In ewiger Trauer ... wie konnte das nur passieren?
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 28.06.06 12:01 | ||||
Eröffnet am: | 27.06.06 15:48 | von: Der WOLF | Anzahl Beiträge: | 18 |
Neuester Beitrag: | 28.06.06 12:01 | von: Poelsi7 | Leser gesamt: | 7.039 |
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!!! WIR WERDEN WELTMEISTER !!!
Gruß
Einer der 3 von der Tankstelle, entweder Tick, Trick und Track oder ein Teil der gespaltenen Persönlichkeit mit dem Namen "scholluthmin" oder mittlerweile auch Mitglied der Marx-Brothers.
Servus
boersenjunky
-- reich wird man nicht durch das, was man verdient, sondern durch das, was man nicht ausgibt.--
Wir werden Deutschland
Wer die Deutschen sind, wird derzeit heftig diskutiert. Aber: Wer werden sie im Jahr 2020 sein? Wie werden sie leben? Auf Basis einer soziologischen Studie hat der KulturSPIEGEL sich eine schöne neue Welt einer Gesellschaft selbstbestimmter Bürger ausgemalt.
Vielleicht hätte mal jemand Michael Schipperges anrufen sollen. Vielleicht wäre die ganze Diskussion um die Frage, ob wir Deutschen eigentlich Michael Ballack, Florian Langenscheidt oder Kati Witt sind und ob wir uns gut finden sollten, ziemlich abgekürzt worden. Denn Schipperges, 48, hat Antworten. Er ist Soziologe am Heidelberger Marktforschungsinstitut Sinus Sociovision und beschäftigt sich professionell mit der Struktur, der Identität, mit dem Lebensstil und der Modernisierungsbereitschaft unserer Gesellschaft.
Axel Martens
Dass wir uns in einer Umbruchphase befinden, global wie national, dass Arbeit und Arbeitsteilung sich verändern, dass dem industriellen Kapitalismus ein digitaler folgen könnte, dass die Werte sich wandeln oder an Wert gewinnen und dass politisch jetzt oder nie die Weichen gestellt werden müssen, daran besteht kein Zweifel. Nur: Wo geht die Entwicklung hin? Wie wird Deutschland im Jahr 2020 aussehen? Und wer wird dann Deutschland sein?
Die Marktforscher vom Sinus-Institut haben drei Zukunftsszenarien entworfen und Hypothesen aufgestellt, wie diese sich auf die Menschen auswirken. Grundlage der Überlegungen ist die Einteilung der Menschen in sogenannte Milieus. Früher war die Gesellschaft übersichtlicher: Es gab Unterschicht, Mittelschicht, Oberschicht, fertig. Wer wohin gehörte, richtete sich im Wesentlichen nach Herkunft, Bildung, Beruf, Einkommen. Aber mit den politischen Veränderungen durch '68 und die Folgen, mit der Individualisierung der Lebensformen und -stile wurde es schwieriger, die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland einzuteilen.
So bezieht das private Sinus-Institut seit 1979 weiterhin Bildung und Einkommen, aber auch Konsumverhalten, Werte und Lebensstil in seine Untersuchungen ein und teilt die Gesellschaft in Gruppen auf, die die Forscher "Sinus-Milieus" nennen - zehn verschiedene identifizieren sie davon heute in Deutschland, mit so schönen Namen wie "Moderne Performer" oder "Konsum-Materialisten". Die Menschen in jeder Gruppe ähneln sich, so sehr sie sich auch als Individuen fühlen mögen, hinsichtlich ihrer Sozio-Kultur, also in dem, was sie denken, fühlen, wollen, haben und tun. Das Milieu-Modell ist heute ein gängiges Modell in der Sozialforschung, auch wenn Wissenschaftler wie beispielsweise der Soziologe Michael Vester die Milieus anders nennen und auch etwas anders einteilen.
SINUS-MILIEUS 2006 UND 2020
1 - Hyper- Experimentalisten
2 - Etablierte
3 - Postmaterielle
4 - Moderne Performer
5 - Experimentalisten
6 - Bürgerliche Mitte
7 - Traditionsverwurzelte
8 - Hedonisten
9 - Konsum- Materialisten
10 - Konservative
11 - DDR- Nostalgische
Drei Szenarien haben die Heidelberger für das Jahr 2020 entworfen: neoliberal, sozialdemokratisch oder: ganz anders. "Metamorphosis" heißt diese Vision einer sogenannten Zivil- oder Bürgergesellschaft, weil sie den stärksten Wandel annimmt: Der "One World"-Gedanke setzt sich durch, die Menschen arbeiten, um zu leben, nicht andersrum, und sie übernehmen in privater Initiative das, was der Staat nicht mehr leisten kann. Deutschland im Jahr 2020 - das ist also, möglicherweise, ein offeneres, fortschrittlicheres Land selbstbestimmt lebender Bürger.
