Die Plünderer kommen
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Eröffnet am: | 29.04.05 15:34 | von: rotfront | Anzahl Beiträge: | 9 |
Neuester Beitrag: | 26.05.05 06:52 | von: HausmeisterK. | Leser gesamt: | 8.171 |
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Die Plünderer kommen
KKR, CERBERUS, LONE STARE
ein neuer Investorentyp aus den USA entdeckt die Finanzoase Deutschland
Eine good-will-Tour an die New Yorker Wall Street absolvierte Bundeskanzler Schröder, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, vor der Verabschiedung von Hartz IV. "Es gibt ein großes Interesse in den Vereinigten Staaten an der Agenda 2010", erklärte Schröder im November 2003 nach einem Treffen mit Vertretern führender US-Banken. Zuvor hatte er eine Laudatio auf Sanford Weill gehalten: Der Chef der Citigroup bekam den "Global Leadership Award". Schröder, der - wie das Handelsblatt weiß - vor einem Rückflug aus New York "schnell mal in der Privatwohnung des mächtigsten Bankers der Welt speist", lobte den Preisträger und freundlichen Gastgeber enthusiastisch: "Ich bin stolz, diesen Mann meinen Freund nennen zu dürfen, einen Mann mit Mut, Prinzipien und Visionen."
Über diese Männerfreundschaft und deren Folgen ist bislang wenig bekannt. Nicht nur die Agenda 2010, sondern auch die Steuerreform 2000 (steuerfreie Erlöse aus Unternehmensverkäufen) gehen nicht zuletzt auf die stille, aber erfolgreiche Lobbyarbeit der US-Finanzbranche zurück. Schon unmittelbar nach seiner Wahl 1998 richtete Schröder die Stelle eines Bundesbeauftragten für Auslandsinvestitionen ein und besetzte sie mit Hilmar Kopper, damals Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank und von DaimlerChrysler. Vor zwei Jahren, als Kopper seine Tätigkeit als "Federal Commissioner for Foreign Investments" beendete, verwandelte sich sein Stab in die Bundesagentur "Invest in Germany GmbH". Aus dem Bundeshaushalt erhält sie jährlich fünf Millionen Euro. Damit werden auch drei Außenstellen finanziert, ausschließlich in den USA: New York, Chicago, Los Angeles. Und so kommen die neuen Investoren, die nach Deutschland strömen, vor allem aus den Vereinigten Staaten, manche auch aus der Golfregion. Sie fallen kaum auf, weil sie geschichts- und gesichtslose Namen tragen: Blackstone, KKR, Carlyle, Argantis, Lone Star, Capiton, Apax, Cinven, Investcorp, 3i, Permira, BC Partners.
Schlachtplan zügig vollstrecken
Thomas Middelhoff, ehemaliger Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender, heute Mitinhaber und Europa-Chef der Firma Investcorp, die 1982 in Bahrein gegründet wurde, spricht aus, wie das Geschäft der sogenannten Finanzinvestoren funktioniert: Beim Kauf eines Unternehmens werden seine Anteile auf die Inhaber von Investcorp übertragen. "Das sind vor allem institutionelle Investoren und vermögende Privatpersonen aus sechs Staaten des Golfkooperationsrats. Jeder der 20 bis 40 Investoren beteiligt sich mit fünf bis zehn Millionen Euro."
Für den Kauf sind nur bestimmte Unternehmen interessant: Sie sind nicht börsennotiert, haben einen Wert ab 100 Millionen Euro und sind bereits profitabel. Sie sollen das Potenzial haben, zur Spitzengruppe ihrer Branche aufzuschließen oder zum Marktführer zu werden. Die Investoren suchen sich die Schmuckstücke heraus, um sie - von allen "unnötigen" Kosten befreit - nach kurzer Zeit wieder zu verkaufen. Und das scheint zu gelingen. Investcorp erzielt eine "durchschnittliche Rendite von 25 Prozent", sagt Middelhoff stolz. Hier wird also kein Gürtel enger geschnallt, im Gegenteil, hier wird aus Silber Gold gemacht.
