Eon macht das Licht aus
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Eröffnet am: | 05.11.06 18:15 | von: permanent | Anzahl Beiträge: | 9 |
Neuester Beitrag: | 06.11.06 16:56 | von: harcoon | Leser gesamt: | 2.122 |
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Stromausfall in Westeuropa
E.on macht das Licht aus
Nach mehreren Pannen im deutschen Stromnetz sind am Samstagabend in Millionen Haushalten in Westeuropa die Lichter ausgegangen. In Deutschland saßen weit über eine Million Menschen in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen im Dunkeln.
In Frankreich hatten fünf Millionen Bürger keinen Strom. Der Energieausfall dauerte meist nicht länger als eine Stunde, legte aber in Deutschland und Belgien den Zugverkehr streckenweise lahm.
Eine der Ursachen für den Blackout könnte die geplante Durchfahrt des Kreuzfahrtschiffes "Norwegian Pearl" auf der Ems unter einer abgeschalteten Starkstromleitung gewesen sein, sagte ein E.on-Sprecher. Das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium behauptete, eine Panne bei der Einspeisung von Strom aus Windkraft ins Netz habe den Stromausfall mit verursacht.
Scharfe Kritik an Versorgern
Die Bundesregierung griff die Energieversorger scharf an. Die Versorger müssten ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen und ein leistungsfähiges Stromnetz gewährleisten, sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin. "Sie müssen ihre hohen Gewinne maßgeblich für Investitionen in das Stromnetz einsetzen." Alte Hochspannungsleitungen müssten schnellstens saniert und neue Trassen gebaut werden.
"Ich erwarte von E.on eine rückhaltlose Aufklärung des Vorfalls und seiner Ursachen", erklärte Wirtschaftsminister Michael Glos. "Stromausfälle der jetzt vorgefallenen Art sind nicht nur für die Menschen ein Ärgernis, sondern stellen für die Wirtschaft ein erhebliches Risiko dar." Die Bundesregierung bemüht sich seit einiger Zeit um mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt. In Deutschland dominieren vier große Stromkonzerne den Markt.
Experten fordern seit Jahren einen Ausbau der Leitungen und Verteilernetze. "Ohne diese Investitionen", warnte die Europäische Kommission bereits im Dezember 2003, "und bei Fortdauer der gegenwärtigen Nachfragesteigerung und Belastung des Netzes entsteht ein immer größeres Risiko von Versorgungsunterbrechungen". E.on ist mit einem Umsatz von 56 Milliarden Euro der größte private Strom- und Gasversorger in Europa.
Zehn Millionen Europäer betroffen
Etwa zehn Millionen Europäer seien von der Panne betroffen gewesen, sagte der Präsident des französischen Stromzulieferers RTE, André Merlin, am Sonntag in Paris. Über Schäden wurde zunächst nichts bekannt. Dank der späten Stunde am Samstag blieb ein Verkehrschaos aus. Laut E.on fiel der Strom im E.on-Netz um 22.10 Uhr aus und wurde spätestens um 22.48 Uhr wieder angeschaltet. In einer E-Mail aus dem Rheinland an n-tv.de berichtet ein Leser allerdings, die Lichter in Frechen bei Köln seien erst um 23.39 Uhr wieder angegangen. In einer weiteren Mail aus Bayern teilt eine Leserin mit, der Stromausfall habe bis 23.15 Uhr gedauert.
"Eine halbe Stunde vor dem Netzausfall wurde eine Höchstspannungsleitung über der Ems nördlich von Papenburg ausgeschaltet, um ein Schiff passieren zu lassen", sagte der Sprecher der E.on Netz, Christian Schneller. "Hier kann es möglicherweise einen Zusammenhang geben. Es erklärt den Vorgang aber nicht. Es muss noch andere Ursachen geben."
Für große Schiffe sei es zu riskant, unter einer nicht abgeschalteten Hochspannungsleitung durchzufahren, sagte ein Sprecher der Meyer-Werft in Papenburg. Die Überfahrt des Luxuskreuzers aus der Meyer Werft fiel jedoch ins Wasser, da E.on die Leitung wegen extremer Stromschwankungen später nicht erneut abschalten konnte.
Windkraft-Spekulationen aus NRW
Ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums sagte, je nach Menge des zugeführten Windkraft-Stroms müsse der Anteil von Strom anderer Energieträger angepasst werden. Am Samstag habe es eine erhöhte Einspeisung von Windkraft-Strom gegeben, im Gegenzug sei vermutlich die übrige Strommenge nicht ausreichend reduziert worden.
