Der ewige Sozialdemokrat packt aus...


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Neuester Beitrag: 02.09.08 15:55
Eröffnet am:11.08.06 18:46von: Karlchen_IIAnzahl Beiträge:80
Neuester Beitrag:02.09.08 15:55von: PRAWDALeser gesamt:5.712
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50950 Postings, 7622 Tage SAKU*tztztztztztztz*

 
  
    #51
1
14.08.06 10:31
Gott was hatte meine Omma recht (als Sie Paps saku unterschwellig an seine eigene Jugend erinnerte):

"Wer sündig durch die Jugend tapst, im Alter meist nach Tugend japst..."
__________________________________________________
VIVA ARIVA!  

2590 Postings, 7191 Tage brokeboymit siebzehn ...

 
  
    #52
2
14.08.06 10:39
... gutgut - ich find es ja auch komisch, dass jemand so lange den mund hält. aber bleibt mal auf dem teppich - der war doch gerademal siebzehn - und gerade in dieser zeit gab' es nicht viel raum für intellektuell reifung - die verbrachten doch mehr zeit im bunker als auf der schulbank. für mich absolut verständlich, dass so einer erst mit 22,25 wirklich kapiert was sache war, endlich was lernt und dann mit dieser dummejungengeschichte nichts mehr zu tun haben möchte. ich bin sicher der letzte, der die sozigen politstatements des gg in schutz nimmt, aber karlchen: dass der seit 30 jahren nichts gutes mehr produziert hat stimmt faktisch wirklich nicht. für mich stellt sich das so dar, dass der gg rein politisch vielen quer im mund lag und sich jetzt endlich die gelegenheit, bzw. das nötige futter bietet, ihn zu delegitimieren.  

129861 Postings, 7628 Tage kiiwiiErschütterung über das Bekenntnis von Grass

 
  
    #53
14.08.06 10:47
Erschütterung über das Bekenntnis von Grass


Reaktionen auf Mitgliedschaft in der Waffen-SS/"Selbstüberwindung verdient Respekt"/"Zu spät"


fvl. FRANKFURT, 13.August. Das Eingeständnis von Günter Grass, im Alter von 17 Jahren Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, hat Überraschung und Erschütterung ausgelöst. 61 Jahre nach Kriegsende hatte der Literaturnobelpreisträger in einem Gespräch mit dieser Zeitung sein Schweigen gebrochen. "Es mußte raus", sagte er zur Begründung.


Anstoß erregte besonders der späte Zeitpunkt des Bekenntnisses. Der Historiker Michael Wolffsohn befand, durch das beharrliche Schweigen werde "Grass' moralisierendes, nicht sein fabulierendes Lebenswerk entwertet". Zudem habe Grass vor 21 Jahren "eine goldene Gelegenheit" gehabt, seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS einzuräumen, als Deutschland im April 1985 über den Besuch des Soldatenfriedhofs in Bitburg durch den damaligen Bundeskanzler Kohl und den amerikanischen Präsidenten Reagan diskutierte.


Ähnlich äußerte sich der CDU-Politiker Pflüger. Grass hätte "damals sein Ansehen einsetzen müssen, um gegenüber der Welt zu erklären, wie es im nationalsozialistischen Deutschland dazu kommen konnte, daß junge Menschen zur Waffen-SS kamen". Der Historiker Arnulf Baring formulierte es zurückhaltender: "Die Selbstüberwindung von Grass verdient Respekt. Aber man fragt sich beklommen, warum er sich nicht früher zur Wahrheit aufgerafft hat." Grass habe stets betont, wie unvollkommen die deutsche Vergangenheitsbewältigung sei. "Er muß sich dabei halb bewußt immer selbst im Auge gehabt haben." Der Grass-Biograph Michael Jürgs zeigte sich "persönlich enttäuscht" und sprach vom "Ende einer moralischen Instanz".


Zuspruch erhielt Grass hingegen von Schriftstellerkollegen wie Dieter Wellershoff, Erich Loest und Ralph Giordano. "Man lebt in der Welt, in die man hineingeboren wird", sagte Wellershoff und warnte davor, Grass moralisch abzuurteilen. Auch Erich Loest meinte, Grass' Bekenntnis sei "ohne Vorwurf" hinzunehmen. "Er war sehr jung und stand unter keinem anderen Einfluß, der ihn abgehalten hätte." Ähnlich äußerte sich der Holocaust-Überlebende Giordano. Grass habe "keine innere Verteidigungsmöglichkeit" gehabt gegen "das, was Propaganda- und Agitationsapparat der Nationalsozialisten damals vollbracht hatte".


Schlimmer, als einen politischen Irrtum zu begehen, sei es, sich nicht damit auseinanderzusetzen. Der Literaturwissenschaftler Walter Jens, der vor zwei Jahren aufgrund seiner unwissentlichen Mitgliedschaft in der NSDAP in die Kritik geraten war, sagte, Grass' Bekenntnis sei "abgewogen, präzise und vernünftig" und Grass habe den richtigen Zeitpunkt dafür gewählt: "Vorher wäre manches besserwisserisch erschienen." (Fortsetzung Seite 2; siehe Feuilleton, Seite 31.)


Text: F.A.Z., 14.08.2006, Nr. 187 / Seite 1


MfG
kiiwii  

16 Postings, 6796 Tage FriedaCologneLöschung

 
  
    #54
14.08.06 10:49

Moderation
Zeitpunkt: 14.08.06 14:14
Aktion: Löschung des Beitrages
Kommentar: rechtsextremes Gedankengut

 

 

246 Postings, 6707 Tage barracuda04ein mutiger Mann?????????

 
  
    #55
14.08.06 11:07
Wohl mehr Angst vor der Enthüllung seitens 3.! Schadet wohl weniger, zunächst vor der eigenen Tür zu kehren, bevor man andere "vermieft". Schade, hatte gehofft, Grass sei nicht so'n Piefke -aber das war wohl zu kurz gesprungen für den "Saubermann !  

129861 Postings, 7628 Tage kiiwiiFrieda-Maxi-Klausi-etc

 
  
    #56
14.08.06 11:09
...wieviele IDs hast Du noch ??

Und:
Wolltest Du (als MaxiJo) nicht 14 Tage Pause machen ??