Der "Verwertungszyklus" dauert im Durchschnitt fünf Jahre, bevorzugt werden drei bis vier Jahre. Während dieser Zeit kommen verschiedene Methoden der "Restrukturierung" zum Einsatz. Dazu gehört an erster Stelle die "Kostensenkung": Entlassungen, Mehrarbeit bei gleichem oder geringerem Lohn, vermehrter Einsatz von Leiharbeitern. Ende 2002 verzichteten Beschäftigte von Tenovis - ehemals Telenorma, kurz zuvor von KKR übernommen - auf 12,5 Prozent Lohn. Im Gegenzug versprach die Geschäftsleitung, die Arbeitsplätze mindestens für das Jahr 2003 zu erhalten. Sieben Monate später allerdings, nach der Rückkehr aus dem Sommerurlaub, wurde ein Teil der Belegschaft entlassen. Von ehemals 8.000 Beschäftigten arbeiteten im Frühjahr 2004 noch etwa 4.500 bei Tenovis.
Manager mit Erfolgsprämien ködern
Diese Radikalität braucht Verbündete innerhalb des übernommenen Unternehmens. Und so werden - man könnte es zynisch "Mitarbeiterbeteiligung" nennen - die bisherigen Geschäftsführer und Bereichsleiter in Kapitaleigner verwandelt. Wenn sie zum Kauf der Gesellschaftsanteile nicht genügend Geld haben, erhalten sie vom Finanzinvestor günstige Kredite. So wurden beim Einstieg von KKR die 70 Tenovis-Manager zu "Unternehmern im Unternehmen". Zusätzlich mit hohen Erfolgsprämien geködert, waren sie bereit, die sozialen Grausamkeiten zu vollstrecken.
Eine einfache Faustregel lautet: Der Kaufpreis muss möglichst unter dem wahren Firmenwert liegen und sich somit letztlich selbst finanzieren. Da nur Unternehmen ins Visier geraten, die nicht den Auflagen der Börsenaufsicht unterliegen, kommen weder Kontrollbehörden noch die bei Aktiengesellschaften üblichen Maßstäbe der Wertermittlung zum Zuge. Je geringer die Transparenz, desto größer der Spielraum beim Kaufpreis. Als wiederum KKR das Entsorgungsunternehmen Duales System Deutschland (DSD) übernahm, wurde ein offizieller Kaufpreis von 807 Millionen Euro genannt - mindestens 100 Millionen Euro zu wenig, meinen Experten. Real aber zahlte KKR nur 260 Millionen an die Aktionäre (Metro und andere Handelsketten), die trotzdem ein gutes Geschäft machten, weil sie pro Aktie das 180fache ihres ursprünglichen Einstandspreises erhielten. Die restlichen 547 Millionen konnte KKR aus der DSD-Kasse entnehmen, um stille Gesellschafter auszuzahlen und die sogenannten Halteprämien für bisherige Kunden auszuschütten, die - in bewusster Irreführung der Öffentlichkeit? - als Bestandteil des Kaufpreises ausgewiesen wurden.
Eigenkapital gnadenlos rausziehen
Die Finanzoase Deutschland ermöglicht dem Investor in Verbindung mit seiner beherrschenden Stellung weitere Gewinnabschöpfung. Nach dem Kauf von Telenorma und Umbenennung in Tenovis gründete KKR auf der Kanalinsel Jersey die Tenovis Finance Limited. Bei dieser Gesellschaft nahm die Tenovis GmbH & Co KG, Frankfurt, einen Kredit über 300 Millionen Euro auf. Das Geld stammte aus der Platzierung einer Anleihe der Tenovis Finance. Als Sicherheit für den Kredit verpfändete die Tenovis GmbH & Co KG 50.000 Miet- und Wartungsverträge. Den Kredit wiederum lieh die Tenovis GmbH & Co KG ihrem rechtlichen Eigentümer, der sogenannten Tenovis Germany GmbH. Diese Briefkastenfirma gehört dem Finanzinvestor KKR. Sie löste damit die Anleiheschulden ab. Mit solchen Kreisgeschäften werden dem Stammunternehmen gewaltige Mittel entzogen. Zusätzlich schickte KKR eigene Berater, die zweistellige Millionen-Honorare bekamen. Für Bank- und Kreditprovisionen sicherte sich KKR über die Jersey-Tochter Tenovis Finance weitere elf Millionen Euro.
