlose Politiker wollen wenigstens als Schutztruppe für das Weltklima vor ihren Wählern Handlungsfähigkeit demonstrieren. Nirgendwo lässt sich einfacher punkten als im symbolischen Kampf gegen eine hypothetische Katastrophe.
Propaganda des Potenziellen
Konkrete globale Umweltprobleme wie die Spirale aus Armut und Raubbau werden dagegen viel weniger wahrgenom- men. Jährlich sterben über zehn Millionen Menschen an den Folgen von verseuchtem Wasser und verpesteter Luft – in den Fokus der Besorgnis geraten die Armen aber erst als potenzielle Klimaopfer des Jahrs 2100. Die öffentliche Abhand- lung des Klimathemas zeichnet sich aus durch ständige Wiederholung von Schreckensmeldungen, vereinfachte Schuldzuweisung und emotionale Aufladung. Das sind die Muster der klassischen Propaganda. Und deshalb sollte man die gesunde Skepsis nicht an der Garderobe des örtlichen Klimabündnisses abgeben.
Ein gutes Beispiel dafür ist der verschwundene Nordpol. Er tauchte zehn Tage später wieder auf – allerdings im hinteren Teil der New York Times. Die Redaktion liess in einer etwas zerknirschten Richtigstellung wissen, offene Stellen im Packeis seien im arktischen Sommer durch-aus normal – und daher auch kein Beleg für den drohenden Klima-GAU. Dabei hätte schon ein Blick in frühere Reisebeschreibungen der «Yamal» genügt, um der Angelegenheit die Dramatik zu nehmen: Dort ist ausdrücklich von «offenen Wasserflächen» in diesem Gebiet die Rede, die «die Reise erheblich erleichtern».
Das alles müsste eigentlich auch der Harvard-Ozeanograf James McCarthy gewusst haben, der den weltweiten Medienalarm ausgelöst hatte. Stattdessen liess er sich zitieren, so etwas habe es nach wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen zuletzt vor fünfzig Millionen Jahren gegeben.
Dabei ist McCarthy nicht irgendein schlecht informierter Forscher, sondern er hat eine leitende Funktion in einer Arbeitsgruppe des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Das ist der von der Uno eingesetzte Klimarat, der den weltweiten wissenschaftlichen Sachverstand in Sachen Klima zusammenführen und zur Grundlage für politische Entscheidungen machen soll. Es war daher wohl kein Zufall, dass der Nordpol vor einer internationalen Konferenz zum Klimaschutz in Den Haag verschwand.
Selbstverständlich arbeitet eine gros-se Zahl respektierter, unabhängiger und angesehener Wissenschaftler dem IPCC-Gremium zu (über 600). Eine Schlüsselposition haben aber jene Wissenschaftsfunktionäre inne, die den Wortlaut einer kurzen politischen Zusammenfassung der viele tausend Seiten umfassenden Studien und Arbeiten festlegen. In Verhandlungen mit Regierungsvertretern der beteiligten Länder wird schliesslich der endgültige Wortlaut verabredet. Das IPCC-Prozedere ist damit kein wissenschaftliches, sondern ein politisches Verfahren. Und die Politiker möchten ihre Massnahmen zum Klimaschutz durch einen möglichst breiten wissenschaftlichen Konsens legitimieren. Doch die von ihnen gebetsmühlenartig beschworene Aussage, die weltweite Klimaforschung sei sich praktisch einig, dass die gegenwärtigen Klimaveränderungen vom Menschen verursacht seien, trifft so nicht zu.
«Die Aussagen des IPCC sind überhaupt nicht eindeutig. Innerhalb der Fachgemeinde gehen die Auffassungen weit auseinander», sagt Ulrich Berner, Leiter der Klimaabteilung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. «Lediglich die so genannte Summary for Policymakers, die Zusammenfassung für politische Entscheidungs- träger, suggeriert eine Einigkeit. In Wahrheit gibt es sie nicht.»
Die Klimaforscher sind aber auch zu bedauern: Der Zweifel ist nämlich das me- thodische Prinzip der gesamten modernen Naturwissenschaft. Wissen muss stets revidierbar bleiben. Was heute als Stand der Wissenschaft gilt, war gestern oft noch Ketzerei. Auch die zahlreichen Hypothesen zum Klimawandel müssen sich der Kritik stellen, sonst sind sie nichts wert. Karl Popper hat in seiner Wissenschaftsphilosophie dieses beständige «Falsifizieren» als den Weg beschrieben, der Schritt für Schritt näher zur Wahrheit führt. Der Auftrag des IPCC und die Herangehensweise der modernen Wissenschaft sind somit nur schwer kompatibel.
Rauf oder runter
Schon der Begriff «Klimaschutz» beinhaltet mehr Fragen als Antworten: Das Klima des Planeten war noch nie statisch – es pendelt ständig zwischen wärmeren und kühleren Zuständen. Welches Klima will man also schützen? «Die Temperaturen haben eigentlich nur zwei Möglichkeiten – entweder sie gehen rauf oder sie gehen runter», sagt der amerikanische Atmosphärenwissenschaftler Richard Lindzen. Daraus ergibt sich gleich die nächste Frage: Kann der Mensch das Klima überhaupt schützen? «Da sind mächtigere Kräfte im Spiel», sagt Kary Mullis, Nobelpreisträger für Chemie und wissenschaftliches Enfant terrible. Und fügt salopp hinzu: «Hey, sind vor 15000 Jahren die Gletscher geschmolzen, weil die Leute zu viele Lagerfeuer angezündet haben? Nein. Und auch die nächste Eiszeit werden nicht wir Menschen verursachen.»
Eigentlich ist der wissenschaftliche Streit fast müssig. Denn politisch hat sich die These vom menschengemachten Treibhaus weitgehend durchgesetzt. Entsprechend fiel die moralische Empörung über den Ausstieg der Amerikaner aus dem Klimaschutz-Abkommen von Kioto aus: «Die Luft gehört nicht uns, sie ist ein Schatz künftiger Generationen», liess UN-Generalsekretär Kofi Annan wissen. Und sein deutscher Umweltdirektor Klaus Töpfer zeigte sich «betroffen» und «schockiert». Elder Statesmen wie Michail Gorbatschow und Jimmy Carter gaben sich ebenso fassungslos wie das chinesische Politbüro.
Wie immer, wenn es um die Rettung der Menschheit geht, darf man sehr bald bestimmte Wahrheiten nicht mehr aussprechen, gewisse Fragen nicht mehr stellen. Folgende Fragen sind im Treibhaus verboten. Erstens: Hat die Erde sich tatsächlich bereits über ein von der Natur verursachtes Mass hinaus erwärmt? Zweitens: Wird sie sich weiter erwärmen? Und drittens: Wenn ja, wäre das überhaupt schlimm? Besonders letztere Frage gilt als ganz arg zynisch. «Leugnung ist die Strategie derer, die zu glauben wünschen, dass sie ihr suchtabhängiges Leben ohne schlimme Auswirkungen auf sich selbst und andere fortsetzen können», sagt der ehemalige US-Vizepräsident und engagierte Klimaschützer Al Gore – der Zweifel als krankhafter Zug. Der stellvertretende Vorsitzende des IPCC, John Houghton, äusserte unlängst: «Wenn wir die uns von Gott übertragene Verantwortung für die Erde ernst nehmen, dann müssen wir zugestehen, dass ein Scheitern bei dieser Aufgabe nicht nur eine Sünde gegen die Natur, sondern auch eine Sünde gegen Gott ist.» Und dazu könne eben auch die Sünde gehören, «zu viel zu reden und zu wenig zu tun». Aus dem offenen wissenschaftlichen Wettstreit wird so zunehmend eine dogmatische Glaubensfrage.
