BAYER: Folgt jetzt die feindliche Übernahme?


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27.02.03 09:39
Albtraum in Leverkusen. Vorstandschef Wenning warnt vor desaströsen Zahlen. Die Aktie verliert dramatisch. Wegen Lipobay drohen Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe. Die Märkte schließen eine feindliche Übernahme nicht mehr aus.

Leverkusen – Bayer-Vorstandschef Werner Wenning hat in diesen Tagen schwer zu kämpfen: die Folgen der Lipobay-Krise sind unkalkulierbar geworden. "Es ist unmöglich, den Ausgang der Verfahren vor allem in den USA vorherzusagen", sagte er am Mittwoch auf einer Investorenkonferenz der Deutschen Bank.

Das Geschäftsjahr 2002, das Wenning erstmals als Vorstandschef zu verantworten hat, wird für ihn fast zum Albtraum. Operativ sei das Jahr absolut enttäuschend gelaufen, räumte der Manager ein. Schon 2001 war das Ergebnis im Zuge der Lipobay-Krise um gut 50 Prozent 1,6 Milliarden Euro eingebrochen. Im dritten Quartal 2002 schrieb Bayer erstmals in der Konzerngeschichte rote Zahlen. Das Unternehmen will am 13. März die Zahlen für das Jahr 2002 bekanntgeben.

An den Kapitalmärkten herrscht wegen der Ungewissheit über Schadensersatzforderungen große Skepsis und Ratlosigkeit über den Bayer-Konzern. Der drastische Kursverfall macht den Koloss mit den vier Sparten Gesundheit, Pflanzenschutz, Kunststoffe und Chemie inzwischen sogar zu einem möglichen Übernahmeziel. Gleichzeitig gestaltet sich die Suche nach einem Partner in der Pharma-Sparte als schwierig.

Zwei Drittel Kursverlust in zwölf Monaten

Den mehr als 450.000 Bayer-Aktionären ist das Lachen vergangen. Am Mittwoch stand das Papier erneut unter Druck und rutschte erstmals unter 11 Euro. Mit einer Börsenkapitalisierung von rund acht Milliarden Euro ist der Konzern unter den Dax-Werten ins Mittelfeld zurückgefallen und rangiert nur noch einen Platz vor dem Pharmaunternehmen Schering. Innerhalb von zwölf Monaten haben die Aktionäre zwei Drittel ihres Vermögens verloren. Allein seit Dienstag vergangener Woche hat die Aktie rund 35 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Der Ludwigshafener Konkurrent BASF  ist an der Börse inzwischen doppelt so viel wert wie Bayer.

Hauptgrund für drastischen Kurseinbruch ist nach Einschätzung von Andreas Theisen von der WestLB Panmure nicht der Lipobay-Skandal als solcher. "Das Problem ist vielmehr die Unmöglichkeit, den Schaden zu quantifizieren". Erste Anhaltungspunkte könnte der Ausgang des ersten Lipobay-Prozesses in den USA voraussichtlich in zwei Wochen geben. Insgesamt sind 7800 Klagen eingereicht worden. Mit 450 Klägern einigte sich Bayer auf einen Vergleich und zahlte hierfür 125 Millionen Dollar.

Bayer beteuert seine Unschuld

Der Konzern hat indes erneut Vorwürfe zurückgewiesen, schon lange vor dem Rückruf des Cholesterinsenkers Lipobay von möglichen Gefahren im Zusammenhang mit dem Medikament gewusst zu haben.

"Das ist nicht der Fall", teilte Bayer am Mittwoch in Leverkusen mit. Zudem sei die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA immer über alle relevanten Sicherheitshinweise informiert worden. Die von Anwälten der Kläger veröffentlichten Dokumente seien aus dem Zusammenhang gerissen.

Die "New York Times" hatte am vergangenen Wochenende unter Berufung auf Dokumente aus dem ersten Schadensersatzprozess um den Cholesterinsenker berichtet, Bayer habe bereits 1997 von möglichen Problemen durch die Einnahme höherer Dosen des Medikaments gewusst.