Schon während des Verwertungszyklus wird ein möglichst hoher Gewinn auch direkt abgeschöpft. KKR und Goldman Sachs, die führende Investmentbank der Wall Street, kauften 1999 insgesamt 90 Prozent der Anteile an Siemens Nixdorf, später zwecks "Steueroptimierung" in Wincor Nixdorf umbenannt. Im Frühjahr 2004 ließen sich die beiden Finanzinvestoren 160 Millionen Euro auszahlen "als eine Art Dividende für die vergangenen vier Jahre." Die neuen Eigentümer belasteten das Unternehmen extrem. Die Methode hieß "Recap": Möglichst viel Eigenkapital wird an die Investoren ausgeschüttet. Zu dieser Methode gehört auch das "Bootstrapping", also "Stiefelschnüren": Das Unternehmen muss neben der Eigenkapitalausschüttung alle Schulden bezahlen, um sich für das strahlende Ende des Verwertungszyklus vorzubereiten.
Nach drei, vier, fünf Jahren hat der Finanzinvestor zwei Möglichkeiten für sein Ausscheiden ("Exit"): Entweder er verkauft das Unternehmen zu einem wesentlich höheren Preis als beim Einstieg oder er bringt es an die Börse. Beim Börsengang bleibt der Finanzinvestor zunächst oft selbst Hauptaktionär, zum Beispiel mit 30 bis 40 Prozent der Aktien. Bei Wincor Nixdorf sah der Exit so aus: Fünf Monate nach dem "Recap" brachten KKR und Goldman Sachs das Unternehmen an die Börse. Für die sieben Millionen Aktien wurden etwa 350 Millionen Euro eingenommen. Davon flossen nur 125 Millionen an Wincor Nixdorf selbst. Der "Rest" von 225 Millionen ging an die Investoren. Schließlich verdiente Goldman Sachs, der Partner von KKR, noch ein zweites Mal: die Investmentbank organisierte den Börsengang. Dafür erhielt Goldman Sachs die übliche Gebühr von 4,25 Prozent des emittierten Aktienvolumens. Das war aber noch nicht der Gesamtgewinn. Denn die beiden Finanzinvestoren behielten zunächst 36 Prozent der Anteile. Diese 5,56 Millionen Aktien brachten beim Verkauf im Januar 2005 noch einmal etwa 300 Millionen Euro.
Billige Wohnungen erobern
Inzwischen wurden zahlreiche deutsche Unternehmen aufgekauft: Siemens Nixdorf, MTU, Gerresheimer Glas, Dynamit Nobel, Rodenstock, Celanese, Minimax, Demag, ATU Autoteile Unger, Debitel, Tank & Rast, Duales System Deutschland (DSD) und viele andere. Nach US-Vorbild sind längst auch deutsche Finanzinvestoren entstanden. So bildete die größte Privatbank Europas - die Bank Oppenheim in Köln - Anfang 2004 den Finanzinvestor Argantis. Er konzentriert sich auf die Verwertung von "etablierten mittelständischen Familienunternehmen und spin-offs von Konzernen mit Umsätzen zwischen 30 und 250 Millionen Euro". Der Verwertungszyklus beträgt drei bis sieben Jahre, die Gewinnerwartung liegt nach eigener Aussage bei jährlich "20 Prozent und mehr".