Es sind keineswegs nur ein paar Hobbyforscher aus dem Hinterland, die sich skeptisch gegenüber der politisch korrekten Klimaforschung äussern. Der bereits zitierte Atmo- sphärenwissenschaftler Richard Lindzen vom Massachusetts Institute of Technologie (MIT) etwa gehört zur Gruppe der vom IPCC einbezogenen Wissenschaftler – und ist zugleich einer der pointiertesten Kritiker der katastrophischen Treibhausprognosen.
Lindzen hält heutige Computersimulationen des Klimas schon alleine deshalb für fragwürdig, weil eine Schlüsselgrösse des Treib- hauseffektes nicht richtig verstanden sei: der Einfluss der Wolken. Wer tiefer in die Materie einsteigt, entdeckt in den IPCC-Papieren den Konjunktiv als häufigste Sprachwahl. Und er lernt, wie wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Weg in die Öffentlichkeit verfälscht oder gar in ihr Gegenteil verkehrt werden. Es ist keineswegs so, dass alle beteiligten Wissenschaftler als Kronzeugen für die politische Zusammenfassung ihrer Arbeit in Anspruch genom- men werden können. Und es stimmt schon gar nicht, dass die Mehrheit der Forscher mit trägt, was die Politiker und die Journalisten in weiteren Verkürzungen und Dramatisierungen aus der IPCC-Zusammenfassung machen. Zur Verdeutlichung eine kleine Auswahl von besonders gern kolportierten Behauptungen:
1 Die Südseeinseln versinken
«Die UN-Studie erwartet, dass der Wasserspiegel in den kommenden hundert Jahren um 88 Zentimeter steigt, was ‹Land unter› für grosse Teile der Erde bedeutet», schrieb Klaus Töpfer, der Direktor der Uno-Umweltorganisation, letztes Jahr in einem Zeitungsbeitrag. «Für die Inseln im Pazifik ist das sogar der GAU.» Richtig ist: Das IPCC korrigierte in seinem aktuellen Bericht den erwarteten Anstieg des Meeresspiegels gegenüber früheren Schätzungen nach unten. Von mehreren Metern ist man jetzt bei nur noch 11 bis 88 Zentimetern angelangt. Satellitenmessungen ergeben derzeit einen jährlichen Anstieg von maximal ein bis zwei Millimetern – das wären in hundert Jahren zehn bis zwanzig Zentimeter. Prinzipiell steigt der Meeresspiegel seit mindestens 10 000 Jahren ganz langsam an.
Aussagen über das bevorstehende Versinken der Südseeinseln werden umso unwahrscheinlicher, je näher man diesen Atollen kommt. Wolfgang Scherer, der Direktor des süd- pazifischen Umwelt-Monitoring-Programms, sagte auf einer Pressekonferenz in Kiribati: «Wir haben bislang kein Anzeichen, das auf einen beschleunigten Meeresspiegelanstieg durch die Klimaerwärmung hindeutet.» Meldungen, das Atoll Tuvalu müsse vor den steigenden Fluten evakuiert werden, entpuppten sich als (hartnäckige) Ente. Tuvalu erfreut sich laut der lokalen Messstation, über die letzten zwanzig Jahre gesehen, einer praktisch unveränderten Meeresspiegelhöhe.
2 Die Eiskappen schmelzen
Das Eis der Antarktis zieht sich seit der letzten Eiszeit vor 10000 Jahren zurück – und wird dies vermutlich weitere 7000 Jahre tun. Eine Beschleunigung dieser Entwicklung scheint es nicht zu geben. Laut jüngstem IPCC-Bericht ist durch Satellitenbeobachtung seit 1970 keine signifikante Veränderung am Eispanzer der Antarktis feststellbar. Die grossflächigen Eisabbrüche dieses Jahres führen die Wissenschaftler vor Ort auf eine ungewöhnliche lokale Erwärmung zurück. Gründe: unbekannt.
Die Abbrüche erhöhen im Übrigen den Meeresspiegel nicht, da das Eis bereits im Wasser schwimmt wie ein Eiswürfel im Glas. Pedro Skavarca vom argentinischen Antarktis-Institut sträubt sich dagegen, den Eisverlust ungeprüft der globalen Erwärmung zuzuschreiben – er spricht entschieden von einer regionalen Erscheinung. Die Temperaturen des gewaltigen antarktischen Festlands hingegen sind sogar gesunken.
In der Arktis glauben die IPCC-Forscher seit 1950 eine Abnahme der Eisdicke und einen Rückgang der Ausdehnung um 10 bis 15 Prozent festgestellt zu haben. Auch in Alaska ist es tatsächlich wärmer geworden. Manche Glaziologen vermuten aber, dass es sich auch am Nordpol um einen zyklischen Vorgang handeln könnte.
Der wissenschaftliche Wettstreit um die Ursachen, das Ausmass und die Folgen der Vorgänge an den Polen geht weiter – und das ist auch gut so. Das Wissenschaftsmagazin Nature schrieb unlängst: «Solange die Eishaut des Ozeans nicht alle Geheimnisse preisgibt, könnten sich die Versuche, die Zukunft unseres Klimas vorauszusagen, als Schuss ins Leere erweisen.»
3 Wir durchleben den grössten Temperatursprung der letzten tausend Jahre
Es ist paradox: Die These, die Menschheit durchlebe derzeit vermutlich den grössten Temperatursprung des vergangenen Millenniums, hat ihren Ursprung nicht etwa in der aktuellen Erwärmung – sondern in der Tatsache, dass die Experten die letzten tausend Jahre von einer wärmeren in eine kältere Phase umgedeutet haben. Aufgrund einer wissenschaftlich umstrittenen Rekonstruktion des historischen Klimas, die sich nur auf die Nordhalb- kugel stützt, hat das IPCC die auf dem ganzen Globus ausgeprägte mittelalterliche Warmperiode kurzerhand als lokales Phänomen abgetan und sie damit ungeschehen gemacht.
Der Handstreich steht im Widerspruch zur Meinung der meisten Klimahistoriker, die diese Warmzeit durch zahllose Berichte und Studien weltweit und lückenlos dokumentieren können. Das mittelalterliche Klimaoptimum kannte höchstwahrscheinlich wärmere Zeiten als wir heute und war gekennzeichnet von blühender Landwirtschaft und einem weitgehend eisfreien Grönland (sprich: Grünland). Auch auf einer Grafik in den IPCC-Studien von 1995 stach es noch eindeutig hervor. Jetzt ist es verschwunden. In der Klimakurve des IPCC-Berichtes 2001 steigt die Temperatur nach tausend mehr oder weniger kühlen Jahren erst in modernen Zeiten steil an. Das macht selbst ausgeglichene Gemüter misstrauisch: «Die Wikinger konnten um diese Zeit nur deshalb nach Nordamerika segeln, weil die Nordpassage eisfrei war», sagt beispielsweise Ernest Rudel, Leiter der Abteilung für Klimatologie an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien. Und der Klimaforscher Ulrich Berner sagt klipp und klar: «Diese Kurve ist statistisch nicht haltbar.»
