Ich denke, also bin ich kein Christ.
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 31.10.06 17:16 | ||||
Eröffnet am: | 31.10.06 14:37 | von: peter33 | Anzahl Beiträge: | 5 |
Neuester Beitrag: | 31.10.06 17:16 | von: brokeboy | Leser gesamt: | 1.484 |
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Unter all den zielstrebig ins Kraut – und leider nicht nur ins Kraut – schießenden Schlagwörtern des Christentums gehört die „christliche Wertegemeinschaft“ zu den kuriosesten Konstrukten. Sie wird denn auch von den Wertegemeinschaftlern selbst selten näher erklärt – schließlich sprechen die schöne ethische Ausstrahlung und das irgendwie vornehm Abstand Gebietende des Begriffs für sich.
Die Crux der Interpretation ist auch nicht der Wertebegriff, sondern dessen ominöses Beiwort. Denn dass es dem Abendland an Werten, Bonitäten hehrster Herkunft, Kulturwerten, Sozialwerten, Personwerten, Vitalwerten etc. nicht mangelte, dafür hat es gesorgt, von der antiken Wertphilosophie über die Experten des Mittelalters bis zu den zahlreichen neuzeitlichen Werttheoretikern, hat es um so mehr gesorgt, als all diese Werte ja immer blutig in die Binsen fuhren. Und zugleich sah sich freilich die theologische Diskussion, zumal gerade in der jüngsten Zeit, außerstande, das „spezifisch Christliche“ zu benennen. War doch von der Geburt des Herrn bis zu seiner Himmelfahrt, vom zentralsten Glaubensinhalt bis zum periphersten Ritual alles „Christliche“, restlos alles, bereits im Judentum, Hellenismus, Buddhismus voll präsent, was im Prinzip sogar prominente Kirchenväter, darunter der größte, Aurelius Augustinus, ausdrücklich bestätigten.
Unmittelbar auf der Spur dagegen ist man unseren Wertegemeinschaftlern in der so genannten Profan- und Heilsgeschichte: angefangen von dem ersten christlichen Monsterverbrecher, dem heiligen Kaiser Konstantin, von den Völkermorden an den Goten, den Wandalen, den Blutbädern der Merowinger, der Auslöschung der Awaren, der Ausrottung des Heidentums, den fast fünfzig menschenmordenden Kampagnen des kanonisierten Starbanditen Karl über die jahrhundertelange „Ostkolonisation“, die Vernichtung der Templer, die Kreuzzüge, die Scheiterhaufen der Inquisition, die „Ketzer“- und Hexenverbrennungen, über die Hugenottenmassaker, die Dezimierung der Schwarzafrikaner, die Ausmerzung der Indianer Mittel-, Süd- und Nordamerikas, über den Dreißigjährigen Krieg, die ewigen Judenjagden bis zu dem in enger Kooperation mit allen heiligen Kirchen geführten Ersten und Zweiten Weltkrieg, der kaum vorstellbar grässlichen Massakrierung von 750 000 orthodoxen Serben durch katholische Kroaten, den Atombombenabwurf Trumans, den mit besonderer Beteiligung Kardinal Spellmans betriebenen Gemetzeln von Vietnam bis zu den frommen Bush-Kriegen am Golf, um nur an einige „Highlights“ der Historie zu erinnern.
„Christliche Wertegemeinschaft“, wie immer auch hinter einem atemverschlagenden Schwall von Phrasen kaschiert, ist in praxi meist nur unersättliche Macht- und Geldsucht, kaltblütige Gier einfach nach Mehr, Mehr, Mehr. Und stets auf Kosten auch der eigenen Menschen, Völker, denen man Fürsorge, Verantwortung vorgaukelt, indem man sie ausbeutet, in Armut, Elend, Untergang treibt, von den christlichen Sklaven- und Bauernmassen des späten Altertums und des langen, langen Mittelalters bis zum Industrieproletariat des 19. Jahrhunderts, ja bis heute. Also noch mal: eine winzige Minorität („Gemeinschaft“!), die sich schamlos bereichert, und eine ungeheuere Majorität, die dabei zugrunde geht: „christliche Wertegemeinschaft“!
Wenn sich jemand dann dem Christentum anschließt, dann sollte er in erster Linie auch wiederum "Mensch" (die Humanität) sein und nicht zum Teufel werden.
Wenn ich in #1 lese "Ich denke, ich bin kein Christ", würde ich vorschlagen das Denken den Pferden zu überlassen, denn die haben größere Köpfe. Es ist egal ob jemand Christ, Moslem, Jude oder Hindu ist. Er muss die Nächstenliebe beachten und zwar bedingungslos. Denn der "Intellekt" steht höher als jede Religion.
„Christliche Wertegemeinschaft“
Atemverschlagender Schwall von Phrasen
Der Autor und Kirchenkritiker Karlheinz Deschner verbindet Geschichts- und Religionskritik (Interview)
KUNST+KULTUR: Was assoziieren Sie, wenn Sie den Begriff „christliche Wertegemeinschaft“ hören?