Die Finanzinvestoren dringen auch in Bereiche ein, die bisher staatlich reguliert sind. Das gilt für die schon genannte Abfallentsorgung Duales System Deutschland (DSD), aber auch für öffentliche und genossenschaftliche Immobilienunternehmen. So kaufte der US-Finanzinvestor Fortress für 2,1 Milliarden Euro die Wohnungsgesellschaft Gagfah der Bundesanstalt für Angestellte (BfA) mit 80.000 Wohnungen. Die Finanzinvestoren Cerberus und Whitehall erwarben die Berliner Wohnungsgesellschaft GWS mit 65.000 Wohnungen. Auch kleinere Bestände werden nicht verschmäht: Cerberus übernahm 2.600 Wohnungen der Degewo, Lone Star kaufte 5.500 Plattenbauten in Berlin. Solche Immobilien versprechen hohe Renditen. Erstens wegen der günstigen Einkaufspreise - viele Kommunen und staatliche Institutionen verkaufen unter dem Druck der Überschuldung. Zweitens wegen der geringen Wohneigentumsquote in Deutschland, die für Verkäufe an Mieter und Geldanleger große Spielräume lässt. Und drittens wegen der vergleichsweise niedrigen Mieten, die in Jahrzehnten regulierter Wohnungsmärkte entstanden sind - die Freigabe von Mieterhöhungen nach dem Verkauf gehört zu den standardisierten Verkaufsmodalitäten. Zum Repertoire von Finanzinvestoren gehören also nicht nur Lohnsenkungen in Unternehmen, sondern auch kräftige Mieterhöhungen und entsprechend steigende Erlöse beim Wohnungsverkauf.
Auszehrung der vorhandenen produktiven und finanziellen Substanz in kurzer Frist - das ist das Geheimnis der Finanzinvestoren, die systematische Plünderung betreiben. Mögen Politiker wie Schröder noch so oft von wichtigen Investitionen für den Standort Deutschland reden und die Arbeitsplätze beschwören, die dadurch geschaffen werden - die Wirklichkeit sieht anders aus. "Die Statistik trügt", stellt das Handelsblatt fest. "Der steile Anstieg der Investitionen ist durch Fusionen und Firmenübernahmen geprägt. Und die haben unterm Strich mehr Arbeitsplätze vernichtet als neue geschaffen." Dies hindert dieselbe Zeitung ebenso wenig wie die Bundesregierung, die zielstrebigen Jongleure der Wall Street willkommen zu heißen, die man in den USA einfach "Raider", Plünderer, nennt.
Völlig falsch - sagt der Bundeskanzler. Diese Firmen haben "Mut, Prinzipien und Visionen".
Eine Langfassung des Artikels erscheint in den WSI-Mitteilungen 1/2005.
Der Börsengang von A.T.U. wurde im letzten Augenblick abgeblasen, KKR kümmert sich jetzt um die Neustrukturierung.
Finanzinvestoren und Investmentbanken verdienen Geld mit Immobilien-Krediten von insolventen Schuldnern.
Das Geschäft boomt, der Markt wächst, die Renditen liegen über 20 Prozent
von Anette Sydow
Eine Polizei-Eskorte begleitete den Transport auf der Autobahn stadtauswärts. Der gesicherte Lastwagen ließ München allmählich hinter sich, bewegte die wertvolle Fracht Richtung Norden: rund 2000 Aktenordner, die sicher in die Frankfurter Innenstadt gebracht werden sollten. In den Akten: Dokumente zu Kreditverträgen, die einmal der Immobilienbank Hypo Real Estate gehörten. Das Paket hatte just den Besitzer gewechselt, die 1350 Kredite zahlungsunfähiger Schuldner waren an die Private Equity-Gesellschaft Lone Star gegangen. Der Plan: mit den notleidenden Krediten mehr als 20 Prozent Rendite erreichen.
Das Büro von Lone Star liegt in der Nähe des Frankfurter Messeturms. In den Räumen viel Holz und viel Glas sowie gut angezogene junge Männer und Frauen, die vor Flachbildschirmen sitzen und telefonieren. Karsten von Köller, ein eleganter 65jähriger Herr mit weißem Haar und schwarzem Anzug, ist der Chef hier. Er leitet Lone Star Deutschland und ist befaßt mit einem Geschäft, das man für schmutzig halten könnte: faule Kredite. Von Köller mag den Ausdruck nicht, eben weil der unsauber klingt, er bevorzugt "non performing loans". Solche Kredite, die nicht mehr bedient werden, kauft Lone Star; der bislang spektakulärste Abschluß des texanischen Finanzinvestors war die Übernahme der Kredite der Hypo Real Estate. Lone Star ist in Deutschland die Nummer eins in diesem Geschäft. Weil der Markt in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist, treten immer mehr Konkurrenten auf den Plan.