4 Die Erderwärmung wird immer dramatischer
In der Regel wird der letzte IPCC-Bericht mit der Aussage zitiert, es könne in den nächsten hundert Jahren zu einem «weltweiten Tem- peraturanstieg um bis zu 5,8 Grad» kommen. Dies deutet gegenüber früheren Schätzungen auf eine dramatische Verschärfung der Lage hin.
Die verschärfte Lage entstand jedoch in erster Linie nicht durch neue Beobachtungen, sondern durch neue Berechnungen. Diesen liegen so genannte «Storylines» zugrunde, die Annahmen über Weltbevölkerung, Wohlstand, Energieverbrauch und Technologie in den nächsten hundert Jahren enthalten. Die fiktiven Zukunftsentwürfe wurden dann in mathematische Klimasimulationen eingespeist.
Der polnische Physiker Zbigniew Jaworowski bezeichnet Klimamodelle als «in mathematische Form gebrachte Meinungen ihrer Schöpfer über das Funktionieren des globalen Klimasystems». Sie sind sehr viel besser geworden, aber immer noch nicht in der Lage, so entscheidende Klimafaktoren wie etwa die Vor- gänge in den Ozeanen nachzubilden. Das Prozedere umfasste 245 verschiedene Szenarien – heraus kamen Temperaturprojektionen zwischen plus 1,4 und plus 5,8 Grad. Nur eine von 245 berechneten Möglichkeiten dominiert seitdem die Öffentlichkeit: der Maximalwert von 5,8 Grad.
John Christy, ein am IPCC-Bericht beteiligter Atmosphärenwissenschaftler, sagt dazu: «Dieses Szenario wird nicht eintreten. Die Welt ist in einem erheblich besseren Zustand, als er in diesem Untergangsbild gemalt wird.»
Auch der Nasa-Forscher James Hansen, der gewissermassen das Copyright auf die Klima-Apokalypse hat, äussert sich inzwischen bedeutend zurückhaltender. 1988 hatte er die Klimaaufregung mit extremen Erwärmungsprognosen vor dem amerikanischen Senat losgetreten. Doch Anfang 2002 verstörte der Kronzeuge Hansen mit der Aussage, bis zum Jahr 2050 sei nur mit einer Erwärmung von lediglich 0,7 Grad zu rechnen.
Eine mögliche Erwärmung in dieser Grössenordnung gestehen im Übrigen auch die grössten Skeptiker zu – doch dies wäre eben keine Katastrophe.
5 Hitzewellen treiben die globale Temperatur nach oben
Die Globaltemperatur ist keine Temperatur, die irgendwo tatsächlich herrscht. Sie ist ein Hilfskonstrukt wie etwa das globale Pro-Kopf-Einkommen. Der bereits gemittelte 24-Stunden-Durchschnitt aus Hunderten von Messstationen wird über den Globus und übers Jahr gemittelt. Bei der Analyse der vielen tausend Daten stellt sich heraus: Der Anstieg des Durchschnittswertes geht keineswegs auf das Konto aussergewöhnlicher Hitzewellen. Er resultiert in erster Linie aus milderen Nächten, kürzeren Wintern und etwas weniger extremen Wintertemperaturen in den nördlichen Breiten – allesamt eher erfreuliche Er- scheinungen.
6 Die Erwärmung hat katastrophale Folgen
Gemäss der derzeit herrschenden Doktrin: Ja. Gemäss der Evolution: Nein. Erd- und menschheitsgeschichtlich zeichneten sich warme Zeiten durch hohe Artenvielfalt und blühende Kulturen aus. Warme Phasen sind für das Wachstum und die Ausdehnung der Landpflanzen – und damit für die Lebensgrundlage aller Lebewesen – vorteilhaft. In kal- ten Zeiten geht es dagegen bergab. Gute Ernten in der mittelalterlichen Warmzeit und Hungerjahre in der darauf folgenden kleinen Eiszeit weisen darauf hin. Während des Optimums des Holozäns vor 6000 bis 7000 Jahren war es auf Erden im Schnitt zwei bis drei Grad wärmer als heute, und es fielen mehr Niederschläge. Die Sahara war damals eine lebensfreundliche Savanne.
Doch selbst gute Nachrichten werden inzwischen ins Negative umgedeutet. Als kürzlich eine Studie das Vordringen von Gräsern in Wüstengegenden nahe legte, wurde dies mit folgender Schlagzeile vermeldet: «Steigender Gehalt von Kohlendioxid erhöht Brandgefahr in der Steppe.» Australische Forscher berichteten unlängst aufrichtig schockiert von ihren Beobachtungen auf Heard Island zwischen Aus- tralien und der Antarktis: Mehr Vegetation! Mehr Vögel! 25000 Pinguinpaare gegenüber drei im Jahre 1945! Was ist bloss so schrecklich am aufblühenden Leben? Die Interpretation von klimatischen Trends oder Wetterphänomenen folgt dem allgemeinen Zeitgeist: Alles, was sich ändert, ist gefährlich.
Egal, ob zu viel Schnee oder zu wenig, zu viel Regen oder zu wenig, Kälte oder Hitze – jegliche Wetterphänomene werden inzwischen dem vom Menschen gemachten Klimawandel zugeordnet. Tatsachen werden mit Emotionen und Vorstellungen vermischt, die Aufmerksamkeit wird eindimensional ausgerichtet. Das Phänomen ist bekannt: Wer ein Auto kauft, das kanariengelb ist, wird bald massenhaft kanariengelbe Autos sehen. Aufgrund der reichlich fliessenden Forschungsgelder stellen immer mehr wissenschaftliche Disziplinen ihre Arbeit in den Dienst der Klimaforschung. Selbst entfernte Disziplinen wie die Paläoanthropologie springen auf den Klimazug auf.
Wissenschaft ist nicht frei von Moden: In den sechziger Jahren erforschten die Paläoanthropologen die Frühzeit der Menschheit vor allem unter dem Aspekt der Gewalt – es war die Zeit des Kalten Krieges. In den siebziger und achtziger Jahren hatte der Feminismus Konjunktur, und in den Anträgen für Förderungsgelder durfte die Erforschung der Rol- le der Frau nicht fehlen. «Heute bekomme ich meine Mittel aus der Klimaforschung», erzählt der deutsche Hominidenforscher Friedemann Schrenk von der Universität in Darmstadt. Dieser Fokus führt zu einem unabläs- sigen Strom entsprechender Forschungsergebnisse, die dann durch die Medien auf die Leser herabregnen. «All want a piece of the action», sagt Richard Lindzen, jeder will dabei sein, alle buhlen um Aufmerksamkeit und suchen nach möglichst aufregenden Thesen.
