Analysten oft schlechter als die Wettervorhersage


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Eröffnet am:27.12.00 21:11von: schokoAnzahl Beiträge:1
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27.12.00 21:11
Ihr Urteil schickt Aktienkurse in luftige Höhen oder ins Jammertal. Im rasanten Börsenjahr 2000 sorgten eklatante Fehlprognosen von Analysten für Ernüchterung. Während Aktionärsschützer strengere Qualitätsanforderungen fordern, sehen sich die Experten zu Unrecht gescholten. Sie monieren eine verkürzte Wiedergabe ihrer Prognosen durch die Medien. "Analysten liegen mit ihren Prognosen oft schlechter als die Wettervorhersage", lautet das vernichtende Urteil von Wolfgang Gerke vom Lehrstuhl für Bank- und Börsenwesen der Universität Erlangen-Nürnberg. Gerke beruft sich auf eine Untersuchung zu Prognosen aus dem vergangenen Jahr; 2000 seien sogar "eher mehr Fehlprognosen" abgegeben worden.

Tatsächlich gab es kaum ein Jahr, in dem die Experten so schnell optimistische Einschätzungen gegen pessimistische tauschen mussten, nachdem Standard- ebenso wie HighTech-Werte seit dem Frühjahr in ungeahnte Tiefen stürzten. Gerke wirft den Finanzexperten vor, oft nur unzureichende Betrachtungen zu liefern. "Ein Analyst muss mir zu Chrysler oder den Haffa-Brüdern einfach mehr sagen, als ich bisher schon gehört habe", verlangt Gerke in Anspielung auf die plötzlich zu Tage getretenen Probleme bei DaimlerChrysler und dem Münchner Filmrechtehändler EM.TV. Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sieht einen Teil des Problems in der durch den Aktienboom rapide gestiegenen Zahl von Analysten: "Das ging häufig zu Lasten der Qualität." Aktionärsschützer warnen zudem schon lange vor allzu blindem Vertrauen auf Analysten, die fast immer auch Beschäftigte von Banken sind. "Man sollte sich bewusst machen, dass auch Analysten interessengebunden arbeiten", sagt Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Anleger müssten "immer im Auge behalten, dass die Banken mit ihren Investmentabteilungen selbst am Markt tätig sind und bei Börsengängen von Unternehmen für die Betreuung engagiert und bezahlt werden". Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) weist Vorwürfe fehlender Unabhängigkeit entschieden zurück. Neben strengen Regeln bei den Banken selbst gebe es für die 1200 DVFA-Mitglieder Standesrichtlinien, die Interessenkonflikte ausschließen sollen, sagt Geschäftsführerin Ulrike Diehl. Verstöße würden von einem Schiedsgericht mit scharfen Sanktionen geahndet. Im kommenden Jahr werde das Regelwerk nochmals überarbeitet. Keitel sähe mehr Glaubwürdigkeit der Experten, "wenn sie regelmäßig offenlegen, in welchen Geschäftsbeziehung ihr Haus zu dem eingeschätzten Unternehmen steht".

Sinnvoll wäre nach Ansicht der SdK-Vertreterin auch eine "Black-out-period" bei Börsengängen: "Analysten, deren Banken den Börsengang eines Unternehmens organisieren, sollten drei Monate vor und nach der Emission keine Studien zu der betreffenden Firma mehr veröffentlichen." Nach Ansicht Diehls liegt ein wesentlicher Grund für die Kritik an den Analysten indes nicht in fehlenden Regeln, sondern in einem Missverständnis: "Die Verdichtung der Prognosen in den Medien ist unverantwortlich", klagt die DVFA-Vertreterin. "Das sind manchmal nur noch Piktogramme der ursprünglichen Research-Berichte." Anleger erlägen oft dem Irrglauben, sie könnten aus solchen Ausrissen kurzfristige Anlage-Tipps ableiten. Tatsächlich bezögen sich die Angaben meist auf Zeiträume von sechs Monaten oder einem Jahr. Auch die Aktionärsschützer warnen vor Schnellschüssen. Privatanleger dürften sich ebenso wie die Profis nie nur auf eine Analystenmeinung verlassen und müssten für ein umfassendes Bild auch die Geschäftsberichte und andere kursrelevante Veröffentlichungen ihrer Unternehmen studieren. DSW-Geschäftsführer Hocker: "Letztlich muss sich jeder Privatanleger selbst der beste Analyst sein."

Gruß
schoko  

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