Entstanden ist das Geschäft mit notleidenden Krediten durch die deutsche Banken-Misere. Die Wirtschaftskrise und eine mangelhafte Risikopolitik der Banken machten Wertberichtigungen in Milliardenhöhe erforderlich. Und dazu einen gigantischen Verwaltungsaufwand: Wenn ein Unternehmen seine Kreditraten nicht mehr zahlen kann, haben die Banken viel Arbeit mit Restrukturierung und Abwicklung. Die einfache Lösung: der Verkauf der Verbindlichkeiten an Lone Star oder einen anderen Spezialisten. Vor allem Investmentbanken wie Merrill Lynch, Goldman Sachs, Morgan Stanley oder JP Morgan haben das lukrative Geschäft für sich entdeckt. Die Banken schnüren Pakete, stellen ganze Kreditportfeuilles zum Verkauf, die aus einigen Dutzend Großkrediten, bisweilen aber auch aus 100 oder mehr Einzelkrediten bestehen.
Mit dem Verkauf entledigen sich die Banken des Risikos - dafür müssen sie kräftig abschreiben. Über Preise schweigt die Branche. Beobachter schätzen, daß die Kredite in der Regel für 60 Prozent des Nennwerts verkauft werden. Das rechnet sich trotzdem. Ein Beispiel: Eine Bank hat einen Immobilienkredit über 200 000 Euro für eine Eigentumswohnung vergeben. Die Zinsen liegen bei fünf Prozent, die Laufzeit beträgt zehn Jahre - und der Schuldner wird zahlungsunfähig. Wird der Kredit nicht verkauft, verliert die Bank zusätzlich zur Kreditsumme auch die 55 000 Euro Zinsen - ein Minus von 255 000 Euro. Reicht das Geldhaus den Kredit dagegen an ein Unternehmen wie Lone Star weiter, wird der Verlust verringert: Bei einem Verkauf für 60 Prozent des Nennwerts, also 153 000 Euro, müssen lediglich 102 000 Euro abgeschrieben werden. Das allerdings drückt auf das Eigenkapital - darum gab etwa die Hypo Vereinsbank, die besonders mit notleidenden Krediten zu kämpfen hat, in den vergangenen Monaten erst nach und nach weitere Abschreibungen auf Kredite bekannt.
Kredit-Aufkäufer wie Lone Star treiben einen Teil der Schulden wieder ein oder aber verkaufen die hinterlegten Sicherheiten, sprich: die Immobilien, für die der jeweilige Kredit aufgenommen wurde. Das ist lukrativ: Die jährliche Rendite liegt laut Branchenschätzungen bei mehr als 20 Prozent. Der Markt ist groß und in großen Teilen noch unerschlossen. Den Wert aller notleidenden Kredite in Deutschland taxieren Fachleute auf 300 bis 400 Mrd. Euro. Von Köller schätzt eher vorsichtig und kommt auf rund 300 Mrd. Euro. Diese Summe entspricht fünf bis acht Prozent des gesamten Kreditvolumens in Deutschland - oder dem Bruttoinlandsprodukt der Niederlande. Allein 2004, schätzt die Deutsche Bank, wurden in Deutschland Problemkredite im Wert von zwölf Mrd. Euro gehandelt. In diesem Jahr sollen es 15 Mrd. sein.
Daß der Berg an faulen Krediten so hoch ist, hat vor allem die Wiedervereinigung als Ursache, sagt Matthias Mosler. "Nach der Wende finanzierten die Banken in Ostdeutschland viele Bauprojekte zu günstig", sagt der Deutschlandchef von Merrill Lynch. Vor allem seinerzeit mit Krediten errichtete gewerbliche Immobilien stehen heute massenweise leer - und das nicht nur im Osten. Den Bauherren fehlen die Einnahmen, sie können ihre Kredite nicht zurückzahlen.