7 Der Treibhauseffekt ist menschengemacht
Zusammen mit dem Wasserdampf und anderen Spurengasen sorgt Kohlendioxid für einen natürlichen und überlebensnotwendigen Treibhauseffekt. Es förderte die Karriere des Homo sapiens nach Kräften, denn ohne Treibhausdecke sähe der Planet bei minus 18 Grad sehr sibirisch aus. Würde anderseits der natürliche Treibhauseffekt völlig ungedämpft wirken, «so herrschten auf der Erde plus 55 Grad», erklärt der Nasa-Klimatologe Roy W. Spencer. Der Planet hat aber in Form von Verdunstung und Wetterprozessen ein effizientes Kühlsystem installiert, das die Temperatur derzeit im Bereich um 15 Grad stabilisiert. Während die Forschung den Treibhauseffekt selbst immer besser darstellen kann, entziehen sich die komplexen Wechselwirkungen dieses gigantischen Kühlsystems einer Simulation. Und das ist der eigentliche Knackpunkt des Klimastreites: Kann die planetare Kühlmaschine den relativ geringen zusätzlichen Beitrag des Menschen zum Treibhauseffekt ausgleichen oder nicht?
Der Mensch ist nur mit rund drei Prozent an der globalen CO2-Emission beteiligt, den Rest besorgen Ozeane, Böden und Vegetation. Die Natur nimmt über kurz oder lang so viel CO2 auf, wie sie wieder hergibt. Ein Teil des bei der Verbrennung von fossilen Rohstoffen entstehenden Kohlendioxids wird derzeit aber nicht von der Natur verarbeitet und reichert sich in der Atmosphäre über das normale Mass hinaus an. Neben signifikanten Einflüssen der Sonne und der Ozeane könnte dieser relativ geringfügige zusätzliche Effekt bei der jüngsten Erwärmung seit den achtziger Jahren eine Rolle gespielt haben.
Kann man mit dem Abkommen von Kioto Gegensteuer geben?
Aus Vorsorge wollen die Industrieländer laut Kioto-Protokoll den Ausstoss von Kohlendioxid bis zum Jahr 2010 um rund fünf Prozent unter die Werte von 1990 senken. Nachdem die USA sich daran nicht beteiligen wol- len, scheinen die übrigen Staaten entschlossen, die Vereinbarung nun im Alleingang in Kraft zu setzen.
Was in der aufgeheizten Atmosphäre derzeit völlig untergeht: Das Kioto-Protokoll hat zwar einen grossen symbolischen, aber keinen praktischen Einfluss auf das Klimageschehen. Der ausgewiesene Klimawarner und IPCC-Klimaforscher Tom Wigley hat einmal kalkuliert, welche Auswirkungen es hätte, wenn sich tatsächlich alle Länder inklusive der USA brav an das ursprüngliche Regulierungswerk hielten. Vorausgesetzt, die derzeitigen Klimamodelle rechnen richtig, ergäbe sich laut Wigley für das Jahr 2050 eine Verminderung des Temperaturanstiegs um 0,07 Grad. Dies liegt unterhalb der praktischen Nachweisbarkeit. «Ich stimme wie fast die gesamte Wissenschaftsgemeinde voll und ganz der Meinung zu, dass Kioto null Effekt auf die globale Temperaturerhöhung haben wird», bestätigt sein kanadischer IPCC-Kollege Andrew Weaver.
Die Auseinandersetzung zwischen den USA und Europa hat dabei einen tieferen, kulturellen Kern. Den meisten Menschen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist es völlig fremd, die Zukunft a priori in Schranken und Grenzen zu denken – wie es in Europa derzeit als verbindlich gilt. Eine starke Strömung im amerikanischen Umweltschutz weist immer wieder darauf hin, dass die Realität reihenweise die «Grenzen des Wachstums» und die apokalyptischen Vorhersagen der siebziger und achtziger Jahre widerlegt hat. Die technische Intelligenz eines Silicon-Valley ist herausgefordert, und sie wird ihren Strom nicht dauerhaft aus Kohlegruben beziehen wollen. Sie wird sich aber auch nicht in die bevormundende Abhängigkeit einer Welt-Ökobürokratie begeben, die sich mehr und mehr verselbständigt. Es sind die Ingenieure und Erfinder, die nach Ansicht pragmatischer Amerikaner die Kohlendioxidfrage lösen werden, nicht die Ideologen oder Klimabürokraten.
Während die Begrenzungen von Kioto für die teilnehmenden Staaten ein bürokratisches Monstrum zur Folge haben, setzt der amerikanische Plan zur Reduktion von Treibhausgasen auf Freiwilligkeit und steuerliche Anreize. US-Präsident Bush sagte dazu: «Ich gehe davon aus, dass ökonomisches Wachstum die Lösung und nicht das Problem ist, weil nur eine wirtschaftlich prosperierende Nation sich neue Investitionen und neue Technologien leisten kann.» Und weiter: «Wir brauchen mehr Wohl- stand, um Chancen zu schaffen, um den Lebens-standard zu erhöhen, um mehr in saubere Tech- nologien, Umweltschutz und Energieeffizienz investieren zu können.»
Auch in Europa mehren sich Stimmen, die das ähnlich formulieren. «Der bisherige, teilweise fragile Konsens über die Realität des Klimawandels und die daraus abzuleitenden Handlungsnotwendigkeiten führen nicht nur in eine Sackgasse», schreibt der mit den gesellschaftlichen Aspekten der Klimapolitik befasste Soziologe Nico Stehr. «Sie verhindern zudem intelligente Forschungsprogramme und vermindern die Chancen der Gesellschaft, sich an Klimabedingungen aktiv anzupassen.» Die für das Klima bedeutungslose Umsetzung des Kioto-Protokolls wird jährlich bis zu 350 Milliarden Dollar kosten. Das ist siebenmal so viel wie die gesamte Entwicklungshilfe weltweit.
Der dänische Statistikprofessor Bjørn Lomborg, Leiter des dänischen Institute for Environmental Economic Assessment (und Autor des Bestsellers «The Sceptical Environmentalist»), fragt: «Wollen die Industriestaaten den Ländern der Dritten Welt ineffizient helfen, indem sie Milliarden in die Treibhausgas-Verringerung hineinstecken – oder wollen sie lieber in die wirtschaftliche Entwicklung investieren, damit sich diese Länder in fünfzig oder hundert Jahren selber der Klimafolgen wehren können?» Geld kann nämlich nur einmal ausgegeben werden. Und eine gegen die Armut gerichtete Strategie funktioniert auch für den Fall, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist.
Leserbrief an Die Zeit
"Die Gedanken der beiden Autoren passen in eine Streichholzschachtel."
Schwäbische Zeitung
"Das Buch entlarvt seine Autoren als das, was sie seit Jahren in Wirklichkeit sind: dumpfe Handlanger des Big Business. Werfen wir es auf den überquellenden Abfalleimer des Turbokapitalismus."
Ö-Punkte, Der Informationsdienst
für aktive Umweltschützer
"Ein manipulatives Gemisch aus Halbwahrheiten und Verharmlosungen sowie schludrigen Informationen aus zum Teil dubiosen Quellen."
Greenpeace
"In ihrem neuen Lexikon scheuen sie sich nicht, den Nazi-Propagandisten Goebbels für Ihre Argumentation zu zitieren."
Greenpeace
"Irgendwie kann der Gesinnungswandel der beiden einstigen Top-Naturschutz-Journalisten Maxeiner und Miersch schon ein wenig an einstige engagierte Verteidiger linker Terroristen erinnern, die inzwischen zu Neonazis mutiert sind."
Stuttgarter Zeitung
"Diese Art der Recherche gehört nicht einmal in die Lokalredaktion eines Käseblattes. Das Buch ist nicht nur schlecht, es ist auch noch gefährlich. Es ist reine Industriepropaganda, und mir tut es um jeden einzelnen Baum und jeden Liter wasser leid, der für die Produktion dieses Buches verschwendet wurde."