Doch ist es realistisch, dass wir in einer Gesellschaft leben werden, in der sich die Menschen nicht nur für Wohnung, Home Entertainment und Karriere interessieren, sondern auch für ihr Viertel und für das globale Dorf? Ja, ist es. Der Freizeitforscher Horst Opaschowski diagnostiziert "den radikalsten Wertewandel seit 30 Jahren" und sieht eine "Ära der Verantwortung" kommen - für die Gemeinschaft, die Umwelt, die nächste Generation. Das Sinus-Institut erkennt Anzeichen dafür, "dass wir uns auf einem 'dritten Weg' befinden, der über den scheinbar unüberwindbaren Gegensatz von wirtschaftlicher Liberalisierung und Sozialstaatsbewahrung hinausgeht."
Welche Anzeichen sind das? Mehr Bürger engagieren sich in Stiftungen, sammeln Geld für Museen, um die Kommunen zu unterstützen. 76 Prozent der Unternehmer glauben, dass sie eine größere gesellschaftliche Verantwortung haben als andere Gesellschaftsgruppen. Konsumenten entscheiden sich für Waren, weil sie deren Herstellungsprozess gutheißen. Sie kaufen neuerdings so viele Bio-Produkte, dass Aldi, Plus und Lidl nur mühsam den Nachschub für die Regale beschaffen können. Der Absatz von international fair gehandelten Produkten wie Kaffee oder Kakao unter dem Label "Transfair" stieg 2005 um 40 Prozent.
Im Sociovision-Szenario Metamorphosis "verbinden die Bürger Eigenverantwortung mit Gemeinschaftssinn, integrieren technischen Fortschritt und Nachhaltigkeit und organisie-ren sich und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Wesentlichen selbst". Das Industriezeitalter ist endgültig zu Ende, die Wissensgesellschaft ist da.
Deutschland im Jahr 2020 - das ist, wenn diese Metamorphose stattfindet, eine funktionierende Zivilgesellschaft mit Bürgerinitiativen, Windrädern und Weltmusik, aber ohne den Patschuli-Geruch der siebziger Jahre, mit Hochtechnologie und hohem Bildungsgrad. Ein bisschen Hippie, aber mit viel Hightech. Denn klar ist auch: Das alles funktioniert nur auf der Basis eines gewissen Wohlstands. Andererseits, davon sind die Verfechter der Zivilgesellschaft überzeugt, wird es ohne Veränderungen keinen Wohlstand mehr geben.
Aber wie könnte diese gewandelte Gesellschaft im Jahr 2020 aussehen? Wie werden die Angehörigen der verschiedenen Milieus, wie werden die fortschrittsorientierten Postmaterialisten, Experimentalisten und Modernen Performer einerseits und die Konservativen, Traditionsverwurzelten oder Etablierten andererseits leben? Die Redaktion des KulturSPIEGEL hat das Szenario der Heidelberger Sozialforscher weitergeführt, sich dieses neue Land ausgemalt, seine Bewohner und ihr Leben beschrieben - als Gedankenspiel und als Inspiration, sich ein eigenes Bild zu machen von einer Zivilgesellschaft und ihren Bürgern.
In der Metamorphosis-Gesellschaft ist das soziale Klima wärmer - Miteinander wird wichtiger als Wettbewerb. So, wie die Kinder in den Sechzigern mit dem Wirtschaftswunder-Mythos aufwuchsen und die Generation Golf mit den Geschichten von 1968, erzählen die Eltern und Großeltern ihren Kindern nun von der Love Parade und den legendären Aktionen gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm.
Im Jahr 2020 ist der Alltag der Menschen sehr viel weniger reglementiert. Und wo der Staat sich zurückzieht, da entsteht Raum für die Bürger - zumal sich gut ausgebildete Menschen keinem starren System mehr unterwerfen. Alle Lebensgemeinschaften sind rechtlich gleichgestellt. Die mehr als 100.000 Steuervorschriften wurden durch ein Stufenmodell ersetzt, und man kann durch soziale Arbeit seine Steuerlast mindern.
