Der vergessene Völkermord
Seite 1 von 4 Neuester Beitrag: 28.01.05 00:55 | ||||
Eröffnet am: | 17.06.04 17:33 | von: Karlchen_I | Anzahl Beiträge: | 100 |
Neuester Beitrag: | 28.01.05 00:55 | von: Katjuscha | Leser gesamt: | 12.977 |
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Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?" fragte Hitler am 22. August 1939, als er vor hohen Militärs und Kommandeuren der SS-Todesschwadronen erklärte, daß der kommende Krieg die gnadenlose Ausrottung des Gegners - Mann, Weib und Kind - bedeute. Da war der erste Völkermord in Europa - der Genozid an den Armeniern, 1915/16 von der Türkei verübt - gerade mal 24 Jahre her. Ein vergessener und verleugneter Völkermord noch heute?
Am 24. April gedenken die Armenier in der ganzen Welt alljährlich des Beginns des Völkermordes. Es war der 24. April 1915, als abends türkische Polizisten durch Konstantinopel zogen und die ganze Nacht über Armenier verhafteten. Dabei handelte es sich um die armenische Intelligenz und politisch führende Kreise: bekannte Publizisten, alle Politiker von Rang, Priester, Ärzte, Apotheker, Schriftsteller und führende Künstler des Theaters. Man durchsuchte die Wohnungen der Verhafteten, konnte aber kein belastendes Material finden, das von Aufstandsgedanken zeugte. Trotzdem verschleppte man sie nach Anatolien, wo sie umgebracht wurden. Der nächste Punkt war es für die Jungtürken, die armenischen Soldaten loszuwerden, die seit 1908 ja wieder in der osmanischen Armee dienen durften. Zuerst wurden sie entwaffnet, danach in Arbeitsbataillone eingeteilt, die zumeist für den Wegbau eingesetzt wurden. Laut Aussagen der Britin M. W. Frearson, die Leiterin eines amerikanischen Waisenhauses in Aintap, dem heutigen Gaziantep, war, stellte man die Männer nach der Fertigstellung entlang des Weges auf und ermordete sie. Dieses systematische Töten dauerte über den ganzen Sommer hinweg. Der Restbestand der armenischen Männer, die nicht beim Militär dienten oder der Führungsschicht angehörten, sollten mitsamt ihren Familien deportiert werden, genauergesagt in die mesopotamische Wüste um Der Zor. Am 27. Mai 1915 wurde die Deportation von der osmanischen Regierung beschlossen, wobei Innenminister Talaat Pascha die wichtigste Rolle als Organisator des Völkermords innehatte. Die Deportationen wurden militärisch begründet, denn die den Russen freundlich gesinnten und den Osmanen feindlich gesinnten Armenier sollten „evakuiert“ werden — soweit die türkischen Vorwände. Die sogennante Deportation war im Endeffekt nicht mehr als ein Euphemismus für Ausrottung. Hundertausende Armenier mussten zum Marsch in die mesopotamische Wüste aufbrechen mit Der Zor als Ziel, jedoch sollten nur die wenigsten das Ziel überhaupt erreichen, denn auf dem Weg gab es zahlreiche Massaker und Metzeleien, an denen sowohl Kurden als auch türkische Bauern beteiligt waren. Nur wenige Saptiehs, die die Züge vorgeblich zu deren Schutz begleiteten, hatten Mitleid mit den Deportierten; eher war es der Fall, dass auch sie bei den Mordaktionen mitwirkten und sich bereicherten. Es gibt zahlreiche Augenzeugenberichte, die die grausamsten, unmenschlichsten Gräueltaten an den schutzlosen Armeniern, wobei Frauen und Kinder genau so leiden mussten wie die Männer, beschrieben und den Berichten über die Zeit des Holocausts in nichts nachstehen. Das Ziel des jungtürkischen Regimes war dabei maximale Dezimierung durch Deportation, wobei die Deportation pure Vernichtungspolitik bedeutete. Das kaiserlich-deutsche Konsulat in Erzurum berichtete am 28. Juli 1915: „ ,Nach dem Kriege werden wir keine Armenier mehr in der Türkei haben‘ - ist der wörtliche Ausspruch einer maßgeblichen Persönlichkeit. Soweit sich dieses Ziel nicht durch die verschiedenen Massakres erreichen lässt, hofft man, dass Entbehrungen auf der langen Wanderung bis Mesopotamien und das ungewohnte Klima dort ein übriges tun werden.“
Die armenische Diaspora gewinnt an Zusammenhalt aus Verbitterung über die türkische Leugnung der Vorfälle im Ersten Weltkrieg, während die offizielle Geschichtsversion in der Türkei lautet, dass die jungtürkische Regierung sich gegen einen bewaffneten Armenieraufstand habe wehren müssen. Wer in der Türkei den Völkermord als Wahrheit darstellt, wird juristisch verfolgt. Dies musste auch der bekannte türkische Menschenrechtler Akin Birdal erfahren. Der Generalanzeiger Bonn veröffentlichte am 09. 02. 2001 einen Artikel, in dem zu lesen war, dass die Staatsanwaltschaft in Ankara Anklage gegen Birdal erhoben hatte, da dieser bei einer Veranstaltung in Stuttgart sein Land aufgefordert hatte, sich für den Völkermord an den Armeniern zu entschuldigen.