Leser-Rezension bei amazon.de
"Eine Sammlung schwachsinniger und schlecht geschriebener Halbwahrheiten. Dass die Autoren ihre Ahnungslosigkeit in einem bemitleidenswerten Stil und miserabler Sprache breittreten, ist sehr ärgerlich."
Leser-Rezension bei amazon.de
"Oberflächlich, ärgerlich. Hirngespinste."
Süddeutsche Zeitung
"Das dürfte das menschenverachtendste Buch sein, dass ich je gelesen habe."
Leser-Rezension bei amazon.de
"Wenn Unwissenheit und Zynismus vergrößern würden, könnte der Autor kniend aus der Dachrinne saufen!"
Leserbrief an natur
von Dirk Maxeiner
Es wird dieser Tage viel gesprochen und geschrieben über den amerikanischen Präsidenten. Dabei zeigt sich stets das gleiche Muster: Reagiert Bush besonnen und richtig, so verdankt die Welt dies seinen "guten Beratern". Die werden als kluge Schutzengel imaginiert, unermüdlich im Einsatz, damit der 55-jährige nicht Dummheiten wie ein Kleinkind macht. Kommt aus dem Weißen Haus etwas Unbesonnenes oder Falsches, dann hatten die Schutzengel jeweils frei. Der Dumme ist George W. Bush garantiert immer selbst. Er kann machen was er will, den Ruf als intellektuelles Leichtgewicht wird er nicht mehr los. Freund wie Feind betrachten ihn eher als schlichtes Gemüt mit einer "soliden Unbildung", wie es ein deutscher Professor unlängst in einem Leserbrief beklagte.
Gerade auch hierzulande nagt tief der Zweifel: Wäre nicht so jemand wie der unerschütterliche New Yorker Bürgermeister Giuliani doch der bessere Präsident? Oder Al Gore? Oder Hillary Clinton? Bushs breiter Gang, die ungelenk schwingenden Arme, seine Versprecher und Satzverdreher, sein bisweilen linkisches Grinsen, seine Herkunft aus Austin Texas. Dies genügt den meisten für eine Charakterisierung als texanische Landpomeranze. Unter einem Cowboyhut, darüber herrscht stillschweigendes Einverständnis, hat nur ein kleiner Geist Platz.
Die Bush-Witze aus dem Volke sind ja ganz sympathisch. Weniger sympathisch ist eine Tonlage, die auf dem hohen intellektuellen Ross daherkommt. Ein gutes Beispiel dafür lieferte gerade die amerikanische Schriftstellerin Erica Jong: "Er stolpert wie immer über seine eigenen Worte" beklagt sie und zieht unter anderem die "zusammengepressten Kiefer" und das "affenartige Grinsen" des Präsidenten als Beleg für seine Unfähigkeit heran. Der Cowboy ist irgendwie ein Untermensch und darf nach Herzenlust verachtet werden. Ob Frau Jong diese Ferndiagnose auch gegenüber einem afrikanischen oder arabischen Staatsmann wagen würde? Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, Menschen und ihre Fähigkeiten nicht nach ihrer Herkunft, ihrem Äußeren oder ihrer sprachlichen Gewandtheit zu beurteilen. Warum tun dies bei George W. Bush ausgerechnet Menschen, die sich im Kampf für Toleranz und gegen Vorurteile sonst an vorderster Front wähnen?
Prinzipiell steht aber eine andere Frage im Raum: Wäre die Welt wirklich besser, wenn ihre Führer und Regierungen nur aus intellektuellen Eliten bestünden? Aus messerscharfen Verstandesmenschen, begnadeten Rednern, brillanten Analytikern? Würden diese in kritischen Situationen wie der jetzigen tatsächlich die besseren Entscheidungen treffen?
Die historische Erfahrung bestätigt eine solche These nicht. In Ausnahmesituationen haben sich immer wieder auch vermeintlich schlichte Gemüter als Glücksfall erwiesen. Erinnern wir uns an den frühen Helmut Kohl, der aufgrund seiner anfangs ebenfalls holprigen Rhetorik und des breiten Gesichts über Jahre als Dummbeutel oder "Birne" dargestellt wurde. Später, nach der geglückten Wiedervereinigung, sollten ihn teilweise die gleichen Kritiker zum größten Staatsmann aller Zeiten ausrufen. Deutschland kann froh sein, dass 1989 keiner der brillanten Kohl-Rivalen an der Macht war. Sie haben sich bis auf die Knochen blamiert.
Auch Ronald Reagan wurde lange Zeit als intellektuell nicht satisfaktionsfähig betrachtet, schließlich war der Mann nur ein mittelmäßiger Schauspieler. Sein Bild der Sowjetunion als "Reich des Bösen" wurde ihm als Kriegstreiberei schwer übel genommen. Heute steht im Geschichtsbuch, dass der mäßig begabte Hollywood Mime die Sowjetunion ohne einen Schuss abzufeuern friedlich zu Tode gerüstet hat. Niemand weiß, wie Reagan in einem Intelligenztest abgeschnitten hätte. Es ist überliefert, dass er einem komplizierten einstündigen Vortrags seiner Berater über verschiedene gewalttätige fundamentalistische Organisationen nur mühsam folgte und beinahe einnickte. Dann beendete er die Sitzung mit der schlichten Frage: "Terroristen sind sie aber doch alle?".
Bauernschläue, Witz, praktische Vernunft, ein guter Instinkt, Lebenserfahrung, gute Nerven, die Fähigkeit mit Menschen umzugehen, erlittene Niederlagen und Herzensbildung sind für Staatenlenker in schwierigen Zeiten mindestens so wichtig wie ein brillanter Auftritt oder dreisprachige Eloquenz (ganz abgesehen davon, dass sie einfach Glück brauchen). Es ist doch prima in Deutschland einen Außenminister ohne Abitur aber mit Taxilizenz zu haben. Und macht der seine Sache etwa schlecht?
George W. Bush war ein lausiger Student, managte unter anderem eine Football-Mannschaft und macht aus seinen überstandenen Alkoholproblemen keinen Hehl. Heute ist er geläutert. Er ist offenbar kein Egomane oder Profilneurotiker und scheint mit Menschen umgehen zu können. Er ist zu Selbstironie fähig (ganz im Gegensatz übrigens zu den meisten, die vom Hochsitz der Selbstgewissheit auf ihn hinabsehen). Der Dichter Jaroslav Hasek hat den so genannten schlichten Gemütern in seinem pazifistischen Klassiker "Die Abenteuer des braven Soldaten Schweijk" ein Denkmal gesetzt. Darin sagt Schweijk einen schlichten Satz. "Wenn's alle Menschen mit den anderen Menschen gut meinen möchten, tät bald einer den anderen erschlagen." Der Cowboy in Washington kennt den "braven Soldaten Schweijk" garantiert nicht. Aber er weiß, was er meint.
Herr, lass Hirn regnen!
Was mir bei dieser Diskussion fehlt:
Der wissenschaftliche Nachweis für all die wackeligen Gedankengebäude. Hier scheint ja jeder schon alles zu wissen.
Was mir klar ist: Chic und showtauglich ist es nicht solche "Selbstverständlichkeiten" zu hinterfragen.
