Kommt jetzt die Schuluniform?
SPD fordert Geldstrafe gegen Schulschwänzer und Kleiderordnung
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Tauss, hat sich für Geldstrafen gegen Schüler ausgesprochen, die vor Ferienbeginn der Schule fernbleiben. Auch eine Kleiderordnung befürwortet er im Gespräch mit der Netzeitung.
Nach Ansicht von SPD-Bildungsexperte Jörg Tauss sollte unentschuldigtes Fehlen in der Schule mit einer Geldstrafe geahndet werden. «Für das erste Mal genügt eine Verwarnung», sagte Tauss der Netzeitung. Danach solle aber, nachdem eine Abmahnung erfolgt sei, eine Geldstrafe verhängt werden.
Als Betrag kann sich der SPD-Politiker eine Summe in der Höhe des monatlichen Kindergeldes vorstellen. Dies entspricht derzeit 154 Euro. Diesen Betrag könnte die Schule erheben und kassieren, so Tauss. Sollte die Strafe nichts bewirken, könnte der Betrag erneut erhoben werden, fügte er hinzu. Möglich sei jedoch auch ein klärendes Gespräch mit den Eltern.
Eine Gesetzes-Initiative seitens des Bundes hält Tauss für diese Regelung nicht für notwendig. Dies sei Sache jedes einzelnen Bundeslandes, sagte er.
Keinen Zwang
Mit seiner Forderung unterstützt Tauss das Vorhaben von Bremens Bildungssenator Willi Lemke (SPD). Dieser hatte in der «Bild»-Zeitung angekündigt, gegen Schulschwänzer vor den Ferien konsequenter vorzugehen – «teils auch mit Geldstrafen für die Eltern».
Lemke beklagte sich «Bild» zufolge auch über das Aussehen der Schüler in Deutschland und forderte zugleich Regeln. SPD-Politiker Tauss begrüßte dieses Vorhaben und brachte eine Kleiderordnung ins Gespräch. «Ich will zwar Schuluniformen nicht gänzlich ausschließen», sagte der SPD-Politiker der Netzeitung. Doch von Zwang halte er wenig. Deshalb halte er eine Kleiderordnung für den besseren Weg.
Sanktionen denkbar
Die Schüler müssten Tauss zufolge bestimmte Anweisungen befolgen. Eine Regel könnte demnach lauten: «In der Schule wird angemessene Straßenkleidung erwartet». «Warum auch nicht», betonte der SPD-Politiker, «im Freibad gibt es schließlich auch eine Badeordnung, an die sich jeder halten muss».
Werde gegen die Kleiderordnung verstoßen, dann müsste die Schule auch Sanktionen verhängen dürfen, so Tauss weiter. Denkbar wäre beispielsweise ein zeitlich begrenzter Ausschluss aus der Schule, sagte er. (nz)
netzeitung, 14.07.2003
Diese liberalen Unterrichtsmethoden nützen nur jenen, die sich in einer kapitialistischen Ellenbogenschule, in der zählt "Haste was, biste was", wohlfühlen.
Es ist m.E. typisch, daß mal wieder beim Schwänzen mit "Geldstrafen" gedroht werden soll. Die Frage muss lauten: Warum schwänzen Schüler ? Vielleicht, weil z.B. ausländische Kinder Schutzgeld von Mitschülern erpressen und sich unsere Kinder nicht mehr in die Schule trauen ? Vielleicht weil ihnen Schläge angedroht werden ?
Vielleicht, weil der Unterricht nur noch durchgerattert wird und gleichzeitig die wichtigen Fächer zur Förderung der Klassengemeinschaft, wie Sport in den Hintergrund gedrängt werden? Wie wäre es mit einem Klassenbus, der jedes Kind einzeln anklappert und anfährt, wo das Kind aufrecht stramm bereit stehen muss um dann in die Schule zu gelangen ? So schließt man Schwänzen aus. Mehr Ordnung heißt mehr Disziplin. Mehr Disziplin heißt mehr Erfolg.