KARLHEINZ DESCHNER: Unter all den zielstrebig ins Kraut – und leider nicht nur ins Kraut – schießenden Schlagwörtern des Christentums gehört die „christliche Wertegemeinschaft“ zu den kuriosesten Konstrukten. Sie wird denn auch von den Wertegemeinschaftlern selbst selten näher erklärt – schließlich sprechen die schöne ethische Ausstrahlung und das irgendwie vornehm Abstand Gebietende des Begriffs für sich.
Die Crux der Interpretation ist auch nicht der Wertebegriff, sondern dessen ominöses Beiwort. Denn dass es dem Abendland an Werten, Bonitäten hehrster Herkunft, Kulturwerten, Sozialwerten, Personwerten, Vitalwerten etc. nicht mangelte, dafür hat es gesorgt, von der antiken Wertphilosophie über die Experten des Mittelalters bis zu den zahlreichen neuzeitlichen Werttheoretikern, hat es um so mehr gesorgt, als all diese Werte ja immer blutig in die Binsen fuhren. Und zugleich sah sich freilich die theologische Diskussion, zumal gerade in der jüngsten Zeit, außerstande, das „spezifisch Christliche“ zu benennen. War doch von der Geburt des Herrn bis zu seiner Himmelfahrt, vom zentralsten Glaubensinhalt bis zum periphersten Ritual alles „Christliche“, restlos alles, bereits im Judentum, Hellenismus, Buddhismus voll präsent, was im Prinzip sogar prominente Kirchenväter, darunter der größte, Aurelius Augustinus, ausdrücklich bestätigten.
Unmittelbar auf der Spur dagegen ist man unseren Wertegemeinschaftlern in der so genannten Profan- und Heilsgeschichte: angefangen von dem ersten christlichen Monsterverbrecher, dem heiligen Kaiser Konstantin, von den Völkermorden an den Goten, den Wandalen, den Blutbädern der Merowinger, der Auslöschung der Awaren, der Ausrottung des Heidentums, den fast fünfzig menschenmordenden Kampagnen des kanonisierten Starbanditen Karl über die jahrhundertelange „Ostkolonisation“, die Vernichtung der Templer, die Kreuzzüge, die Scheiterhaufen der Inquisition, die „Ketzer“- und Hexenverbrennungen, über die Hugenottenmassaker, die Dezimierung der Schwarzafrikaner, die Ausmerzung der Indianer Mittel-, Süd- und Nordamerikas, über den Dreißigjährigen Krieg, die ewigen Judenjagden bis zu dem in enger Kooperation mit allen heiligen Kirchen geführten Ersten und Zweiten Weltkrieg, der kaum vorstellbar grässlichen Massakrierung von 750 000 orthodoxen Serben durch katholische Kroaten, den Atombombenabwurf Trumans, den mit besonderer Beteiligung Kardinal Spellmans betriebenen Gemetzeln von Vietnam bis zu den frommen Bush-Kriegen am Golf, um nur an einige „Highlights“ der Historie zu erinnern.
„Christliche Wertegemeinschaft“, wie immer auch hinter einem atemverschlagenden Schwall von Phrasen kaschiert, ist in praxi meist nur unersättliche Macht- und Geldsucht, kaltblütige Gier einfach nach Mehr, Mehr, Mehr. Und stets auf Kosten auch der eigenen Menschen, Völker, denen man Fürsorge, Verantwortung vorgaukelt, indem man sie ausbeutet, in Armut, Elend, Untergang treibt, von den christlichen Sklaven- und Bauernmassen des späten Altertums und des langen, langen Mittelalters bis zum Industrieproletariat des 19. Jahrhunderts, ja bis heute. Also noch mal: eine winzige Minorität („Gemeinschaft“!), die sich schamlos bereichert, und eine ungeheuere Majorität, die dabei zugrunde geht: „christliche Wertegemeinschaft“!
K+K: CDU-Politiker wie Werner Lensing behaupten, die Kirchen und die „christliche Wertegemeinschaft“ seien unverzichtbare „normativ stabilisierende Kräfte“ auch für die säkularisierte Gesellschaft. „Ohne den Einfluss der Kirchen“, so das MdB gegenüber dem „Rheinischen Merkur“, „wäre es weder zur Entwicklung des Sozialstaates noch zur Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen.“
DESCHNER: Natürlich „stabilisieren“ Kirchen und „christliche Wertegemeinschaft“. Fragt sich nur, was sie stabilisieren! Und für wen! Doch zur „Entwicklung des Sozialstaats“ ist es nicht durch die Kirchen gekommen, eine Propagandalüge skandalösester Art, sondern – verschwindende Ausnahmen beiseite – im ständigen Kampf gegen sie. Denn wahr ist, dass alle sozialen Erleichterungen der Neuzeit nicht durch die Kirche, sondern gegen sie geschaffen wurden. Dass die Menschheit fast alle humaneren Formen und Gesetze des Zusammenlebens verantwortungsbewussten außerkirchlichen Kräften verdankt. Dass die Kirche, was kein Gegner des Christentums, sondern der bedeutende protestantische Theologe Martin Dibelius schreibt, stets die „Leibwache von Despotismus und Kapitalismus“ gewesen ist. „Darum waren alle“, wie der christliche Gelehrte bekennt, „die eine Verbesserung der Zustände dieser Welt wünschten, genötigt, gegen das Christentum zu kämpfen.“
Und natürlich ging es den westlichen Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht um „Versöhnung“, jedenfalls nicht mit dem Osten, sondern um seine Niederringung; dabei hätte die Kubakrise fast zum dritten Weltkrieg geführt.