http://www.armenien.biz/genozid/
http://www.jungewelt.de/2004/06-03/005.php
Übrigens: Lob an die Schweiz - die sind hier weiter als wir:
http://www.osteuropa.ch/mainmenu/dossiers/aktuell_armeniergenozid.htm
Türkei will keine Gedenkstätte für den "Oskar Schindler von Potsdam"
Stadt und Land unterstützen Ehrung von Johannes Lepsius
Jens Blankennagel
POTSDAM. Es ist nur eine unscheinbare und ziemlich verfallene Villa in der Großen Weinmeisterstraße 45 in Potsdam. Doch das alte Gemäuer, in dem der Theologe Johannes Lepsius von 1907 bis 1925 lebte, sorgt für internationale Aufregung. Denn dort soll eine Erinnerungsstätte für den Menschenrechtler eingerichtet werden. Doch da Lepsius - einer der bedeutendsten Humanisten seiner Zeit - in den Jahren 1915/16 gegen den Völkermord der Türken an den Armeniern protestiert und vielen Armeniern das Leben gerettet hat, regt sich Widerstand aus Ankara.
"Rechtsextreme Brutstätte"
Die türkische Regierung bestreitet, dass es diesen Genozid gegeben hat und kämpft gegen die Renovierung des Lepsius-Hauses. "In einer groß angelegten Aktion wurde versucht, Oberbürgermeister Matthias Platzeck und andere unter Druck zu setzen", sagt der Hallenser Historiker Hermann Goltz, der seit 1975 über Lepsius forscht und das Gedenkstätten-Projekt wissenschaftlich betreut. Immer wieder hätten das türkische Generalkonsulat und türkische Vereine in Briefen gedroht, dass 200 000 Türken, die in der Region leben, gegen das Lepsius-Haus demonstrieren würden.
Nachdem die Landesregierung einen Förderantrag für den Umbau der verfallenen Villa nicht bewilligt hat, wurde der Vorwurf laut, Ministerpräsident Manfred Stolpe und Platzeck (beide SPD) hätten sich dem Druck der türkischen Seite gebeugt. "Wir sind nicht eingeknickt", sagte Regierungssprecher Manfred Füger. Das Land stehe weiter voll zu dem Ziel, den bedeutenden Potsdamer zu ehren. Stolpe habe der türkischen Regierung versichert, dass in dem Haus keine antitürkische Propaganda betrieben werde. "Die türkische Seite hatte in den letzten Monaten bei jeder Gelegenheit ihre Angst geäußert, dass das Haus zu einer Brutstätte des Rechtsextremismus oder gar ein Anlaufpunkt für armenische Terroristen werden könnte", sagte Füger.
Oberbürgermeister Platzeck sagte, dass es massenhaft anonyme Drohbriefe gegeben habe. "Aber so etwas bekommen wir oft. Davon lassen wir uns nicht beirren." Die Stadt stehe weiter dazu, in der Villa eine "Stätte der Begegnung, Forschung und Aussöhnung" zu schaffen. Da das Haus aber nicht der Stadt, sondern der Schlösserstiftung gehöre, müsse diese mit dem privaten Förderverein "Lepsius-Haus" Sponsoren finden.