"Treibhauseffekt" nennt man die Erwärmung der Erdatmosphäre, verursacht durch
Treibhausgase wie CO2 und Methan, die die thermische Abstrahlung der Erdoberfläche
im Infrarotbereich vermindern. Dem natürlichen Treibhauseffekt (natural greenhouse
effect) verdanken wir die lebensfreundlichen Temperaturen auf der Erdoberfläche, die
sonst bei ca. -18°C liegen würden. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet man mit
"Treibhauseffekt" meist den künstlichen, vom Menschen verursachten Treibhauseffekt
(enhanced greenhouse effect), der u.a. durch die künstlichen (anthropogenen)
CO2-Emissionen verursacht wird. Der Anteil des CO2 am gesamten Treibhauseffekt
wird allgemein auf gut 50% geschätzt.
Der künstliche Treibhauseffekt ist heute eine messbare Realität,
auch wenn die komplexen Mechanismen des Klimas noch nicht genau bekannt und
Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten sind.
(Quelle: Lepetit / Schneider)
Tatsache ist, dass die CO2-Konzentration der Erdatmosphäre
seit dem Ende der letzten Eiszeit vor 10000 Jahren relativ
stabil war und sich zwischen 250 und 280 ppm bewegt hat.
Dies wissen wir dank übereinstimmenden Analysen von
Bohrkernen aus Gletschern. Tatsache ist auch, dass sich der
CO2-Gehalt der Atmosphäre in den letzten 200 Jahren von 280
ppm (parts per million) auf den heutigen Wert von über 360
ppm emporgeschnellt ist, also eine Erhöhung von 29%. Die
jährliche Erhöhung liegt heute bei ca. 1.5 bis 1.8 ppm/Jahr. Dass diese dramatische
Erhöhung grösstenteils vom Menschen verantwortet wird, ist unter Experten unbestritten.
(Quellen: Tages-Anzeiger / Schneider)
Wir verfügen neben CO2-Kurven der letzten 10000-100'000 Jahre auch über
Temperaturdaten. Diese Daten weisen eine starke Korrelation auf. Der Zusammenhang
zwischen CO2-Gehalt der Atmosphäre und Durchschnittstemperatur ist evident, wenn
auch mit quantitativen Unsicherheiten behaftet.
An diesem Punkt beginnen nun die Meinungsverschiedenheiten. Der genaue Einfluss
desCO2-Gehaltes auf die Durchschnittstemperatur ist heute Gegenstand von
Schätzungen und Szenarien.
Die optimistischsten Szenarien rechnen mit einer
Temperaturerhöhung von 0.5°C von 2000 bis 2100. Die
pessimistischsten Szenarien gehen von einer Erhöhung von
mehr als 5°C im gleichen Zeitraum aus (gemäss Stephen
Henry Schneider; die nebenstehende Grafik mit den Prognosen
der IPCC, Intergovernmental Panel on Climate Change, führt zu
ähnlichen Werten).
Es ist eine Tatsache, dass die weltweite Durchschnittstemperatur von 1860 bis 1990 um
gut 0.5°C gestiegen ist. Die Frage, welcher Anteil auf das Konto des Treibhauseffekts
geht, kann heute wissenschaftlich nicht mit Sicherheit beantwortet werden.
Der Rhythmus der natürlichen Klimaschwankungen in den letzten Jahrtausenden betrug
etwa ein °C pro Jahrtausend. Dies ist der natürliche Rhythmus, an welchen sich das
globale Ökosystem - nicht ohne Verluste - jeweils angepasst hat. Als Beispiel kann die
letzte Eiszeit dienen, die vor 20000 Jahren begann und vor 10000 Jahren endete.
(Achtung: Es gibt Beispiele für schnellere regionale Klimaänderungen, etwa für Europa,
doch hier haben wir es mit der Durchschnittstemperatur im globalen Massstab zu tun.)
Ein optimistisches Szenario für 2000 bis 2100 entspricht also einer fünfmal
schnelleren Temperaturänderung. Ein pessimistischstes Szenario (5°C) entspricht
einer fünfzigmal schnelleren Temperaturänderung. Dazu kommt noch, dass das
Ökosystem durch Abholzung, Ausbreitung der Siedlungs- und Kulturflächen und andere
Schadstoffe heute zusätzlichen Belastungen ausgesetzt ist, die in der Vergangenheit
fehlten. Die Geschwindigkeit dieser Änderungen ist das eigentlich Beunruhigende am
Treibhauseffekt.
kompletter Artikel mit Graphiken
Natürlich sind TV-Soaps eine kulturelle Pest. Sie können aber auch Gutes bewirken. In Ländern der Dritten Welt hat das Fernsehen einen nachweisbaren Einfluß auf sinkende Geburtenraten - weil nämlich Frauen, denen sonst in männderdominierten Gesellschaften alle Bildung vorenthalten wird, plötzlich was lernen, das sie gar nicht lernen sollten. In Tansania wurde die Wirkung der beliebten Radio-Serie "Twenda na Wakati" über einen herumhurenden verheirateten Fernfahrer untersucht. Ergebnis: Ehefrauen, die die Sendung kannten, verhüteten doppelt so häufig wie jene die nie von ihr gehört hatten, und zwar mit ausdrücklichen Bezug auf die beliebte Serie.
Derlei Ereignisse lieben die Autoren Dirk Maxeiner und Michael Miersch und haben ein ganzes Buch vollgeschrieben, das die segensreiche Wirkung von Kulturimperialismus, Kapitalismus und Egoismus beschreibt. Wer einfach nur reich werden will, richtet weniger Schaden an, so die Autoren, als jemand, der "Gerechtigkeit für alle" auf dem Verordnungswege erreichen will.
Zum Beispiel wirkt McDonalds friedensstiftend: Keine zwei Nationen, denen der Schnellbräter seine Brötchen verkauft, haben je gegeneinander Krieg geführt - sagen Maxeiner und Miersch. Grund: Wo's McDonalds gibt, braucht's eine solvente Mittelschicht, und die liebt nunmal keine nationalistischen Kriege.
Nicht nur hier klingt das alles sehr nach Guido Westerwelle. Weil es gleichzeitig wahr und gelogen ist. Dass es in Panama keine McDonalds-Filliale gibt, erscheint unwahrscheinlich. Richtig ist aber, dass der Überfall durch die USA keine nationalistischen, sondern rein politisch-finanzielle Gründe hatte. Und auch kein Krieg war, weil einfach nie einer erklärt wurde. Als Argument, Kapitalismus wirke friedensstiftend, weil er Nationalismen ablehnt, ist das formal korrekt, inhaltlich eher zynisch.
So geht das eben, wenn zwei Autoren des Eichborn Verlages, auf Originalität abonniert, antreten, um zu erklären, wie das Gute durch das Böse in die Welt kommt, wie der Kapitalismus all das erreicht, was der Sozialismus sich einst auf die Fahnen schrieb: Freiheit, Reichtum, Nahrung für alle. Dafür muß sogar die deutsche Geschichte umgeschrieben werden, denn nach Maxeiner und Miersch scheiterten die Nazis deshalb, weil sie wilde Antikapitalisten waren (sie machen hier den Fehler vieler Hobby-Historiker und nehmen die Propaganda der Nazis als Wirklichkeit).