Belgische und französische Netzbetreiber hatten schon am Sonntagmorgen eine Panne im deutschen Stromnetz für die Ausfälle verantwortlich gemacht. "Um 21.30 Uhr wurde dort eine Hochspannungsleitung von 400.000 Volt ausgeschaltet", sagte Erik De Leye, Sprecher des belgischen Netzbetreibers Elia am Sonntag. "Um 22.10 Uhr geriet dadurch eine andere Hochspannungsleitung unter Überlast mit einem Dominoeffekt für die umliegenden Länder."
Über 100 Züge betroffen
Der Stromausfall betraf nach Bahnangaben über 100 Züge mit mehr als 1.000 Fahrgästen. "Die Auswirkungen waren aber in ganz Deutschland deutlich zu spüren", sagte Bahn-Sprecher Achim Strauß in Berlin. Züge hätten bis zu zwei Stunden Verspätung gehabt. Der Zeitpunkt des Stromausfalls am Samstagabend hat die Industrie wahrscheinlich vor größeren Schäden bewahrt. "Der Gesamtschaden, der entstanden sein könnte, ist vermutlich gering", sagte der Geschäftsführer des Verbands der industriellen Kraftwirtschaft (VIK), Alfred Richmann.
"Größte Panne seit 30 Jahren"
In Frankreich traf der Blackout vor allem den Norden und einige Stadtteile von Paris. Französische Medien sprachen von der "größten Strompanne seit fast 30 Jahren". In Belgien kam der Zugverkehr bei Antwerpen zum Erliegen. In Italien waren mehr als hunderttausend Menschen betroffen, vor allem in Turin und Umgebung. Aber auch im Süden des Landes waren die Folgen des Stromausfalls zu spüren.
Auch in einigen Teilen Spaniens kam es zu Energieengpässen. Dort waren Kraftwerke automatisch abgeschaltet worden. Die Verbindung von Spanien nach Marokko sei zum Schutz der dortigen Anlagen abgestellt worden. In Niederösterreich waren nach offiziellen Angaben 2.000 Haushalte 13 Minuten ohne Elektrizität
HANDELSBLATT, Sonntag, 5. November 2006, 16:16 Uhr |
Ursachenforschung nach StromausfallJetzt soll die Windkraft Schuld seinEine Panne bei der Einspeisung von Strom aus Windkraft ins Netz könnte nach Darstellung des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums den großen Stromausfall mit verursacht haben.HB DÜSSELDORF. Je nach der Menge des zugeführten Windkraft-Stroms müsse der Anteil von Strom aus anderen Energieträgern entsprechend angepasst werden, sagte ein Ministeriumssprecher am Sonntag in Düsseldorf. Am Samstag habe es eine erhöhte Einspeisung von Windkraft-Strom gegeben, im Gegenzug sei vermutlich die übrige Strommenge nicht ausreichend reduziert worden. „Bei diesem Umstellen ist möglicherweise ein Fehler passiert“, sagte der Sprecher. Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) habe eine „umfassende“ Untersuchung der Hintergründe des Stromausfalls angeordnet. Die NRW- Energieaufsicht stehe mit den Energieunternehmen in Kontakt. |
HANDELSBLATT, Sonntag, 5. November 2006, 17:37 Uhr |
Europas StromnetzFachleute warnen seit Jahren vor Mega-PanneFür Experten kommt die Mega-Panne im europäischen Stromnetz vom Samstag keineswegs überraschend. Sie fordern seit Jahren einen Ausbau der Leitungen und Verteilernetze.HBBRÜSSEL. „Ohne diese Investitionen“, warnte die Europäische Kommission bereits im Dezember 2003, „und bei Fortdauer der gegenwärtigen Nachfragesteigerung und Belastung des Netzes entsteht ein immer größeres Risiko von Versorgungsunterbrechungen.“ Anlass für die Warnung aus Brüssel war der Rekord-Blackout in den USA vom Sommer 2003, dem Stromausfälle in London und Skandinavien und kurz darauf in ganz Italien folgten. Zwar dürfte das europäische Elektrizitätssystem „nicht den gleichen Umfang an systemimmanenten Schwächen aufweisen wie das der Vereinigten Staaten“, analysierte die Kommission daraufhin. Aber wie in den USA sei auch in Italien mangelnde Koordinierung ein „ausschlaggebender Faktor“ gewesen. Die EU-Staaten hätten sich „eher sporadisch und unsystematisch“ mit diesen Fragen beschäftigt, kritisierte die Brüsseler Behörde in ihrer Mitteilung zu „Energieinfrastruktur und Versorgungssicherheit“ seinerzeit: „Wenn keine weiteren Maßnahmen erfolgen, können die bereits aufgetretenen Problem in der Europäischen Union zunehmen.