Der Förderantrag für die Villa musste aus formalen Gründen ablehnt werden, sagte Holger Drews, Sprecher des Kulturministeriums. "Es gab keine politischen Gründe."
"Wir brauchen 1,6 Millionen Mark für den Umbau", sagte Hans-Ulrich Schulz, Chef des Fördervereins und Generalsuperintendent der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. "Wir lassen uns nicht entmutigen und stellen weiter Förderanträge." Es gehe nicht darum, die Türken "vorzuführen", sondern um einen Dialog über die Geschichte und um das Gedenken an einen Mann, der ungewöhnliche Zivilcourage gezeigt habe.
"Urvater der Menschenrechte"
"Lepsius ist eigentlich ein größerer Oskar Schindler als Schindler", sagte Professor Goltz. Lepsius habe den Völkermord nicht nur als Augenzeuge dokumentiert, er sei auch Anwalt und Helfer der Armenier gewesen. "Er ist dort so etwas wie ein inoffizieller Heiliger, der Waisenhäuser und Schulen gründete und Tausende Menschenleben rettete."
Doch obwohl der Völkermord und die Hilfe durch Lepsius belegt sind, habe die Potsdamer Politik merken müssen, dass das Thema ein "heißes Wespennest" sei. "Die Leugnung dieses Völkermordes ist eine wissenschaftlich nicht haltbare und längst zu revidierende Doktrin des türkischen Staates", sagte Goltz. Er hofft, dass die Politiker sich jetzt mit ihrer ganzen Autorität für das Haus einsetzen. "Vielleicht war erst der türkische Protest nötig, damit sie erkennen, dass es eine Sünde wäre, die Gedenkstätte für einen der Urväter der Menschenrechte nicht einzurichten."
Thx karlchen!
Freut mich aber, dass Du nicht nur auf vermeintlich ungebildeten Leuten rumhackst, sondern auch Bildungslücken eingestehen kannst. (Das in diesem Satz enthaltene Lob ist ernst gemeint).
Heutzutage wissen ja nicht mal 50% der Bevölkerung was (geschweige wann) die WeimarerRepublik war! Also da von Allgemeinbildung zu sprechen bei einem Thema das im Geschichtsunterricht totgeschwiegen wird, erscheint mir ein wenig übertrieben!
Dennoch muss ich zugeben das dieses Thema mir sehr wichtig erscheint, und es für mich persönlich peinlich ist, das ich es nicht kannte!
Grüße
ARMENIEN
Ein deutscher Pfarrer
und der Genozid
Er war Augenzeuge des Völkermords an den Armeniern. Er war eine Stimme des Gewissens, als andere Europäer schwiegen. In Potsdam will man Johannes Lepsius jetzt dafür ehren — aber es gibt Widerstände
Vor gut einem Jahr entdeckten die Potsdamer Stadtväter einen fast vergessenen großen Sohn ihrer Stadt, einen Menschenretter und Aufklärer: den Pfarrer Johannes Lepsius. Oberbürgermeister Matthias Platzeck stellte ihn damals in eine Reihe mit Albert Schweitzer, Dietrich Bonhoeffer und Oskar Schindler. Und der von Wissenschaftlern, Kirchenleuten und anderen Interessierten gegründete Verein „Lepsius-Haus Potsdam“ glaubte sich seinem Ziel einen Schritt näher: die Geschichte des Johannes Lepsius und seine Bedeutung für Armenien einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen — und die ehemalige Lepsius-Villa in eine Forschungs- und Begegnungsstätte zu verwandeln.
Doch kaum waren die Grußworte verklungen, traf im Rathaus eine Flut von Protestbriefen ein. Als Absender zeichneten türkische Dachverbände, Vereine, Privatleute. Auch die Initiatoren des Vereins erreichte der Protest. Sie würden Unruhe hervorrufen, hieß es, und: Wer in Deutschland an die Verfolgung der Armenier erinnere, schüre Fremdenhass. Der damalige türkische Botschafter lud die Initiatoren ein. Von türkischer Seite habe man versucht, die „angeblich furchtbaren Folgen aufzuzeigen, die die Offenlegung der Wahrheit“ nach sich zöge, sagt der Theologe Hermann Goltz aus Halle, Mitbegründer des Lepsius-Vereins.
