Rückblick: Deutsche Kriegsgefangene in den USA.


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Eröffnet am:21.12.02 11:08von: flamingoeAnzahl Beiträge:2
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3243 Postings, 8702 Tage flamingoeRückblick: Deutsche Kriegsgefangene in den USA.

 
  
    #1
21.12.02 11:08

Ein interessanter Beitrag, den ich dieser Tage auf WDR 5 am Rande mitgehört habe.Mir war nie klar, dass Deutsche nach USA verschifft worden sind und zwar in sehr hoher Zahl (370.000!), und dass es den Deutschen dort in Iowa scheinbar besser ging als der eigenen insbesondere der schwarzen Bevölkerung. Irritierend auch, dass innerhalb der Lager die Nazis anscheinend bessergestellt waren:

 

Sendung vom 19. Dezember 2002
Moderation: Jörg Biesler

Redaktion: Basil Nikitakis

POW in Iowa -
Die ungeschriebene Geschichte deutscher Kriegsgefangener in den USA

Rund 370.000 deutsche Soldaten waren im Zweiten Weltkrieg in US- amerikanischer Gefangenschaft, besonders viele in 34 Lagern in Iowa, im Mittleren Westen der USA. Dies Kapitel der deutsch- amerikanischen Geschichte ist ziemlich unbekannt und wenig erforscht. Kaum jemand weiß, dass in den selbstverwalteten Gefangenenlagern die Nazis oft das Sagen hatten oder dass die amerikanische Bevölkerung sich darüber beklagte, dass die gefangenen Feinde besser verpflegt wurden als die Menschen in Iowa. Nun hat im Städtchen Muscatine ein Kongress von Historikern und ehemaligen Gefangenen stattgefunden.
Scala berichtet von diesem Treffen und von einer Ausstellung, in der künstlerische Arbeiten gezeigt werden, die deutsche “POWs”, prisoners of war, in amerikanischen Lagern angefertigt haben.



Manuskript:

Atmo Film:
These POWs were being fed fresh meat and vegetables, and that has been a long-term memory in the community. That we were hungry, and these Germans were being fed so well..


Autor:
Ein Ausschnitt aus einem Dokumentarfilm über deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen Kriegsgefangenenlagern. Die Deutschen erhielten frisches Fleisch und Gemüse, sagt die Sprecherin, und einigen alten Leuten in den USA
sei dies noch in Erinnerung. Wir dagegen, heißt es in dem Film weiter, wir waren hungrig, während diese Deutschen wohl ernährt wurden.
Ein Kapitel deutsch-amerikanischer Geschichte aus der letzten Phase des 2. Weltkriegs ist bisher nur unzureichend erforscht worden: die deutschen Soldaten in US- Gefangenschaft. Zwar existieren Studien auf lokaler Ebene - etwa in Utah, Alabama oder in Texas, wo die US-Armee Kriegsgefangenenlager für Deutsche eingerichtet hatte; es gibt auch einige Magister- und Doktor-arbeiten. Über die Geschichte der "Nazi POWs", der "Nazi Prisoners of War", wie die Gefangenen genannt wurden, wurde bislang nur ein umfassendes Buch veröffentlicht - und das vor mehr als 20 Jahren. Dabei waren in den letzten beiden Kriegsjahren 370.000 Wehrmachtssoldaten über den Ozean in die USA verschifft worden, wo sie bis zu ihrer Freilassung 1946 in mehr als 500 Lagern gefangen gehalten wurden. Einen Versuch, der Geschichtsschreibung auf die Sprünge zu helfen, unternahm Anfang Oktober eine Runde von amerikanischen Historikern und Museumsleitern zusammen mit ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen in der Ortschaft Muscatine im Bundesstaat Iowa. Das Ziel bestand darin, eine Bestandsaufnahme dessen vorzunehmen, was über deutsche Kriegsgefangenenlager bekannt ist, und die Spurensuche über die spezialisierte Geschichtswissenschaft hinaus zu erweitern. Einer der Konferenzteilnehmer, der Historiker Lewis Carlson von der Michigan State University, beklagt die Vernachlässigung des Themas sowohl auf deutscher als auch auf amerikanischer Seite:

O-Ton Lewis Carlson:
Dass dem Thema so wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde, ist ein echtes Problem. Deutsche und amerikanische Sozialwissenschaftler haben es bei gemeinsamen Treffen meist nur am Rande behandelt. Dabei sind die Konflikte, die innerhalb der Kriegsgefangenenlager herrschten, faszinierend, nämlich die
Konflikte zwischen Nazianhängern und Nazigegnern. Amerikanische Historiker haben dies ignoriert, obwohl es sich dabei um einen Teil der amerikanischen Geschichte handelt. Und auch auf deutscher Seite ist, von wenigen Ausnahme
abgesehen, kaum darüber geforscht worden.