An der Psychology des Sozialverhaltens in Schulen aendert sich nichts. Der Kampf um Status kennt dort kein Ende und auf eine oder andere Art kostet es den Eltern Geld.
(Wenn sie sich auf den Mist einlassen) Das kann man sich also sparen.
Ausserdem habe ich ein Problem wenn man kleinen buerokratischen Spiessern (i.a.W. Schulbeamten) noch mehr Macht geben will, besonders wenn es um die wenige, noch verbleibende Kreativitaet unser Kinder geht.
Es ist nicht Aufgabe der Schulen (des Staates), das Aussehen von Schülern zu beurteilen oder gar zu regulieren. Das wäre Aufgabe der Eltern.
Auch hier ist es wie generell mit Rot-Grün: Nebenkriegsschauplätze eröffnen, um von der eigentlichen Problematik abzulenken.
Das Problem heißt: Unqualifizierte, verbeamtete und unmotivierte Lehrer in einem durchbürokratisierten Bildungssystem. Schuld ist natürlich der Schüler, so wie auch der Arbeitlose an der Arbeitslosigkeit schuld ist.
Die geben ihr Geld für anderen "Müll" aus. Klamotten oder was auch immer - die Schule kann's und soll's nicht regeln. Die kann höchstens etwas gegen "Gruppenzwang" unternehmen, indem sie den Leutchen Verantwortung und Selbständigkeit beibringt. Aber wie sollten Lehrbeamte das vermitteln?
*g* sorry Happy End
Wer Zwangsmaßnahmen einführt, um angeblich Freiheit und Demokratie zu schützen, hat weder das eine noch das andere verdient.
Das gilt für Schuluniformen genauso wie für Terror- und Notstandsgesetze. Die Vergangenheit hat es bewiesen.
Es geht auch nicht um Freiheit, sondern um Gleichheit.
Geld regiert die Welt bei den Erwachsenen , es gibt die, die Unten wohnen und die, die Oben wohnen . Ich finde, wir sollten alles tun, um unsere Jugend diese Mamonjagd zu ersparen . Diese Markenhysterie wäre auf einem Schlag aus dem Geschäft.
Ich kann jetzt leider nur das Beispiel "Jamaica" anführen , aber dort macht der letzte Arme alles was er kann , damit sein Kind die Uniform bekommt. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen , sie lassen sich lieber einen Arm abhacken , bevor Ihr Kind unterprivilgiert erscheint. Es klappt dort prima .
Ich finde das ist ne gute Sache , denn es nimmt den Eltern jeglichen Luxuszwang.
Wobei das für mich persönlich eh egal ist . Meine Kinder bekommen soviel Power und Selbstbewußtsein, dass sie cool durch die Welt laufen und kein Erkennungszeichen für 200 Euro brauchen .
Markenwahn ist das Versagen der Eltern. Zumindest m. E.
Wenn man glaubt, den Markenwahn vormittags in der Schule unterbinden zu können, ohne Kontrolle über die Nachmittage, Abende, Ferien, dann frage ich: was ist das für eine Maßnahme?
Das ist herumoperieren an den Symptomen, anstatt an den Wurzel anzusetzen. Das erinnert an Ärzte, die den Fuß abhacken, wenn der kleine Zeh geschwollen ist.
Alles läuft sich irgendwann tot, auch der Markenwahn (so wie der Open-Air-Wahn, der Langhaarwahn, der Ich-wasche-mich-nicht-Wahn, der Opel-Manta und Goldkettchen-Wahn, das Rhönrad-Turnen, die Überfälle auf beutedeutsche Ostgebiete, die Spalttablette, der Wienerwald, Ingrid Steeger und noch viel mehr: alles hat seine Zeit, dann isses auf einmal vorbei).
Macht Euch nicht verrückt, Jungs.
