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Eröffnet am: | 06.12.00 17:44 | von: woolie | Anzahl Beiträge: | 1 |
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Böse Überraschung
Mit Netzen aus Minisendern sind Start-up-Firmen und Universitäten dabei, den Handy-Konzernen das UMTS-Geschäft zu verderben
BERLIN, 1. Dezember. Professor Djanshid Tavangarian wirkt nicht gerade wie ein Revolutionär: Dunkler Anzug, weißes Hemd, gepunktete Krawatte - der aus dem Iran stammende Wissenschaftler sieht so aus, wie man es vom Lehrbeauftragten einer Hochschule erwartet. Wenn Tavangarian jedoch zu Hause am Fachbereich Informatik der Universität Rostock mit seinem tragbaren Computer drahtlos im Internet surft, geraten selbst ausgebuffte Vertreter der New Economy aus dem Häuschen: Mit bis zu elf Millionen Impulsen pro Sekunde (Megabit), 172-mal schneller als mit einem herkömmlichen ISDN-Kanal, schaufelt der Professor riesige Dateien vom Uni-Rechner auf sein Notebook oder kann am nächsten Tisch eine Videokonferenz abhalten.
Revolution im Mobilfunksektor Der Professor gehört zu jenen Pionieren, die für eine böse Überraschung bei den Mobilfunkkonzernen sorgen werden: Überall in Europa und Nordamerika knüpfen Start-up-Firmen und Technik-Freaks Netze extrem leistungsfähiger Kleinstsender. Sie dürften im Mobilfunk eine ähnliche technologische Revolution auslösen wie einst das Internet im Datenverkehr: Neben den großen geschlossenen Systemen von T-Mobile oder Vodafone könnte bald ein offenes, anarchisch wachsendes Netzwerk vieler kleiner Anbieter stehen, das bereits heute fünfmal so leistungsfähig ist wie die künftigen UMTS-Netze. Angeschoben wurde der Trend vom Computerhersteller Apple. Als erster großer Hardware-Konzern brachte das Unternehmen 1999 eine Sende- und Empfangsstation auf den Markt, die den Kabelsalat in Büros mit mehreren PCs und Druckern beseitigt. Der "Airport" getaufte Sendeempfänger basiert auf dem offenen drahtlosen Lokalen Netzwerk-Standard 802. 11b (WLAN). Die Kundschaft war begeistert. Die Technologie sorgt nicht nur für extrem schnelle Datenübertragungsraten, sie ist auch preiswert. Knapp 700 Mark (358 Euro) kostet die Basisstation. Funk-Steckkarten für Notebooks brachte bald auch die Konkurrenz billig auf den Markt. Zudem ist der Betrieb der Mininetze lizenzfrei. Wie beim CB-Funk kann sich jeder den Datenfunk zu Hause installieren.
All das wusste Tavangarian. Dabei wollte er ein typisches Problem deutscher Universitäten lösen: Für Rostocks Studenten gab es zu wenige PC-Arbeitsplätze. Mit 350 000 Mark vor allem aus dem Etat des Bundesforschungsministeriums verkabelten Tavangarians Studenten binnen sechs Monaten fast das gesamte Uni-Gelände mit 150 Funkbasisstationen. Bis zu 1 500 Studenten, schätzt Tavangarian, loggen sich bald aus der Bibliothek oder von nahen Cafés aus drahtlos mit ihrem Notebook in den Uni-Rechner ein. Der Service ist kostenlos. Die Studenten dürfen so lange im Internet surfen, wie sie möchten. Nur die nötige Funkkarte für den Rechner kostet einmalig 350 Mark.