Wer ist dieser Johannes Lepsius, der heute noch für so viel politische Aufregung sorgt und an den sogar im fernen Jerewan eine Gedächtnistafel am dortigen Völkermord-Denkmal erinnert?
Schon zu Lebzeiten ist der Pfarrer eine Legende. Im Jahr 1915 tritt er dem osmanischen Kriegsminister Enver Pascha in Konstantinopel gegenüber. Der Theologe bittet den Politiker, die Mordmaschinerie, die gegen die armenische Minderheit in Gang ist, in letzter Minute zu stoppen. Aber er hat keinen Erfolg. Als Anwalt der Armenier hat sich Lepsius schon früh einen Namen gemacht. Schon im Jahr 1896 reist der Sohn eines Orientexperten in die Armeniergebiete, um mehr über frühere Massaker an der Bevölkerung zu erfahren. Per Bahn geht es über Istanbul bis Ankara, von dort weiter zu Pferd.
Um die Morde aufzudecken,
tarnt sich der Pfarrer als Teppichhändler
Bei seinen Reisen durch die Armenier-Gebiete notiert er, getarnt als Teppichhändler, Berichte von Augenzeugen, sammelt statistisches Material. Vermischt mit persönlichen Betrachtungen und polemischen Attacken gegen die Täter entsteht daraus die Dokumentation „Armenien und Europa“, Untertitel: „Eine Anklage wider die christlichen Großmächte und ein Aufruf an das christliche Deutschland“. Dem Auswärtigen Amt, um gute Beziehungen zum Osmanischen Reich bemüht, kommt das Buch damals höchst ungelegen.
Unterstützung bekommt der Pfarrer aus pietistischen Kreisen, nicht aber von seiner Kirchenleitung. Er bittet darum, seinen Urlaub verlängern zu dürfen. Als seine Bitte abgelehnt wird, kündigt der Familienvater seine Pfarrstelle und organisiert den Aufbau von armenischen Waisenhäusern in Talas und in Urfa. In Deutschland zieht er von Stadt zu Stadt, von Königsberg bis München, ein furioser Redner, der die Leute für sein Armenierhilfswerk begeistern will.
In der Zeit der Balkankriege (1912/13) zeichnet sich die Chance für eine Autonomie der armenischen Provinzen ab. Die deutsche Diplomatie erinnert sich des unliebsamen Pfarrers und schickt ihn zu internationalen Konferenzen. Im Frühjahr 1914 unterzeichnen die Großmächte Verträge, die eine armenische Autonomie vorsehen. Doch dazu kommt es nicht. Im Schatten des Ersten Weltkrieges lösen die türkisch-nationalistischen Diktatoren die „armenische Frage“ auf andere Weise.
Mit Hilfe seiner Kontakte im Auswärtigen Amt gelangt Lepsius nach Konstantinopel. Wieder sammelt er Beweise. Sein Buch „Die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ wird sofort nach Erscheinen durch die Militärzensur verboten. In der Zeit des Völkermords, der im Osmanischen Reich unter den Augen der deutschen Verbündeten geschieht, muss das Armenierhilfswerk seine Arbeit einstellen.
Im Juni 1921 tritt Lepsius noch einmal ins Rampenlicht: In Berlin-Charlottenburg hat der armenische Student Soghomon Teilirian den ehemaligen Innenminister und Mitorganisator des Völkermords, Talat Pascha, auf offener Straße erschossen. Lepsius’ Gutachten trägt dazu bei, dass das Gericht den Attentäter freispricht und die Taten des Getöteten verurteilt. Der Prozess geht in die Rechtsgeschichte ein als frühes Beispiel für die Verurteilung ausländischer Völkerrechtsverbrechen.
