Einflüsterer
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Eröffnet am: | 13.05.06 08:26 | von: flamingoe | Anzahl Beiträge: | 4 |
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Einflüsterer
Bluff à la mode: Ein Buch erzürnt die Beraterbranche
11. Mai 2006
"Herr Wulff muß gleich gehen", sagte der Moderator schon nach einer halben Stunde, und das erklärte einiges. Etwa, warum der niedersächsische Ministerpräsident auch lange Sätze in drei Silben hervorzupressen versuchte und sich während der gesamten Veranstaltung anhörte wie ein falsch getakteter Sprachcomputer. Aber es erklärte nicht alles. Im Lesesaal der Akademie der Künste mit seiner Glasfront zum Pariser Platz wurde am gestrigen Mittwoch ein düsteres Buch vorgestellt: "Beraten und verkauft: McKinsey & Co. - der große Bluff der Unternehmensberater". Der Autor ist der SWR-Journalist und Gründer des Netzwerks Recherche, Thomas Leif.
Seit Jahren hat sich Leif darauf spezialisiert, Grauzonen der Demokratie einen Besuch abzustatten. Dabei durfte er sich mit Gegnern jeder Größenordnung herumschlagen, sogar mit Franz-Josef Wagner hat er sich beschäftigt, der Mann ist also Kummer gewohnt. Doch die Arbeit an diesem Buch hat ihn vor ganz neue Probleme gestellt: Von sechzig angesprochenen Beratern wollte sich nur ein Bruchteil mit ihm zu einem Gespräch treffen, und alle, die sich mit ihm trafen, hatten Angst, in dem Buch zitiert zu werden. Mehr noch: Als die Arbeit voranschritt, wuchs der Druck auf Autor und Verlag, vorab die Fahnen herauszurücken.
Leif empört sich darüber, daß etwa der Chef von McKinsey Deutschland in langen Zeitungsartikeln seine Gesellschaftsvisionen entwirft, zugleich aber der Öffentlichkeit einen angemessenen Einblick in seine Arbeitsweise verweigert. Die Beraterbranche sei "wesentlich schwieriger zu beschreiben als die Geheimdienste", sie sei "wie das Opus Dei". Dennoch ist es Leif gelungen, ein eindrucksvolles, materialreiches Dokument der Hybris der Consultants vorzulegen - und damit auch der Ratlosigkeit der sie beauftragenden Politiker.
Und das war irgendwie auch ein Problem für Christian Wulff, denn er ist - wie er zum Schluß emphatisch, aber etwas unmotiviert in den Saal rief, "ein Freund der Beraterinnen und Berater!" Wulff hatte sich einst in einer berühmt gewordenen "Christiansen"-Runde mit Roland Berger angelegt und gilt seitdem als Kritiker der Consultants. Gestern verwandte er einige Mühe darauf, diesen Eindruck zu relativieren. Das führte zu Sätzen wie folgendem, ausgesprochen als ein einzigesWort: "IchbegrüßediesesBuchalsBeitragzurDiskussionauchwennichnichtalleFa ktenimeizelnennachprüfenkann."
Und überhaupt: Ohne Berater könne Politik heute gar nicht mehr "die komplexe und differenzierte Gesellschaft" durchdringen. Aufgaben wie der Verkauf der Spielbanken oder die Privatisierung der Unikliniken seien ohne Consultants nicht zu machen. Beim Stichwort McKinsey wandte er sich direkt an den Autor: "Herr Kluge hat mir gesagt: Ja, wenn der Leif mich nur einmal angerufen hätte. Sie müssen doch auch mit dem Mann reden!" Jürgen Kluge ist der Deutschland-Chef von McKinsey. Als Antwort hob Leif das Buch in die Höhe und sagte: "Die McKinsey-Absage steht auf Seite siebenundsechzig!" Dann klingelte ein Mobiltelefon, der Benutzer vermochte es nicht abzuschalten, und Wulff fiel der Spruch ein: "Sie können es auch in einen Eimer Wasser legen, dann hört es auf." Da schien es, als müsse er einen Lachanfall über seinen eigenen Witz unterdrücken.