Geht wohl nicht; gräbst dann ne alte ID aus, die Du parallel schon seit dem 01.03.06 angemeldet hattest...


Wie nennt man das ??


MfG
kiiwii  

129861 Postings, 7628 Tage kiiwiiGrass droht Entzug von Auszeichnungen

 
  
    #57
14.08.06 12:35
Handelsblatt, 14.08.2006, S. 1


Grass droht Entzug von Auszeichnungen


Das späte Bekenntnis des deutschen Literaturnobelpreisträgers Günter Grass, als Siebzehnjähriger Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, hat auch im Ausland erheblichen Wirbel ausgelöst.


Aus Enttäuschung über Grass erwägt der tschechische Pen-Club, ihm den Karel-Capek-Preis zu entziehen. „Wir werden das besprechen“, sagte der Pen-Vorsitzende Jiri Stransky am Sonntag. „Ich würde das nicht ohne Beachtung lassen.“ Grass ist Ehrenmitglied des tschechischen Pen-Clubs und hatte die Auszeichnung 1994 erhalten.


Dagegen will der Stadtrat von Danzig abwarten. „Die Angelegenheit ist zu frisch, um sie zu kommentieren“, sagte Bogdan Olesezek, der Vorsitzende des Stadtrates. Auch in Deutschland reagierten Schriftsteller und Politiker betroffen auf das Eingeständnis des 78-Jährigen.  


MfG
kiiwii  

4506 Postings, 8689 Tage verdiAlso ich sag mal so:Wenn man in dieser Zeit

 
  
    #58
2
14.08.06 14:00
Jugendlicher war(als sagen wir so zwischen 39 und 44 seine Jugend durchlebt hat)
und keine sozialistische,kommunistische oder andere religiöse Hintergründe(Eltern,usw.) hatte,dann kann man weder heute noch morgen diese "Jugendliche" für die "Mitläufer-
schaft" zur Rechenschaft ziehen.

Was wären wir in dieser Zeit "geworden"?

Mein Vater hat sich 44 mit 16 freiwillig an die Front gemeldet und hat es geschafft,
wieder heimzukommen.Das waren doch Bübchen(siehe Film "Die Brücke").Er wurde später
CDU-Mitglied,aber sonst kann ich ihm keine Vorwürfe machen;-)).

Hat Grass sich freiwillig zu dem Verein gemeldet?

Es wird schon seinen Grund haben,warum es ihm ein Bedürfnis ist,sich über sein Tun
in dieser Zeit zu äußern!

Ansonsten:Ich weiß,dass ich nichts Neues erzähle!

Und wieder mal:Much Ado about Nothing!!!

 

16 Postings, 6796 Tage FriedaCologneBestreite den VOrwurf des rechtsextremen Gedanken-

 
  
    #59
14.08.06 14:56
guts, auf das Äusserste!

Meine Anmerkungen gingen dahin, Grass als mutigen Mann zu bezeichnen und gleichzeitig in seinem outig eine Chance sehe, unsere deutsche Schuldkomplexe, die ja gern wachgehalten werden, von bestimmten Gruppen, aufgearbeitet und auch gemindert werden können.

Schuld, trifft weder Grass, noch sonst irgendeinen Soldaten, auch nicht bei der SS , der damals ein Jugendlicher und ein Produkt des Systems war.
Bei Menschen, die so ab etwa 20 Jahren alt waren, und auch noch Verantwortung bzw. Führungsverantwortugn hatten, ist auch die Schuldfrage nicht so klar, wie hier manch einer uns weiss machen will! ist doch wohl kaum zu erwarten, dass man sich damals, wo die gesamte Umgebung eben das erwartet hatte, sich als 16jähriger dagegen aufstemmt, und höchstwahrscheinlch hat man selber auch gar nicht das Unrecht erkannt, weil ja die Medien entsprechend einseitig berichtet haben.

ich habe keine Schuld, jeder der heute unter 70 Jahre alt ist, hat keine Schuld, Eine kollektive Schuld, also für vorherige Generationen gibt es für mich nicht. Das lasse ich mir auch von niemanden einreden, es sind ja diese Menschen, die wohl hier auch, eine Rechtfertigung darin sehen wollen, für das Unrecht, was sie selber begehen.
Das ist eine Schande sich so zu verhalten!      

23301 Postings, 6655 Tage Malko07MaxiJo kann sich nicht verstecken.

 
  
    #60
14.08.06 15:04
Wird ihm nie gelingen!  

12175 Postings, 8557 Tage Karlchen_IIJetzt kehrt der Typ auch noch das

 
  
    #61
1
14.08.06 22:11
Sensibelchen raus und macht auf beleidigte Leberwurst - wobei es ihm doch nur um den Verkaufserfolg seines Buches und mithin um Reibach und vor allem um persönliche Aufmerksamkeit geht...

Der Täter, der auf Opfer macht. Nur noch widerlich.
__________________________________________________

Günter Grass
"Man will mich zur Unperson machen"
Nach heftiger Kritik im In- und Ausland hat sich der Nobelpreisträger für sein Bekenntnis, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, erneut verteidigt. Zur Forderung, er solle die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Danzig niederlegen, wollte Grass sich nicht äußern.


Hamburg - Das Medienecho auf sein SS-Bekenntnis hat Literaturnobelpreisträger Günter Grass tief getroffen. „Sicher ist es auch der Versuch von einigen, mich zur Unperson zu machen“, sagte der Schriftsteller (78) in einem Interview. „Deshalb bin ich dankbar, dass es differenzierende Gegenstimmen gibt. Ich kann nur hoffen, dass einige Kommentatoren jetzt mein Buch genau lesen.“ In seiner am 1. September erscheinenden Kindheits- und Jugend-Autobiografie „Beim Häuten der Zwiebel“ berichtet Grass unter anderem erstmals über seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS.

„Deutlicher, genauer aus meiner Erinnerung habe ich nicht ausdrücken können, wie ich mich im Alter von 16, 17 Jahren verhalten habe. Und dass ich diesen Makel, und ich habe das als Makel empfunden, über 60 Jahre lang zu spüren hatte und versucht habe, daraus meine Konsequenzen zu ziehen. Dem entsprach mein späteres Verhalten als Schriftsteller und als Bürger“, sagte Grass.