Gründe gibt es also genug, dem Potsdamer Pfarrer auch in seiner Heimat ein Andenken zu stiften. Doch die Aufbruchstimmung in Sachen Lepsius ist verflogen. Zeigten sich Vertreter bedeutender Stiftungen von dem Lepsius-Haus-Projekt zunächst begeistert, erreichten die Initiatoren später höfliche Absagen. Die Förderung passe leider nicht ins Gesamtprofil, hieß es plötzlich. Die Initiatoren vermuten dahinter die Angst vor einem Konflikt mit der türkischen Minderheit in Deutschland. Avisierte Landes-Fördermittel blieben ebenfalls aus. Auch die Stadt hält sich vornehm zurück. „Die Stadt ist weder Eigentümer noch Bauherr noch Initiator“, sagt Wieland Eschenburg, Referent des Potsdamer Oberbürgermeisters. Dann aber, als wolle er Potsdam doch einen Helden erhalten, fügt er hinzu: „Der Lepsius gehört zu dieser Stadt, mit seiner Geschichte, mit seiner Aufklärungsarbeit.“
Sehr lesbar (wenn natürlich auch schwer verdaulich).
Gruß BarCode
Gruß BarCode
bedrohte Völker weltweit :
http://www.gfbv.de/voelker/voelker.htm
Es hat hier übrigens einen Paradigmenwechsel gegeben. Strammkonservative Kräfte wollten in Weimarer Zeiten den Armenienvölkermord unter den Teppich kehren, während die SPD ihn anprangerte.
Heutzutage hört man von der SPD nichts mehr. Jeder aber, der den Völkermord anprangert, wird von den Türken in die Nazi-(weil türkenfeindliche)Ecke gedrängt.
Ich kann bezeugen, dass BarCode und FunMan2001 alles andere als türkenfeindlich eingestellt sind.
Ich habe gestern oder vorgestern mit den beiden sehr kontrovers über Türken diskutiert.
Es ist Zeit: Völkermord verurteilen !
Mit Deportationen, Vertreibung und organisiertem Massenmord betrieb die regierende türki-sche Nationalistenpartei „Komitee für Einheit und Fortschritt“ in den Jahren 1914 bis 1918 die Türkisierung Kleinasiens. Beim Friedensschluß von Lausanne 1923 war fast die ge-samte christliche Bevölkerung von fünf Millionen Menschen - Armenier, Griechen, arabische und aramäische (Syrisch-Orthodoxe, Nestorianer, Chaldäer) Christen - beseitigt worden. 1916 erfolgten die ersten Zwangsumsiedlungen von Kurden.
Systematisch vernichteten die „Jungtürken“ 1915 die armenische Bevölkerung. Der Welt-krieg und die Ausschaltung des Parlaments erleichterten den Völkermord: Binnen weniger Wochen wurden die intellektuellen und politischen armenischen Wortführer festgenommen, gefoltert und ermordet, anschließend die übrigen Männer massakriert und Frauen, Kinder sowie Alte zu Fuß über Hunderte von Kilometern in Wüstengebiete getrieben: Ein Todes-marsch, bei dem Hunger und Seuchen die Hauptvernichtungsmittel bildeten. Nach Schät-zung der deutschen Botschaft zu Konstantinopel vom Oktober 1916 waren von 2,5 Millio-nen Armeniern des Osmanischen Reiches anderthalb Millionen umgekommen.
Als „Verbrechen gegen die Gesetze der Menschlichkeit“ verstieß der Völkermord an den Armeniern gegen internationale Abkommen, namentlich gegen die Martenssche Klausel in der Präambel der Haager Landkriegsordnung (1899, 1907). Die „humanitäre Intervention“ Großbritanniens, Frankreichs und Rußlands, die am 24. Mai 1915 der türkischen Staatsfüh-rung ein internationales Strafgericht nach Kriegsende androhten, bildete den ersten Ver-such der Staatengemeinschaft, einen Völkermord zu verhindern. Da aber das Verbrechen ungestraft blieb, fand der Massenmord an den Armeniern Nachahmer. Zwischen dem Völ-kermord an den Armeniern und der Vernichtung der europäischen Juden bestehen kausale Zusammenhänge sowie Parallelen.
Seit Gründung der Republik Türkei haben alle ihre Regierungen die Realität des Genozids von 1915 bestritten. Ihr fortgesetztes Leugnen fügt dem armenischen Volk seit Generatio-nen schwersten moralischen Schaden zu.