Die komplexen Gefühle des niedersächsischen Ministerpräsidenten mußten den eigentlichen Star der Veranstaltung allerdings nicht übermäßig kümmern: Martin Frank ist Präsident des Landesrechnungshofes Baden-Württemberg und begegnet der teuren Vorliebe der Verwaltung für Berater mit professioneller Skepsis. Er berichtet von Aufträgen ohne Ausschreibung, Gutachten ohne Bedarf und Projekten ohne Relevanz. In vierundneunzig Prozent der Fälle laute die Begründung für die Auftragsvergabe, der Landesverwaltung fehlten die entsprechenden Personalmittel oder die Kompetenz für die Evaluierung eines Sachverhalts, berichtete er entgeistert über die Selbsteinschätzung seiner Beamtenkollegen. In der Heimat Hegels! - hätte man rufen wollen.
Viele Fragen bleiben einer genaueren Lektüre vorbehalten: Ist es nun schlimmer, daß die Gutachten für teures Geld den Job von Politikern und Beamten erledigen - und diese zugleich von der Verantwortung befreien - oder daß ihr Rat so wenig taugt? Ist der Skandal die Sprache, das sektenhafte Operieren im verborgenen, der Dresscode, das Aufschneiderische? Oder die unüberblickbare Verflechtung zwischen der politischen Praxis und den anonymen Ratgebern? Auf jeden Fall ist das heftige öffentliche Interesse an dem Thema kein gutes Zeichen für die Regierung, denn die Erregung über tatsächliche oder vermutete Einflüsterer ist immer dann besonders groß, wenn das Vertrauen in die Herrschaft allgemein erodiert.
Als Wulff schon längst gegangen war, stand noch ein Mann im weißen Hemd an der Glasfassade und blickte versonnen auf das Brandenburger Tor und die sich formierende Wagenkolonne des georgischen Präsidenten. Es war Wilhelm Schmid, der Philosoph der Lebenskunst. Er erzählte von der Nacht, als die Mauer fiel, von Georgien, wo er unterrichtet hat und seine heutigen Studenten nun am Kabinettstisch mitsitzen, von der Schönheit des Platzes und Berlins. Heute zieht Schmid als freier Philosoph durch Europa und freut sich, daß er nicht in der Uni gelandet ist. Die Beraterin bei dieser Entscheidung war allein seine Frau.
NILS MINKMAR
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.05.2006, Nr. 109 / Seite 39http://www.faz.net/s/...019C9642143917A45E~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Beraten und verkauft
McKinsey & Co. - der große Bluff der Unternehmensberater
Autor prangert «Bluff der Berater» an
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Firmen wie McKinsey beraten nicht nur Unternehmen, sondern immer mehr auch die Politik. Eine gefährliche Verquickung, meint der Journalist Thomas Leif und versucht in einem neuen Buch Aufklärung.
Von Kai Makus
Vielleicht wäre ein «Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache» – wie es die CDU-Politikerin Erika Steinbach in «Bild» vorschlug – gar nicht so übel. Es käme aber möglicherweise einem Berufsverbot für eine ganze Branche in Deutschland gleich. Denn Beraterfirmen wie McKinsey oder Roland Berger nutzen nicht nur eigene Wortneuschöpfungen intensiv in ihren Gutachten, sondern auch verklausulierende englische Begriffe.
Mit Bedacht: «Es scheint, als ob Consultants [Berater, die Red.] klare Gedankengänge mit ihrem sprachlichen Werkzeug bewusst verwässern», schlussfolgert der Journalist Thomas Leif in seinem neuen Buch über die Branche, das «Beraten und verkauft» heißt – nachdem er genüsslich Beispiele wie Cost-Cutting (für: Senkung der Kosten), Benefits (Vorteile) und den bekannten Job-Floater aufgezählt hat.