Autor:
Carlson vermutet dahinter auf beiden Seiten des Atlantiks politische Gründe.

O-Ton Carlson:
Widerstandsgeschichte ist zwar sehr populär in Deutschland, aber auch
umstritten. Von Stauffenberg und andere Generäle und Offiziere, die sich aus nationalistischen Motiven gegen Hitler wandten, sind bekannt. Aber der wirkliche Widerstand, der der Sozialdemokraten und Kommunisten nämlich, wurde
als Gegenstand von Studien unter Bundeskanzler Kohl abgewertet. Und was mich als Amerikaner am Thema deutsche Kriegsgefangene interessiert, nämlich die amerikanische Einstellung zu ihnen, ist ebenfalls ein Politikum. Denn die meisten amerikanischen Beamten und Leiter der Kriegsgefangenen-lager standen auf Seiten der Nazis in den Camps. Ein Grund dafür war, dass sie ordentlich geführte Lager ohne interne Meinungsverschiedenheiten wünschten. Eine andere Erklärung lautet, dass die Nazi-Elemente bevorzugt wurden, weil die aus ihrer Sicht weniger wünschenswerte Alternative in Sozialdemokraten und Kommunisten bestand. Die UdSSR war zwar unsere Verbündete, aber der Kalte Krieg bahnte sich bereits an. Es wurde deutlich, dass Amerika antidemokratischen Ideen eben näher stand.

Autor:
In welchem Ausmaß wurden Kriegsgefangenenlager in den USA von Nazis dominiert? Sicher ist, dass in der Mehrzahl der Camps Befürworter des Nazi-Regimes das Sagen hatten, etwa im Postvertriebssystem. Heino Erichsen,
ein ehemaliger Wehrmachtssoldat im Afrika-Corps, war im texanischen Camp Herne inhaftiert und arbeitete dort als Dolmetscher für den amerikanischen Kommandanten. Hauptziel war Ruhe und Ordnung, bestätigt Erichsen. Die Ankunft im Kriegsgefangenenschiff im Hafen von New York und der Transport mit der Eisenbahn ins Lager Herne in Texas sind Heino Erichsen in guter Erinnerung, nach den Strapazen einer extrem harten dreiwöchigen Atlantik-überquerung. Erichsen ging nach der amerikanischen Kriegsgefangenschaft nur kurz nach Deutschland zurück. So sehr hatte er sich mit Amerika und seinen Möglichkeiten angefreundet, dass er amerikanischer Staatsbürger wurde - und das wenige Jahre nach seiner Gefangenschaft. Er lebt heute in Texas.

O-Ton Heino Erichsen:
Schmeißt alles weg, den Nazidreck, in Amerika ist alles größer und schöner.
Dies waren vor allem deutschsprachige jüdische amerikanische Soldaten. Ich dachte: könnte nicht mal schlechter werden, wir waren in Amerika, wir hatten
keine Läuse mehr, und mal sehen, ob diese Versprechen mal gehalten werden. Und dann, wir waren noch nicht lange unterwegs, dann kamen schwarze Amerikaner, in weißen Jacketts und brachten uns Essen. Ich sag, mein Gott, wir sind Gefangene, wir sitzen im gepolsterten Wagen, nicht im Güterwagen wie in Deutschland, und wir kriegen gutes Essen, es geht aufwärts hier. Wir hatten alle Bett, Matratze, Bettlaken, Steppdecken. Zahnbürste und Rasierapparat lagen auf jedem Bett, Handtuch. Wir hatten Kartoffelsalat, wir hatten Würstchen, wir hatten Früchte zum Nachtisch, richtigen Kaffee, weißes Brot, wir sagten: dies ist erträglich. (lacht).

Autor:
Die deutschen Kriegsgefangenen wurden nach den Vorschriften der Genfer Konvention behandelt Diese gute Behandlung schloss bezahlte Arbeit mit ein. Aber auf die Kriegsgefangenen, die mit den Nazis nichts mehr zu tun haben wollten und sich mit den Amerikanern gut stellen wollten, übten so manche eigene Kameraden heftigen Druck aus, wie Heino Erichsen sich erinnert.

O-Ton Erichsen:
Da waren starke Pro-Nazi-Gruppen, die jede Mitbeteiligung als Opposition betrachteten. Wenn Du nicht mitsingen wolltest, dann warst Du in der Opposition. Das war schon gefährlich.

Autor:
Einen von Erichsens besten Freunden erschlugen die Nazis mitten in der Nacht, weil er sich weigerte, in der Essenskantine Nazi-Lieder mitzusingen.