Ohne Aufkäufer wie Lone Star würden die deutschen Banken wohl noch Jahrzehnte mit den Krediten zu kämpfen haben. "Jede Bank hat Kreditausfälle", sagt Mosler, "aber jede gesunde Bank kann diese selbst verarbeiten." Eine externe Lösung muß her, wenn faule Kredite im Übermaß vorhanden sind.
So wie bei der Hypo-Vereinsbank. In einem riesigen Lager in München stapeln sich Tausende Akten. Eine Spezialtruppe kämpft sich durch den Aktenkeller und muß für jeden Einzelfall ermitteln: Faule Kredite werden aussortiert, gesammelt, in Paketen kombiniert und Unternehmen wie Lone Star angeboten.
Um das Risiko eines Kaufs abzuschätzen, arbeitet Lone Star mit Hudson Advisors zusammen. Dieses Unternehmen - es gibt weltweit nur knapp ein halbes Dutzend solcher Dienstleister - kalkuliert Für und Wider mit einer speziellen Computersoftware. Anhand der Daten ermittelt Hudson Advisors: Wie viel Miete bringt eine Immobilie in der Frankfurter Innenstadt im Schnitt? Wie wahrscheinlich ist es, daß in eine Plattenbausiedlung in Cottbus wieder jemand einzieht?
Nachdem Lone Star Kredite aufgekauft hat, machen sich die Sachbearbeiter an die Schuldner heran, meist telefonisch, meist zu strategisch gewählten Zeiten. "Wenn ein Fußballänderspiel im Fernsehen läuft, dann bleiben die Leute von Hudson im Büro und rufen die Schuldner an. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß man jemanden erreicht", sagt von Köller. Und daß es der Sachbearbeiter an Mitleid fehlen lassen darf. "Es wäre sicherlich falsch, mit jedem säumigen Schuldner Mitleid zu haben. Schließlich ist nicht jeder ein armes Mütterchen oder ein mittelloser Student."
Von allen in Deutschland zum Kauf angebotenen notleidenden Kredite hat Lone Star bislang zwei Drittel aufgekauft - Pakete im Nominalwert von sechs Mrd. Euro. In dieser Größenordnung wird es 2005 weitergehen. Der aktuelle Lone-Star-Fonds ist fünf Mrd. Dollar schwer, rund 1,5 Mrd. davon sind für Deutschland veranschlagt. Doch werden notleidende Kredite nicht allein mit Fondskapital gekauft, sondern zu mindestens zwei Dritteln mit Fremdkapital. Das bedeutet: fünf Mrd. Anlagesumme für Deutschland.
Die Immobilienkrise sorgt dafür, daß hierzulande derzeit ganze Banken zu haben sind, inklusive der faulen Immobilienkredite, auf denen sie sitzen. Die Gewerkschaftsholding BGAG steckt angesichts der Flaute bei Büroimmobilien und fallenden Mietpreisen in finanziellen Schwierigkeiten und plant den Verkauf ihrer Anteile an der Allgemeinen Hypothekenbank Rheinboden. Lone Star verhandelt gerade mit der Mitteleuropäischen Handelsbank.
Neben den Investmentbanken, heißt es in der Branche, interessieren sich auch die Private-Equity-Gesellschaften Cerberus und Fortress für das Geschäft. Auch die Deutsche Bank ist bei den "distressed loans" aktiv. In London sitzt die Konzernabteilung "Global Distressed Products" - die aber kaum mit dem Mutterkonzern handelt. Im Vergleich zu Konkurrenten wie der Hypo-Vereinsbank, denen die Zahl der faulen Kredite über den Kopf gewachsen ist, baut die Deutsche Bank den größten Teil ihrer Problemkredite selbst ab. Seit 2001 hat sie den Bestand an offenen Forderungen von 12,7 auf 4,8 Mrd. Euro reduziert.