Zu einzelnen Stimmen, er habe jede Glaubwürdigkeit als moralische Instanz verloren und solle die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Danzig und den Nobelpreis zurückgeben, wollte Grass sich nicht äußern. „Ich komme dann nicht mehr aus dem Kommentieren heraus.“

Der Schriftsteller betonte erneut, in der Zeit nach seiner Vereidigung Ende Februar 1945 bis zu seiner Verwundung am 20. April 1945 keinen Schuss abgegeben zu haben. Er sei auch an keinem Verbrechen beteiligt gewesen. Schriftsteller und Medienkommentatoren hatten Grass für dessen spätes Eingeständnis scharf angegriffen.

Grass: „Naivität der Jugend“

Auf die Frage, warum er dennoch so lange geschwiegen habe, sagte Grass: „Erst als ich mich entschlossen habe, über meine jungen Jahre zu schreiben, was mir als jungem Mann widerfahren ist, fand ich diese literarische Form. Sie ermöglichte es mir, endlich auch über die Mitgliedschaft in der Waffen-SS zu schreiben und zu sprechen.“

In der Summe sei für das Buch aber nicht das Thema SS entscheidend, sondern das quälende Hinterfragen seiner Naivität als Jugendlicher in der NS-Zeit: „Wie konnte ich so blauäugig dieser Ideologie hinterherlaufen? Warum habe ich keine Fragen gestellt, als mein polnischer Onkel nach der Erstürmung der polnischen Post 1939 in Danzig standrechtlich erschossen wurde. Warum habe ich nicht nachgefragt, als mein Lateinlehrer, der Zweifel am Endsieg äußerte, auf einmal verschwunden war?“

Grass hatte am Wochenende der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, er habe sich mit 15 Jahren freiwillig zur U-Boot-Truppe gemeldet, die aber niemanden mehr genommen habe. So sei er als 17-Jähriger aus dem Reichsarbeitsdienst nach Dresden zur Waffen-SS einberufen worden und habe der zehnten SS-Panzerdivision "Frundsberg" angehört.
WELT.de/dpa

 

12175 Postings, 8557 Tage Karlchen_IINa?

 
  
    #62
14.08.06 23:05

129861 Postings, 7628 Tage kiiwiina ja, er hat ja noch bis zu den Nürnberger

 
  
    #63
14.08.06 23:13
Prozessen an Hitler geglaubt und von den Greueln nix gewusst haben wollen (behauptet er jedenfalls)...

Und da war er dann ja immerhin schon 20 Jahre alt...


MfG
kiiwii  

12175 Postings, 8557 Tage Karlchen_IIUnd in die U-Boot-Flotte wollte er auch.

 
  
    #64
1
14.08.06 23:17
Wundert sich im Nachhinein, dass er zur Waffen-SS einberufen wurde. Und was er dann bei der SS angestellt hat - kann er sich nicht mehr dran erinnern. Aber alles vorher und alles nachher ist ihm klar in Erinnerung. Schon klar.  

9500 Postings, 6925 Tage Der WOLFund drauf geschissen - passt lieber mit auf ...

 
  
    #65
14.08.06 23:18
das es sowas wie die wss nie mehr gibt ... grass - wer ist das?
 

129861 Postings, 7628 Tage kiiwiies ist ja bekannt,daß die Marine und in Sonderheit

 
  
    #66
14.08.06 23:20
die sog. "U-Boot-Waffe" sich als Elite in der Elite verstand...

(btw.: Auch ein Herr Filbinger war ja bei der elitären Marine...und hat noch nach dem Waffenstillstand Todesurteile über einfache Marine-Soldaten verhängt und ausführen lassen...)



MfG
kiiwii  

1116 Postings, 6655 Tage MaxiJoWar unser ehemaliger Bundespräsident

 
  
    #67
14.08.06 23:27
Karl Carstens nicht auch ein Nazirichter?  

1557 Postings, 8110 Tage SchepperEntschuldigung, Herr Filbinger

 
  
    #68
14.08.06 23:33
war Ministerpräsident von Baden-Württemberg und hat
durch seine Todesurteile Menschen auf dem Gewissen

und Herr Kurt Georg Kiesinger, der deutsche Bundeskanzler,
war Mitarbeiter von Goebbels im Reichspropagandaministerium gewesen.

Wider das Vergessen.  

129861 Postings, 7628 Tage kiiwii...vermute mal, daß Carstens nicht nach dem Krieg

 
  
    #69
14.08.06 23:35
in Yale hätte studieren dürfen, wenn er Nazirichter gewesen wäre...

Aber man weiß so wenig.


MfG
kiiwii  

1116 Postings, 6655 Tage MaxiJoKiiwii, ich weiss, dass es damals von

 
  
    #70
14.08.06 23:38
irgendwelochen Gruppen vor der geplanten Wahl von Karl Carstens Proteste gab. Meine in Erinnerung zu haben, dass dort gesagt wurde, er hätte Menschen wegen dem Diebstahl einer Tafel Schokolade zum Tode verurteilt - aber sage ich jetzt unter Vorbehalt.

Der Carstens hat dann nachher noch in Xale studiert? Wie alt war er denn bei Kriegsende?  

129861 Postings, 7628 Tage kiiwiigeh googeln...

 
  
    #71
14.08.06 23:40
MfG
kiiwii  

129861 Postings, 7628 Tage kiiwii"Wie hat Grass damals zum Holocaust gestanden?"

 
  
    #72
15.08.06 13:47
SPIEGEL ONLINE - 15. August 2006, 11:55
URL: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,431646,00.html


SS-Geständnis

"Wie hat Grass damals zum Holocaust gestanden?"


So viel Empörung ist selten im Feuilleton. Günter Grass' SS-Bekenntnis versetzt das Land in helle Aufregung. Doch die entscheidenden Fragen würden nicht gestellt, Themen wie Antisemitismus und Holocaust umgangen, sagt der Historiker Hannes Heer im SPIEGEL-ONLINE-Interview.

SPIEGEL ONLINE: Günter Grass sagt, er habe sich zur Marine gemeldet und sei zur Waffen-SS weitergereicht worden. Ist dieser Vorgang so vorstellbar?