Aberwitzig ist auch die These, Massentourismus sei gut für die Natur. Weil etwa deutsche Tierliebhaber jetzt auch nach Ruanda fliegen können, so die Autoren, würden dort die knuddeligen Gorillas geschützt. Derartige Einzelfälle ändern nichts daran, dass etwa Mallorca inzwischen das Trinkwasser ausgeht und in Österreich und der Schweiz der touristengeplagte Berg nicht nur ruft, sondern inzwischen auch schon mal selbst ins Tal kommt. Dass Anti-Pelzmantelkampagnen den Wildtierbestand bedrohen, mag auf verquere Art richtig sein, spricht aber nicht gegen die Kampagnen, die sich vorwiegend gegen Pelztierfarmen wenden. Und dass die böse kalte Technik ein Segen sei und Fortschrittsfeindlichkeit albern, kann man ja mit Vernunft annehmen; trotzdem wurde in - Zufall! - Ruanda der Völkermord möglich durch die propagandistische Wirkung des Radios.
Das Mephisto Prinzip hat die richtige (und weißgott nicht neue) Idee: nicht alles, was gut sein will, bringt Gutes hervor; Sozialhilfe beseitigt keine Armut, sondern zementiert sie und macht ansonsten nur den mächtigen Stand der öffentlichen Hilfsberufe und Geldverwalter satt.
Der Gegenentwurf aber, alles durch Profitsucht und Marktgesetze regeln zu lassen, ist in seiner Absolutheit genau so falsch. Das mögen sogar die Autoren vermutet haben. Fleißig türmen sie Beispiel auf Beispiel, um die Überlegenheit des Marktes zu beweisen. Die Frage aber, warum das angeblich so ist, wo das Naturgesetz steckt, das individuelles Streben nach Glück immer in Allgemeinwohl verwandelt - diese Frage haben sie sicherheitshalber gar nicht erst gestellt. Vielleicht hätten sie dann nämlich ein weiteres Buch schreiben müssen: Das Zufalls-Prinzip. Oder um eine andere Zahl zu zitieren: 40% der Weltbevölkerung müssen mit 1 Dollar täglich auskommen. Das stört den Markt nicht, und die Autoren schon gar nicht. Dass damit aber ein "sozialistisches" Ziel erreicht worden sei, erscheint doch eher fraglich.
Je besser, desto schlimmer: Wer weiß wirklich, wie das Klima wird?
Wir Klima-Flüchtlinge: Wie es wirklich kommt und wer das weiß
Es wird immer schlimmer: Jetzt verderben auch noch Anti-Terror-Kriege das Weltwetter. Jedenfalls in den davon betroffenen Regionen - Murari Lal vom Center for Atmospheric Sciences in Neu-Delhi läßt neuerdings auf Pressekonferenzen verlauten, die Treibhausgase der Kriegsflugzeuge während des Afghanistan-Feldzugs seien schuld am Ausbleiben des Monsuns zur rechten Zeit; Emissionen in der oberen Troposphäre und der unteren Stratosphäre hätten die Regenverhältnisse über Nordwestindien versaut.
Es wird immer besser: Der Statistiker Bjørn Lomborg von der dänischen Universität Aarhus hat 1998 in seinem Heimatland, 2001 dann auf englisch und soeben auf deutsch ein Buch veröffentlicht, das hier "Apocalypse No!" (Lüneburg: Zu Klampen Verlag 2002) heißt und auf breiter Klimafront Entwarnung gibt. Der "Öko-Litanei" zum Trotz besteht Lomborg darauf, durch Auswertung allgemein zugänglichen Materials erkannt zu haben: Die Lebensbedingungen werden stetig besser, man hat mehr Nahrungsmittel pro Menschenmagen als früher, und der einzige Wermutstropfen ist die Verschwendung der Ressourcen, die von der Öko-Lobby enteignet und auf Luxusprobleme wie die Rettung obskurer Schmetterlingsarten verwandt werden. Lomborgs polemischer Stil ist offen und wissenschaftsbewandert, er erlaubt ihm, viele richtige und wichtige Dinge auszusprechen: Die schlimmsten Verschmutzungen gehören in frühe und mittlere Stadien der Industrialisierung, ein Großteil des atmosphärischen Kohlendioxyds ist nicht menschengeschaffen, sondern Produkt von Vulkanaktivitäten, globale Apokalypseszenarien sind häufig Kopfgeburten einer westlich-urbanen Mittelstandsmentalität.
Gerade wo Lomborg den Weltuntergang in die Schranken weist, öffnet er eine Flanke seiner Argumentationsfront einem wichtigen Einwand: Lokale Trends sind nämlich oft besorgniserregender als irgendein finaler Zusammenbruch. Wo Lomborg versichert, die vielberufenen Aussterberaten von zwanzig bis fünfzig Prozent aller Spezies in den nächsten Jahren seien übertrieben, es handle sich eher um 0,7 Prozent, da verweisen seine klügeren Gegner etwa auf das lokale und in der Tat sehr katastrophale Fischsterben, das in den achtziger Jahren die Fischereiindustrie in Ostnordamerika und Nordeuropa fast vernichtet hätte. Die Liberalen der Wirtschaft lieben Lomborg, das "Wall Street Journal" lobt ihn, der "Economist" ließ ihn im August 2001 sogar einen Gastleitartikel schreiben - es sei allen Beteiligten gegönnt. Sie werden früh genug böse erwachen: Ihr Gegner ist nicht der abstrakte Bedenkenträger, sondern ein Medien- und Massenbewußtsein, für das sich jeder neue Wetterwahnsinn ins Bild fügt.
Dieses Bild ist das einer Naturkatastrophe, wie die Menschheit sie seit der letzten Eiszeit vor zehntausend Jahren nicht mehr erlebt hat, und dieses Mal - wie Kim Stanley Robinson geschrieben hat - betrifft sie nicht nur ein paar Millionen Jäger und Sammler nomadischer Stämme, sondern Milliarden mehr oder weniger zivilisierter Bürger. Das Bild zeigt uns alle großen Küstenstädte und ganze Länder wie Bangladesh, Holland und Belize überspült. Zwischen einem Zehntel und einem Fünftel der Weltbevölkerung wären dann ökologische Flüchtlinge.
Der Streit um Lomborgs Thesen erreicht den Schrecken einfach nicht, den dieses Bild nicht der Natur, sondern der Kultur malt, mag er auch, vom "Scientific American" bis zu Netz-Foren, feine diskursanalytische Perlen hervorbringen wie die folgende Alternative: Entweder irrt sich Lomborg, oder es existiert eine massive, weltweite Verschwörung von Wissenschaftlern, die der Ökobewegung nicht ins Gehege kommen wollen. Eine dritte Möglichkeit wird dabei vergessen: daß es nicht gleichgültig ist, in welcher Kultur Fakten artikuliert werden. Wenn sich eine den Öko-Kollaps thematisierende Folge der Verschwörungsthriller-Serie "Akte X" 1999 "Die sechste Auslöschung" nennt und damit einen mahnenden Buchtitel des Paläoanthropologen Richard Leaky und des Biochemikers Roger Lewin von 1996 zitiert, begreift zwar nur eine Minderheit der Zuschauer diese Anspielung. Aber die Mehrheit nimmt das Signal doch auf und sortiert es zwischen der überfluteten Erde des Films "Waterworld" von 1995 und dem untergegangenen New York von Spielbergs "A.I." (2001) ein.
Was trauen wir uns noch zu?