O-Ton Erichsen:
Für mich war das ein Grund zu denken, was ist Deine Rolle hier. Ich war 19 Jahre alt, ich denk, das ist gefährlicher Stoff hier, ich will raus. Camp Herne hatte schwere Nazi-Aktivität. Die haben eine ganze Baracke abgebrannt. Die Wahrheit ist, dass die Amerikaner bevorzugten, Lager zu haben, die strikte militärische Disziplin haben, und nicht eine Menge von Leuten, die sich dauernd in den Haaren lagen. If das bedeutete Nazi-Disziplin, dann wars okay mit den Amerikanern. Leute, die sich fürchteten vor den Nazis, wurden aber großzügig versetzt.

Autor:
Die Kriegsgefangenenlager verwahrlosten nach der Repatriierung der Kriegsgefangenen im Jahr 1946. Jahrzehntelang ignorierten sowohl die amerikanischen Behörden als auch die Historiker, dass die verwitternden und zerfallenden Camp-Gebäude reichlich Stoff für die Geschichtsschreibung bargen. Seit wenigen Jahren bemühen sich wenigstens lokale Bürgerinitiativen und Studenten, einige überwucherte Lagergrundstücke auszugraben.
In Muscatine, wo die Konferenz stattfand, wagte das Kunstzentrum sogar eine Ausstellung mit Alltagsgegenständen und Kunstwerken, die ehemalige deutsche Kriegsgefangene aus dem Lager Algona im Bundesstaat Iowa zur Verfügung gestellt hatten. Da sieht man Briefe in die Heimat, handgeschnitzte Indianer, selbstgefertigte Reisekoffer für die Heimfahrt, deutsche Adler, aber auch kriegskritische Wasserfarbbilder.
Die Ausstellung ist umfangreich, lässt aber wichtige Fragen unbeantwortet. Statt anhand der Objekte historische Hintergründe zu beleuchten, beschränkt sie sich auf individuelle Lebensschicksale. Der deutsche Kriegsgefangene war ein Mensch, lautet die schlichte Botschaft. Für den Historiker Michael Luick-Trams sind die Exponate trotzdem eine wichtige historische Quelle:

O-Ton Luick-Trams:
Klar gibt es einen Unterschied zwischen der oral history und der Arbeit mit Primärquellen. Als wir Ex-Kriegsgefangene interviewt haben, waren inzwischen 60 Jahre vergangen. Da vergisst man Dinge, beschönigt auch schon mal oder
glorifiziert das, was man erlebt hat. Aber wir haben auch mehr als 300 Briefe und Postkarten, Magazine und Zeitungen, Primärquellen also. Sie lügen zwar in anderer Weise und geben oft nur die Hitler-Propaganda wider, aber sie sind ehrliche Dokumente. Heute heißt es natürlich - klar, wir waren alle gegen die Nazis.

Autor:
Ein älterer, weißhaariger Herr schlendert kopfschüttelnd durch die
Kriegsgefangenenausstellung:

O-Ton John Walker:
Are you familiar with Kohlrabis ?

Autor:
Kennen Sie Kohlrabis, fragt er nach einer Weile. Er war amerikanischer Kriegsgefangener in einem Nazi-Lager im bayerischen Moosburg. John Walker vergleicht die Bilder der wohlgenährten deutschen Gefangenen und ihre Kunstwerke mit seinem eigenen Schicksal in Deutschland. Es gab Kohlrabi-suppe, sagt er, tagaus, tagein, Nahrung, die man Tieren gibt. Dies hier sei nichts gegen die extrem harte Behandlung als Gefangener in Deutschland gewesen, sagt Walker bitter, Kohlrabi habe er seitdem nie wieder gegessen, und auch Deutschland habe er nie wieder besuchen wollen.

O-Ton Walker:
I decided that-s a vegetable that I' d never eat in my life again.

Autor:
Kontakte mit Deutschen habe er amerikanischer Gefangener nie gehabt, und das sei auch gut so gewesen. Zwischen den deutschen Kriegsgefangenen und der Landbevölkerung in Amerika, die in der Nähe der Lager lebte, gab es offiziell ebenfalls keine Kontakte. Und trotzdem wussten die Einheimischen genau, wer sich in den Camps aufhielt. Daraus ergaben sich oft unterschiedliche Reaktionen.
In den nördlichen Bundesstaaten und im Mittleren Westen, in Iowa zum Beispiel, mit ihrer von deutschen Einwanderern und Deutschamerikanern geprägten Kultur war Neugier, wenn nicht sogar Sympathie für die Deutschen vor-herrschend. Dies bestätigt der Archäologe Mike Waters von der Universität von Texas. Waters leitet Ausgrabungen von Kriegsgefangenenlagern und kommt oft mit den heutigen Dorfbewohnern ins Gespräch.

