It's Friedmann-Time (20.15 HR3)
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 10.12.02 13:54 | ||||
Eröffnet am: | 03.12.02 20:16 | von: villa | Anzahl Beiträge: | 4 |
Neuester Beitrag: | 10.12.02 13:54 | von: villa | Leser gesamt: | 2.064 |
Forum: | Talk | Leser heute: | 1 | |
Bewertet mit: | ||||
Juden und Araber sind Semiten
Antisemitismus wurde 1879 von dem deutschen nationalistischen Journalisten Wilhelm Marr (1819-1904) geprägt, der mit diesem die zeitgenössische antijüdische Propaganda "wissenschaftlich" zu untermauern suchte. In seinem Pamphlet "Der Sieg des Judentums über das Germanentum" (1879) taucht der Begriff erstmals als rassistisch motiviertes Vokabular auf - eingegrenzt auf die Volksgruppe der Juden.
Denn als Semiten werden in der theologischen Literatur alle Nachfahren Sems, des ältesten Sohnes des biblischen Patriarchen und Urvater Noah, bezeichnet. Damit bezog sich dieser Ausdruck auf eine Sprachgruppe von Völkern des Nahen Ostens, zu der Juden und Araber gleichermaßen gehören. In dieser Bedeutung wurde der Begriff Semitismus bis in die 1870er auch in der sozialwissenschaftlichen Literatur verwendet.
Heute dagegen wird er durch den Zusatz "Anti" in der Wissenschaft, im politischen Diskurs und der Umgangssprache als Synonym für Judenfeindlichkeit benutzt. Der Blick in das Lexikon macht aber deutlich, dass der Begriff Anti-Semitismus eigentlich ein Widerspruch in sich ist:
Demnach sind Semiten nämlich eine "(...) Bezeichnung für eine Völkergruppe mit untereinander verwandten Sprachen, die im Wesentlichen zu den Orientaliden gehört". Von Juden ist dabei nicht die Rede.
Wie erklärt sich heute dann aber der Konsens darüber, dass Antisemitismus weiterhin und ausschließlich als Diffamierungsbegriff gegen Juden verstanden wird?
Antwort gibt die rassenmorphologische Argumentation, die Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Darwinismus verbreitet wurde. Sie findet sich in Aufsätzen von völkischen Nationalisten wie Wilhelm Marr oder Adolf Josef Lanz. Dort stand die Vermischung von orientalischer und nordischer Rasse im Mittelpunkt der Diskussion. Es wurde die Gefahr beschworen, dass die als höherwertig gesehenen nordischen Charakteristika durch Mischung beeinträchtigt werden.
Während diese Rassenideologie im Falle arabischer Völker mangels Kontakt theoretisch blieb, waren jüdische Gemeinden in Europa weit verbreitet und schienen somit aus rassenideologischer Sicht eine unmittelbar präsente Gefahr. Die Ressentiments richteten sich also gegen Nachfahren der jüdischen Semiten und nicht gegen arabische Semiten.
Diese historische Unschärfe hat sich bis heute in der Antisemitismus-Debatte verankert.
Benutzt man heute das Wort Antisemitismus, sollte man zumindest die Sprach- und Begriffsverwirrung im Hinterkopf haben. Auch wenn sich daran gemeinhin niemand stört. Der Begriff wird wie selbstverständlich als Pendant für ein Wort benutzt, das die Sache eindeutiger und unmissverständlicher auf den Punkt bringen würde: Judenfeindlichkeit nämlich.