Es geht also nicht um die abgeschmackte Jürgen-Trittin-Ebene, auf der ein Minister einer Regierungspartei eines mächtigen Industriestaats als Klassenbester des Leistungskurses "Sintflut" die mitteleuropäische Flutkatastrophe mit seiner kessen Piccoloflöte begleitet: "Wir baden die Industrialisierung aus." Wenn er "Kapitalismus" meint, soll er es sagen, das darf man seit dem jüngsten Börsendebakel überall. Zivilisationskritik aber sollte er den Philosophen überlassen - oder eben der Popkultur, deren Verhältnis zur ökologischen Frage Symptom einer bedeutsamen Veränderung des Massenbewußtseins ist. Popkulturelle Ökobilder und Ökoparolen drücken gerade durch ihre marktförmige "Gleichgültigkeit" gegenüber den "ernsten Anliegen" und durch die Vorliebe für starke Bilder deutlicher als wissenschaftliche Debatten aus, wann etwas mehrdeutig genug geworden ist, um die Gesellschaft dahin zu bringen, daß sie sich Veränderung zutraut oder eben gerade nicht mehr.
In den achtziger Jahren, als das alles begann - die uralte Menschheitssorge um die arme Natur ist ja etwas sehr Neues -, versuchten Edelpop-Figuren wie Sting und Bono mit Geknödel und Gerede den Regenwald zu retten. Heute rettet Sting den Jazz und Bono die Dritte Welt, der Edelpopmessianismus der achtziger Jahre aber war ein wichtiger kulturindustrieller Reflex der sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen. Das waren Ein-Punkt-Initiativen, deren gegenwärtige, von ehemaligen Aktivisten aus ihren Reihen, wie Lomborg, genutzte Krise sich aus der Verschärfung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ergibt. Dadurch werden Modernisierungswünsche - Umweltschutz, Feminismus und Antirassismus - zu ebenjenem Luxus, über den Lomborg wohlfeil spottet. Da "es" heute schlimmer ist, ist "das alles" daneben nicht mehr so schlimm: Je schlimmer, desto besser.
Umgekehrt aber wird ein Schuh draus: Verbesserungen auf dem Markt der Ideen haben schon seit je von Verschlechterungen auf anderen Märkten gelebt. Die Ökobewegung war eine Zukunfts- und also eine Jugendbewegung. Sie wurde getragen von "jungen Idealisten", die nach 1968 vom Markt der Kulturindustrie verstärkt angesprochen wurden, als zum ersten Mal mehr als fünfzig Prozent der entsprechenden Marktanteile von "den Jungen" gehalten wurden, als man Fernsehshows für sie schrieb und im Kaufhaus ihre Platten liefen. Ihren höchsten Punkt erreichte jene Popökologie mit dem Paar Bill Clinton und Al Gore, deren erfolgreiches Junktim von Achtziger-Aktivismus und MTV-"Alternative"-Gesittung die Umweltkarte ausspielte wie noch kein Jugendstimmenfang vor ihnen. Man war auf der sicheren Seite der "Naderisten" (Greg Bear) und der Initiative "Rock the Vote", für die sich 1990 Stars wie Madonna und Lenny Kravitz einsetzten, obwohl beide, wie peinlicherweise herauskam, zu diesem Zeitpunkt gar nicht als Wähler registriert waren. Die Veganer und gegen Verschmutzung brüllenden Death-Metal-Rocker jener Jahre werden uns vielleicht noch fehlen - das heißt der Debatte und nicht so sehr der Natur.
Die Armen ertrinken früher
Die einzige Popökologie, die es in der Ära des heutigen amerikanischen Präsidenten, der die Antarctica-Verträge mit dem Ölreserven-Argument wegschneuzt, noch gibt, ist der supersmarte "Viridianismus", den sich der Science-fiction-Autor Bruce Sterling mit ein paar klugen linken Industriedesignern ausgedacht hat. Dessen Ziel ist es, "Öko" nicht länger als moralisch hochwertig, sondern als "cool" erscheinen zu lassen. Diese Designprinzipien sind zukunftsträchtig: Entwerft, fordern sie, nicht mehr für die Jungen, sondern für die Alten, deren Anthropometrik die zukünftige Zivilisation bestimmen wird, plant Produkte für allgemeinen Inaktivismus, denn die alte Arbeitsgesellschaft ist am Ende. Die ersten erfolgreichen Viridianer hießen "Clinton" und "Enron": Der mittlerweile mit den bekannten Folgen zusammengebrochene Energiekonzern hatte sich seinerzeit beim Öko-Präsidenten mehrfach für ein neues Handelssystem der "globalen Emissionskredite" eingesetzt. Diese Strategie zur administrativen Verringerung des Treibhausgases hätte vor allem eine Verringerung kohlebefeuerter Kraftwerke befördert und neue Investitionen in andere Anlagen und Pipelines möglich gemacht, also das, was Enron geholfen hätte.
Zusammenhänge wie diese werden nur sichtbar, wenn man an die Stelle des moralischen Verzichtprinzips der alten Ökobewegung wieder ein Verursacherprinzip setzt, das Umweltprobleme als gesellschaftliche begreift. Es gibt, wie Greg Egan geschrieben hat, nicht viel Platz für methodologische Mehrdeutigkeit, wenn dein Zuhause gerade ins Meer rutscht. Jene paar Prozent der Weltbevölkerung, die unter Lomborgs nicht globalen, sondern "nur" lokalen Problemen leiden, hatten früher einen Namen und waren nicht nur eine statistische Ziffer: Es waren die Ärmsten. Es gab in den neunziger Jahren mehr Naturkatastrophen größeren Ausmaßes als in den fünfziger Jahren, aber entscheidend bleibt, wo damals wie heute die Ärmsten lebten: an Flüssen, am Stadtrand, auf überflutbaren Ebenen, in Wirbelsturmgebieten. Sie werden nie viridianische Häuser haben.
Der Westen produziert das meiste Treibhausgas, die Amerikaner vorneweg, jene Nation, deren Popwissenschaft und Wissenschaftspop die heute fast überall für bare Münze genommene Legende in die Welt gesetzt haben, Wissenschaft sei ein demokratisches System der Lehre, und Konsens sei der Normalzustand von Debatten, in die nur grobe Ketzereien oder Thomas Kuhn Bewegung bringen können. Wieviel aber weiß der mündige Bürger von den Grundtatsachen der Ökologie, von Physik, Chemie oder von den Computerwissenschaften, die Klimasimulationen rechnen helfen?
Der Witz am Ökobewußtsein ist, daß es ihm gar nicht um den Weltuntergang geht, der ja wirklich nur jener "crashing but meaningless blow" wäre, von dem Bob Dylan sang, lyrisches Genie der ersten Wohlstands-Protestbewegung. In Wahrheit ist Ökologie die Suche der gesamten Gesellschaft nach etwas Außergesellschaftlichem. Erst dann sieht man, wie wir unsere Probleme angehen sollen und wo wir sie zu suchen haben. Die Kultur, vor allem die populäre, scheint sagen zu wollen: Ohne ein Bild von der Natur gibt es keines von der Gesellschaft und umgekehrt. Die Vorstellung, daß Statistiken und Befunde uns von altmodisch-ideologischen Streitigkeiten und den sie nährenden sozialen Sorgen befreien, ist das dürftigste Ideologem der Gegenwart.
DIETMAR DATH
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2002, Nr. 188 / Seite 31