They that can give up essential liberty
to obtain a little temporary safety
deserve neither liberty nor safety.
Aber obwohl ich das Zitat für ein sehr gutes halte, und so mancher Politiker sollte sich des öfteren daran erinnern, halte ich Schuluniformen nicht für die schlechteste Idee. Allgemein scheinen damit ganz gute Erfahrungen gemacht zu werden. Wieso sollte dies also nicht mal probiert werden. Und diejenigen, die hier immer irgendwelche HJ- oder FDJ-Analogien ziehen, sollten vielleicht erstens beachten, daß die entsprechenden Uniformen soweit ich weiß nicht in der Schule getragen wurden, und zweitens die angelsächsischen Ländern, in denen Schuluniformen üblich sind, einen etwas besseren track record haben, was die diktaturfreie Geschichte betrifft, man da also keinen Zusammenhang sehen kann.
Zugegebenermaßen hätte ich mich wohl als Schüler auch in irgendeiner Form gegen Schuluniformen gewehrt.
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Grüße Max
Im übrigen habe ich aus den 60er Jahren gegenteilige Erfahrungen: die Jungens und Mädels, die aus der Tschechei, Rumänien und Polen zu uns kamen, sind richtig aufgeblüht, ohne Schuluniformzwang.
Meine Eltern hatten übrigens auch Uniformzwang .. mit der Folgewirkung von Zwangsmaßnahmen wegen Uniformverweigerung.
Sei's drum: wenn man es nicht ausprobiert, sollte man keine Prognosen abgeben, Probieren geht eben immer noch über studieren.
Gruß
Warum sichtbare Stringtangas und BH-Träger nicht nur für Junglehrer eine Zumutung sind - Debatte
von Christine Brinck
In der Hamp Community Junior School in Bridgewater, (Somerset/England) sind Stringtangas verboten. Die Schulleiterin findet, sie seien unpassend für elfjährige Mädchen, insbesondere wenn sie à la Britney Spears getragen werden, will sagen, wenn sie über den Rand der tief auf den Hüften sitzenden Hosen hervorlugen. Dass der Schlampenlook nicht nur bei Popstars und Klubjunkies de rigueur ist, notieren Menschen über 30 seit einiger Zeit mit Staunen. Seine Unterwäsche vorzuzeigen galt kaum je als erstrebenswert, heute sind die sichtbaren BH-Träger so wichtig wie die rasierten Beine und die Strings des Tanga. Auch schon bei 11- und 13-Jährigen.
Die Schulleiterin Helga Akkermann aus Sehnde in Niedersachsen, die mit ihrem Vorstoß gegen Nabelpiercing und bauchfreie Leibchen den Sturm im Sommerwasserglas auslöste, möchte diese Kleidungsstücke ebenso gern aus dem Schulhaus verbannen wie ihre englische Kollegin die Tangas. Freilich ist England nicht nur das Land der Schuluniformen, sondern auch des Hyperindividualismus, und ein Klamottenkodex wird nicht als Eingriff in die persönlichen Ausdrucksformen missverstanden. Vom Kindergarten bis zum Abitur gibt es vielerlei Schuluniformen, ihre Gestaltung schließt bisweilen sogar die Unterwäsche ein.
So kann man etwa im Handbuch für die oberen Klassen der leistungsorientierten englischen Privatschule Sevenoaks unter der Überschrift "Appearance and Manners" (Erscheinung und Manieren) lesen: "Zu jeder Zeit wird von den Schülern erwartet, dass sie sich in einer Weise kleiden und verhalten, die der Schule angemessen ist." Jenseits der Pflicht, die Schuluniform vorschriftsmäßig zu tragen (dazu gehört stets der Blazer, außer an extrem heißen Tagen), wird den Schülern in einem Anhang aufgelistet, was die Schule unter "sauber und ordentlich" versteht: "Das Haar muss gewaschen und ansehnlich sein. Es darf nicht sichtbar gebleicht oder gefärbt sein; Gel darf nur sparsam benutzt werden, dramatische Frisuren und die Benutzung von Farbe sind nicht akzeptabel." Schmuck ist kaum erlaubt: keine Ohrringe für Jungen, nur ein Paar Ohrstecker sowie ein Ring für die Mädchen. Weiterhin ist auch außerhalb der Unterrichtszeit alles allzu Auffällige verboten: keine Army-Klamotten, keine Lederjacken mit Nieten. Hält sich jeder daran? Meistens. Fühlen die Kinder sich eingeengt, die so reglementiert werden? Kaum.