Im August 2001 hatte das Unternehmen den Blutfettsenker Lipobay vom Markt genommen. Das Medikament steht im Verdacht, für den Tod von weltweit 100 Patienten mit verantwortlich zu sein. Bayer beteuert immer wieder seine Unschuld: Auf alle Gefahren und Nebenwirkungen bei der Einnahme von Lipobay sei in Beipackzetteln hingewiesen worden. Die Rücknahme des Medikaments, das in den USA unter der Marke Baycol vermarktet wurde, hatte den Konzern in eine tiefe Krise gestürzt. In der Pharmasparte gehörte Lipobay zu einem Milliarden-Umsatzbringer.

Folgt jetzt die feindliche Übernahme?

Die Affäre hatte den damaligen Bayer-Chef und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Schneider veranlasst, die Pharmasparte komplett auf den Prüfstand zu stellen. Gleichzeitig wurde der Konzern umgekrempelt: Die vier Sparten erhielten größere Selbstständigkeit und wurden als Tochterfirmen und dem Dach einer Konzernholding gebündelt. Von dem Konglomerat hat sich Bayer nicht verabschiedet - ein Umstand, den das Unternehmen jetzt angesichts des niedrigen Kursniveaus vor einer feindlichen Übernahme ebenso schützen könnte wie die unabschätzbaren Folgen aus der Lipobay-Krise.

Während Bayer beim Pflanzenschutz und bei Polymeren zur Weltspitze gehört, sind die Perspektiven in der Pharmasparte offen. Ein Partner für die Sparte ist noch nicht gefunden. Den Führungsanspruch in dieser Branche hat Bayer längst aufgegeben.

Anwalt sieht Bayer als Opfer politischer Spannungen

Der bekannte Rechtsanwalt Michael Witti sieht indes die Firma als Opfer deutsch-amerikanischer Spannungen. "Aus meiner Sicht sind die Vorwürfe, über die die 'New York Times' berichtet, nichts unerwartet Neues", sagte er in einem Gespräch mit der "Financial Times Deutschland" (Mittwochausgabe). "Das ist die übliche amerikanische Anwaltsstrategie, parallel zu einem Verfahren die Medien zu bedienen, um Druck auszuüben. Die nutzen zwei Faktoren gezielt aus: die politischen deutsch-amerikanischen Spannungen und die allgemeine Bayer-feindliche Stimmung in den USA".

Analysten befürchten Forderungen in Milliardenhöhe

Analysten von Merrill Lynch schätzten die möglichen Forderungen an Bayer, abhängig vom Ausgang der Gerichtsverfahren, auf bis zu fünf Milliarden Euro. Credit Suisse First Boston sieht im schlimmsten Fall sogar Zahlungen von bis zu zehn Milliarden Euro auf Bayer zukommen. Die Hauptfrage sei, ob Bayer ausreichend versichert sei, sagte Michael Butscher von der Bayerischen Landesbank. Ein Bayer-Sprecher betonte, Bayer sehe nach wie vor keine Notwendigkeit für Rückstellungen im Zusammenhang mit Lipobay. Der Konzern sei im industrieüblichen Umfang versichert.

Der Anwalt des Leverkusener Chemie- und Pharmakonzerns wies die in den Medienberichten erhobenen Vorwürfe zurück. Die Anwälte der Kläger hätten Journalisten eine kleine Auswahl an Dokumenten gegeben, die "sehr schädlich für unser Image und sehr hilfreich für ihren Fall" gewesen seien. "Wir legen Dokumente vor, die zeigen, was wirklich passierte", betonte Bayer-Anwalt Beck. Bayer habe verantwortungsvoll und richtig, sowohl bei der Entwicklung als auch der Vermarktung des Medikaments gehandelt.

Sammelklage wird nicht ausgeschlossen

Gleichwohl sieht Beck den Ausgang des ersten Prozesses auf Schadensersatz im Zusammenhang mit Lipobay offenbar als offen an: "Wir glauben, dass wir gute Argumente haben, aber sie sind keine Garantie in einem Rechtsstreit in den USA." Beck erwartet in rund zwei Wochen eine Entscheidung in dem Verfahren, das Mitte vergangener Woche im texanischen Corpus Christi begonnen hatte. Ob eine Sammelklage im Zusammenhang mit Lipobay zugelassen werde, sei noch nicht endgültig entschieden, sagte eine Bayer-Sprecherin.  

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