Der aktivste Verkäufer war bisher die Dresdner Bank, die ihre Bestände an faulen Krediten inzwischen fast komplett abgearbeitet hat. In drei bis vier Jahren, schätzt von Köller, werden auch die anderen Kreditinstitute ihre Portfolien verkauft haben. Knapp die gleiche Zeit würde es wohl noch einmal dauern, bis alle diese Kredite abgewickelt sind. Und dann zieht die Branche weiter, meint von Köller. Nach Polen oder Rußland.
Artikel erschienen am Fr, 29. April 2005
http://www.welt.de/data/2005/04/29/711282.html
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,353989,00.html
Unliebsame Unternehmen
Münteferings Heuschrecken-Liste
Mit der Bezeichnung "Heuschreckenschwärme" hatte SPD-Chef Franz Müntefering in einer aktuellen Stunde des Bundestags die Kapitalismusdebatte zusätzlich angeheizt. Um dem Widerspruch aus den eigenen Reihen zu begegnen, nannte er in einem internen Papier konkrete Namen.
APSPD-Chef Müntefering: Internes Papier soll Fragen der SPD-Parlamentarier beantworten |
Ein anderes Opfer von KKR sei der Hersteller von Kommunikationsprodukten Tenovis. Noch Ende 2002 hätten die Mitarbeiter auf 12,5 Prozent ihres Lohnes verzichtet, um ihre Arbeitsplätze für mindestens ein Jahr zu retten. Im Sommer 2003 aber habe Tenovis fast die Hälfte der Mitarbeiter entlassen.
Das SPD-Papier nenne viele weitere "Heuschrecken", berichtet "stern.de" weiter. Dazu gehörten auch die Beteiligungsgesellschaft WCM, die Klöckner übernommen hatte und die Private-Equity-Firmen Apax, BC Partners, Carlyle, Advent, Permira, Blackstone, CVC und auch Saban Capital, Noch-Eigentümer von ProSiebenSat1. Zu den Opfern der großen Aufkäufer gehörten neben Siemens-Nixdorf und Tenovis auch Rodenstock, Autoteile Unger, Debitel, Celanese und Dynamit Nobel.
Offiziell will die SPD-Fraktion zu dem Papier keine Stellung nehmen, bestätigt aber, dass es existiert. "Müntefering ist nach der aktuellen Stunde von einigen Parlamentariern angesprochen worden und hat daraufhin Namen genannt", sagt Fraktionssprecher Stefan Schutz gegenüber SPIEGEL ONLINE. Diese seien aber eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
20 Prozent Rendite - 1500 Stellen weg
Grohe:
Proteste bei Sanitärspezialist. Investoren wollen mehr verdienen.
Von Beate Kranz
Rund 750 Mitarbeiter des Sanitärherstellers Grohe protestierten gestern in Hemer gegen den geplanten Stellenabbau. Sie werfen den Finanzinvestoren Profitgier vor.
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Hamburg/Hemer - Die Stimmung unter den Mitarbeitern des bekannten Badarmaturenherstellers Grohe ist auf dem Tiefpunkt. In der Traditionsfirma herrschen Angst und Wut. Die Beschäftigten, die teils seit Jahrzehnten bei Grohe arbeiten, fürchten um ihre Jobs. Nach der Übernahme durch zwei US-Investoren droht dem Unternehmen jetzt ein massiver Stellenabbau, gegen den gestern 750 Mitarbeiter vor dem Stammsitz im sauerländischen Hemer protestierten.
"Akut sind 1500 Stellen in Gefahr", sagte der Grohe-Sprecher Klaus Hillebrand gestern dem Abendblatt. Die IG Metall befürchtet sogar, daß 3000 der rund 4500 inländischen Arbeitsplätze wegfallen könnten. Der Firmensprecher wies die Zahlen der Gewerkschaften jedoch zurück. Richtig sei zwar, daß die Unternehmensberatung McKinsey in einem Gutachten für Grohe die Verlagerung von 3000 Jobs in Niedriglohnländer wie China und Thailand empfohlen habe. "Doch der Vorstand wird dies in keinem Fall in dieser Höhe umsetzen", so Hillebrand. Vielmehr werde jetzt mit dem Betriebsrat über Umstrukturierungen verhandelt. Beschlossen sei noch nichts.