So würde es der Schulleiterin Akkermann und vielen ihrer schweigenden Kollegen gefallen - ebenso Willi Lemke, dem zum Bildungssenator mutierten früheren Manager von Werder Bremen. Das könnten sie vielleicht auch haben, wenn die Schule die Autonomie hätte, die der Pisa-Sieger Finnland und das auch überdurchschnittlich abschneidende England ihr schon lange gewähren. Doch folgt in jeder deutschen Schulklamottendiskussion mit schöner Regelmäßigkeit auf den Ruf nach Schuluniformen deren Zurückweisung mit Hinweis auf BDM/HJ/FDJ. Und natürlich darf sowohl von fortschrittlichen Gewerkschaftern wie erleuchteten Kids der Hinweis auf die Kleidung als Ausdruck der Persönlichkeit nicht fehlen. Das Persönliche und Individuelle wird freilich etwas überstrapaziert, wenn kollektiv die kleinen Schülerinnen in Hüfthosen, bauchfrei und halbnackt Popqueens wie Britney Spears oder Christina Aguilera nachahmen. Lehrer und Minister, die von der "Sexbomben"-Invasion (Lemke) im Klassenzimmer überfordert sind, wünschen sich ein bisschen weniger Fleisch und ein bisschen mehr Fleiß. Der Kopf der Britney-Klons füllt sich nicht schneller, weil sie nackter sind, auch wenn Franz Josef Wagner in der "Bild" dem armen Senator Lemke "Kleidung ist Freiheit" entgegenschleuderte und eine Beziehung zwischen freiem Nabel und freiem Hirn herzustellen suchte. Voller Bauch studieret schlecht, hieß es einst bei den Mönchen. Für nackte Bäuche und halbnackte Busen gilt dasselbe.
Es ist nicht abwegig, eine Beziehung zwischen Leistung und Kleiderordnung herzustellen. In amerikanischen Großstadtschulen, die der Disziplinlosigkeit und der sexuell oder gewalttätig aufgeladenen Atmosphäre Herr werden wollten, änderte sich nicht nur das Verhalten der Schüler nach der Einführung von Kleidervorschriften und dem Verbot gewisser Schmuckstücke oder Abzeichen, sondern auch ihre Leistungsbereitschaft. Der Banklehrling nimmt schließlich unseren Überweisungszettel auch nicht im Muskelshirt entgegen. Die junge Krankenschwester trägt vorgeschriebene Kleidung und verliert trotz Uniform ihre Persönlichkeit nicht. Warum also die Schüler?
Die Schule ist die Arbeit der Kinder und keine Strandparty. Dementsprechend sollten die Kids (und im Übrigen auch ihre Lehrer) gekleidet sein. Ob das per Uniform geschieht oder mit Vorgaben wie dunkle Hose, helles Hemd, ist nicht so wichtig. Deutsche Kinder, die in England in die ungewohnten Uniformen schlüpfen mussten, haben den Segen dieser Institution erkannt: Man kann länger schlafen, kein Kleiderstress mehr vor der Schule. Rock, Hemd, Krawatte, Blazer - fertig. Unterm Strich soll auch noch ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl dabei rauskommen - auch das täte unseren Schulen und Schülern nicht schlecht.
Christine Brinck ist Erziehungswissenschaftlerin und freie Journalistin in München.
Artikel erschienen am 18. Jul 2003