Historiker Heer: "Grass war ein moralischer Scharfrichter"
Susanne Schleyer
Historiker Heer: "Grass war ein moralischer Scharfrichter"
Heer: Dass man von der Wehrmacht, ohne das zu erfahren, einfach zur Waffen-SS durchgereicht wurde, das ist mir neu. Und dass die U-Boote im Sommer 1944 keine Rekruten mehr angenommen haben, ist mir bisher nicht bekannt gewesen. Das wäre ja verdeckte Kapitulation gewesen. Zudem hat man bei dieser durch enorme Verluste dezimierten Truppe bis zum Schluss mit neuen Waffen experimentiert, den Ein-Mann-Torpedos zum Beispiel. Und dann gab es noch großen Bedarf in anderen Teilen der Marine.

SPIEGEL ONLINE: Grass erklärte im Interview, seine Wahrnehmung der SS sei damals die einer Eliteeinheit gewesen, die die höchsten Verluste zu verbuchen hatte. Entspricht das der Wirklichkeit? Oder war damals nicht bereits klar, dass die SS an Vernichtungsaktionen beteiligt war?

Heer: Zunächst einmal stimmt das: Die Waffen-SS war eine Elite-Einheit, sie hatte die höchsten Verluste, was daran lag, dass sie einerseits als eine Art Feuerwehr mit riskanten Einsätzen betraut war, andererseits Führer hatte, die ihre Leute gnadenlos verheizt haben. Andererseits sind die Taten der Waffen-SS damals nicht als Verbrechen gesehen worden, erst recht nicht von 16- oder 17-Jährigen. Für die Jugendlichen, die damals durch die Hitler-Jugend fanatisiert und zur Gewalt erzogen worden waren, lange bevor sie überhaupt einen Kasernenhof betraten, waren das keine Verbrechen, sondern das für den "Endsieg" absolut Notwendige und also Legitime. Diese Jugendlichen wurden abgerichtet auf die Idee des Opfers, das als Voraussetzung zum Heldentum galt. Für diese Jugendlichen waren die Massaker von Lidice oder Oradour kein Problem.

SPIEGEL ONLINE: Wurden Waffen-SS-Bewerber damals einer ideologischen Prüfung unterzogen? Gab es antisemitische Indoktrination?

Heer: Eine ideologische Auslese hat es in dieser Spätphase nicht mehr gegeben. Aber selbstverständlich gab es Indoktrination. Politischer Unterricht gehörte zum Alltag des Rekruten, in der Wehrmacht wie bei der Waffen-SS. Da wurde Nationalsozialismus gepaukt, und das hieß auch Rassenkunde und Kampf gegen die Juden. In der Waffen-SS, die sich wie die allgemeine SS als Blutorden verstand und den professionellen durch den politischen Soldaten ersetzen wollte, ist dieser Antisemitismus in seiner krassesten Form vermittelt worden. Wobei es im Jahr 44/45 keine deutschen und auch keine europäischen Juden mehr gab. Aber es gab "das Weltjudentum", das vorgeblich in London und New York die Fäden zog beziehungsweise in Gestalt der Roten Armee sich anschickte, Deutschland zu überrennen. Der Endkampf gegen dieses Judentum, das den Krieg angezettelt hatte, blieb die Aufgabe.

Hannes Heer, 1941, gilt als einer der besten Kenner der Geschichte des 2. Weltkriegs. Der Historiker war von 1993 bis 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung und konzipierte die erste Version des Ausstellungsprojektes "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944."

Heer, Träger der Carl- von- Ossietzky- Medaille, veröffentlichte zahlreiche Publikationen zur Thematik des Nationalsozialismus und Krieges, unter anderem "Vom Verschwinden der Täter: Der Vernichtungskrieg fand statt, aber keiner war dabei" (2004) und "Hitler war’s. Die Befreiung der Deutschen von ihrer Vergangenheit" (2005).
SPIEGEL ONLINE: Nach 1945 einigte man sich auf eine moralische Zweiteilung: hier die gute Wehrmacht, dort die böse SS. Können die Ewiggestrigen jetzt sagen: Die SS war vielleicht gar nicht so schlimm, wenn selbst Günter Grass Mitglied war?

Heer: Grass' Enthüllung kommt zeitlich gut platziert. Hätte er früher davon gesprochen, etwa 1985, als Kohl und Reagan den Soldatenfriedhof Bitburg besuchen wollten, auf dem es auch Gräber von Waffen-SS-Männern gab, hätte es einen Aufschrei gegeben. Heute, wo man geneigt ist, die Deutschen als Opfer und Hitler wieder als Alleinschuldigen zu sehen, mag sich keiner mehr aufregen. Und Grass hat seinen Nobelpreis und muss keine Rücksichten mehr nehmen. Dabei gibt es eine Menge Fragen, die sich aufdrängen und die in der Debatte nicht gestellt wurden.

SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel?

Heer: Was hat er über das Judentum und die Notwendigkeit, es zu vernichten, von seinen Ausbildern erfahren? Oder über die übliche Praxis der Waffen-SS, keine Gefangenen zu machen? Oder über den Kampf gegen Verräter und Kapitulanten in der Wehrmacht wie in der Bevölkerung? Wie hat er zu all dem gestanden? Wenn man diese Fragen stellt, dann erfährt man nämlich etwas über die Normalität der Waffen-SS und des SS-Mannes Grass im Jahr 44/45. Man muss sich vorstellen: Nach Stalingrad gab es noch einmal einen massiven Schub der Fanatisierung, vor allem bei Jugendlichen, die immer in der Angst lebten, sie kommen zu spät und werden nicht mehr eingezogen. Und als sie dann eingezogen wurden, wollten sie nur eins: den Alten zeigen, wie man's richtig macht, so richtig zulangen. Hier wäre es spannend, bei Grass noch einmal nachzufragen - nicht, um ihn zu verurteilen, sondern um aufzuklären, wie seine Normalität damals aussah.

SPIEGEL ONLINE: Dem engagierten Literaten Grass wurde rigider Moralismus vorgeworfen. Ist das symptomatisch für deutsche Intellektuelle, Jahrgang 27 bis 30, dass sie ihre Schulderfahrung mit moralischer Härte sublimieren?