“ Zwei Jahre später war es wieder soweit: Ende November 2005 fiel für 250 000 Menschen im Münsterland tagelang der Strom aus. Schuld war nach Darstellung der Stromwirtschaft das extrem kalte und windige Wetter, nicht das teilweise antiquierte Leitungsnetz. Dennoch kündigte die Branche umgehend an, sie wolle das Stromnetz bis zum Jahr 2020 für rund 40 Mrd. Euro modernisieren. Schon im Mai 2006 verbreitete der Verband der Netzbetreiber (VDN) wieder positive Nachrichten: Deutschlands Stromnetz sei das zuverlässigste in Europa, hieß es. Durchschnittlich seien Stromausfälle mit 23 Minuten pro Kunde und Jahr kürzer als in den Nachbarländern oder den USA. Der VDN berichtete auch, dass der Energieverbrauch in Deutschland jährlich um etwa ein Prozent wachse. Wachsender Stromhunger könne aber „Ungleichgewichte bei Angebot und Nachfrage“ bewirken, warnte die EU-Kommission. Demgegenüber könnten „bereits relativ einfache Maßnahmen zur Vermeidung unnötigen Energieverbrauchs“ die Versorgung absichern. Das sei billiger als zusätzliche Stromproduktion und „ohne Abstriche beim Komfort oder beim Lebensstandard möglich“. <!-- ISI_LISTEN_STOP --> |
Also windig genug war es die letzten Tage, da ist doch das Argument über veraltete Stromnetze schon eher wahr. Ich vermute mal auf Grund der Aktionärsstruktur das ein Großteil der Gewinne der Stromversorger ins Ausland geht. Gewinne sollten mehr für Investionen eingesetzt werden, es muss die Dividende ja nicht jedes Jahr erhöht werden. Aber was interessiert die Fondsmanager die Zukunft. Wenn Probleme abzusehen sind werden einfach die Aktien verkauft, der deutsche Steuerzahler wird bei Firmenproblemen von Energieunternehmen schon einspringen, denn ohne Strom geht es ja nicht.
Energie
Kommentar: Und dann wurde es dunkel über Europa
Die großen Energiekonzerne haben mit einem eher risikolosen Geschäft bisher prächtig verdient, nun können sie nicht mit Nachsicht rechnen.
Von Daniel Wetzel
Die großen Energiekonzerne haben mit einem eher risikolosen Geschäft bisher prächtig verdient: Die Durchleitungsgebühren im Strom- und Gasnetz brachten Betreibern wie E.on, RWE, Vattenfall und EnBW bislang monopolartige Gewinne, die zum Teil 30 Prozent des Umsatzes erreichen konnten: Von Renditen dieser Art können andere Branchen nur träumen. Da ist es verständlich, dass die Konzerne nicht mit Nachsicht rechnen dürfen, wenn das Stromnetz wegen einer Panne zeitweilig zusammenbricht und sich der "Blackout" kaskadenartig über halb Europa verbreitet.
Andererseits ist es heuchlerisch, wie eilfertig deutsche Politiker wegen des Stromausfalls vom Sonntag auf die Stromkonzerne einschlagen. Denn dieselben Politiker tragen oft eine erhebliche Mitschuld. So war es die rot-grüne Umweltpolitik, die dafür sorgte, dass ein großer Teil der Kraftwerkskapazitäten heute in Form von Windrädern in Norddeutschland steht, und damit weit weg von den Städten und industriellen Verbrauchszentren im Süden. Der Netzausbau konnte mit dieser Verlagerung des Schwerpunktes der deutschen Stromerzeugung nicht mithalten.
Länder, Landkreise und Kommunen wollen zwar Strom, aber keine neuen Hochspannungsmasten vor der Haustür - und verzögern deshalb die Bauanträge der Energiekonzerne vielerorts seit mehr als zehn Jahren. Auch war es die Politik, die aus Wettbewerbsgründen darauf drängte, mehr grenzüberschreitende Stromleitungen zu bauen. Dass es jetzt genau diese Grenzübergänge sind, über die sich ein sonst lokal begrenzbarer Stromausfall europaweit ausbreitet, ist Folge einer politischen Entscheidung, zu der sich leider keiner der herrschenden Populisten bekennen mag.
Artikel erschienen am 06.11.2006
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