Deutschland besitzt aufgrund seines Militärbündnisses mit der osmanischen Türkei eine besondere Stellung sowohl in der türkischen, als auch in der armenischen Geschichte. Sei-ne in beinahe allen Provinzhauptstädten vertretenen Konsuln konnten die Etappen der Ar-meniervernichtung genauer dokumentieren als die Diplomaten der türkischen Kriegsgegner. Einzelne Deutsche leiteten als Angehörige der osmanischen Armee militärische Aktionen gegen die armenische Zivilbevölkerung. Die Staatsführung des Kaiserlichen Deutschland nahm den Völkermord wegen „höherer Interessen“ billigend in Kauf und verhängte Militär-zensur über die Türkeiberichterstattung. In der ersten deutschen Republik fanden einige der hauptverantwortlichen türkischen Partei- und Staatsführer Unterschlupf, obwohl sie 1919 in ihrer Heimat wegen Kriegsverbrechen und Massenmord an den Armeniern zum Tode ver-urteilt waren. Indem Deutschland türkische Auslieferungsbegehren ignorierte, behinderte es damals den ersten und einzigen Versuch einer rechtlichen Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern.
Die Bundesrepublik Deutschland ist Heimat der größten türkischen Diasporagemeinschaft und Heimat deutscher Staatsbürger armenischer Abstammung. In ihrem Namen wenden sich die Unterzeichner an den Staatspräsidenten der Bundesrepublik sowie an den Prä-sidenten und die Mitglieder des Deutschen Bundestages:
- Erkennen Sie die Tatsache des Völkermordes an den Armeniern an! Folgen Sie dem Bei-spiel internationaler und nationaler Gremien: dem Weltkirchenrat, dem Europäischen Par-lament, der UN-Menschenrechtskommission, den Parlamenten bzw. Senaten Argentiniens, Belgiens, Bulgariens, Frankreichs, Griechenlands, Kanadas, Libanons, der Rußländischen Föderation, Uruguays, der USA und Zyperns. Auch Papst Johannes Paul II. hat den Völ-kermord anerkannt.
- Fordern Sie die Regierung und den Gesetzgeber der Republik Türkei auf, die historische Tatsache des Völkermordes anzuerkennen und damit der Bedingung zu entsprechen, die das Europäische Parlament mit seiner am 18. Juni 1987 verabschiedeten „Resolution zur politischen Lösung der Armenischen Frage“ an die Vollmitgliedschaft der Türkei gestellt hat. Sie tragen damit unmittelbar dazu bei, Gerechtigkeit für die Nachfahren der Opfer wieder-herzustellen. Sie helfen, die Spirale von Verbrechen, Straflosigkeit und Wiederholung zu durchbrechen, die das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert der Völkermorde machte.
Ebenso unterstützen Sie mit dieser Entscheidung die Demokratisierungsprozesse innerhalb der Türkei sowie jene türkischen Staatsbürger, die in ihrer Heimat für den Versuch einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit strafrechtlich belangt werden. Die Anerkennung des Völkermordes von 1915 seitens der türkischen Regierung ist als vertrau-ensbildende Maßnahme ebenfalls geeignet, die armenisch-türkischen Beziehungen zu ver-bessern und zu Entspannung und Frieden in der Region beizutragen.
Erstunterzeichner:
Zentralrat der Armenier in Deutschland e.V. (ZAD)
Zentralrat deutscher Sinti und Roma e.V.
Föderation der syrischen (aramäischen) Vereine in der BRD e.V.
Erzbischof Karekin Bekdjian, Primas der Armenisch-Apostolischen Kirche in Deutschland
Informations- und Dokumentationszentrum Armenien
Institut für Armenische Fragen e.V.
Gesellschaft für bedrohte Völker e.V., Koordinationsgruppe Armenien
Armenische Landsmannschaft zu Bayern e.V.
Armenischer Kulturverein in Hessen e.V.
Armenische Gemeinde zu Berlin e.V.
Gemeinde der Armenischen Kirche zu Berlin e.V.
Armenische Gemeinde zu Duisburg e.V.
Verein Armenischer Mediziner in Deutschland e.V.
Armenischer Unternehmer-Verein e.V.
Deutsch-Armenische Gesellschaft e.V.
Armin T. Wegner-Gesellschaft
H.O.M. - Armenisches Hilfswerk in Deutschland e.V.
Verein zur Förderung der armenischen Kultur und Wohltätigkeit e.V.