Heer: Ja, ich denke schon. Ob es diejenigen sind, die versucht haben, diese Zeit in einem linken Milieu umzuarbeiten wie Grass, oder in einem konservativen wie Joachim Fest: Sie tun sich durch einen ungeheuer moralischen Anspruch hervor. Die Flakhelfer-Generation, die sich gern als skeptische bezeichnen ließ, hat mit moralischem Rigorismus ein Tribunal errichtet, um diejenigen abzuurteilen, die erstmals und hartnäckig nach der Rolle der Eliten wie des Jedermann in der Nazi-Zeit gefragt haben. Obwohl sie selbst im juristischen Sinne gar nicht schuldig geworden sind, haben die Grass und Fest stellvertretend für ihre Väter, mit denen sie sich natürlich noch stark identifizierten und um die Tatsache zu verdecken, dass sie als halbe Kinder die Gläubigen der Gläubigsten waren, dieses Tribunal gezimmert und alles, was an Kritik kam, mit verräterischer Aggression niedergemacht.

SPIEGEL ONLINE: Wie ging Ihre Generation mit dieser Haltung um?

Heer: Ich bin Jahrgang 41 und war Aktivist in der Studentenbewegung. Für uns ist Grass damals ein politischer Gegner gewesen, trotz der "Blechtrommel", die wir alle verschlungen haben und ungeachtet seiner Zugehörigkeit zur Gruppe 47, die für die innere Demokratisierung der Bundesrepublik so wichtig war wie DER SPIEGEL. Grass war ein Gegner, weil er mit dieser moralischen Härte eines Scharfrichters auftrat und uns als linke Faschisten beschimpfte. Grass ist, wie er jetzt selber erklärt hat, ein Nazi gewesen - aus welchen Gründen und wie verzeihbar auch immer - und warf unserer Generation vor, wir seien rotlackierte Nazis: Das habe ich mein Leben lang nicht vergessen.

Das Interview führte Daniel Haas

© SPIEGEL ONLINE 2006


MfG
kiiwii  

12175 Postings, 8557 Tage Karlchen_IISchon älter, aber immer noch passend.

 
  
    #73
1
15.08.06 14:25
Gerhard Henschel

Zuviel für Uschi

Nachdem Günter Grass seinen jüngsten PR-Coup gelandet und kurz vor Erscheinen seiner Memoiren herausposaunt hat, daß er Mitglied der Waffen-SS war, bedauern manche, er habe seinen Ruf als "moralische Instanz" ruiniert. Die Wahrheit über die "moralische Instanz" deckte Gerhard Henschel bereits in KONKRET 8/1999 auf

Von der Kuba-Krise bis zum Kosovo-Krieg hat Günter Grass nur wenige politische Ereignisse unkommentiert verstreichen lassen. Zu fast allem, was Schlagzeilen machte, liegt ein Meinungsbeitrag von ihm vor: "Spiegel"-Affäre, Große Koalition, Schahbesuch, Machtwechsel, Brandts Kniefall, Guillaumes Enttarnung, Barzels Mißtrauensvotum, Biermanns Ausbürgerung, Schleyer-Entführung, Kontaktsperre, Nachrüstung, Solidarnosc, geistig-moralische Wende, Volkszählung, Waldsterben, Flick-Affäre, Bitburg, Gorbatschow, Kieler Sumpf, Wiedervereinigung, Treuhand, "Asylkompromiß", Golfkrieg, "Superwahljahr 94", Klonschaf, Oderflut und Kfor-Truppen - unabhängig davon, ob man diese Meinungen zufällig teilt oder nicht, ist das doch reichlich viel für einen einzelnen Mann, der diese gewaltige Meinungsfabrikation ja auch nur nebenberuflich betreibt.

Im Lauf der Jahre haben seine Meinungen eigenen Nachrichtenwert gewonnen: Grass kritisiert Studentenführer, Grass gegen Datenschutznovelle, Grass für Rotgrün, Grass dies, Grass das. Seltsamerweise ist er noch nie als Schlichter in Manteltarifverhandlungen aufgetreten oder als Bundespräsident ins Gespräch gebracht worden. Er könnte das. Er kann alles, kennt sich mit allem aus und hat keine Probleme damit, wie Atlas die ganze Welt der Leiden zu schultern, zu allem seinen mittelscharfen Senf zu geben. Daß jedes Buch, das er schreibt, sogleich des langen und breiten besprochen wird, daß jedesmal auch Fernsehteams zur Stelle sind und ihre Kameras auf den bildschön bebrillten, beschnauzten und bepfeiften Autor halten, kommt seinem Geltungsbedürfnis entgegen und kann es doch niemals befriedigen.

In seinem neuen Buch Mein Jahrhundert kommentiert er endlich auch alle gesellschaftspolitischen Ereignisse, über die er noch nicht hinlänglich befragt wurde, aber doch etwas Originelles zu sagen zu haben glaubt. Er äußert sich, in Rollenprosa, über das Fräuleinwunder ("Soviel steht fest: Wie nach der Freßwelle die Reisewelle, so kam mit dem Wirtschaftswunder das deutsche Fräuleinwunder"), die Ölkrise ("Die Ölkrise! Das schlug rein, sag ich Ihnen") und die Love Parade ("dieses erbarmungslose Bum Bum Bum - Tschaka Tschaka Tschaka, kurz Techno genannt"). Er betätigt sich als unbegabter Bauchredner eines Sozifressers, der 1970 über Willy Brandt schimpft ("Dieser Emigrant! Wie der mir gegen den Strich geht ..."), empfindet kläglich unbeholfen Gespräche zwischen Hausfrauen im Treppenhaus nach ("Aber mein Bobbele, der ließ sich nicht verbiegen, konnte richtig frech sein und war manchmal ganz schön vorlaut. Nur daß er keine Steuern hat zahlen wollen und deshalb nach Monaco ausgewandert ist, hat uns beiden nicht gefallen. ›Muß sowas denn sein?‹ hab ich Frau Scholz gefragt") und versagt auch, wenn er als "kleiner Polizist" aus Rostock Volkes Stimme nachahmt ("Jetzt werde ich mit Ihnen mal Klartext reden: Was hier in Lichtenhagen gelaufen ist und später in Mölln und Solingen zum Extremfall wurde, war zwar bedauerlich, kann aber im Prinzip als ganz normaler Vorgang gewertet werden"). Plump und albern sind auch die Worte, die Grass, in entlarvender Absicht, einer gewissen Treuhandchefin in den Mund legt: "Dieser Sozialneid und Haß auf uns Besserverdienende!"