O-Ton Waters:
Mit großer Neugier und mit Staunen reagieren vor allem die Jüngeren. Sie
sind oft völlig überrascht, dass es deutsche Kriegsgefangenen in den USA und sogar in der Nähe ihrer Ortschaften gab. Die meisten haben keinen blassen Schimmer von der Vergangenheit. Die Älteren erinnern sich hier und dort. Ich habe jedenfalls selten abwertende Kommentare gehört, weder über die Kriegsgefangenen noch über die Ausgrabungsarbeiten.

Autor:
Dagegen wurde in den amerikanischen Südstaaten das soziale Gefälle zwischen schwarzen und weißen Amerikanern umso deutlicher, wenn die Schwarzen mit ansehen mussten, wie großzügig die Weißen den Erzfeind, Wehrmachtsoldaten und Nazis, behandelten. Darüber konnte beim Historikertreffen von Muscatine Mary Bess Paluzzi Auskunft geben. Sie hat vor Jahren in Aliceville in Alabama Gegenstände des dortigen Kriegsgefangenen-lagers in einem Museum ausgestellt.

O-Ton Mary Bess Paluzzi:
Als wir das Museum in Aliceville eröffneten und dazu auch deutsche Kriegs-gefangene einluden, sagten einige: das verstehen wir nicht, wir haben unsere jungen Männer geopfert, warum verewigt Ihr jetzt die Deutschen im Museum? Die schwarze Bevölkerung in Aliceville war dagegen. Denn das weiße Amerika hatte damals den Gefangenen mehr Respekt entgegengebracht als seinen eigenen schwarzen Mitbürgern. Man muss sich das einmal vorstellen: es gab Fälle, in denen die deutschen Kriegsgefangenen Ausgang hatten und Theater und Restaurants besuchten, deren Betreten der schwarzen Bevölkerung untersagt war.

Autor:
Das Treffen von Historikern und Museumsleuten in Muscatine markierte einen Neubeginn bei der Beschäftigung mit einem kaum behandelten Thema der jüngeren Geschichte. Ein Zwischenergebnis scheint aber schon festzustehen: Die Erfahrungen deutscher Kriegsgefangener in den USA von 1943 bis 1946 stellt sich insgesamt als Erfolgsgeschichte dar.

 

12850 Postings, 8144 Tage Immobilienhaiabgeschossene deutsche piloten wurden von der

 
  
    #2
21.12.02 12:37
royal airforce häufig nach canada verschifft und dort interniert, da man dort wesentlich weniger überwachungsaufwand zu betreiben hatte. damit wollte man vermeiden, das geflohene piloten zu ihren stützpunkten zurückkehren.

bei den in die USA verschifften soldaten handelt es sich großteils um angehörige des afrika-corps, welche im brückenkopf tunis in us-gefangenschaft gerieten. sowie um in italien in gefangenschaft geratene soldaten der 10. Armee. Der Nachschub den die Amerikaner zu diesem Zeitpunkt übder den Atlantik schaffen konnten, reichte grade aus um die eigenen Armeen zu versorgen. Also hat man die in Italien und Afrika in gefangenschaft geratenen soldaten kurzerhand mit den leeren geleitzügen in die usa verschifft und dort interniert, da dort sowohl die verpflegung gemäß genfer konvention sichergestellt werden konnte,  der überwachungsaufwand wesentlich geringer war (wo sollten die schon hinfliehen) und ein weiterer Faktor: so lange in Europa gekämpft wurde, bestand die Gefahr von deutschen Offensiven, und die Amerikaner fürchteten nichts mehr, als das in gefangenschaft geratene Veteranen des Afrika-corps wieder in die deutschen armeen eingegliedert werden könnten.

selbst ein großteil der in frankreich nach der landung in der normandie gefangen genommen soldaten wurde noch in die staaten verschifft. je mehr sich der krieg jedoch dem ende näherte und spätestes ab erreichen der reichsgrenzen vielen soldaten klar war, dass der krieg verloren ist, stieg im westen die zahl der kriegsgefangenen deutschen soldaten sprunghaft an, es waren nicht mehr nur einzelne züge oder kompanien die sich ergaben, hier gingen die einheiten gleich in bataillons-,regiments- ja gar in divisionsstärke in gefangenschaft.  diese große zahl von kriegsgefangenen liess sich nicht mehr handhaben so das riesige sammellager meist an ort und stelle errichtet wurden, das berühmteste ist wohl das lager auf den rheinwiesen, wo sich zeitweise über eine halbe million deutscher soldaten in gefangenschaft befand.  

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