In den USA versuchen die ersten Netzanbieter, aus der Technik Kapital zu schlagen. So sind Firmen wie Wayport und Aerzone dabei, in ganz Nordamerika Flughäfen, Hotels und Einkaufszentren mit WLAN-Stationen zu vernetzen. "Unser trojanisches Pferdchen sind die Fluggesellschaften", verrät der Münchner Aerzone-Repräsentant Jürgen Vollmer. Mit den US-Fluglinien Delta und United Airlines hat Aerzone 15-Jahres-Verträge geschlossen. Während sich Aerzone verpflichtete, für die Business-Flieger drahtlose Zugänge zum Internet und Bürocenter in den Flughäfen ein zu richten, hätten die Airlines zugesagt, "hundertausende Abonnenten" anzuwerben, sagt Vollmer. In Europa hat Aerzone gerade den Service auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol eröffnet; London-Heathrow, Frankfurt am Main und Charles de Gaulle in Paris sollen folgen. "In UMTS Geld zu investieren, ist schon sehr mutig", sagt Vollmer. Bis zum Start der UMTS-Netze 2002 will Aerzone viele der an mobilen Internetzugängen interessierten Geschäftsleute längst ins eigene Netz gebracht haben.
Impulse fürs WLAN-Geschäft könnte auch Spectralink bringen. Die US-Firma verkauft Handys, mit denen Telefonate im Internet-Übertragungsstandard IP geführt werden können. Zwar dämpft Bernd Dobkowitz vom Spectralink-Vertriebspartner Artem in Ulm Erwartungen, dass bald Millionen Menschen mit Internet-Handys herumlaufen: "Es gibt noch keine einheitliche internationale Norm für solche Geräte. " Doch dass "Betreiber von Mobilnetzen" für Internet-Telefonie "auf den Plan treten" werden, erwartet die Unternehmensberatung Frost & Sullivan.
Bald 41 Universitäten vernetzt Auch weitere Hindernisse scheinen überwindbar. Bisher können Nutzer sich nur an wenigen Orten in WLAN-Netze einloggen. Zudem gibt es unterschiedliche Netzanbieter, die jeweils eigene Zugangscodes ausgeben. Zumindest für hunderttausende Studenten wird das wohl anders: Beeindruckt vom Rostocker Uni-Netz, hat das Bundesforschungsministerium ein WLAN-Förderprogramm aufgelegt. 41 Hochschulen, darunter die Freie, die Technische sowie die Humboldt-Universität in Berlin, bauen Minimobilfunk-Netze auf. "Damit steht Deutschland international an der Spitze", freut sich Tavangarian, der die Koordination der Projekte übernommen hat. Der Professor will, dass alle Uni-Netze auch Studierenden von anderen Hochschulen offen stehen.
Aus Minimobilfunk-Techniken lassen sich sogar nationale Netze stricken. Die US-Firma Metricom stattet Straßenlaternen mit Funkstationen aus, über die in US-Großstädten Daten in doppelter ISDN-Geschwindigkeit versandt werden. "Ein flächendeckender Ausbau kostet 50 Pfennig bis eine Mark pro Quadratmeter", hat Tavangarian ausgerechnet. Damit dürfte ein deutschlandweites WLAN-Netz deutlich weniger kosten wie eine der 16,6 Milliarden Mark teuren UMTS-Lizenzen.
SCHNELLES NETZ // Mobilfunknetze und drahtlose lokale Netzwerke (Wireless Local Area Network/WLAN) wurden für unterschiedliche Zwecke geschaffen: Während Handys vor allem für Telefonate überall im Land gebaut wurden, werden WLAN bisher zur drahtlosen Zusammenschaltung von Computern in Firmen benutzt.
Jetzt verwischen diese Grenzen jedoch. Die Handy-Netzbetreiber wollen bei dem 2002 startenden UMTS-Multimedia-Mobilfunk ihr Geld vor allem mit der Datenübertragung von Internet-Seiten, Bildern und Videosequenzen verdienen. Andererseits werden immer mehr WLAN-Netze aufgebaut, über die auch schon telefoniert werden kann.
Bei der Übertragungsgeschwindigkeit ist WLAN im Vorteil. Mit bis zu elf Megabit pro Sekunde sind die Minimobilfunk-Netze 1 146-mal schneller als die derzeitigen GSM-Handys. Wenn UMTS im Jahr 2002 mit zwei Megabit Geschwindigkeit auf den Markt kommt, wird WLAN 54 Megabit übertragen können.
Infos zum WLAN-Programm an den Universitäten und zu Endgeräten unter: http://wiss. uni- rostock. de BERLINER ZEITUNG/GERD ENGELSMANN Der Rostocker Professor Djanshid Tavangarian will Studenten drahtlos im Internet surfen lassen.