So etwas kann nun seit vierzig Jahren jeder schlechte Kabarettist besser als Günter Grass. Doch er gibt nicht auf. Er versetzt sich in alle Deutschen hinein und radebricht ihnen aus der Seele - Berlinern ("Friede? Da kann ich janz bitter lachen nur. Vonwejen Friede. Immer noch schießen sie rum"), Proleten aus Herne ("Dafür is gezz in Rußland sowatt wiene Revluzzjon am Laufen"), Opel-Arbeitern ("Und uff eimol warn wir all Amerikaner. Eijo, die han uns eifach gekauft"), Trümmerfrauen ("Icke mit Lotte, was meine Tochter is, wir haben in Kolonne jekloppt") und Hausbesetzern ("Na, wie Du ja weißt inzwischen, haben uns Lummers Bullen, kaum war ich zurück, weggeräumt. Ziemlich knüppelmäßig"). Er ist ein miserabler Stimmenimitator und brüstet sich doch immer wieder, in geschraubten Marginalien, mit der eigenen Kunstfertigkeit: "Ich, ausgetauscht gegen mich, bin Jahr für Jahr dabeigewesen." Das ist der erste Satz des Buchs. Wahrscheinlich werden über ihn bald Doktorarbeiten geschrieben. "Ich bin jetzt er", heißt es anderswo. "Er wohnt in Hannover-Langenhagen, ist Grundschullehrer. Er - nun nicht mehr ich - hat es nie leicht gehabt." Knapp achtzehn Zeilen später klingelt es. "Ich, das ist er, mache auf." Und wer steht draußen? Icke? Mit Lotte? Nein, icke ist ein anderer: "Steht da ein Mädchen mit braunem Langhaar, will mich, ihn sprechen ..."

Mich, ihn. Das ist er. Ausgetauscht gegen sich. Nun nicht mehr ich. Denn ich ist jetzt er ... "Mein Gott, ist das beziehungsreich! Ich glaub, ich übergeb mich gleich" (Robert Gernhardt).

Und so stellt sich Günter Grass den Rückblick einer Frau auf das Jahr 1971 vor: "Und doch, wie habe ich mich volldröhnen lassen: ›Hold That Train ...‹ Natürlich Bob Dylan. Aber auch Santana, Deep Purple. Besonders standen wir auf Pink Floyd. Wie uns das angeturnt hat. ›Atomic Heart Mother ...‹ Aber Uschi zog die Gruppe Steppenwolf vor - ›Born To Be Wild ...‹ Da konnte sie sich ganz loslassen." Was Uschi schlecht bekommen sollte. Dramaturgisch, ideologisch und sprachlich bewegt sich die Geschichte, die folgt, auf Herbert-Reinecker-Niveau: Uschi tanzt, Uschi läßt los, Uschi kifft; dann hängt Uschi "plötzlich an der Nadel", wird schwanger, treibt ab ("Nein, man muß wohl davon ausgehen, daß beides, die Nadel, von der sie nicht loskam, und der schreckliche Besuch bei den Engelmachern, das Mädel an den Rand gebracht hat"), geht auf Entzug ("Sie lachte wieder ein bißchen und lebte richtig auf"), wird grausam enttäuscht ("Das war für Uschi zuviel") und stirbt ("Die übliche Überdosis, der Goldene Schuß, wie das heißt").

"Berliner Zeitung": "Sie sind ein weltberühmter Schriftsteller, der auch im Ausland hochgeschätzt wird ..."

Grass: "Und respektiert ist im Ausland."

Warum sagt er das? Weil er sich im Inland nicht respektiert fühlt? Was fehlt ihm noch, nachdem er den Büchner-Preis besitzt, den Fontane-Preis, den Preis der Gruppe 47, den Berliner Kritikerpreis, den Literaturpreis des Kulturkreises der Deutschen Industrie, den Theodor-Heuss-Preis, die Carl-von-Ossietzky-Medaille, ungezählte andere Preise, Medaillen, Lorbeerkränze und Anstecknadeln und dazu, sobald er sich eine neue Meinung gebildet hat, die ungeteilte Aufmerksamkeit jeder Presse-Agentur? Wirft er sich nachts, wie es dem Fischer seine Frau tat, als der Butt sie zum Papst gemacht hatte, schlaflos von einer Seite auf die andere und denkt darüber nach, was er noch alles werden könnte? Möchte er Sonne und Mond aufgehen lassen? Will er werden wie Gott?

"Berliner Zeitung": "Schon jetzt arbeiten Übersetzer an dem Buch ..."

Grass: "Sehr viele sogar. Es gibt etwa dreißig Lizenzverträge."

Wieso nicht dreitausend? Wird Grass jetzt auch im Ausland nicht mehr respektiert? Tatsächlich sollte der hochgeschätzte Schriftsteller mit seiner Exportbilanz hochzufrieden sein. Bücher, die auch "Icke mit Lotte" oder "Meine Uschi" heißen könnten, werden nur selten unter dem Titel "Mein Jahrhundert" in alle Welt verkauft. Doch jeder Wunsch, wenn er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge. Grass: "Ich hätte es mir gewünscht, daß viele andere Schriftsteller in anderen Ländern, in anderen Erdteilen auch diesen Grundgedanken, hundert Jahre in hundert Geschichten zu erzählen, gehabt hätten oder ihn übernehmen würden ... Das gäbe eine wunderbare Bibliothek." Mit Günter Grass als Direktor. In anderen Erdteilen! Soweit kommt das noch.

Er ist kein ernstzunehmender Autor. Er ist nur ein pfeiferauchender Wirtschaftsfaktor.  

129861 Postings, 7628 Tage kiiwiiFriedaJo,wat is?...wieder aus der Kurve geflogen ?

 
  
    #74
15.08.06 15:53
btw:
kann mal einer den zombi wecken ?
wechen dem geld...