Stiftung für Armenische Studien im Stifterverband der Deutschen Wissenschaft
Verein der Völkermordgegner e.V.
Verein der Völkermordgegner e.V., Sektion Nürnberg
TÜDAY e.V. Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland
Assyrische Union Berlin e.V.
Verein der Pontier in Berlin „I Ipsilantides“ e.V.
Mezopotamisches Kulturzentrum (Nürnberg)
Türkisch-Kurdische Freundschaftsinitiative (Nürnberg)
Bremer Chorwerkstatt e.V.
Pax Christi Berlin - Internationale Katholische Friedensbewegung im Erzbistum Berlin
Internationaler Konvent Christlicher Gemeinden in Berlin und Brandenburg e.V. - Ver-band fremdsprachiger Kirchen und Missionen
Folgende Verbände unterstützen den Aufruf „Es ist Zeit: Völkermord verurteilen“
Internationaler Verein für Frieden und Gerechtigkeit - Pro Humanitate e.V., Köln
Koordination „Gerechtigkeit und Frieden“ der Franziskaner
[Namen der einzelnen Unterstützer werden hier in Suryoyo Online nicht veröffentlicht]
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P o d i u m s d i s k u s s i o n
BELASTET MIT DER VERGANGENHEIT,
PROBLEMATISCH IN DER GEGENWART:
DIE TÜRKEI SOLL EU-MITGLIED WERDEN
am Sonntag, 9. April 2000, 19 Uhr
ORT: „HAUS DER DEMOKRATIE“, Großer Saal
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin (Prenzlauer Berg)
(Bus 100, Straßenbahn 2, 3, 4 bis Haltestelle „Am Friedrichshain“)
1999 wurde die Kandidatur der Türkei als Vollmitglied in der Europäischen Union anerkannt. Die rot-grüne Bundesregierung befürwortet einen zügigen Beitritt des NATO-Staats, der schon im Ersten Welt-krieg deutscher Waffenbruder war. Doch ist die heutige Türkei europareif? Erfüllt sie bereits die Aufla-gen, die das Europäische Parlament 1987 zur Voraussetzung des türkischen Beitritts erhob? Zu den Stolpersteinen auf dem Weg nach Europa gehören die Vergangenheitsbewältigung, in erster Linie der von bisher jeder türkischen Regierung geleugnete Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern in den Jahren 1915/16. Die Teilung und militärische Besetzung (Nord)Zyperns, die ungelöste Kurdenfrage, anhaltende Repressionen gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie allgemeine Menschen- und Bürger-rechtsdefizite bilden weitere Belastungen für den EU-Beitritt.
85 Jahre nach dem Genozid diskutieren erstmalig Vertreter der aramäischen, armenischen, kurdischen und türkischen Gemeinschaft Deutschlands mit Experten aus Wissenschaft und Politik über die Fähig-keit der Türkei zur Vergangenheitsbewältigung und die Kriterien für ihre Aufnahme in die EU.
Im Podium:
Claudia Roth, MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäres des Deutschen Bundestages (angefragt)
Ozan Ceyhun, MdEP (angefragt)
Prof. Dr. Udo Steinbach (Direktor des Deutschen Orient-Instituts, Hamburg)
Ali Ertem (Vorsitzender des Vereins der Völkermordgegner e.V., Frankfurt)Alice Maroukhian (Stellv. Direktorin des Instituts für Armenische Fragen e.V., München)
Dr. Aschot Manutscharjan (Historiker und Publizist, Bonn)
Gevriye Çelik, Zweiter Sekretär der Föderation der syrischen (aramäischen) Ver-eine in der BRD e.V.
Moderation: Dr. Tessa Hofmann (Gesellschaft für bedrohte Völker, Berlin)
Veranstalter:
Gesellschaft für bedrohte Völker, Koordinationsgruppe Armenien
Zentralrat der Armenier in Deutschland e.V.
Informations- und Dokumentationszentrum Armenien
Institut für Armenische Fragen e.V.