Die Übergänge von Arbeit zur Rente zum Ehrenamt sind fließender geworden. Die Arbeitslosigkeit ist gesunken, da die Menschen besser qualifiziert sind und Deutschland seinen Status als Exportweltmeister von Hochtechnologie gefestigt hat. Weil Bildung als Grundlage von Innovation und Innovation wiederum als gesellschaftliche Aufgabe verstanden wird, wurde massiv in Schulen und Universitäten investiert - vom Staat, von der Wirtschaft und den Bürgern.
Es gibt genügend Ganztagsschulen, das dreigliedrige Schulsystem wurde durch eine überarbeitete Idee der Gesamtschule ersetzt. Förderstunden für schwache Schüler werden von Elterninitiativen übernommen. Es ist außerdem üblich geworden, dass Eltern sich in der Schule engagieren - in Projektgruppen oder als Botschafter für ihre Berufe. Bei der Pisa-Studie im Jahr 2020 steht Deutschland auf Platz 2.
Bis dahin sind viele kleine Hightech-Firmen entstanden, die mit modernster Umwelttechnologie erfolgreich sind. Auf dem wachsenden Markt der Passivfertighäuser sind deutsche Firmen Marktführer. Fast jeder Hausbesitzer in Deutschland hat ein Windrad im Garten oder Sonnenkollektoren auf dem Dach - ein Erfolg der Kampagnen "Auf-Wind" und "Du hast die Energie", die zwei führende Werbeagenturen in Eigeninitiative durchgeführt haben. Gerade vorgestellt wurde das Drei-Liter-Wasser-Haus, das zu einem Verkaufshit in Kalifornien und Dubai zu werden verspricht.
In der Autoindustrie entfällt ein Drittel der Produktionskosten auf Innovation. Dazu gehört neben Energiesparen und Sicherheit auch das sogenannte Customizing: Die Autos werden den individuellen Wünschen der Kunden angepasst, dazu werden diese in die Produktentwicklung einbezogen. Die Autoindustrie stand unter Druck, seit der Öffentliche Nahverkehr individuell programmierbare Fahrgast-
boxen eingeführt hat, die auf Schienen fast lautlos durch die Städte gleiten. Autobahngebühren und hohe Steuern auf Biodiesel wurden in die Bahn investiert, die nun schnell, pünktlich und günstig fährt.
Kein Unternehmen verzichtet mehr auf die Abteilung Corporate Citizenship, die gemeinnützige lokale, aber auch internationale Projekte fördert. Dass jeder Mitarbeiter zudem eine Woche im Jahr aktive Bürgerarbeit leistet, ist selbstverständlich geworden.
Die Marketingabteilungen beschäftigen sich damit, in ihren Kampagnen ethische Werte der Produkte und der Unternehmen zu betonen. Jedes Jahr wird mit großem Pomp in Berlin der "Ethical Lead Award" vergeben. Kinderarbeit und Umweltskandale gelten als Kassengift. Moral macht sich bezahlt.
Die Konsumentendemokratie ist das Ergebnis eines Prozesses, der langsam und unauffällig anfing, dann aber explodierte: Erst gab es Websites, auf denen Menschenrechtsverletzungen gemeldet werden konnten, oder Kundenrezensionen beim Internet-Buchhändler Amazon, die den Feuilletons die Meinungsführerschaft streitig machten. Dann wurden sich die Konsumenten ihrer Macht bewusst und setzten mit weltweiten Aktionen Unternehmen und Institutionen unter Druck.
Der Forschungszweig der Bioanalyse expandiert; er untersucht, welche Stoffe in Pflanzen welche Krankheiten bekämpfen. Zum Standard gehört die Selbstdiagnostik mittels Speichelprobe am Heimcomputer. Mit Hilfe der regenerativen Medizin können Organe und Zähne nachgezüchtet und eingesetzt werden.
Das Entscheidende ist: Im Jahr 2020 haben die Menschen eine Art kollektives Bewusstsein entwickelt - sie fühlen sich als Teil von etwas, als Teil ihres Landes, ihres Unternehmens (das den Mitarbeitern zwecks Förderung der Kreativität größere Freiräume gibt), ihrer Gruppe. Allerdings spricht man nun vom "Schwarm", in dem Gleichgesinnte sich zusammenfinden. Zukunftsforscher glauben, dass das Modell der Kleinfamilie im Jahr 2050 vom Schwarm, der aus dem selbstgewählten Freundeskreis besteht, endgültig abgelöst sein wird.
gruß Maxp.