MfG
kiiwii  

129861 Postings, 7628 Tage kiiwii"Einfach leugnen"

 
  
    #75
20.08.06 11:36
"Einfach leugnen"


Niemand hat lauter geschwiegen als Günter Grass - jetzt wendet sich das Werk gegen seinen Autor


Am 19. Juli 1969 tritt Günter Grass auf dem Evangelischen Kirchentag in Stuttgart auf. Es ist der Sommer des Wahlkampfs, der Mondlandung. Grass liest in der Halle I vor der Arbeitsgruppe "Der einzelne und die anderen". "2000 einzelne sind gekommen", notiert er im "Tagebuch einer Schnecke". Anschließend gibt es die Möglichkeit zur Diskussion. Am Mikrofon Nummer 2 meldet sich ein fünfzigjähriger Mann zu Wort, dem Grass später das Pseudonym Manfred Augst gibt. Augst redet bewegt wirres Zeug. Er spricht von fehlenden Werten, seiner Enttäuschung über die Kirche und von vielem mehr. Die Zuhörer fangen an zu lachen und dazwischenzurufen. Augst sagt, seine Generation habe nicht gelernt, frei zu sprechen. Er wird lauter: "Ich werde jetzt provokativ und grüße meine Kameraden von der SS!" Dann trinkt er aus einem Fläschchen Zyankali und stirbt noch auf dem Weg ins Robert-Bosch-Krankenhaus.


Aus Gründen, die lange nicht klar waren, zieht sich dieser öffentliche Selbstmord durch das ganze "Tagebuch einer Schnecke". Grass kommt vom Fall dieses Mannes nicht los. Er variiert in seinen Notizen das Motiv des freien Sprechens, des Sich-Freisprechens. Er versucht es mit Überheblichkeit: "Ich kannte die Aufgeregtheit fünfzigjähriger Männer, die alles, aber auch alles in einem einzigen randvollen Bekenntnis loswerden, quittmachen wollen." Grass besucht die Familie des Selbstmörders, er bleibt lange. Von diesem Besuch berichtet später die Tochter des Toten, die Berliner Journalistin Ute Scheub, in einem bewegenden Erinnerungsbuch.


Seit Erscheinen von "Beim Häuten der Zwiebel" wissen wir, daß Manfred Augsts letzter Gruß auf dem Kirchentag - ohne daß Augst es hätte wissen können - auch dem sozialdemokratischen Schriftsteller auf dem Podium galt. Wollte Grass sich anschließend bei der Familie nach der genauen Zugehörigkeit des ehemaligen Kameraden erkundigen? Ob Augst auch ein Frundsberger war?


Später in jenem Sommer fährt die Familie Grass in die Ferien in die Bretagne. Der Kamerad aus Stuttgart begleitet Grass in Gedanken. Er notiert in diesem Zusammenhang Sätze, deren ganze Tragweite erst jetzt offenbar wird: "Jetzt, bei Flut, einfach leugnen. Ich will nicht, was ich weiß. Den Handschlag mit mir verweigern."


Grass ist bis zu diesem Sommer seiner einst in der Bretagne formulierten Linie treu geblieben: Einfach leugnen.


Das war keine besonders originelle Idee. So haben es im 20. Jahrhundert alle gemacht, die ehemaligen Nazis wie die IMs. So hat es Albert Speer gemacht: nur das an die Öffentlichkeit lassen, zu dem man selbst die Form, die Geschichte gefunden hat. Viele aus der Grass-Generation sind darüber verstummt, er hat genau den umgekehrten Weg gesucht und den Mund gar nicht mehr geschlossen, wie Scheherazade: tausendundeine Geschichte, um den eigenen Kopf zu retten. Sich, anders als der sich verhaspelnde Augst, freisprechen. Erstaunlich, wie das funktioniert hat: Keiner kam auf die Idee, in der Wehrmachtsauskunftsstelle nachzusehen. Seinem Biographen Michael Jürgs ist es nicht eingefallen, nach der SS zu fragen, denn es gab ja so viele Geschichten aus dem Munde des Betroffenen. Hatte er nicht selbst in Israel seinen militärischen Lebenslauf kurz umrissen und die beiden damals noch unverdächtigeren Stationen Flakhelfer und Wehrmacht genannt, um sich persönlich zu exkulpieren, das Verdienst dafür aber mit großer Geste zurückzuweisen? Und seine Standards waren bekannt.


Hatte Grass nicht schon die NSDAP-Parteimitgliedschaft von Kurt Georg Kiesinger als Anlaß zur manischen Warnung vor einer neuen Einschwärzung der Republik genommen? Was hätte er aus einem CDU-Bundesminister gemacht, der mal sein Kamerad in dieser Mördertruppe war?


Es ist heute peinlich, Grass' Essays und Reden nachzulesen. Sein Furor von einst kehrt sich gegen ihn, eigene Zitate werden zur schärfsten Anklage. Nach dem Besuch der Gedenkstätte Dachau schreibt er ins Besucherbuch: "Hiervon will unser Bundeskanzler Kiesinger nichts gewußt haben!" Jahrzehnte später hat auch Grass nie nichts gewußt.


Der Unterschied zwischen Wehrmacht und Waffen-SS mag im konkreten Fall forensisch unerheblich sein - symbolisch könnte der Unterschied nicht größer sein. Schließlich stellt sich auch sein jüngstes Buch bei der Bewertung des Sachverhalts gegen eine schnelle Absolution: Wenn 1945 die Unterschiede zwischen Wehrmacht und SS so unbedeutend waren, warum rät der väterliche Wehrmachts-Obergefreite, der den jungen Kanonier Grass durch die Wälder lotst, ihm zuallererst, die Jacke mit dem SS-Abzeichen loszuwerden?


Zwischen dem bei fast jedem Auftritt geäußerten Standardsatz "Am 8. Mai 45 ist für mich eine Welt zusammengebrochen" und dem nie ausgesprochenen "Ich zählte siebzehn Jahre, als ich ein SS-Mann wurde", liegen Welten: Der erste weist auf das, was danach kommt, ein narrativer Brückenkopf in die Zukunft, der zweite aber führt aus der Vergangenheit nie mehr heraus, so viele Nachfragen ruft er hervor.