Ziel sei es, Grohe im "internationalen Wettbewerb zukunftssicher zu positionieren" und dafür die Kosten um 150 Millionen Euro zu senken. Grohe, das zu den führenden Sanitärausstattern in Europa zählt, produziert 80 Prozent seiner Waren in Deutschland - in Hemer, Ludwigsfelde, Laar, Herzberg und Porta Westfalica. Zugleich werden aber nur 20 Prozent der Artikel hierzulande verkauft. "Hier herrscht eine Disparität, die ausgeglichen werden muß", erläutert der Firmensprecher. Grohe müsse direkt in den Wachstumsmärkten produzieren, um dort schneller Waren ausliefern zu können. Bisher werde auch in Portugal, Kanada und Thailand produziert.
Die IG Metall kritisiert die Jobverlagerung von Grohe als reine Profitgier. "Obwohl Grohe eine Kapitalrendite von 20 Prozent erzielt, wollen die Eigentümer den Standort Deutschland ausbluten lassen, um noch höhere Renditen zu erzielen", kritisiert Wolfgang Nettelstroth, IG-Metall-Sprecher in Nordrhein-Westfalen. Grohe gefährde nicht nur die Arbeitsplätze hierzulande, sondern auch den guten Ruf der Marke und damit das ganze Unternehmen. "Wenn Kunden erfahren, daß in Grohe-Armaturen Billigware aus China steckt, werden sie nicht mehr die Preise dafür zahlen."
Das ehemalige Familienunternehmen Grohe wurde 1999 zunächst an den Finanzinvestor BC Partners für 900 Millionen Euro verkauft. Nur fünf Jahre später ging Grohe 2004 für schon 1,5 Milliarden Euro an die beiden US-Investoren Texas Pacific Group und CSFB Private Equity. Wie bei solchen Transaktionen üblich, finanzierten die Investoren die Übernahme durch die Aufnahme von Fremdkapital. Die damit auflaufenden Zinsen werden wiederum von Grohe getragen. Grohe entstanden durch die erste Übernahme nach Informationen aus Finanzkreisen 700 Millionen Euro Schulden, durch den zweiten Besitzerwechsel stieg die Schuldenlast auf 1,1 Milliarden Euro. Grohe steht damit unter doppeltem Druck: Das Unternehmen muß die Zinsen bedienen und den Profit für die Finanzinvestoren maximieren.
"Grohe ist ein unschönes Beispiel dafür, wie ein Finanzinvestor nur das Ziel verfolgt, seine Rendite zu steigern, ohne langfristig Arbeitsplätze zu sichern", analysiert Karl-Werner Hansmann, Professor für Industrielles Management und Vize-Präsident der Universität Hamburg. "Diese Art des Investments ist zwar üblich und in Deutschland rechtlich erlaubt, aber gesellschaftlich nicht erwünscht." Es belaste Unternehmen relativ stark. Das Problem sei zudem, daß hochentwickelte Industriestaaten niemals mit den Arbeitslöhnen in China konkurrieren können, und immer mehr Jobs ins Ausland verlorengehen. "Hier müssen Gegenkonzepte gefunden werden, sonst wird Deutschland zum Verlierer der Globalisierung."
erschienen am 25. Mai 2005
Gruß BarCode
"Seit dem Veranlagungszeitraum 2002 werden Gewinne, die eine Kapitalgesellschaft bei Veräußerung von Anteilen an einer anderen Kapitalgesellschaft realisiert, prinzipiell steuerfrei gestellt."
Völlig unsinnige steuerliche Bevorteilung von großen Kapitalgesellschaften. Eine Einladung an die "Heuschrecken".
Gruß BarCode
Und ja, dass mit der steuerlichen Bevorteilung sehe ich auch als einen der größten Fehler und eine Hauptursache des drastischen anstiegs der Arbeitslosen. Das sollte unter der schwarz/gelben Reg wieder abgestellt werden.