Glaubwürdig und weltmännisch wirken
Möglicherweise ließen sich die Berater aber auch durch ein Gesetz zur Reinhaltung der deutschen Sprache nicht abschrecken. Schließlich beherrschen sie ihre Übung in Deutsch wie in (D)englisch: auf den ersten Blick glaubwürdig erscheinen oder weltmännisch wirken, wie Leif schreibt. Er nennt etwa den «Konzeptionellen Ansatz» (soll heißen: Gedanke), «suboptimal» (schlecht) oder die «Entlastung von Aufgaben» – wohinter sich nichts weiter als Stellenstreichungen verbergen.
Dabei ist die Sprache für Leif noch das kleinste Problem einer Branche, die seiner Meinung nach die Öffentlichkeit aus wohl kalkulierten Gründen scheut. So enge Verquickungen, so viele «Netzwerke» zwischen Beratern und Politikern gebe es inzwischen, dass die meisten Gutachten freihändig vergeben werden – also ohne öffentliche Ausschreibung und damit auch ohne die Möglichkeit zu prüfen, ob ein Konkurrent günstiger wäre.
«Rücksichtslose Vereinfacher»
Ohnehin kommen Beraterverträge ganz anders zustande, meint Leif: Zunächst wird Unternehmen und vor allem Behörden der Sachverstand der Berater angeboten – kostenlos. Aus solcher Zusammenarbeit ergäben sich dann fast automatisch lukrative Verträge ganz von selbst. Und auch die Arbeit der Berater selbst findet beim Buchautor, Vorsitzender des Journalisten-Netzwerkes Recherche und Chefreporter Fernsehen beim SWR in Mainz, kaum gute Worte: «rücksichtslose Vereinfacher» seien die Berater, wettert er. Sie gaukelten den Menschen vor, für die zunehmend komplexen Probleme der Gesellschaft könne es so etwas wie einfache Lösungen geben.
Und die sehen dann auch stereotyp aus: öffentliches Gut privatisieren, Märkte liberalisieren, Kosten sparen und Stellen streichen, lauten die Empfehlungen. Ein Grund dafür liegt für Leif in der Arbeitsweise der Beraterfirmen selbst. Sie würden gar kein eigenes Wissen erschaffen oder Lösungen entwickeln, sondern vielmehr beides bei ihren Kunden einsammeln und es ihnen – «in bunten Folien statt grauen Aktiendeckeln» – wieder vorlegen. Möglich sei auch das «Recycling» einmal erarbeiteter Gutachten für weitere Auftraggeber – schließlich sei mit einem Beratervertrag meist eine strikt einzuhaltende Schweigepflicht beider Seiten verbunden.
Regeln müssen her
Warum sich die Öffentlichkeit für den «großen Bluff der Unternehmensberater» – die zusehends auch Politikberater werden - interessieren sollte, macht Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff am Mittwoch bei der Vorstellung des Buches in der Akademie der Künste in Berlin deutlich: «Je komplexer die Realitäten werden und je mehr der Staat zurückgebaut wird, desto mehr wird der Staat Sachverstand von außen einkaufen müssen», lautet die These des CDU-Politikers.
Deshalb müsse es Regeln für den Einsatz von Beratern und Gutachtern geben, betont Wulff. So habe er im Kabinett in Hannover einen Verhaltenskodex durchgesetzt. Der gebiete den Ministern unter anderem, zumindest ein halbes Jahr zu warten, bevor sie sich nach Amtsaufgabe von der Beraterbranche anwerben lassen. Einen Seitenhieb auf seinen niedersächsischen Amtsvorgänger kann er sich nicht verkneifen: Ein so rascher Wechsel, wie ihn Gerhard Schröder von der Spitze der Bundesregierung zum staatlich kontrollierten russischen Gaskonzern Gasprom gemacht habe, wäre so nicht möglich gewesen, frohlockt Wulff.