In der "Zwiebel" geht es recht schnell. Die SS-Passage ist kurz und vage. Nach dem Weltenbruch kamen die Kunst- und Hungerjahre, dann die Ehe, die "Blechtrommel", dann kam schon Willy. Er ist schon seltsam, dieser Eifer: Schon Anfang der sechziger Jahre nimmt Grass mit Freunden eine Jazz-LP zu Ehren Willy Brandts auf. Immer wieder erzählt Grass von seinem Willy, und - etwa im Wahlkampf 2005 - am liebsten folgende Geschichte: Brandt habe einen verquasten Stil geschrieben, habe Sätze etwa mit der Formel: "Der, der hier steht, sagt" begonnen. Da sei er, Grass, gekommen, habe den Relativsatz gestrichen und ersetzt durch: Ich sage.


Dieses neue Ich hat Grass formuliert, angenommen und seitdem wütender verteidigt als Willy Brandt selbst. Mochte Grass sich noch so sehr als Zweifler, als Zögernder und Widerständiger beschreiben, der blinde Eifer, mit dem er sich einem sozialdemokratischen Antifaschisten angedient, anverwandelt hat, der zudem denselben Vornamen wie sein Vater trug, war aus anderer, dunklerer Energiequelle gespeist als der bloßen Begeisterung für Stil und Visionen des Godesberger Programms.


Diese beiden Überlebensrezepte, das freie Freisprechen und die Verkörperung des ewigen Sozialdemokraten, hat Grass im Übermaß und bis zum Überdruß selbst des wohlgesonnenen Publikums praktiziert. Er wurde mit den Jahren zu einer seltsam kompakten Figur, bis ins Opake verdichtet, der man zu jedem Thema eine unermeßlich korrekte Antwort entlocken konnte.


Auf einer Reise in den Jemen führte uns ein Ausflug auf eine entlegene Insel namens Sokotra, verloren im Indischen Ozean. Einigermaßen verblüfft kurvte die kleine deutsch-arabische Gruppe mit alten Landrovern über die Hügel, die aussahen, als würde jeden Moment ein Brontosaurus hinter einem der Drachenbäume hervorstapfen. Erster Halt, ein Reifen war geplatzt. Grass geht ein paar Schritte. Schon baut sich eines der mitreisenden Kamerateams vor ihm auf. "Günter, was sagst du zu Sokotra?" Es gelte, in dieser unberührten Insel einen sanften, naturnahen Tourismus zu entwickeln, sie nicht dem Massentourismus zur Beute werden zu lassen! Er sagt nie: Keine Ahnung.


Sein Publikum würde das auch nicht akzeptieren. Grass hat sie an Grass gewöhnt. Welche Verehrung unter norddeutschen Sozialdemokraten für die Bücher, aber auch fürs Rotweintrinken, die Kochrezepte, die immer wieder und vor allem in der "Zwiebel" jovial beschriebene Sexualität, für diese ganze extravagante Derbheit, diese Sicherheit, die seine politische Gewißheit und moralische Unangreifbarkeit dem Publikum vermittelte - ein nordischer Buddha, dessen Bauch man reiben konnte, wenn die Zeiten unübersichtlich werden.


Eine tröstliche Illusion. Der israelische Psychiater Dan Bar-On, der seit Jahren mit spätbekennenden NS-Tätern und ihren Opfern arbeitet, hat vor allem dieses aus seiner Arbeit erkannt: Es gibt eine romantische Sehnsucht nach dem Individuum, in dem alle Teile zueinanderpassen. Gerade die Schoa zeige aber, daß völlig unterschiedliche Teile in einem Menschen zusammen existieren können, daß der geliebte Vater zugleich ein Kindermörder sein kann.


"Beim Häuten der Zwiebel" ist ein Buch, das den ikonischen Grass dekonstruiert. Die Literatur erweist sich darin als wirkungsmächtiger als ihr eigener Autor und als das, was er öffentlich über das Werk äußert. Denn es ist schon, wie er sagt, ein Buch des Zweifels und der Scham, bloß beziehen sie sich auf ganz andere Bereiche als auf die Mitgliedschaft in der Waffen-SS. Immer wieder kommt etwa die Scham über das nie abgelegte Abitur durch, wird stolz und detailreich berichtet, wie es dann doch noch zu einer akademischen Karriere an der Berliner HdK kam. Zweifel und Selbstanklage finden sich in den hart an der Grenze zum Kitsch entlanggeschriebenen Passagen, in denen es um das Sterben der geliebten Mutter geht, die leidet, während der Sohn in Berlin seine Gedichte dem großen Benn vorlegen läßt. Zweifel und Selbstanklage werden bestechend formuliert, wo es um das Scheitern der ersten Ehe geht.


Die Welt des jungen SS-Mannes hingegen bleibt in Erinnerungslücken versunken, wie sie davor und danach nicht festzustellen sind. Grass müßte es uns, bitte, genauer schildern: Wie sah man die Welt als 17jähriger Nazi? Was hielt der junge Grass von den Juden? Warum war es gut, wenn sie verschwanden? Wie groß muß sein Haß auf die Juden gewesen sein? Noch in amerikanischer Kriegsgefangenschaft nutzt er die erstbeste Gelegenheit, auf einen dort beschäftigten jüdischen Jungen, eine "displaced person", loszugehen. Erinnerungslücken beim Thema Antisemitismus. Der Kriegsgefangenen-Grass, der ja nur Wochen älter war als der SS-Mann Grass, vermag sich hingegen an die im Lager gelernten Kochrezepte bestens zu erinnern.


Nach den Monaten der Schuld und den vor Angst vollgepißten Hosen, kommt ja der eigene Aufstieg, eine klassische Coming-of-Age-Geschichte und ein schöner Bildungsroman, von denen viele Passagen als literarische Illustration der theoretischen Arbeiten von Pierre Bourdieu über Geschmacksbildung und Klassenlage dienen könnten.


"Beim Häuten der Zwiebel" bildet die Abkehr von dem 1969 in der Bretagne entworfenen Kurs: Es beendet das Leugnen, laut ertönt der Handschlag des alten Grass mit sich selbst. Die Stille aus der Ecke der Opfer, der Überlebenden des Holocaust, der von der SS Traumatisierten aber dröhnt noch lauter. Von dort, und nur von dort wäre es gültig, hat man noch kein "Alles nicht so schlimm" gehört.  

NILS MINKMAR
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20.08.2006, Nr. 33 / Seite 23


MfG
kiiwii  

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