K+K: Spätestens seit dem 11. September wird in der westlichen Welt mit Verweis auf die Notwendigkeit der Verteidigung des christlichen Kulturerbes, das mit Zivilisation, Humanität, Demokratie, Emanzipation identifiziert wird – also Werte, die eigentlich gar nicht christlicher Provenienz, sondern Derivate der historischen Aufklärung sind –, wieder zunehmend die Abgrenzung zur islamischen Kultur gefordert, die auf Kopftuch, Antisemitismus und bluttriefendes Schwert des Jihad reduziert wird. Wie erklären Sie sich diese neu erwachte Sehnsucht nach der monokulturellen westlich-christlichen Gesellschaft?
DESCHNER: Ist das nur Abgrenzung? Oder schon mehr? Aggressive Staaten brauchen Gegner, suchen Gegner, schaffen sie. Ein Prinzip gewiss nicht nur der „christlichen Wertegemeinschaft“, wenn auch ihr vielleicht besonders gemäß. Gegenspieler, Erbfeinde, Glaubensfeinde, Gottesfeinde, kurz „Böse“ sind unerlässlich in einer ewig brutal konkurrierenden Gesellschaft, unerlässlich um Krieg machen, um Ressourcen gewinnen zu können, begehrte Territorien, strategisch wichtige Basen, Höchstprofite der Rüstungsindustrie. Die Religion, Christentum, Islam, das ist, wer wüsste es nicht, zumal auf christlicher Seite, allenfalls zweitrangig, ein Vorwand. „Mit Gott“ kämpft es sich an allen Fronten immer etwas leichter, mit besserem Gewissen – unter Hitler, der seine Bewegung „tatsächlich christlich“ genannt, sich ausdrücklich zum „Werk des Herrn“ bekannt und ihn im Krieg auch angerufen hat; unter Stalin, der sogar katholische Feldpfaffen zuließ für sein polnisches Kontingent; unter den vielen frommen US-Präsidenten. Jetzt rückt gerade „der Moslem“ ins Visier. Aber er ist austauschbar, bei passender Gelegenheit wird ihm ein anderer folgen, „der Russe“ etwa, „der Chinese“ oder was immer die weltpolitische Konstellation hergibt.
K+K: Kritiker dieser Tendenz analysieren die wachsende Islamfeindschaft in der westlichen Welt als neue Spielart des Rassismus. Der türkische Schriftsteller Zafer Senocak behauptet sogar, dass die „Muster des antisemitischen Diskurses heute nicht mehr auf Juden, sondern auf die Muslime angewandt werden: Dunkelhäutige Menschen aus einer fernen, finsteren Zeit bedrohen das weiße, aufgeklärte Europa“.
DESCHNER: Auch Rasse ist nur ein Versatzstück wie Religion.
K+K: Seit den neunziger Jahren zeichnet sich sogar in der deutschen Linken eine Regression in die konservativ-christlich-westlichen Wertegemeinschaft ab. So behauptete beispielsweise die linke Wochenzeitung „Jungle World“, der Satz „Zivilisation oder Barbarei“ sei „in den Besitz von George W. Bush übergegangen“. Wie erklären Sie sich diesen Paradigmawechsel?
DESCHNER: Paradigmawechsel? Man kriecht dem augenblicklich Stärksten in den Hintern – und sieht entsprechend beschissen aus.
K+K: Karl Marx schrieb, die Kritik der Religion sei der Anfang aller Kritik?
DESCHNER: Der Satz des von mir (der ich nie Marxist war) hochgeschätzten Karl Marx hat mir immer gewisse Schwierigkeiten gemacht, deren Erklärung hier zu weit führen würde. Vielleicht aber ließe sich das Marx-Zitat ergänzen: Keine gründliche Geschichtskritik ohne Religionskritik, denn beide sind nur zwei Seiten derselben Medaille.
Das Gespräch führte Susann Witt-Stahl
Quelle: Kunst + Kultur, Kulturpolitische Zeitschrift (Herausgeber: ver.di), Nr. 3/05, http://www.kunstundkultur-online.de
meine meinung: zieht euch ganz warm an, denn eure welt hat schon begonnen - ein kleiner einblick anbei:
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,445375,00.html