Mal nötig, mal nicht
Interessant die Erklärung Wulffs, warum «immer mehr externer Sachverstand» gebraucht werde: Weil in den schrumpfenden öffentlichen Verwaltungen der drastische Personalabbau nicht mehr genug Zeit oder auch Sachverstand der Mitarbeiter hinterlassen hat. Dabei beruht der Stellenabbau als Lösung zur Krise der öffentlichen Haushalte zu einem guten Teil auf Empfehlungen derjenigen Beratungsfirmen, die jetzt dienstfertig einspringen.
Immerhin kann Wulff von Erfahrungen berichten, wo der Sachverstand der Beraterfirmen nützte, etwa ein Gutachten zur Konsolidierung des niedersächsischen Haushalts. Er kennt aber auch das Gegenbeispiel: Die Verwaltungsreform, bei der in seinem Land mit den Regierungspräsidien eine ganze Ebene wegfiel, sei komplett ohne externe Berater erarbeitet und umgesetzt worden.
Wulff ein «Freund der Berater»
Dennoch: «Ich bin ein Freund der Berater», bekennt sich Wulff. Dazu müssten nur Regeln eingehalten werden, wie sie in Hannover bereits gelten: Keine Vergabe von Aufträgen ohne Ausschreibung und Prüfung der Ergebnisse sind die wichtigsten. Die Gutachten dürften «nicht Entscheidung, sondern Hilfe zu Entscheidung» sein, fasst er zusammen.
Wie weit der Einfluss der Berater in der Politik schon reicht, skizziert Autor Leif allein anhand der tief greifenden politischen Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit, die mit ihrer Hilfe fielen: Die Modernisierung der Bundeswehr, die Arbeitsmarktreform Hartz IV, die Maut oder die Kopfpauschale als Reformvorschlag für die Finanzierung des Gesundheitswesens: «Die Berater schicken sich an, die Gesellschaft zu verändern. Deshalb müssen sie auch gesellschaftlich kontrolliert werden», meint Leif.
Rechnungshöfe könnten Transparenz stärken
Dazu sei ein Verhaltenskodex nur der erste Schritt. Wichtig sei auch, das Interesse der Öffentlichkeit für die Thematik zu wecken, meint der Journalist. Leif setzt auf die Justiz: Wo sich Korruptionsvorwürfe erhärten ließen, würden die Staatsanwälte auch ermitteln, gibt sich der Autor im Gespräch mit der Netzeitung zuversichtlich – nicht ohne einzuräumen, es wäre «vielleicht etwas naiv», allein auf die Tätigkeit dieser immerhin an Weisungen der Ministerien gebundenen Strafverfolger zu setzen.
«Wir brauchen keine neuen Gesetze, die bestehenden müssen nur umgesetzt werden», betont Leif. Nötig sei vor allem Transparenz, hebt er hervor. Dafür könne unter anderem eine «Aufwertung der Rechnungshöfe» in Bund und Ländern beitragen. Von denen nämlich erhalte man derzeit als Journalist meist «nicht einmal einen Fetzen Papier».
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http://www.netzeitung.de/wirtschaft/wirtschaftspolitik/397656.html
Fazit: zum grossen Teil ausser Spesen nix gewesen, durch die zuletzt tätigen Berater wurde durch Outsourcing kritischer, hochqualitativer Bauelemente beinahe sogar die Liquidation der Firma herbeigeführt, da die Lieferanten die geforderte Qualität nicht auf Anhieb -wie von den einfachen Angestellten richtig vorausgesagt- liefern konnten.
Dicke Rechnungen und verklausuliertes Geschwafel lieferten alle 3 :-).
die offizielle Website von McKinsey Deutschland:
Krankenhausreform weitgehend ausgereizt
http://de.wikipedia.org/wiki/McKinsey