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PRESSEKONFERENZ
am Montag, den 17. April 2000, 10 Uhr
in der Katholischen Akademie Berlin,
Hannoversche Str. 5
10115 Berlin-Mitte
Seminarraum 2
zum 85jährigen Gedenktag an den Völkermord an anderthalb Millionen Armeniern und ei-ner halben Million aramäischer Christen im damaligen Osmanischen Reich
und aus Anlaß zweier Petitionen, die eine parlamentarische Debatte sowie Stellungnahme zum Völkermord an den Armeniern initiieren wollen: Die Petition „Völkermord verurteilen“ wurde von der „Arbeitsgruppe Anerkennung“ erarbeitet, einem Zusammenschluß von vier Organisationen, die sich seit langem für die Anerkennung bzw. Verurteilung des Völker-mordes einsetzen.
Die zweite Petition stammt vom „Verein der Völkermordgegner e.V.“, einer Initiative türki-scher Staatsbürger, die seit 1998 über zehntausend Unterschriften vor allem in der tür-kischsprachigen Gemeinschaft Deutschlands gesammelt hat. Im November 1999 übersandte der Verein die Petition nebst Unterschriften der Großen Nationalversammlung in Ankara, die aber den Empfang ablehnte. Nun wenden sich die Antragsteller an das Parlament ihres Aufent-haltslandes.
Dritter Anlaß ist der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union.
Türkische Menschenrechtler werden nach der Pressekonferenz die Vertreter der Arbeitsgrup-pe Anerkennung sowie des Vereins der Völkermordgegner zum Deutschen Bundestag beglei-ten.
Veranstalter:
Arbeitsgruppe Anerkennung (Zentralrat der Armenier in Deutschland e.V.,
Koordinationsgruppe Armenien der Gesellschaft für bedrohte Völker,
Informations- und Doku-mentationszentrum Armenien,
Institut für Armenische Fragen e.V.)
Verein der Völkermordgegner e.V.
i.A. der Veranstalter:
Ich glaube, dass wir uns in Deutschland unserer Vergangenheit gestellt haben - was sehr schmerzlich war. Vielleicht sind wir auch zu sehr ins Masochistische abgerutscht - weiß ich nicht. Unter dem Strich war das aber in Ordnung.
Die revisonistischen Spinner lasse ich mal außen vor, die Aufrechnen wollen, um weißzuwaschen. Oder die gar leugnen.
Für mich gilt aber: Wenn jemand seine Vergangenheit verleugnet, ist das kein ernstzunehmender Partner. Grüße an die Türkei.
Kennen- und Verstehenlernen allein verhindert Völkermord
Voraussetzung für jegliche Form des Völkermordes ist eine Überbewertung der eigenen Gruppe. Wann immer eine Gruppe glaubt höherentwickelter, kultivierter oder gottnäher zu sein, besteht die Gefahr des Völkermordes. Wir finden sie im Kolonismus ebenso wie in nationalsozialistischen, kommunistischen oder fundamentalistischen Systemen.
Wissenschafter, die auf scheinbare Naturgesetze berufend, diese Ideen von Kulturvolk und Wilden, Herrenmenschen und Sklaven, Rechtgläubigen und Verfluchten begründen sind ebenso gefährlich, wie die Politiker und Medien, die sie verbreiten.
Das einzige wirksame Gegenmittel ist die verstärkte Förderung des gegenseitigen Kennen- und Verstehenlernens, besonders der jungen Menschen. So hat in Europa wohl das Interrail-Ticket mehr zum besseren Völkerverständnis beigetragen, als so manches Symposion. Die Austauschprogramme von SchülerInnen, Lehrlingen und Studierenden muß gefördert werden. Die Schulen, Universitäten sowie die dafür verantwortlichen Ministerien und Gremien sind gefordert - nicht nur in Europa, sondern besonders in den durch Kolonialismus und politischen Wirren stark geschädigten Regionen.
massenmorde werden kaschiert, angeblich sind sie dort demokratisch veranlagt.
für mich immer noch unverständlich, warum unser europäisches linkssozialistisches amalgam, diesen beitritt unbedingt haben will.
so ein großer unterschied scheint ja nicht zu sein, sie sind sogar noch geistesverwandt.
knechtung von menschlichen freiheitsansprüchen und frauenfeindlich, politisch inhaftierte gibt es auch in der türkei....wie einst unter den kommunisten im besetzten teil osteuropas.
http://www.hawaii.edu/powerkills/SOD.CHAP5.HTM#1
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gruß
proxi
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